Sicherheit und Bürgernähe

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Dorfwächter oder Häscher im Voll- oder Nebenamt sowie die Gassengerichte für die Durchsetzung und den Vollzug.21 Ihre Hauptaufgabe bestand in der Überwachung und Wegweisung des sogenannten Gesindels. Darunter fielen Bettler, Hausierer sowie Schriften- und Heimatlose. Im Protokoll des Grossen Rats vom 29. April 1803 heisst es: Der herumstreichenden Gesindel wegen soll ein Edict verlesen werden folgenden Haupt-Inhalts: Jede Gemeinde soll einen Häscher stellen, einen GemeindeVorsteher als Polizei-Aufseher verordnen, die Pässe von selbigem untersucht werden, und was verdächtig erscheint, soll der Häscher ohne weiteres zum Land hinaus schaffen.22

Die Konkurrenz zwischen zentralem Landesregiment und den Kirchhören oder Gemeinden, die ihre Autonomie bewahren wollten, hatte zusehends Auswirkungen auf die Verwaltung. Verrechtlichungsbemühungen und Ratio­ nalisierungmassnahmen, wie sie in den diversen Ausserrhoder Verfassungen des 19. Jahrhunderts zum Ausdruck kommen, führten auch zu einem Trans­ formationsprozess in der Bürokratie.23 Am Ende dieser Entwicklung entstand eine Polizeibehörde, zunächst in der Gemeinde, danach auf kantonaler Ebene, deren Personal speziell geschult, uniformiert, hierarchisch gegliedert und vom übrigen Beamtenapparat abgesondert wurde. Schutz und Sicherheit wur­ den nun die zentralen Aufgabenbereiche, die mit Zwang durchgesetzt werden konnten. Gesetzlich galt und gilt bis heute das Prinzip der Notwendigkeit und der Verhältnismässigkeit. Durch den Wegfall des Wohlfahrtszwecks, der die «gute Policey» vormals geprägt hatte, fielen die verwaltungspolizeilichen Auf­ träge wie Hygiene- oder Feuerpolizei weg. Diese Spezialisierung und Profes­ sionalisierung verengte die Definition von Polizei und reduzierte sie auf die uniformierten Funktionäre, was unseren heutigen Vorstellungen einer institu­ tionalisierten Polizei entspricht.24

Forschungsstand Nach der wegweisenden Studie von Hans Maier zur «guten Policey», erstmals 1966 unter dem Titel «Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre» pu­ bliziert, vergingen drei Jahrzehnte, bis man im deutschen Sprachraum das Po­ tenzial dieses Forschungsgebiets erkannte. Das lange wissenschaftliche Des­ interesse an der frühneuzeitlichen Polizeiliteratur verortet Maier im Sinnesund Bedeutungswandel des 19. Jahrhunderts, der die Polizei auf ihre repres­ sive Funktion reduzierte. Die theoretischen Arbeiten zur Polizei, aber ins­ besondere die zahlreichen Polizeiordnungen galten als «weitschweifende Aufhäufung der unterschiedlichsten Materien», die als «gedankenarm und

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