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Spezialist für Regeln und Rating

Der Präsident der Technischen Kommission der ASG ist eine einflussreiche und wichtige Persönlichkeit; er hat nicht zuletzt das gegenwärtig geltende System des Course Rating / Slope Rating in der Schweiz, dazu aber auch in Frankreich eingeführt. Paul Quéru. Aus Anlass seines bevorstehenden Rücktritts aus dem ASG-Vorstand spielte Redaktor

Jacques Houriet mit ihm einige Golf Holes, was immer auch Gelegenheit bietet, über dieses und jenes zu fachsimpeln.

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Man merkt ihm seine 75 Jahre längst nicht an; Paul Quéru geht mit der Dynamik eines Menschen in seinen Vierzigern zu Werke. Energischer Schritt, wache Augen – so wünscht man sich sein eigenes, späteres Alter ebenfalls. Allerdings hat auch Quéru bereits seine Erfahrungen mit der Vergänglichkeit der Gesundheit gemacht. Davon bemerkt man jedoch auf dem ersten Abschlag des Golfplatzes von Esery wenig. Leicht bedeckter Himmel, angenehme Temperaturen und ein von Wolken verhangener Mont Blanc, der hier, im Süden von Genf, zum ortsüblichen Panorama gehört. Von der traumhaften Aussicht abgelenkt worden zu sein, das fällt bei unserem Friendly Game als Ausrede für schlechte Schläge von mal weg. Paul Quéru schwingt kompakt, elegant, in schnellem Rhythmus – eigentlich alles Eigenschaften, die sei- ner gesamten Persönlichkeit entsprechen. Er trifft auf dem ersten Hole, einem Par 4 von 345 Metern Länge, locker den Fairway, während der von einer Irrfahrt auf der Anreise noch etwas gestresste Journalist es nicht schafft, den Ball unter Kontrolle und im Spiel zu halten. Die Situationskomik entlockt dem Gastgeber ein ironisches Lächeln… wir sind seit 15 Jahren befreundet, was ab und zu eine saloppe Bemerkung zum Spiel des andern tolerierbar macht. Denn, nicht wahr: mit einem Referee zu spielen, da empfiehlt es sich, auf der sicheren Seite der Grenzen von Regeln und Etikette zu bleiben. Quéru ist viel gereist als GolfSchiedsricher; und wie er ausführt, hat ihm das immer sehr gefallen. «Ich habe mich in der Rolle des Schiedsrichters immer wohl gefühlt, die Regeln haben einen Geist und eine Lo- gik, welche mir entsprechen. Strafschläge verhängen zu müssen, das hingegen habe ich immer gehasst!» Strafschläge kommen bei unserem Game nicht ins Spiel – im Leben und auf dem Golfplatz kennt Quéru nur eine Richtung. Geradeaus. So spielt er dieses erste Loch, notiert leicht und stressfrei ein Bogey, während sein Spielpartner aus der Redaktion von Golf Suisse den Ball schliesslich aufnimmt.

Die Begeisterung von Paul Quéru für alles, was mit den Golfregeln zu tun hat, wirkte sich für den Golfsport in der Schweiz durchaus positiv aus. «Zu Beginn der Neunziger Jahre lag alles, was mit dem Begriff Schiedsrichter zusammen hing, in den Händen der Captains. Eine Organisation, welche Schiedsrichter ausbildete, musste zuerst aufgebaut werden. Ich bin natürlich ein bisschen stolz dar- auf, da mitgearbeitet zu haben – die Pros zum Beispiel waren ausgesprochen glücklich darüber, dass die ASG da gehandelt hat. Heute haben wir rund 15 Schiedsrichter in der Schweiz.»

Auf dem folgenden Loch, einem Par 5, gibt sich Gelegenheit, dieses Thema zu vertiefen, nachdem wir beide den Fairway getroffen haben. «Wir organisieren alle zwei Jahre ein Regelseminar. Neben den eigentlichen Schiedsrichtern können wir heute auch auf diplomierte Regelexperten zählen, welche für den Einsatz in den Clubturnieren genau richtig disponiert sind. Auch die PGA hat ihre Ausbildung im Regelbereich intensiviert, was sich sicherlich positiv auf Regelkenntnisse und Etikette der Neugolfer auswirkt».

Paul ist mehr am Gespräch als an unserem Golfspiel interessiert; nach einem guten Approach ist ihm die mangelnde Konzentration beim Putten hinderlich. «Eines finde ich an den Regeln besonders spannend: um zu schummeln, muss man sie nämlich kennen! Vielleicht gibt es weniger Golfer, die wirklich schummeln, als man glaubt.»

Aber dafür viel mehr Ignoranten?

«Die Mehrheit der Golfspieler hat tatsächlich eher eine summarische Vorstellung des Inhalts der Regeln. Sie wollen hier auch nicht wirklich Fortschritte machen. Dafür trifft die Verantwortung aber eher das Management in den Clubs – insbesondere, was langsames Spiel angeht. Sanktionen werden ja kaum jemals ausgesprochen.»

Das lange Spiel von Paul Quéru verrät den Routinier, und ums Green herum ist er äusserst geschickt. Sein mittelmässiges Putten ist schuld daran, dass er punkto Score nicht brilliert. Es könnte auch sein, dass meine nächste Frage, die sich mit dem Course Rating befasst, seine Konzentration weiter stört.

«Ich spiele viel in Evian. Vor langer Zeit ist mir schon aufgefallen, dass viele Golfer dort an Turnieren teilnehmen, um ihr Handicap zu senken. Dieser Platz sollte so einfach sein? Ich schaute mich 1992 in den USA um, wo ein System in Kraft ist, welches solchen Missbrauch verhindern will. Frankreich war eines der ersten Länder Europas, wo eine ähnliche Methode eingeführt wurde, die wir heute eben Course Rating nennen. Eher auf der belustigenden Seite ist die Information, dass in Schottland alle Golfplätze vermessen worden sind, aber das System wurde bisher noch nicht eingeführt!»

Wir haben die ersten neun Holes von Esery schnell einmal gespielt – mit bescheidenen Scores, aber grossem Vergnügen. Wir setzen das Gespräch, jetzt mit Schwerpunkt Course Rating, im Clubhaus fort. «Ich war bei der Einführung des Systems in Frankreich mit dabei; das machte es anschliessend einfacher, das auch in der Schweiz zu tun. Fünf Jahre nahm die Vermessung aller Plätze in Anspruch – eine enorme Arbeit.» Die Resultate wurden denn auch allgemein mit Spannung erwartet, mit besonderer Beachtung der wirklich hohen Slope Ratings. Fünf Jahre später stellt sich die Frage, ob das neue System denn nun so viel bewegt hat. «Da bin ich sicher. Die Handicaps der Spieler sind heute genauer, entsprechen besser ihrer effektiven Spielstärke. Nichts ist perfekt; aber die Handicapverwaltung ist insgesamt einfacher und präziser geworden.»

Einige Clubs haben seither bereits eine Revision ihrer Slope Ratings beantragt. Dabei ist die Vorgehensweise nach wie vor sehr einfach: die Teams vermessen die Plätze nach den Vorgaben. Anschliessend werden alle Zahlen ins Computerprogramm gefüttert, welches die Werte ausrechnet. Nicht immer ist man gefühlsmässig überzeugt, dass diese Werte auch stimmen, was natürlich Diskussionen zur Folge hat. Am Schluss muss der Chef der Vermessungsequipe entscheiden. Was wir aber sicher wissen: nicht immer entsprechen diese Resultate den Erwartungen des Clubs!»

Die Vermessungstrupps stehen denn auch nicht selten unter einem gewissen Druck des Clubs. «Man präsentiert uns extrem hohes Rough und superschnelle Greens. Dabei wäre es am besten, einen Golfplatz in alltäglichem Durchschnittszustand beurteilen zu können.»

Die Methode ist heute nicht mehr auf dem gleichen Stand wie zu Beginn; Verbesserungen wurden integriert. Wie bei den Regeln gibt es auch hier jetzt Decisions, welche im Streitfall herangezogen werden können.

Nach einem spannenden und abwechslungsreichen Bummel über den Golfplatz verabschiede ich mich von meinem Gesprächspartner. Das Committment und die Kompetenz von Paul Quéru werden allen Personen, welche ihn kennen gelernt haben, in bester Erinnerung bleiben.

■ Jacques Houriet

Schneller als der Blitz

Paul Quéru war als Ingenieur während seiner beruflichen Laufbahn am CERN tätig, wo er unter anderem eine Maschine entwickelt hat, welche die Geschwindigkeit von Partikeln messen kann, die sich schneller als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Kein Wunder, dass er langsames Spiel hasst!

Mit Golf hat er vor bald 30 Jahren in Wales Bekanntschaft gemacht. «Die Schönheit der Landschaften, der Golfplätze beeindruckten mich am Anfang mehr als das Spiel selber.»

Doch mit den ersten Erfahrungen beim Schwingen eines Golfclubs kam auch der Virus, der ihn packte. Er spielte viel in Divonne, Evian und Esery, wo er 1990 eines der ersten Mitglieder wurde.

Bald kam die Liebe zu den Regeln dazu; 1988 bestand er in Paris die Prüfung als Schiedsrichter der FFG. Bald kam er in grossen Turnieren, wie dem US Senior Open, zum Einsatz. Mit 60 Jahren vorzeitig pensioniert, hatte er genug Zeit, beiden Beschäftigungen – dem Spiel und den Regeln – intensiv zu huldigen. Mit Erfolg, wie sein heutiges Handicap von 19 zeigt; er ist 75-jährig.

Sein grosser Wurf war zweifellos die Einführung des Course Rating in der Schweiz; in dieser Materie gilt er heute international als einer der führenden Experten.

Paul Quéru wird nach sechs Jahren auf die Delegiertenversammlung im Januar 2006 hin aus dem Vorstand der ASG, deren Vizepräsident er 2005 war, ausscheiden.

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