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Wässriges Farberleben
Am Freitag klingt ein Lied durch den Kindergarten: «Ein Farbenbogen steht gespannt, schaut wie er leuchtet übers Land. Er ist so rot, blau, gelb und grün, könnt ich doch seine Strassen ziehn.»
Auf dem Tisch liegen die zuvor eingelegten Aquarellblätter auf den Malbrettern bereit. Daneben stehen ein Wasserglas, ein kleiner Lappen und die drei Grundfarben Gelb, Rot und Blau. Wenn alle sitzen und die Malschürzen angezogen sind, bekommt jedes Kind einen Pinsel in die Hand.
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«Das isch de Pinselmaa, am liebschte malt er alles aa. Zerscht seit er Grüezi mittenang und stricht ganz fiin über jedi Hand. Denn kützlet er de Nasespitz, dä luusig luusig Pinselfritz. Denn macht er sich hurtig nass, seit am Gleslirand adee, adee und tröchnet z Füessli ab. Ganz vorsichtig mit de Zeihespitze geit er i d Farb, seit am Gleslirand adee adee und geitt ufem Papier go spaziere.» Nochmals klingt nun unser Regenbogenlied durch den Kindergarten, und die Kinder fangen in einer ruhigen Atmosphäre an zu malen.
Die Kinder dürfen ohne Vorgaben malen und ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Durch die Technik «Nass in Nass» hat das Malen ein fliessendes Element und bietet den Kindern ein sich immer wandelndes Farberleben. Die Kinder können ganz in die Farbenwelt eintauchen, werden innerlich regsam, was harmonisierend wirkt. So ist es jeweils ein ruhiges, emsiges Schaffen. Das Malen mit den Aquarellfarben spricht die Seele an, es ist kein gegenständliches Malen, sondern ein fliessendes seelisches Element. Die Farben sind zart und haben dennoch eine grosse Leuchtkraft. Sie fliessen ineinander, vermischen sich, und neue Farben entstehen. So können die Kinder die Gesetzmässigkeiten der Farben erleben und begreifen ohne erklärende Worte. Immer mal wieder schallt ein Jauchzer über den Tisch: «Ich weiss jetzt, wie es Violett gibt,» oder: «Oh schau, mit Gelb und Blau habe ich dieses schöne Grün gemacht». Voller innerer Zufriedenheit wird das fertige Bild zum Trocknen weggebracht. Wenn wir die trockenen Bilder dann anschauen, ist die Freude jeweils gross. «Oh schau, dieses schöne Bild habe ich gemalt!» Oft verändert sich das Bild beim Trocknen nochmals und es ist jedes Mal eine schöne Überraschung.