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Erlebnispädagogik ist Lernen mit Kopf, Herz und Hand
Erlebnispädagogik ist ein sehr breites Feld und umfasst Unterrichtssituationen im Schulzimmer, Turnunterricht oder Handarbeiten und im Besonderen ausserhalb der Schulzimmer im Schulgarten, Wald oder auf dem Acker. Es sind Unterrichtsanlässe und -orte, die ein ganzheitliches, handlungsorientiertes Lernen ermöglichen und Emotionen bewirken, welche in den Schulbänken in dieser Art und in dieser Stärke nicht möglich sind.
Wenn wir uns an unsere eigene Schulzeit zurückerinnern, sind es doch gerade diese Erlebnisse, die sich uns für immer ins Gedächtnis und in unsere Herzen eingeprägt haben, weil sie eine aussergewöhnliche Bedeutung und damit einen besonderen Wert in unserer Schulzeit, für unser Lernen und letztlich in unserem Leben hatten und haben. Es sind Momente, in denen die Kinder selbst etwas erfahren und Selbstwirksamkeit erleben dürfen. Sie gewinnen dadurch Selbstvertrauen und ihr Selbstwertgefühl wird gestärkt. Meist sind es auch Situationen, in denen das Kooperieren mit den anderen ganz entscheidend zum Ausführen und Gelingen des Vorhabens oder Auftrages beiträgt, es muss erfolgreich kommuniziert werden und alle müssen als Team am gleichen Strick in die gleiche Richtung ziehen, um das Ziel verfolgen und schliesslich erreichen zu können. Es ist ein Lernen unmittelbar an der Sache und nicht über Erzählungen, Texte oder andere Medien.
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Schwerpunkt: Einblicke in den Schulalltag
So oder so ähnlich sagte schon Konfuzius vor rund 2500 Jahren. Pestalozzi prägte als Pädagoge das KopfHerz-Hand-Prinzip und beschrieb damit vor rund 200 Jahren die Phänomenologie des Lernens, die zeitlos aktuell ist. Durch die Bildungsforschung und Lernpsychologie werden ständig weitere Aspekte erforscht und entwickelt. Auch wenn der Begriff «Erlebnispädagogik» bei Rudolf Steiner nicht explizit auftaucht, so finden sich im Lehrplan der Waldorfpädagogik doch eine Vielzahl von Elementen:
Holzwerken, Handarbeiten, Gartenbau, Musizieren und Malen gehören zum Unterricht, genauso wie besondere Projekte in den verschiedenen Jahrgangsstufen.






Vom Bauernhofbesuch und der Feldarbeit vom Säen bis zur Ernte und der anschliessenden Weiterverarbeitung des Korns zum Brot in der Unterstufe bis zum Schmieden, Kupfertreiben, Plastizieren, Steinmetzen in der Oberstufe.
Von Forst- und Sozialpraktika als Klassenprojekte über individuelle Berufspraktika bis zu Theateraufführungen und 12.-Klassarbeiten: Die Erlebnispädagogik ist an unserer Schule nicht nur erwünscht, sondern sie ist in ihren Grundlagen verankert und wird täglich praktiziert.

Im Frühling 2022 widmete sich unser Kollegium im Rahmen einer Weiterbildung der Erlebnispädagogik, um sie neu zu greifen und weiter auszubauen. Dank einer Erbschaft konnte der Verwaltungskreis Gelder sprechen, um mit Kornel Szentgroti, unserem ehemaligen Werklehrer, der sich in den letzten Jahren zum Erlebnispädagogen weitergebildet hatte, erneut in einem kleinen Pensum anzustellen. Gemeinsam mit ihm, mit seinem Wissen und Können und mit seiner Erfahrung sollen die erlebnispädagogischen Elemente ausgeweitet, von ihm unterstützt und teilweise mit ihm umgesetzt werden. Auch soll unser Schulgelände immer mehr als Betätigungsfeld genutzt und seine Pflege vermehrt in den Schulalltag integriert werden.
Matthias Lüthy
Erlebnispädagogik: Was ist das überhaupt? Was will sie?
Ja, was ist Erlebnispädagogik an unserer Schule? Vieles davon lebt bereits seit jeher und sehr stark an unserer Schule. Ich denke alleine schon daran, dass wir im Jahreslauf unsere lebendig und kreativ gestalteten Feste feiern, wie z. B. Johanni, Michaeli oder St. Martin, welche explizit draussen stattfinden.
Wald- und Naturtage im Kindergarten und in den untersten Klassen lassen die Kinder tief eintauchen in ein Feld, das noch ursprünglich und gesund ist, wo Kinder sinnliche Verlassen ihrer «Komfortzone» zu begleiten. Da erscheint ihnen zunächst alles gefährlich, schmutzig und fremd. Es regnet und die Elemente von Wind und Wetter brechen über einen herein, eine Fliege, Wespe oder ein Käfer werden im ersten Moment zur Gefahr, zu etwas, was einem Angst macht.


Die Beine scheinen anfangs «die Kleinen»gar nicht so weit in den Wald tragen zu wollen. Doch nach und nach werden sie stärker und vertrauter damit, entwickeln Mut, auch einmal allein durch den Wald zu streifen und zu erkunden, was es da alles gibt. Wie heisst diese Blume, wie fühlt es sich an, eine Blindschleiche in der Hand zu halten?
Lassen wir den Blick nun etwas darüber schweifen, was wir an unserer Schule in diesem Jahr schon ausprobiert haben.
Da gibt es auch ganz unscheinbare Elemente, wie z. B. den Einbezug unserer Kinder in die Pflege des grossen Schulareals. Verblüffende Erfahrungen machten wir beim Jäten einer vor Jahren gebauten «Kräuterspirale». Anfangs brauchte es einiges an Durchhaltewillen meinerseits und auch von Seiten der Schüler:innen, war es doch mühsam, sich auf den Knien die Hände schmutzig zu machen. Die meisten Kinder fanden es nicht einfach, sich darauf einzulassen, und auch ich musste zu meiner Laune Sorge tragen, die Kinder nicht zu fest «antreiben» und das Schimpfen der Kinder auszuhalten. Am zweiten Morgen passierte plötzlich unerwartet viel, die Kinder machten einen gesunden Wettbewerb daraus, Bäumchen auszugraben, die da nicht stehen sollten: Ehrgeiz und Arbeitseifer waren plötzlich einfach da, wie wenn es nie was anderes gegeben hätte. Am nächsten Tag kam ein Schüler mit zehn verschiedenen Samensorten in die Schule, um die gejätete Fläche zu begrünen, und Steine wurden herbeigeschafft, um das Ganze noch kreativ zu verschönern. Wohlverstanden, dies geschah alles ohne irgendwelche Anweisung oder Anordnung meinerseits, sondern ganz aus dem Potenzial der Kinder heraus.
Schlussendlich durfte ich als Pädagoge einfach dabei sein und staunen, was alles möglich wird, wenn das «Eis mal gebrochen ist».
Lasst uns all die Sachen draussen tun und wieder mehr mit «Mutter Erde» oder, wie die indigenen Völker sagen, mit «Pacha Mama» in Kontakt treten. Sie hat es bitter nötig und wird es uns danken, und wir werden dabei vieles lernen, was uns niemand beibringen kann, weil es bereits in uns steckt und nur zum Leben erweckt werden muss.
Kornel
Szentgroti