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«Home of Golf» Der Routinier im

Routinier André Bossert hat mit der Qualifikation für das British Open in St. Andrews für den Glanzpunkt in einer aus helvetischer Sicht sonst an Höhepunkten nicht besonders reichen Saison gesorgt. Trotzdem: Für die Zukunft ist Hoffen erlaubt.

Anfangs sah es nach einem glorreichen Jahr für den Schweizer Golfsport aus. André Bossert eröffnete die Saison 2005 an der zur European Tour zählenden Dunhill Championship mit Platz 27. Kurz darauf sicherte sich der Zürcher an einem internationalen Qualifikationsturnier in Kapstadt als Zweiter einen Startplatz für das British Open in St. Andrews. Derweil belegte Nora Angehrn, die sich Ende 2004 überraschend die Tourkarte gesichert hatte, bei ihrem Debüt auf der Ladies European Tour (LET) gleich den 18. Rang, und Ronnie Zimmermann klassierte sich auf der Alps Tour mehrmals in den Top 10. Die Erfolgsserie der helvetischen Golf-Professionals hielt indes nicht lange an. Bossert erspielte sich später im Jahr nie mehr so viel Preisgeld wie beim ersten Einsatz. Angehrn geriet in eine Krise und überstand in den nächsten zwölf LET-Turnieren nur noch dreimal den Cut. Die jungen Genfer Julien Clément und Raphaël de Sousa mussten auf der Challenge Tour zuweilen bös unten durch. Und Ronnie Zimmermann verlor Mitte Juli nach einer Bän- derverletzung im Fuss die Stabilität in Schwung und zunehmend die Form, die ihn lange Zeit ausgezeichnet hatte.

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Bossy am Open

Kein Schweizer vermochte durch konstante Leistungen die volle Spielberechtigung für die European Tour zu erlangen; Nora Angehrn gelang es nicht, ihre Tourkarte zu verteidigen. «Obwohl im Sommer eine Zeit lang gar nichts mehr klappen wollte», wie sie selber zugab, zog die Zürcherin keineswegs eine negative Bilanz. Sie habe in ihrem ersten Profijahr viel gelernt und sei zuversichtlich, den Sprung auf die Tour wieder zu schaffen. Ähnlich optimistisch äusserte sich Julien Clément nach zwei Spitzenplätzen in der Endphase der Challenge Tour (5. und 9.). «Mein Spiel ist gut, nun ist konstante Arbeit und Geduld gefragt.»

Obwohl ihm in zwei Runden nur drei Birdies gelangen und er mit einem Gesamtskore von 7 über Par als 128. deutlich am Cut scheiterte, dürfte André Bossert sein zweiter Auftritt (nach 1994) am British Open für immer in Erinnerung bleiben. Das prestigeträchtigste Turnier Europas, wenn nicht der ganzen Welt fand nämlich in St. Andrews statt. Das Städtchen an der schottischen Ostküste gilt als «Home of Golf», der Old Course als berühmtester Golfplatz überhaupt. Das Event war auch sonst ein geschichtsträchtiges, weil Jack Nicklaus, der «erfolgreichste Golfer aller Zeiten», sein letztes MajorTurnier bestritt und mit Tiger Woods dessen potenzieller Nachfolger triumphierte. Der 42-jährige «Bossy» erlebte in St. Andrews also einiges. Das European Masters in Crans-Montana ist traditionsgemäss der Höhepunkt der Schweizer Golfsaison. Mit dem Spanier Sergio Garcia gewann auf dem Walliser Hochplateau einmal mehr ein ganz Grosser der Szene. Bossert bestätigte sich als nationale Nummer 1, doch mit dem 56. Platz war er nicht zufrieden. Der Routinier sprach von einem «enttäuschenden Wochenende. Ich packte meine Chancen nicht, aber wenigstens hatte ich Chancen. Insofern machte ich hier einen Schritt vorwärts.» Der zweite Schweizer, der den Cut überstand, war mit Marcus Knight ein «Überraschungsgast». Knight, der den Traum vom Weltklassespieler längst aufgegeben hat, arbeitet vollamtlich als Teaching Pro in Schönenberg. Letztlich fehlte ihm die physische und mentale Substanz für vier Runden auf diesem Niveau, sonst wäre mehr möglich gewesen als der 77. Rang. Von den jüngeren Schweizern vermochte sich in Crans-Montana keiner in den Vordergrund zu spielen.

Knight, der Fighter

Seine gute Form hatte Marcus Knight bereits mit seinem Sieg am Erlen Open und am Omnium, der gemeinsamen Schweizer Meisterschaft der Amateure und Profis, unter Beweis gestellt. Bei den Frauen schlug Florence Lüscher nach einem spannenden Zweikampf im Stechen Nora Angehrn. Die Bernerin Lüscher, die ihre Ausbildung zur Golflehrerin unterbrochen hat, um sich vermehrt ihrem eigenen Spiel zu widmen, hat in diesem Jahr grosse Fortschritte erzielt. Gleiches gilt für Jann Schmid: Der 24Jährige triumphierte im GC Limpachtal an der erstmals ausgetragenen Matchplay-Meisterschaft der Swiss PGA mit einer beeindruckenden Leistung. Der Lehrling in Schinznach Bad schlug unter anderem André Bossert (Viertelfinal) und Raphaël de Sousa (Final). Bei den Frauen revanchierte sich Angehrn an Lüscher für die Niederlage am Omnium.

Aus welcher Position die Schweizer Aushängeschilder im nächsten Jahr angreifen können, wird sich an der Qualifiying School der Männer in San Roque und der Frauen in Malaga zeigen (siehe Kasten). Unabhängig von den Resultaten in Spanien sind die langfristigen Perspektiven so schlecht nicht. Nationalcoach Graham Kaye, der sich künftig auch vermehrt um die Profis kümmern wird, ist jedenfalls optimistisch. Die Schweizer Golfer reifen traditionsgemäss langsamer als jene aus anderen Ländern, sagt der Engländer, «das mag mit unserem Ausbildungssystem und dem hohen Lebensstandard zusammenhängen».

Kaye traut sowohl Nora Angehrn als auch Julien Clément und Raphaël de Sousa sehr viel zu. Der Zürcherin attestiert er Durchsetzungsvermögen; sie müsse aber noch die eine oder andere Schwäche ausmerzen. Clément sei sehr begabt, meint der Nationalcoach. Genau wie de Sousa, der das Potenzial habe, ganz weit nach vorne zu kommen, brauche er nur ein Erfolgerlebnis, um durchzustarten.

«Alle drei sind jung», sagt Kaye, «das Ergebnis an der

Tour School hat deshalb keinen entscheidenden Einfluss auf ihre Karriere.» Der Brite ist also gleicher Meinung wie Ernie Els. Der Südafrikaner hat einst erklärt: «Golf ist kein Sprint – es ist ein langes Rennen.»

Drei Schweizer mit Tour-Kategorien

André Bossert figuriert 2006 in der Kategorie 14 der PGA European Tour. Der 42-jährige Zürcher beendete die Qualifying School in San Roque (Sp) im 55. Rang. Ohne die «Blackouts» am fünften Loch (6 über Par in vier Runden) hätte er Rang 23 belegt und die volle Spielberechtigung erhalten. Bossert steht beim Hong Kong Open Anfang Dezember bereits wieder im Einsatz Auch Julien Clément startet im Dezember zur Saison 2006 – auf der Challenge Tour in Mexiko und Argentinien. Clément figuriert als 69. des ChallengeTour-Klassements in der Kategorie 6 der Challenge Tour, womit ihm an allen Turnieren ein Startplatz garantiert ist. Raphaël de Sousa (Platz 117) startet nächstes Jahr in der Kategorie 10 und ist vorab bei den grossen Turnieren auf Einladungen angewiesen.

Nicolas Sulzer und Martin Rominger haben sich als Pro-Neulinge leider im Rahmen ihres Startes in der Q-School nicht durchsetzen können. Beide erreichten über gute Resultate in der ersten «Stage», wo sie in Bogogno starteten, die Zwischenrunde, wo sie aber den Cut nicht schafften, sich also nicht für die entscheidende dritte Runde in San Roque qualifizieren konnten. Sie werden nun als Playing Pros höchstwahrscheinlich über gute Resultate in den Alps-Tour-Turnieren versuchen müssen, sich die Karriereleiter hoch zu arbeiten.

Das Qualifikationsturnier für die Ladies European Tour – mit Nora Angehrn und Florence Lüscher am Start – hat erst nach Drucklegung dieser Ausgabe von «Golf Suisse» stattgefunden.

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