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The Good, the Bad and the Ugly
Das war der Titel eines Sergio-Leone-Western aus den Siebziger Jahren, mit einer eingängigen Melodie, die jeder kennt. Clint Eastwood, Lee van Cleef, Ely Wallach.
Phil Mickelson, Tiger Woods, Colin Montgomerie. Dass die Amerikaner den Schotten mit seinem dunkelblonden Kraushaar ziemlich ugly (hässlich nämlich) finden, das kann man seit Jahren in allen Majors-Vorschauen der USBoulevardpresse nachlesen. Ungeniert macht man sich über ihn lustig, über sein Übergewicht, über seine antiamerikanischen Äusserungen und über seine Fähigkeit, keine Majors zu gewinnen. Monty, der ausserhalb des Golfplatzes ein liebenswerter, schlagfertiger Mensch ist, hat auch in Europa nicht nur Freunde; immerhin müssen wir ihm aber alle dankbar dafür sein, dass er dem alten Kontinent und der European Tour treu geblieben ist. Die meisten anderen charismatischen Figuren sind nach Übersee und zu den viel höheren Preisgeldern abgehauen. Und es hat sich gelohnt für Monty: zwar hat er nach grandiosem Spiel an den Open Championship im letzten Juli nicht ganz durchgehalten und auf den Schlusslöchern gegen den «Bad», gegen Tiger Woods eben, doch noch verloren. Wieder Zweiter an einem Major – doch zum Saisonschluss errang Montgomerie doch noch einen Titel. Oder besser sogar zwei: zuerst gewann er in St. Andrews die Dunhill Links Championship, und dann entschied er dank einem guten Auftritt am Volvo Masters auch die Order of Merit 2006 für sich. Man erinnert sich: er siegte im Jahresklassement zwischen 1993 und 1999 sieben Mal in Serie. Dieses Comeback eines bereits Abgeschriebenen ist erstaunlich und erfreulich; es zeigt, dass Golfer auch in etwas höherem Alter noch siegen können, und dass Übergewicht kein Hindernis beim Einlochen sein muss.
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Übergewicht hat der böse Bube, der ausserhalb des Golfplatzes ebenfalls ein liebenswerter, schlagfertiger Mensch ist, nicht zu bieten. Woods ist ein total austrainierter Athlet, der die 100 Meter unter 11 Sekunden laufen kann. Das macht er allerdings nie im Beisein der Öffentlichkeit, wie auch noch nie ein Journalist oder ein Fotograf Zugang bei seinem Krafttraining zugegen war. Wenn man seinen Körper aber mit demjenigen des Jünglings vergleicht, der im Herbst 1996 zu den Pros übergetreten ist, dann erkennt man die Veränderungen, die nur durch regelmässiges und ausgiebiges Krafttraining möglich waren. Fitness und Kraft dienen nicht nur der Länge vom Tee, sondern auch der Verletzungsprophylaxe. Aber vor allem der Weite: an den Tour Championship in Atlanta Anfang November, die vom über 43 Jahre alten Nobody Bart Bryant mit fünf Schlägen Vorsprung vor Woods gewonnen wurden, soll Tiger 36 der 56 Abschläge der vier Runden über 300 Yards weit geschossen haben. Am Schluss hatte er 10628024 Dollar auf dem Konto, was klar zum ersten Platz in der Money List reichte.
Colin Montgomeries 2,7 Mio Euro übrigens, umgerechnet zum Tageskurs, geben etwa 3,38 Mio Dollar, und damit wäre er in der Geldrangliste der US Tour immerhin Sechster geworden. Der letzte, der in der europäischen Order of Merit die Grenze der Qualifikation für nächstes Jahr schaffte, ist der allgemein unbeliebte Australier Terry Price, ein richtiger «ugly guy», der mit 176066 Euros Rang 115 belegte…
Bleibt Muttis Liebling. The good guy. Er gewann mit den PGA Championship im August sein zweites Major, wird jetzt endlich überall für voll genommen, macht grossartige Werbung für Callaway und blieb als einziger der Top-30 den Tour Championship fern (Ernie Els lässt sein operiertes Knie ausheilen). So weiss man von Phil Mickelson einzig, dass er keiner Fliege etwas zu leide tun kann und trotzdem ab und zu gewinnt. Er wird sicherlich in den Turnieren von Arizona und California im nächsten Winter wieder ganz vorne mitspielen, trotz seinem Übergewicht. Er wird freundlich lächeln, seine blonde Frau Amy herzen, seine Töchterchen im Arm halten (obschon diese fleissig wachsen) und Millionen scheffeln. Es zahlt sich aus, «nice guy» zu sein. Aber nächstes Jahr kommt bestimmt. Und da wird wieder Ryder Cup sein, und niemand macht Geschenke. Monty ist ein blendender Matchplay-Spieler, Tiger Woods hat Mann-gegen-Mann eine negative Bilanz. Soll man jetzt ins Krafttraining oder zum Mental-Guru? Phil Mickelson, der nicht nur ausserhalb des Golfplatzes ein liebenswerter, etwas tolpatschiger Mensch ist, ist im Nahkampf übrigens auch kein ausgesprochen robuster Kerl – obschon er im Wilden Westen zu Hause ist.
■ Urs Bretscher