Notwendigkeit und Pflichtgefühl
Der Schriftsteller Friedrich Glauser (1896–1938) hat, ob willentlich oder zufäl lig, in seinem letzten Wachtmeister-Studer-Kriminalroman «Die Speiche» der Polizei von Appenzell Ausserrhoden ein literarisches Denkmal gesetzt. Die Geschichte spielt 1931 in der fiktiven Vorderländer Gemeinde Schwarzenstein. Glauser kannte die Gegend gut, nachdem er mehrere Wochen lang bei der Fa milie seiner Verlobten im appenzellischen Grub zu Besuch gewesen war.1 Als Autor mit einem feinen Sensorium für Details, fiel ihm schnell auf, dass die Polizei in Appenzell Ausserrhoden etwas Besonderes war. Dass er seinen be häbigen und grüblerischen Wachtmeister Studer daran kurzzeitig verzweifeln liess, ist wohl mehr der Dramaturgie des Romans als der Realität geschuldet. Trotzdem liegt darin ein Quäntchen Wahrheit. Denn es musste einen Berner Kantonspolizeiwachtmeister irritieren, dass es zu dieser Zeit in Appenzell Ausserrhoden für Mordermittlungen keine spezialisierte Kriminalpolizei gab. Stattdessen traf er auf studierte Juristen, was die Stimmung des erfahrenen Er mittlers Studer nachhaltig beeinflusste. Dem Wachtmeister war das Spiel plötzlich verleidet. Studer hätte keinen Grund für seine plötzliche Müdigkeit angeben können. Er hatte den Verleider! Basta! Morgen kam der Verhörrichter mit seinem Aktuar und dem Chef der Appenzeller Kantonspolizei.2
Mordermittlungen, wie in «Die Speiche» beschrieben, wurden in Appenzell Ausserrhoden zu jener Zeit, nicht etwa – wie anderswo üblich – von Fahndern der Kantonspolizei durchgeführt, sondern vom Verhörrichter, einem Unter suchungsrichter, und seinem Aktuar als Stellvertreter. Beide waren ausgebil dete Juristen, also «studierte Herren» wie sich Studer ausdrückt, aber keine 14