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Wie auf der Range, so auch auf dem Platz

Das Phänomen ist nur allzu bekannt: auf der Range fliegen die Bälle perfekt, und voller Hoffnungen, locker und gelöst schreitet der Spieler anschliessend auf den ersten Abschlag, wo eine wundersame Verwandlung stattfindet. Nicht nur an der veränderten Körpersprache, sondern auch am entsprechenden Ballflug lässt sich ablesen, dass Verkrampfung und Angst die ursprüngliche Lockerheit abgelöst hat. Was liegt am Ursprung dieser negativen Entwicklung? Ganz einfach: Der Spieler steht falsch zum Ball – einstellungsmässig!

Mit möglichst viel Schlägerkopfgeschwindigkeit den Ball auf der Hinterseite an dem Punkt zu treffen, der ihn geradeaus in einer perfekten Flugbahn zum Ziel bewegt, so bringt Marcus Knight den Job des Golfers auf den Punkt. Praktisch jedermann ist dazu in der Lage, entsprechend den individuellen physischen Fähigkeiten, mit mehr oder weniger Power. Um den erwünschten Effekt zu erzielen, muss auch die Technik nicht absolut perfekt sein, denn der Ball bewertet den Schwung nicht, sondern die Kugel reagiert nur darauf, wie sie beim Impact getroffen wird. Ein hoher Clubhead-Speed ist mit Lockerheit verbunden. Jegliche Verkrampfung wirkt hemmend, bildlich gesprochen wie das Autofahren mit angezogener Handbremse. Wer möchte so Golf spielen? Verklemmt, ängstlich, den Ball defensiv über den Parcours steuernd und drückend, aus Furcht einen Fehler zu begehen. Alle sind dieser Gefahr ausgeliefert, denn was auf der Driving Range leicht fällt, entpuppt sich auf dem Parcours als fast unüberwindliches Hindernis: befreit, couragiert und offensiv aufzuspielen.

Der Fluch der 36 Punkte

Hat man Golf zu spielen begonnen, um als verkrampfter Angsthase seinem Hobby zu frönen? Entspricht der Spass auf dem Platz dem Vergnügen, das eine Barbecue-Party mit Freunden bereiten würde? Es liegt auf der Hand, wie die

Antworten auf diese Fragen lauten müssten. Dennoch verhalten sich die meisten Golfer nicht dem entsprechend. Neidisch blicken sie auf die Junioren, die, obwohl überschwingend und fast aus den Schuhen stürzend, mit unbekümmerter Lockerheit erstaunliche Schläge produzieren. Man hätte früher mit dem Golf anfangen sollen, lautet dann Fazit in der Verkennung des zentralen Umstandes, dass die Jungen beim Spielen nicht an die Konsequenzen ihres Tuns denken, sondern frisch drauflos den Schläger einfach laufen lassen. Der Mangel liegt also in erster Linie nicht in der Technik, sondern im Kopf, in der Einstellung zum Spiel.

Die magischen 36 Punkte im Stableford-Spiel sind für Marcus Knight das Sinnbild des Irrweges, der zu einem Verhalten führt, das sich im Buchhalterstil nur nach dem Durchschnittlichen ausrichtet. Das aus Angst, dass das Handicap um 0,1 Punkte steigen könnte. «33 Punkte mit drei gestrichenen Löchern», so lautet etwa das Fazit eines insgesamt (selbst)zufriedenen Turnierspielers. Dass er aber den Ball die ganze Runde lang mit angezogener Handbremse über den Parcours gestossen hat, immer ängstlich darauf bedacht, ja keinen Fehler zu begehen – davon ist keine Rede. Dass er im Vorfeld auf der Range seine Spielpartner mit imposanten Schlägen beeindruckt und auf dem Putting Green aus einer schwierigen Lage mutig eingelocht hat, um anschliessend auf dem Parcours aus ähnlicher Position aus lauter

Angst vor einem Dreiputt das Loch am Ende prompt zu streichen, ebenfalls nicht.

Warum also spielen die meisten Golfer auf dem Platz nicht das Golf, zu dem sie imstand sind? Warum versuchen sie nicht immer den bestmöglichen Schlag zu spielen, sondern stehen sich aufs Neue immer selber im Weg und geben sich mit Halbheiten zufrieden, die in Wahrheit frustrieren und den Spass am Spiel vergällen?

Es ist absurd, dass einem das Angst macht, was man sich eigentlich zum Freizeitvergnügen ausgewählt hat. Das Problem liegt wie schon erwähnt nicht in der fehlenden Technik, sondern im Denkapparat. Marcus Knight betont, dass er in diesem Zusammenhang von eigenen Erfahrungen spricht, die ihn efffektiv dazu gebracht haben, das Turniergolf aufzugeben und sich als Golflehrer zu etablieren. Obwohl die Resultate es meist nicht verrieten, war er mit seinem Spiel zu oft unzufrieden, weil er den Ball, wie er sagt, rundenlang um den Platz steuerte, statt, wie es eigentlich sein Spielplan vorgesehen hätte, offensiv und zielgerichtet ans Werk zu gehen. Der Grund dazu liegt darin, dass auf dem Platz – im Unterschied zur Driving Range – viele Faktoren vom eigentlichen Ziel ablenken. Ein perfektes Course Management in Ehren, aber wer vor einem Schlag nur noch an Bäume, Wasser und Bunker denkt und ängstlich werweisst, wie er diesen Gefahren ausweichen kann, verliert den Fokus auf seine ursprüngliche Absicht. Nämlich immer entschlossen und mutig seinen besten Schlag zu zeigen.

Commitment

Gäbe es auf einer Driving Range die Möglichkeit, über ein Wasserhindernis auf eine Fahne zu spielen, so liesse sich jeder von dieser Aufgabe herausfordern und der Challenge würde freudig angenommen. Ganz anders auf dem Parcours. Dort verbreitet dieselbe Situation Angst und Schrecken, obwohl es sich exakt um denselben Schlag handelt. Der Unterschied zur Driving Range besteht darin, dass auf dem Platz falsch zum Ball gestanden wird. Und zwar hinsichtlich der Einstellung zum Schlag: Verkrampft wie das Kaninchen vor der Schlange, statt entschlossen, entspannt und mutig.

Wie kann sich ein Kaninchen in einen Löwen verwandeln? Das Schlüsselwort dazu heisst für Marcus Knight «Commitment». Der Begriff aus seiner Muttersprache bedeutet anvertrauen, festlegen, verpflichten. Vor jedem Schlag gilt es also, mit sich selber einen imaginären Vertrag zu unterzeichnen und die Verpflichtung einzugehen, den Ball nicht hasenfüssig vorwärts zu stossen, zu drücken und zu steuern, sondern den bestmöglichen Golfschlag zu spielen, der optimal dazu dient, das Ziel – nämlich das Loch – zu erreichen. Visualisieren, entschlossen das Commitment eingehen, schwingen: sich zu dieser Denkweise und diesem Vorgehen zu entscheiden, hat zur Folge, dass sich die Einstellung zum Golf und damit die Art zu spielen positiv verändert, sowohl psychisch wie physisch. Schliesslich hat man ja einmal mit der Absicht mit dem Spiel begonnen, dereinst ein wahrer Golfer zu werden und nicht bloss ein Ballschieber.

Das Commitment einzuhalten, bleibt eine stete Herausforderung. Das gilt für alle Spielerkategorien. Marcus Knight spricht in diesem Zusammenhang von seinem bevorstehenden Start beim Turnier der Challenge Tour in Wylihof.

Der zweite Abschlag hat es dort in sich: langes Par 4, rechts Wasser und in der Landezone auf der linken Seite Bunker und hohes Rough. Die Versuchung, den Ball zu steuern, ist dort für ihn gross, und er ist selber gespannt, ob er dort bei jeder Runde sein Commitment des vollen Angriffs umsetzen kann. Spielen mit der richtigen Einstellung – entschlossen, mutig, offensiv – bringt ohne Zweifel mehr Spass, als sich gehemmt und ängstlich mit durchschnittlichem Ballgeschiebe im Hinblick auf die ominösen 36 Stableford-Punkte abzuquälen. Natürlich ist die Befreiung im Kopf von schädlichem Ballast nur ein – allerdings mitentscheidendes – Element zu Erfolg und Spass beim Golf. Das andere Geheimnis liegt in einem Kübel voller Rangebällen. Commitment und stetes Training: mit dieser Mischung eröffnen sich neue Horizonte auf dem Parcours.

Welcher Drive ist der schwierigere? Der auf der Driving Range (Bild unten links) oder derjenige auf dem ersten Abschlag? Beide sind gleichwertig, nur ist auf dem Pacours die Ablenkung (Bäume, Bunker, Wasser) und davon herrührend die Angst, einen Fehler zu machen, ungleich grösser. Daher gilt es, auf dem Parcours entschlossen und mutig aufzutreten. Als bindender Auftrag dazu, wird vor dem Abschlag der imaginäre Vertrag, das Commitment, unterschrieben (oberes Bild).

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