Surprise Nr. 463

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Strassenmagazin Nr. 463 15. bis 28. November 2019

CHF 6.–

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Justiz

Weggesperrt

In der Schweiz verschwinden Kleinkriminelle für Jahre hinter Gittern. Wie kann das sein? Seite 8


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TITELBILD: JOËL ROTH

Editorial

Im Zweifel gegen die Freiheit Immer mehr Menschen werden mit der «kleinen Verwahrung» nach Artikel 59 StGB weit über ihre Grundstrafe hinaus präventiv weggesperrt. Die Dynamik, die dahintersteht, ist bedenklich. Denn obwohl die Kriminalität in der Schweiz seit 2012 rückläufig ist, fühlen sich immer mehr Menschen unsicher, wie eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften von 2018 belegt. Gemäss der Studie haben Medienkonsum und politische Einstellung Einfluss auf das Empfinden: «Je weiter rechts sich Befragte verorten, umso eher sind sie der Meinung, dass Kriminalität ein Problem ist und umso eher werden höhere Strafen gefordert.» Als Folge davon müssen Richter mit öffentlicher Kritik rechnen, wenn sie Täter in die Freiheit entlassen und diese rückfällig werden – weshalb sie sich im Zweifel für den Freiheitsentzug entscheiden. Bei den Tätern in der kleinen Verwahrung handelt es sich oft auch um Menschen am Rand der Gesellschaft, Störenfriede und Obdachlose, mit denen die Öffentlichkeit schlicht keinen Umgang findet.

4 Aufgelesen 6 Vor Gericht

Spätfolgen des Hitzesommers

7 Auf Reisen

Seoul, Korea

8 Justiz

Kaum Hoffnung auf Freiheit

13 Kleine Verwahrung

«Das öffnet dem Missbrauch Tür und Tor»

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14 Homophobie

Verbotene Liebe

Nebenher wird der Begriff der Sicherheit ad absurdum geführt – denn die Verantwortlichen handeln aus einem Gefühl heraus, nicht mehr sicher zu sein mit einem Urteil, das juristisch stichfest ist. Sie handeln aus Angst vor der Gesellschaft. Ab Seite 8. Bekanntlich hilft ja vor allem der direkte Kontakt dabei, sich weniger vom Anderen bedroht zu fühlen. In Paris fühlen sich einige sogar so sicher, dass sie sich zum Pétanque-Spiel mit Wildfremden treffen oder sogar Obdachlose bei sich überwintern lassen. Eine App macht es möglich, dass sich Obdachlose und Anwohner im Quartier treffen und Bekanntschaften knüpfen. Es zeigt sich: Die Begegnungen quer durch die sozialen Schichten sind beiden ein Bedürfnis. Lesen Sie ab Seite 18.

DIANA FREI

Redaktorin

18 Obdachlosigkeit

Digitalisierung der Strasse

22 Culturescapes

Kraków farbenfroh

23 Die Schweiz schreibt

Leselust im Wohnzimmer

24 Kino

«Wenn alles weiss ist, liegt alles im Verborgenen»

27 Tour de Suisse Pörtner in Bümpliz 28 SurPlus Positive Firmen 29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren 30 Surprise-Porträt

«Plötzlich stand ich alleine da»

26 Veranstaltungen

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Aufgelesen

News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Schöne Krise «Wir Fotografen und Journalistinnen beeinflussen die Sicht auf die Welt enorm, je nach Bild, das wir zeigen.» Das gelte besonders für Krisengebiete, sagt Lorenzo Tugnoli, Pulitzer-Preisträger und Fotograf bei der Zeitung Washington Post. Denn in solchen Regionen seien die wenigsten Menschen schon gewesen, und so müssten sie notgedrungen den Medien vertrauen. Der Jemen ist ein solcher Ort. Tugnoli hat die Hungersnot dokumentiert – doch wollte er nicht bloss die Schrecken zeigen, sondern auch die Schönheit in der Krise. Ein heikles Unterfangen, wie er sagt: «Länder wie der Jemen sind für das Auge sehr beeindruckend, und man kann sich leicht ins Exotische verlieben.» Um Klischees zu vermeiden, reist Tugnoli immer wieder an denselben Ort zurück. «Nur so werden die Sujets vor der Kamera zu Menschen und bleiben nicht nur interessanter Stoff.»

MEGAPHONE, VANCOUVER

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«Welches Bild wir von Krisenregionen haben, entscheidet darüber, ob wir den Menschen dort helfen sollten.» Lorenzo Tugnoli, PulitzerGewinner 2019.

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ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

Kinder im Krieg Mehr als 1800 Kinder und Jugendliche wurden voriges Jahr in Somalia als Kindersoldaten rekrutiert. 89 Prozent der zivilen Opfer von Minen und Blindgängern in Afghanistan waren Kinder. In der Demokratischen Republik Kongo wurden Mädchen und Buben zwangsrekrutiert und erlitten sexuelle Gewalt. Alles nachzulesen in den Berichten des Kinderhilfswerkes der Vereinten Nationen UNICEF, dessen Forderung entsprechend deutlich ist: Es braucht einen besseren Schutz für Kinder in Konfliktgebieten überall auf der Welt. MEGAPHON, GRAZ

Notstand im Krankenhaus 13 Patienten oder Patientinnen muss in Deutschland eine einzige Pflegekraft im Durchschnitt gleichzeitig versorgen. Es fehlt bundesweit an schätzungsweise 100 000 Fachkräften. Derzeit gibt es in Deutschland 370 000 Vollzeitstellen für Pflegekräfte, etwa die Hälfte davon arbeitet in Teilzeit, gut 80 Prozent von ihnen sind Frauen. Die Situation in Deutschland ist übrigens besonders drastisch. In den Niederlanden kommen auf eine Fachkraft 7 Patienten, in Schweden 7,7, in der Schweiz 7,9. HINZ & KUNZT, HAMBURG

Kranke junge Menschen 3,5 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Österreich erleiden zumindest einmal im Leben eine psychische Erkrankung. Ein Viertel der 10- bis 18-jährigen Patienten und Patientinnen haben erste psychische Erkrankungen und mindestens die Hälfte von ihnen benötigt dringend fachärztliche Behandlung. Die österreichische Ärztekammer sprach angesichts dieser Situation von einem «Notstand».

MEGAPHON, GRAZ

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Vor Gericht

Spätfolgen des Hitzesommers 17. August 2018, Freitagnachmittag. Der 43-jährige Beschuldigte, er lebt auf dem Dorf im Zürcher Unterland, hatte in seinem Garten dürre Schnittabfälle rumliegen, die er verbrennen wollte. Schon länger. Aber eben: Hitzesommer, Dürre. Seit Wochen Feuerverbot. Er schaut auf der Website der Gemeindeverwaltung nach – und findet dazu: nichts. Entdeckt aber, dass das Verbot im Nachbarsdorf aufgehoben ist. Sein Haus steht beinah auf der Grenze. Inzwischen hatte es auch zwei, drei Mal geregnet. Sollte also in Ordnung gehen. Einen Wasserschlauch hält er beim Feuern sowieso immer bereit. Kaum brennt das Feuer, rückt die Feuerwehr mit Polizeistreife an. Und trifft auf den verdutzten Beschuldigten neben seinem Funken. Zu löschen gibt es nichts, kommt die Feuerwehr zum Schluss, alles harmlos. Niemand wusste genau, ob das Feuerverbot noch bestand. Wer Alarm geschlagen hatte, ist nicht bekannt. Am 26. April 2019 erhält er vom zuständigen Statthalteramt einen Strafbefehl wegen Übertretung von Paragraf 18 der Verordnung über den vorbeugenden Brandschutz. 200 Franken Busse, 250 Franken Gebühren. Das findet der Beschuldigte überzogen. Er habe sehr wohl für den «vorbeugenden Brandschutz» gesorgt. Er schätze die Natur. Er zieht die Sache weiter vor Bezirksgericht. Dort sagte der Beschuldigte dem zuständigen Einzelrichter vor zwei Wochen: Er sei doch vor allem hier, weil der Gemein-

derat in seinem Dorf es vertändelt habe, das Feuerverbot aufzuheben. Bei der Nachbarsgemeinde war man à jour. Nein, angerufen habe er nicht auf seiner Gemeindeverwaltung, sagt er auf Nachfrage des Richters. «Ich brauche kein Brief und Siegel, um etwas zu wissen, was auf der Hand liegt.» Er sei davon ausgegangen, dass das Feuerverbot nicht mehr gelte. Immer wieder kommt der Einzelrichter von seiner Bank hervor und legt dem Mann Akten vor. Das Klimabulletin des Bundes zum fraglichen Monat: Stabiler Hochdruck nördlich der Alpen. Extreme Trockensituation, zehn Hitzetage in Folge. Aus dem Feuerverbot zitiert er den Hinweis, dass eine Entspannung der Lage erst nach tagelangen Regenfällen zu erwarten sei. Dann das zweite Feuerverbot der Baudirektion – für Wälder und bis 200 Meter darüber hinaus ist der Kanton zuständig. Gemeinden entscheiden über den Rest. Das wusste der Beschuldigte nicht. Sagt nur: Aber der nächste Wald ist mehrere Kilometer weg. Und: «Gesetz ist Gesetz», da könne er wohl wenig ausrichten. Und so ist es. Was der Beschuldigte als Beweis seiner Sorgfalt vorbrachte, spricht nach Ansicht des Richters gegen ihn: dass er sich informieren wollte. Die eingegrenzte Feuerstelle, der Wasserschlauch – alles lobenswert. Zeige aber, dass dem Mann sehr wohl bewusst war: Es ist trocken. Das Feuer könnte um sich greifen. Dass er es durchaus für möglich gehalten hatte, dass das Feuerverbot noch bestand. Er hätte auf der Gemeinde anrufen müssen, auch am Freitagnachmittag. Insgesamt sei das eine schwere Sorgfaltspflichtverletzung. Es bleibt bei der Busse und den Gebühren. Plus 200 Franken für das Berufungsverfahren. Y VONNE KUNZ  ist Gerichtsreporterin

in Zürich. Surprise 463/19


ILLUSTRATION: SARAH WEISHAUPT

einer Kreuzung in Seouls Innenstadt und ist bekannt für seine elegante Strasse aus grossen Steinblöcken – ein schöner Ort, um dem stressigen Stadtleben zu entfliehen und sich ein wenig auszuruhen. Eine eher beängstigende Legende besagt, dass Paare, die zusammen diese Steinstrasse entlanggehen, sich am Ende trennen werden.

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Bester Ort zum Einkaufen Der Dong-myo-Markt zieht heutzutage vor allem Hipster an. Es gibt hier verschiedene trendige Läden, und die Besitzer verkaufen ihre Artikel zu sehr günstigen Preisen. Besonders bekannt ist ein Geschäft, das ganz seltene Antiquitäten wie Puppen, Kameras oder RetroSpiele verkauft. Wenn ich solche Gegenstände kaufe, habe ich immer das Gefühl, in das Leben und die Vergangenheit anderer Menschen einzutauchen. Es ist wie eine Zeitreise.

5 Auf Reisen

Seoul, Korea Unsere Reiseleitung: Yeong-su Moon wurde in Gimpo unweit von Seoul geboren. Seit fast dreizehn Jahren arbeitet er als Verkäufer von Big Issue Korea am Bahnhof Sindorim. Er ist dafür bekannt, dass er immer ein Lächeln für die vorübergehenden Menschen hat.

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Der beste Ort zum Essen und Trinken Der Yeon-seo-Markt ist in verschiedene Bereiche unterteilt, wie Fischrestaurants, koreanische Snackläden oder Strassenküchen. Du kannst frei wählen, was du essen möchtest. Der Markt ist für alle zugänglich, es gibt sehr viele Leute und man kann ganz leicht neue Bekanntschaften schliessen. Surprise 463/19

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Die beste Strasse Die Rak-hee Street wird auch «Silver District» genannt, weil die meisten Kunden hier ältere Menschen sind. Es hat sehr viele Kinos, die Filme aus den 1960er-Jahren zeigen, Cafés, die traditionellen koreanischen Tee verkaufen, oder öffentliche Toiletten, in denen ältere Menschen Vortritt haben. Gleich neben der Rak-hee Street befindet sich eine Strasse mit traditionellen koreanischen Häusern. Dieses Viertel hat sehr enge Gassen, daher ist es keine gute Idee, mit dem Auto dorthin zu fahren. Aber es ist eine gute Wahl, wenn Sie das Nebeneinander von traditionellen Gebäuden und moderner Atmosphäre erleben möchten.

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Mein Lieblingsplatz Der Deoksugung-Palast ist einer von fünf königlichen Palästen der letzten Dynastie Koreas. Er liegt an

Beste Reisezeit Jeder Tag in Korea ist ein guter Reisetag. Alle Jahreszeiten sind bei uns auf ihre ganz spezielle Art schön. Und doch ist der Herbst die beste Jahreszeit, da es dann viele Festivals gibt, wie z.B. das Weltfeuerwerk, das Musikfestival oder das Herbstlaubfestival. Auch das Wetter ist gut im Herbst. Es hat wenig Wind, der Himmel ist kaum bewölkt, und man kann bequem mit dem Fahrrad oder Bus reisen.

Interview von Jieun Jung THE BIG ISSUE KOREA No. 313, 1dong, 684, Tongil-ro, Eunpyeong-gu Seoul, South Korea 03371 bigissue.kr Mit freundlicher Unterstützung von INSP.ngo / The Big Issue UK bigissue.com @BigIssue

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Kaum Hoffnung auf Freiheit Justiz Ein einziges Gutachten reicht – und schon landen Kleinkriminelle

in der Schweiz für Jahre in geschlossenen Anstalten. Besonders betroffen sind Menschen am Rand der Gesellschaft. TEXT  SIMON JÄGGI ILLUSTRATIONEN JOËL ROTH

Einfach hatte es Florian Hauser nie. Von der Mutter verstossen, aus der Maurerlehre geflogen, Alkohol, Medikamentensucht, Obdachlosigkeit. Nach dem 20. Geburtstag verliert er zunehmend die Kontrolle über sich. Orientierungslos treibt er durch die Ostschweiz, sein Strafregister füllt sich. Diebstahl eines Portemonnaies, eingeschlagene Autoscheiben, Hausfriedensbruch, Drohungen. Immer wieder verurteilen ihn die Behörden zu kurzen Gefängnisstrafen. Zurück in der Freiheit dauert es nie lange bis zur nächsten Verhaftung. Hauser, der in Wirklichkeit anders heisst, wird zu einem Störenfried, stadtbekannt. Im Herbst 2015 entwendet er in Winterthur unter Einfluss von Alkohol und Medikamenten einen Lieferwagen und prallt einige hundert Meter weiter in ein parkiertes Fahrzeug. Die Polizei bringt ihn ins Untersuchungsgefängnis, das Gericht verurteilt ihn zu fünfzehn Monaten Gefängnis. Seither sind mehr als drei Jahre vergangen, seine Strafdauer hat Hauser längst verbüsst. Und doch lebt er noch immer hinter Gittern. Die Behörden betrachten ihn als Gefahr für die Gesellschaft. Möglich macht das Artikel 59 des Strafgesetzbuches. Wer als «psychisch schwer gestört» gilt, den können die Behörden für unbestimmte Zeit wegsperren. Ursprünglich für schwere Straftaten gedacht, wird diese stationäre Massnahme seit einigen Jahren immer mehr ausgeweitet: auf Kleinkriminelle, Randständige und Störenfriede. Der grösste Teil der Insassen hat keinen Berufsabschluss, ist arbeitslos und jünger als dreissig Jahre. Wer einmal in einer stationären Massnahme landet, findet oft erst nach vielen Jahren wieder einen Weg hinaus. Es war im vergangenen Sommer, als mich die Menschenrechtsorganisation Humanrights.ch kontaktierte. Sie berichtete von drei Personen, die sich in einer stationären Massnahme befinden. Allesamt junge Männer, Florian Hauser war einer von ihnen. Per Post und über die Anstaltszentralen nahm ich Kontakt auf. In den folgenden Wochen klingelte abends regelmässig mein Telefon. Am anderen Ende der Leitung erzählten die Männer von ihren Geschichten, repressiven Haftregimen und ihrer Wut auf ein übermächtiges System. Schritt für Schritt tauchte ich ein in eine mir unbekannte Schweizer Realität, wo Gutachter Kleinkriminelle zu Psychopathen machen und der Staat die Menschen auf unbestimmte Zeit in Zwangstherapien sperrt. In Artikel 59 des Strafgesetzbuches heisst es: Ist ein Täter psychisch schwer gestört, kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen – vorausgesetzt, das Verbrechen steht im Zusammenhang mit seiner Erkrankung und eine stationäre TheSurprise 463/19

rapie kann das Risiko für weitere Straftaten verringern. Eine Massnahme beträgt «in der Regel höchstens fünf Jahre». Doch nur ein kleiner Teil kommt nach fünf Jahren wieder in Freiheit, denn die Behörden können die Massnahme ohne Obergrenze verlängern. Es gibt Fälle, in denen Straftäter erst nach über zwanzig Jahren wieder aus einer Massnahme entlassen werden. Kein Zweitgutachten bei kleiner Verwahrung Der Gesetzesartikel 59 wurde 2007 eingeführt. Seither ist die Zahl der Urteile nach oben geschnellt: von 84 auf zuletzt 151 Verurteilungen pro Jahr. Gemäss der Konferenz der Kantonalen Justizund Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) befanden sich im Jahr 2016 rund 1000 Personen in einer Behandlungsmassnahme. Als Folge des steilen Anstiegs mangelt es schweizweit an Plätzen. Anfang 2017 warteten gemäss einer Erhebung der KKJPD mindestens 300 weitere Personen in sogenannter Organisationshaft auf einen freien Therapieplatz. Florian Hauser ist im Kanton St. Gallen untergebracht, im Massnahmenzentrum Bitzi. Das ist eine von drei Anstalten in der Schweiz, die ausschliesslich auf stationäre Massnahmen spezialisiert sind. Die meisten Betroffenen befinden sich in geschlossenen Spezialabteilungen innerhalb von gewöhnlichen Strafanstalten. Zwangsmedikationen und Isolationshaft gehören in vielen Anstalten zu den gängigen Mitteln, wenn Insassen nicht ausreichend kooperieren. Das Bitzi liegt umgeben von Wald und Wiesen mitten in einer Landwirtschaftszone. Viele hier verbringen die Massnahme im offenen Vollzug. Die Männer – Frauen gibt es keine – arbeiten tagsüber in einem der zugehörigen Betriebe. Auf dem Bauernhof oder in der Schlosserei, wo sie auch eine Berufslehre machen können. Wer sich an die Regeln hält, darf manchmal übers Wochenende Freunde oder Verwandte besuchen. Weil Hauser von einem solchen Kurzurlaub zwei Mal nicht freiwillig zurückkehrte, befindet er sich, nach einem Zwischenhalt im Flughafengefängnis Zürich, seit Anfang Jahr wieder in der geschlossenen Abteilung. Voraussetzung für die stationäre Massnahme war im Fall von Florian Hauser – wie bei allen anderen Betroffenen – ein psy­ chiatrisches Gutachten. Dieses hatte die Staatsanwaltschaft nach seiner Verhaftung in Auftrag gegeben. Der Gutachter diagnostiziert darin eine «dissoziale Persönlichkeitsstörung» und eine «Suchtmittelabhängigkeit». Er zeichnet das Bild eines stark gestörten Mannes, von dem eine Gefahr für die Gesellschaft ausgeht. 9


Hauser hatte für die Diagnose der Persönlichkeitsstörung von sechs Kriterien gerade einmal drei erfüllt – die Mindestanzahl. Ein standardisiertes Computerprogramm errechnete zudem die Erfolgsaussichten einer Therapie. Das Resultat: nicht vorhanden bis sehr gering. Doch davon liess sich der Gutachter nicht beirren. Für ihn war der Fall klar: «Zur Reduktion dieser hohen Rückfallgefahr kann gutachterlicherseits nur die Möglichkeit einer längerfristigen und eng strukturierten stationären Massnahme unter dem Dach des Art. 59 StGB gesehen werden.» Seither bestimmt dieser Satz das Leben von Florian Hauser. Ein Zweitgutachten ist für die kleine Verwahrung nicht vorgesehen. Angeklagte können selber eines in Auftrag geben, was aber mehrere 1000 Franken kostet. Die wenigsten können sich das leisten. Jedes Vertrauen verloren Im Massnahmenzentrum Bitzi öffnen Sicherheitsmitarbeiter die Schleuse zum Besucherraum, wenig später tritt durch eine zweite Tür Florian Hauser ein. Ein etwas untersetzter junger Mann mit dunklem Kinnbart und müdem Blick. Er schliesst das vergitterte Fenster, dann setzt er sich an den langen Besuchertisch. «Unschuldig bin ich nicht», sagt Hauser gleich zu Beginn. Er erzählt von seiner Mutter, die ihn nicht haben wollte und an die Gross10

mutter weitergab. Von den vielen unbeantworteten Briefen an seinen Vater, den er bis heute nicht kennengelernt hat. Von der Scham über die abgebrochene Lehre, der Wut über sein eigenes Scheitern und von den Diebstählen, mit denen er seine Alkoholsucht finanzierte. «Ich bin ein friedlicher Mensch», sagt Hauser. «Ich hatte einfach den Alkohol nicht im Griff. Damit versuchte ich alles zu verdrängen.» Der Alltag im Vollzugszentrum ist streng geregelt. Tagwacht 07.15 Uhr, eine Stunde später beginnt die Arbeit: Kondome verpacken, Handtücher verpacken, Schrauben auf Gewinde schrauben. Die Mittagspause dauert eine Stunde, dann Einschluss ins Zimmer für eine halbe Stunde. Abendessen um 17.05 Uhr, Medikamente einnehmen, um 20.45 Uhr Einschluss bis zum nächsten Morgen. Fünf Mal die Woche darf Hauser eine halbe Stunde im Hof drehen. Will er Besuch empfangen, muss er eine Woche im Voraus ein schriftliches Gesuch einreichen. Seit Hauser in der geschlossenen Abteilung sitzt, verweigert er die wöchentliche Therapie. «Wenn der Psychiater kommt, sage ich Hallo und Tschüss. Sonst kein Wort.» Er sagt, er habe jegliches Vertrauen verloren. Die Behörden, die Forensiker, die Betreuer, alle ziehen am selben Strick, sagt Hauser. «Die machen mit mir, was sie wollen. Ich bin total machtlos.» Surprise 463/19


Die wenigsten, die sich in einer stationären Massnahme befinden, sind durch einen Anwalt vertreten. Die Pflichtverteidiger legen ihr Mandat in der Regel nach dem Urteil nieder, so war es auch bei Hauser. Doch im vergangenen Jahr machte er sich auf die Suche nach Hilfe. Er schrieb verschiedene Menschenrechtsorganisationen an, unter anderem auch Humanrights.ch, die ihm einen neuen Anwalt zur Seite stellte. Dieser hat seither in mehreren Anträgen eine Entlassung von Hauser aus der Massnahme beantragt. Als Grund nennt er an erster Stelle die fehlende Verhältnismässigkeit, angesichts der Gefängnisstrafe von rund einem Jahr. Und zweitens, dass Hauser eine Therapie vehement ablehnt. Denn gemäss Gesetz muss eine Massnahme beendet werden, wenn sie keine Aussicht auf Verbesserung mehr verspricht. Als aussichtslos gilt eine Massnahme auch dann, wenn keine Therapie möglich ist. Manche sind schlicht nicht in der Lage dazu. Andere verweigern aus Kalkül, weil sie sich davon eine frühere Entlassung erhoffen. In den meisten Fällen dauert es einige Zeit, bis sich die Insassen auf eine Therapie einlassen. Wie lange ein Zuwarten legitim ist, darüber wird gestritten. Strafrechtler sagen, höchstens einige Monate. In der Praxis ist es oftmals deutlich länger.

«Ich bin ein friedlicher Mensch. Ich hatte einfach den Alkohol nicht im Griff.» FLORIAN HAUSER, INSASSE

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Behörden finden, die Gefahr sei zu gross Im Fall von Florian Hauser lehnten die Behörden bisher alle Anträge auf Aufhebung der Massnahme ab. Dabei verwiesen sie immer wieder auf die «schweren psychischen Beeinträchtigungen», die der Gutachter vor fünf Jahren diagnostiziert hatte. Sowie auf die beiden Kurzurlaube, von denen Hauser nicht zurückkehrte und bei denen er jeweils in stark alkoholisiertem Zustand bei der Polizei landete. Florian Hauser ist kein Einzelfall. Im Rahmen dieser Recherche sprach ich auch mit Martin Brunner, der mit richtigem Namen ebenfalls anders heisst. Der 24-Jährige wurde vor vier Jahren zu fünfzehn Monaten Gefängnis und einer stationären Massnahme verurteilt. Unter anderem wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte, Fahren ohne gültigen Fahrausweis, Konsum von Ecstasy und wiederholtem Vergehen gegen das Waffengesetz – er besass ohne Bewilligung ein Luftdruckgewehr. Als die Beamten das Gewehr beschlagnahmen wollten, holte er eine Handgranatenattrappe hervor und zog vor den Augen der Polizisten den Sicherungssplint. Brunner war zu jener Zeit bekennender Neonazi, davon distanziert er sich heute. Auf seinen Armen zeugen jedoch immer noch zahlreiche Tätowierungen von seiner damaligen Gesinnung. Brunner verweigerte die Therapie von Anfang an. Als Folge davon verschoben ihn die Behörden während vier Jahren quer durch die Schweiz, von einer Anstalt zur nächsten. Zuletzt verbrachte er ein halbes Jahr in einer gewöhnlichen Strafanstalt, da die Behörden für ihn keinen Platz im Massnahmenvollzug fanden. Er hat mehrere Suizidversuche hinter sich, verletzt sich selber und leidet unter Panikattacken. Auch in seinem Fall lehnten die Behörden bisher alle Anträge seiner Anwältin um Entlassung ab. Mit der Begründung, es bestehe «offensichtlich das ernsthafte Risiko schwerwiegender Delinquenz», bis hin zu «einer Tötungsgefahr». Die andauernde Therapieverweigerung bezeichnet die Justizbehörde als «Ausdruck seines diagnostizierten Störungsbildes», eine positive Entwicklung brauche «sehr viel Geduld». Kurzum: Die Gefahr, die von dem 24-Jährigen ausgehe, sei zu gross. 11


«Es will niemand verantwortlich gemacht werden, wenn es einmal zu einem Rückfall kommt. Das ist das Hauptproblem», sagt Konrad Jeker. Er ist Rechtsanwalt in Solothurn und vertritt seit Jahren Menschen in stationären Massnahmen. Er beobachtet, wie das Sicherheitsbedürfnis in der Gesellschaft zunimmt – eine Entwicklung, die auch Umfragen bestätigen. «Strafrecht wird zunehmend als Produzent von Sicherheit verstanden», schreibt der Strafrechtsprofessor Alexander Niggli in einem Aufsatz. Kommt es zu einem Verbrechen, stellt sich in der Öffentlichkeit sofort die Frage nach den Schuldigen. Die Luzerner Kantonsrichterin Marianne Heer sagte vor einigen Jahren gegenüber der Zeitschrift Beobachter: «Wenn Sie einen Täter freilassen oder eine Verwahrung aufheben, riskieren Sie Ihre Karriere. Wenn er rückfällig wird, können Sie Ihren Namen danach in grossen Lettern in der Zeitung lesen und müssen um Ihre Wiederwahl bangen.» Sie berichtet von Richterkollegen, die offen sagen, sie wollten Risiken, die mit dem Rückfall eines Täters verbunden sind, nicht auf sich nehmen. Aus Angst, damit ihre Karriere aufs Spiel zu setzen.

eine Wohnung stehe für ihn bereit. In einer neuen Stadt, mehrere Stunden von seinem alten Leben entfernt. Er wäre bereit, alle Auflagen einzuhalten. Auch in eine regelmässige Alkoholkon­ trolle würde er einwilligen. «Ich bin bereit für ein deliktfreies Leben ohne Alkohol. Alles, was ich brauche, ist ein guter Start in der Freiheit.» Doch die Behörden sehen das anders. Hauser bleibt unter Verschluss. Für wie viele Jahre noch – er weiss es nicht.

Sicherheit vor Freiheit? Laut Rechtsanwalt Jeker landen als Folge davon viele Menschen in einer Massnahme, die dort nicht hingehören. «Es sitzen unzählige Menschen in solchen Anstalten, die keine schwere psychische Störung im Sinne des Gesetzes haben.» Die psychiatrischen Gutachten seien in vielen Fällen ungenügend und erfüllten die medizinischen Kriterien nicht. Dazu Jeker: «Die Verantwortlichkeiten zwischen Richtern und Gutachtern sind so aufgeteilt, dass sich niemand verantwortlich fühlen muss. Und am Ende glauben die Beteiligten noch, sie würden dem Menschen mit einer Massnahme etwas Gutes tun.» Die Kritik an der Anwendung von Artikel 59 kommt nicht nur von Rechtsanwälten. 2016 pu­ blizierte die Universität Bern eine Studie zur kleinen Verwahrung. Darin kritisiert Studienleiter Jonas Weber: Unter der Sicherheitsorientierung der Behörden leiden die Grundrechte der Insassen. Bei manchen, die sich seit zehn oder mehr Jahren in einer Massnahme befinden, werde eine Entlassung gar nicht mehr geprüft (siehe Interview Seite 13). Das übersteigerte Bedürfnis nach Sicherheit und harten Strafen wird angeheizt von rechts-konservativen Politikerinnen und Politikern, die wiederkehrend eine Verschärfung des Strafrechts fordern und mit Kampfbegriffen wie «Kuscheljustiz» auf Wählerfang gehen. Ob DNA-Fichen, Sozialdetektive oder Verwahrung – immer mehr gilt: Sicherheit vor Freiheit. Schützenhilfe erhält die Politik von Boulevardmedien, denen kein Verbrechen zu schrecklich ist, um es nicht für Klickzahlen auszuschlachten. Jüngstes Beispiel: Die Tötung eines Buben in Basel, der auf dem Schulweg von einer älteren Frau erstochen wurde. «Wo waren die Verantwortlichen?», titelte daraufhin der Blick und: «Warum lief die Killerin frei herum?» Der gesellschaftliche Druck auf Staatsanwältinnen, Richter und Behörden nimmt zu. Zu spüren bekommen das letztlich die Angeklagten. Junge Männer wie Martin Wenger oder Florian Hauser. Mit dem eigenen Leben überfordert, psychisch angeschlagen, ausgeliefert. Sie sind die Bauernopfer einer Gesellschaft, die nach mehr Sicherheit verlangt und dafür immer tiefere Einschnitte in die Grundrechte in Kauf nimmt. Solange es nur die andern trifft. Hauser hat wenig Hoffnung auf baldige Freiheit, doch er betet jeden Abend dafür. Es gibt einen Onkel, sagt er. Bei dem könnte er nach seiner Entlassung sofort eine Arbeit bekommen, auch 12

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«Das öffnet dem Missbrauch Tür und Tor» Kleine Verwahrung Strafrechtsprofessor Jonas Weber von der Universität

Bern hat in einer Studie die Anwendung der stationären Massnahme gemäss Art. 59 StGB untersucht. Und übt deutliche Kritik an den Behörden. INTERVIEW  SIMON JÄGGI

minalität. Auch von der Eingangsvoraussetzung einer schweren psychischen Krankheit kommt man zunehmend weg. Manche Forensiker sind der Meinung, es brauche überhaupt keine Erkrankung im medizinischen Sinn mehr, eine auffällige Persönlichkeitsstruktur sei als Voraussetzung ausreichend. Da bin ich extrem kritisch. Wenn jemand nicht im medizinischen Sinn schwerkrank ist, dann gehört er nicht in eine Behandlungsmassnahme. Sonst öffnet das dem Missbrauch Tür und Tor.

Sie haben sich vertieft mit der Anwendung von Artikel 59 befasst. Was hat Sie am meisten irritiert? Fatal ist, dass es für einige psychische Erkrankungen an Therapieplätzen fehlt. Viele Täter warten monate- oder gar jahrelang im Strafvollzug auf den Beginn einer Therapie oder erhalten eine ungenügende Behandlung. Es herrscht grosser Mangel an Plätzen und qualifiziertem Personal im Bereich der forensischen Psychiatrie. Man müsste zusätzliche Plätze schaffen oder die Zahl der Massnahmen reduzieren.

Was sind die Gründe für diese Entwicklung? Sicherheit spielt eine immer grössere Rolle in der Gesellschaft. Viele Menschen in solchen Massnahmen haben zwar kein Kapitalverbrechen begangen, gelten aber als unberechenbar. Oft sind es Menschen in sehr prekären Lebensumständen. Obdachlose, Menschen am Rand der Gesellschaft, Leute, mit denen man nicht zurande kommt. Die Gesellschaft ist immer weniger bereit, diese Menschen mit ihren Risiken zu tolerieren. Also werden sie weggesperrt.

«Die Massnahme ist eigentlich eine Verwahrung light geworden, eine Sicherheitshaft.»

Welche Schritte wären notwendig, damit sich die Situation verbessert? Es braucht Alternativen zu stationären Massnahmen, beispielsweise mehr betreutes Wohnen. Die hohe Zahl an Massnahmen ist auch eine Folge davon, dass es kaum andere Angebote gibt. Und es braucht Gerichte, die sich weniger von Forderungen in der Gesellschaft beeinflussen lassen und die Grundrechte der Betroffenen sorgfältig prüfen.

Landen zu viele Menschen in einer stationären Massnahme? Das Hauptproblem ist: Für viele dauert die Massnahme viel zu lang. Sie dient heute in zahlreichen Fällen nicht mehr in erster Linie der Therapie, sondern der Sicherung. Es ist eigentlich eine Verwahrung light geworden, eine Sicherheitshaft. Der Unterschied zu einer ordentlichen Verwahrung verschwimmt in der Praxis immer mehr. Sie kritisieren in Ihrem Bericht, dass die Eintrittshürden in eine Massnahme tiefer werden. Immer öfter landen Menschen in einer Massnahme, die nur mittelschwere Delikte begangen haben. Sogenannte AlltagskriSurprise 463/19

FOTO: ZVG

JONAS WEBER

Jonas Weber, Lehrstuhlinhaber für Strafrecht und Kriminologie an der Uni Bern, forscht zum Straf­sanktionenrecht, Strafund Massnahmenvollzug.

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Nur sechs Quadratmeter, doch hier können Joyce und Mary so sein, wie sie sind.

Verbotene Liebe Homophobie Vor zwei Jahren mussten Mary und Joyce aus

Kamerun fliehen, jetzt stecken sie in Marokko fest. Noch immer werden sie verfolgt – weil sie sich lieben. TEXT  NORA NOLL FOTOS MIKA GRUNWALDT

MAROKKO

KAMERUN

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Im kleinen Zimmer der Medina einer marokkanischen Stadt ist es so warm, dass Mary in Unterwäsche auf dem Matratzenlager liegt, während sie Paola das Fläschchen gibt. Draussen dämmert es, der Wind lässt die Wäscheleinen auf der Terrasse flattern, der Muezzin hat soeben das Abendgebet gesungen. Mary trägt rot gelockte Extensions und bunten Lidschatten. Mit ihren grossen Augen und runden Wangen hat sie das Gesicht eines Kindes, obwohl sie schon 30 ist. Neben dem Bett sitzt Joyce auf einem Plastikhocker und dreht einen Joint. Die Dreads hängen über ihr Sportshirt, sie hat die Augen zusammengekniffen und die Lippen zu einer Linie gepresst. Joyce wirkt älter als Mary, ist aber erst 29. Die zwei Frauen könnten unterschiedlicher nicht sein. Paola wacht auf und schreit. «Nimm du sie mal!», sagt Mary zu Joyce und legt ihr das Kind in den Schoss. Paola schreit weiter. «Sei kein Baby!», schimpft Joyce und schaut streng in die Babyaugen. Meistens ist es Mary, die sich um die vier Monate alte Paola kümmert, sie wäscht und füttert und herumträgt. Mary bleibt auch meistens zuhause, während Joyce unterwegs ist. Die beiden Frauen betreiben ein Essensgeschäft. Joyce kauft Zutaten im Grosshandel, Mary kocht und Joyce geht dann mit einer blauen Camping-Kühltruhe durch die Strassen und verkauft die kamerunischen Speisen. Joyce sagt: «Ich bin der Mann. Mary meine Frau.» Mary und Joyce heissen eigentlich anders, doch sie wollen anonym bleiben. Sie sind ein Paar, seit sieben Jahren. Weil das in Kamerun illegal ist, sind sie geflohen. Doch auch hier in Marokko sind sie nicht sicher. Ihre Freiheit beschränkt sich auf sechs Quadratmeter. Verlassen sie ihr Zimmer, werden sie zu Schwestern. «Marokko ist die Hölle», sagt Mary. «Ich sterbe lieber, als wieder nach Kamerun zu gehen», sagt Joyce. Es gibt kein Zurück ins Heimatland für die beiden, und es gibt kein Hier in Marokko. Vor sieben Jahren, in einer Stadt im Osten Kameruns. Marys Mutter hat sie zu einem Exorzisten gebracht, damit er ihr die «Dämonen» austreibt. Der Priester schlägt sie und zwingt sie dazu, immer wieder einen Satz aufzuschreiben, über viele Seiten: «Ich will nicht lesbisch sein.» Zwei Wochen verbringt sie im Haus des Priesters. ZuSurprise 463/19

sammen mit anderen jungen Frauen. Zusammen mit Joyce. Zwei Wochen lang beschützen sie sich gegenseitig vor Missbrauch und Vergewaltigung durch den Exorzisten. Sie lassen sich nicht allein und verstecken sich, wenn der Priester abends ins Zimmer kommt. Dann hauen sie gemeinsam ab, in die Grossstadt Douala. So erzählt es Mary. Sicher fühlen sie sich danach nie mehr wieder. In Kamerun ist gleichgeschlechtlicher Sex ein Verbrechen, fünf Jahre Haft stehen darauf. Nach Berichten von Amnesty International reicht vor Gericht oft der Verdacht auf Homosexualität für eine Verurteilung. Mary und Joyce sind bereits seit fünf Jahren ein Paar, als Joyce von einer Gruppe Männer vergewaltigt wird. «Sie wollten mich zur Frau machen», sagt sie. Der Aufseher des Quartiers gibt nicht den Tätern die Schuld, stattdessen droht er den beiden Frauen mit der Polizei. Sie entschliessen sich zur Flucht. «Wir wussten nicht, wohin, wir wussten nur, wir müssen weg», erzählt Mary. Mary und die «kleine Schwester» Die Flucht führt sie durch Nigeria, Benin, Niger. In Nigeria wird Homosexualität strafrechtlich verfolgt, in keinem der Länder gibt es rechtlichen Schutz vor LGBT+feindlicher Diskriminierung. Um durch die Sahara nach Algerien zu kommen, schlies­ sen sie sich einem Konvoi von knapp hundert Geflüchteten an. Drei Tage lang wird er von den Schleppern zwischen den Dünen vergessen. «Ich dachte an die Bilder der toten Migranten, die zuhause im Fernsehen gezeigt werden, und war mir sicher: Morgen zeigen sie mich», sagt Joyce. Der algerische Schlepper verkauft sie direkt nach der Grenzüberquerung nach Algerien. «Wir waren eine Ware. Dein Arsch wird angeschaut, deine Brüste, deine Zähne, dann wird verhandelt», sagt Mary. 65 000 Dinar, knapp 500 Euro, bezahlt ein Menschenhändler für die beiden Frauen, die sich als Schwestern ausgeben. Mary muss seine Frau spielen, Zuneigung vortäuschen und mit ihm schlafen, dafür wird ihre «kleine Schwester» nicht zwangsprostituiert. Dann soll Mary weiterverkauft werden, sie allein für 100 000 Dinar. «Wie wir geweint haben! Das kann doch nicht Gottes Wille sein, dass wir hier getrennt werden, nachdem wir die Wüste überstan-

den haben», sagt Mary. Vielleicht ist es in jener Nacht Gottes Wille, dass der sonst streng bewachte Eingang offen steht. «Wir sind gerannt, ohne Schuhe, ohne Geld, einfach nur gerannt.» Nach fünf Monaten in Algerien erreichen Mary und Joyce Oujda, eine marokkanische Stadt an der Grenze zu Algerien. «Uns wurde erzählt, in Marokko sei alles besser», sagt Mary. Sie fahren nach Rabat und beantragen im Büro des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR Asyl. Marokko hat kein eigenes Asylsystem, ein Gesetzesentwurf von 2013 wurde bisher nicht umgesetzt. Deshalb ist für die Verfahren der UNHCR verantwortlich. «Wir warten auf das Gesetz. Bis dahin muss jeder Flüchtling erst von uns, dann zusätzlich von einer marokkanischen Kommission anerkannt werden», sagt ein Mitarbeiter des UNHCRBüros in Rabat. Die Unterstützung ist begrenzt: Selbst anerkannte Flüchtlinge erhalten nur bei besonderer Bedürftigkeit finanzielle Hilfe, für Asylsuchende gibt es weder Geld noch Unterkunft noch Zugang zu medizinischer Versorgung. Allein im Jahr 2018 fehlen laut der Behörde vor Ort 6,9 Millionen Euro. Auch mit Asyl hätten die beiden Frauen keine Perspektive in Marokko: LGBT+Flüchtlinge stehen zwar unter dem Schutz des UNHCR, aber werden von marokkanischer Seite nicht anerkannt. Ohne Anerkennung kein Aufenthaltsstatus, keine Arbeitserlaubnis und keine Möglichkeit, sich ein Leben aufzubauen. Stattdessen nur Angst vor Verfolgung: Homosexualität ist auch in Marokko gesetzlich verboten und kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Sexuelle Gefälligkeiten Es ist Anfang 2018, die Flucht dauert schon fast ein Jahr. Joyce und Mary sind trotz ihres Asylgesuches auf sich allein gestellt. Freundinnen vermitteln ihnen in Casa­ blanca ein Zimmer bei einem Bekannten. Kurz Luftholen und Ausruhen, aber Joyce geht es schlecht. «Sie war so blass, hat kaum gegessen, ihr war übel», erzählt Mary. Sie kauft ihrer Freundin einen Schwangerschaftstest. Als sie das Ergebnis sieht, ist sie geschockt: Da ist ein Baby. Es hat den Horror der letzten zwei Monate überlebt. «Aber dann dachte ich mir: Dieses Kind will bei uns bleiben, das ist ein Segen Gottes.» 15


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Kurz nachdem sie um Joyces Schwangerschaft wissen, verlassen die beiden Casa­ blanca. Der Bekannte hat sie nicht in Ruhe gelassen, erzählt Mary, sie belästigt und sexuelle Gefälligkeiten als «Miete» verlangt. Sie gehen in Richtung Norden und gelangen in ein Camp in den Wäldern rund um Tanger. Zwischen Pinien und Eukalyptusbäumen leben dort Hunderte subsaharische Migranten und Migrantinnen, bereit, mit dem nächsten Schlauchboot nach Spanien zu fahren. Bereit für «Boza», so wird die Ankunft in Europa genannt. Die Fahrt mit einem motorisierten Boot für rund vierzig Passagiere kostet 2000 Euro, 300 Euro die Fahrt mit einem Familienschlauchboot zum Paddeln. An ein besseres Leben in Marokko glauben Joyce und Mary nicht mehr. 16

Marokko kämpft gegen die Migration übers Mittelmeer und bekommt dafür Geld von der EU.

Sie glauben an «Boza». Also sparen sie und betteln sich das Geld zusammen. Dreimal bezahlen sie 300 Euro, dreimal wird ihr Boot unweit der Küste von der marokkanischen Marine abgefangen. In den Süden verschleppt Die Marine patrouilliert und die Küste ist gesprenkelt mit bunten Plastikplanen, unter denen Soldaten hocken und nach Schlauchbooten Ausschau halten. Marokko kämpft gegen die Migration übers Mittelmeer und bekommt dafür Geld von der EU. Seit 2014 sind bereits 232 Millionen Euro im Rahmen einer sogenannten Migrations-Kooperation nach Marokko geflossen. Nur vier Prozent der Gelder sind für die Integration von Geflüchteten bestimmt. Der Rest dient hauptsächlich dem «MigraSurprise 463/19


1 Joyce ist aus Kamerun nach Marokko geflohen, weil sie lesbisch ist. Das einzige, was sie mitgenommen hat, sind ihre Dreads. 2 In dem blaugestrichenen Haus in der Medina wohnen neben Mary und Joyce noch neun weitere Migrantinnen und Migranten. Niemand von ihnen möchte in Marokko bleiben. 3 Kleines Zuhause: An der Wand hängt ein Kleid zum internationalen Weltfrauentag 2019, das Geburtstagsgeschenk von Joyce für Mary.

tion and border management», also dem Grenzschutz. Die EU finanziert das Equipment wie Fahrzeuge, Boote und Funksysteme. Nach Angaben des Pressesprechers der EU-Kommission soll das Geld in Zukunft auch der Ausbildung marokkanischer Grenzschützer dienen. Als Mary und Joyce das dritte Mal von der Marine verhaftet werden, werden sie nicht wie die Male davor nach ein paar Stunden entlassen. Diesmal werden sie mit einem Bus 872 Kilometer in den Süden Marokkos verschleppt, nach Tiznit. Joyce ist zu dem Zeitpunkt hochschwanger. Solche Deportationen in den Süden sind der EU bekannt. Es gibt Interviews mit Betroffenen, Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen und Amnesty International verurteilen öffentlich diese Praxis. Trotzdem wird im Surprise 463/19

Dezember 2018 ein neues Geld-Paket beschlossen: 140 Millionen Euro schickt die EU nach Marokko, um Geflüchtete von Europa fernzuhalten, 70 Millionen gehen direkt an die marokkanische Regierung. Nummer ziehen und warten In Tiznit müssen Joyce und Mary betteln, um ein Rückfahrticket in den Norden zu kaufen. Sie gehen zurück in den Wald. Ihr Asylverfahren läuft, doch als im Oktober 2018 die Anhörung ansteht, haben die beiden Frauen kein Geld, um nach Rabat zum UNHCR-Büro zu fahren. Der Termin verfällt, das Verfahren wird neu eingeleitet. Nach Paolas Geburt im November 2018 suchen sich Joyce und Mary ein Zimmer in der Medina einer marokkanischen Kleinstadt und verdienen genug Geld mit kamerunischer Küche für Miete, Milch und den eigenen Hunger. Seit der Geburt von Paola haben die Frauen keine weitere Schlauchbootfahrt gewagt. Aber sie wollen auf keinen Fall in Marokko bleiben. Täglich erleben sie Rassismus. «Wir wurden von Kindern auf der Strasse beleidigt, bespuckt und mit Steinen beworfen», erzählt Mary und deutet auf eine Narbe am Schienbein, wo sie von einem dieser Steine getroffen wurde. Am schlimmsten war die Geburt von Paola. «Ich habe geschrien vor Schmerzen, aber die Hebammen haben sich gestritten, weil keine mich anfassen wollte», sagt Joyce. Erst nach einer Nacht auf dem Krankenhausflur ohne Behandlung habe sich eine Ärztin gekümmert. «Paola soll nicht in Marokko aufwachsen müssen», sagt Joyce. Raus aus Marokko – das verspricht «Boza». Und das verspricht auch ein anderes verheissungsvolles Wort: Resettlement. Der UNHCR schickt mit dem Programm jedes Jahr knapp hundert Geflüchtete von Marokko aus nach Kanada oder in die USA. Je nachdem, wie viele Plätze verfügbar sind, wird ein bestimmter Anteil für LGBT+-Flüchtlinge reserviert, 2018 waren es laut UNHCR rund zwanzig von insgesamt 110 Plätzen. Bis zur tatsächlichen Überführung kann es einige Jahre dauern, sagt ein Mitarbeiter des UNHCR. «Wir vergeben die Plätze nach dem Firstcome-first-serve-Prinzip.» Ein System, das über Leben und Tod entscheidet und dabei wie am SBB-Info-Schalter verfährt: Nummer ziehen und warten. Dazu kommt, dass es zu wenige Plätze gibt. Die Zahlen des UNHCR zeigen, dass seit dem Start des Resettlement-Programms 2007 von 903

bewilligten Resettlement-Fällen nur 61 Prozent wirklich durchgeführt wurden. 352 Menschen warten bis heute. Am 22. März 2019 klopft es an der Tür. Joyce öffnet und ein Polizist steht im Zimmer. «Er sagte, wir würden auf die Wache fahren, um unseren Aufenthaltsstatus zu bekommen.» Sie können weder Windeln und Babymilch noch warme Kleidung mitnehmen. Im Kommissariat angekommen, geht es in eine kahle Sammelzelle, Joyce schickt per WhatsApp ein Video: Betonboden mit Matratzen, darauf sieben Frauen und zwei Kinder, keine Toiletten. Nach drei Stunden werden sie zum Bus gebracht, wieder ignoriert die Polizei ihre UNHCR-Papiere. In der Nähe von Marrakesch endet die Fahrt und die Deportierten müssen schauen, wo sie bleiben. Als Joyce davon erzählt, lacht sie bitter. «Ich verstehe dieses Land nicht: Sie versuchen uns mit allen Mitteln daran zu hindern, nach Europa zu gelangen. Aber hier machen sie uns das Leben unmöglich. Sollen wir nun in Marokko bleiben oder nicht?» Diesmal erhält der UNHCR Nachricht von der Verschleppung. Drei Telefonate später ist den Verantwortlichen in Rabat klar, dass Mary und Joyce Hilfe brauchen, und zwar jetzt. Sie verschieben die Anhörung nach vorne, statt in drei Monaten steht der neue Termin schon in zwei Wochen an. Und sie empfehlen der Familie, nach Rabat zu ziehen. Weil dort die Behörde sitzt. Und weil dort kaum Verschleppungen stattfinden. Mit Spenden bezahlen Mary und Joyce den Umzug nach Rabat und finden ein Zimmer, dessen Wände nicht von Feuchtigkeit fleckig sind. Die Mieten in der Hauptstadt sind zwar teurer, aber das ist ihnen die neue Hoffnung wert. Die Hoffnung auf Resettlement. 25. April 2019, eine Sprachnachricht von Mary, ihr breites Lächeln ist fast durch den Handylautsprecher hörbar: «Wir waren eben beim UNHCR, und bevor wir ins Bett gehen, mussten wir noch die gute Nachricht mitteilen: Wir haben unseren Asylbescheid.» 16. Mai 2019, eine Nachricht von Joyce: «Wir bekommen jetzt Geld vom UNHCR, 1800 Dirham. 800 Dirham für mich, 800 für Mary, 200 für Paola.» Das sind 180 Euro im Monat. Joyce geht zusätzlich jeden Tag betteln. 27. Juli 2019, eine weitere Sprachnachricht von Joyce, die neunmonatige Paola brabbelt im Hintergrund: «Was das Resettlement angeht, gibt es leider immer noch nichts Neues. Wir warten und warten.» 17


Digitalisierung der Strasse Obdachlosigkeit In Paris finden wohnungslose

Menschen Hilfe via Smartphone. Doch die Digitalisierung birgt auch Gefahren. TEXT  EVA HIRSCHI FOTOS  JULIE FRANCHET

Paris FRANKREICH

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Die Metallkugel fliegt durch die Luft und landet mit einem dumpfen Geräusch direkt neben dem pinken Plastikball, dem «cochonnet» (Schweinchen). «Magnifique!», ruft Fabrice und entblösst sein letztes Überbleibsel in der oberen Zahnreihe. Breitbeinig steht er am Rande der Pétanque-Bahn und klatscht in die Hände. Laura lächelt, schiebt die Brille hoch. Am Tisch neben der Sandbahn unterhalten sich Guillaume, ein hochgewachsener Mann mit Kapuzenpulli und Pferdeschwanz, und Nathalie, eine elegant gekleidete Dame mit viel Schmuck und noch mehr Makeup. Omar zeigt auf seinem Handy stolz ein Foto seiner zweijährigen Tochter. Die buntgemischte Truppe, die sich zum Pétanque spielen versammelt hat, könnte unterschiedlicher nicht sein. Wer obdachlos ist und wer nicht, ist nicht auf Anhieb erkennbar. Genau das ist das Ziel von Entourage: Das Netzwerk will «les sans-abri», die Obdachlosen, mit den 18

«riverains», den Anwohnern, zusammenbringen – und zwar mit einer App. «Eigentlich hab ich’s ja nicht so mit Institutionen und Organisationen», sagt Fabrice. Der 47-Jährige lebt seit fünfzehn Jahren auf der Strasse, mit seinen drei Hunden und einer Hausratte. Zur kostenlosen Essensausgabe etwa würde er nicht gehen. «Als mir ein Freund von Entourage erzählt hat, war ich zunächst skeptisch.» Aus Neugier sei er dann doch zu einer Veranstaltung gegangen, zu einem Picknick in einem Park – und fand die Idee toll. Es sei ein Treffen auf Augenhöhe: «An solchen Anlässen treffe ich coole, lockere Leute und es geht einfach darum, zusammen eine gute Zeit zu verbringen. Ich kann ich selbst sein», sagt Fabrice. Das Prinzip von Entourage ist einfach: Man kreiert ein Profil, kann optional ein Foto und eine kurze Beschreibung hochladen, muss aber nicht angeben, ob man obdachlos ist oder nicht. Auf einer interaktiven Karte der Surprise 463/19


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1 Allein in Paris gibt es 24 400 Notschlafplätze. Über 3600 Menschen schlafen auf der Strasse. 2 Kein seltenes Bild: Smartphone statt Wohnung. 3 Gemäss Studie haben in Frankreich 91 Prozent der Wohnungslosen ein Handy. 4 Beim Betteln verstecken viele ihr Smartphone, weil die Passanten sie sonst ignorieren.

Stadt (nebst Paris auch in vier weiteren Städten) zeigen orange Kreise, in welchem Quartier es eine Veranstaltung oder eine Anzeige gibt: Picknick, Pétanque oder auch Suchanzeigen, wenn jemand Schuhe Grösse 42 anbietet oder ein nicht mehr gebrauchtes Smartphone sucht. Geben oder nehmen – beides ist möglich. Ist man an einer Anzeige interessiert, tritt man dem jeweiligen Chat bei und vereinbart, wann und wo man sich trifft. Das ist die Quintessenz der App: Es geht weniger um die materielle Unterstützung als darum, Begegnungen zu schaffen. Kostenloses Wifi im Bahnhof «Es tut gut, neue Leute kennenzulernen. Bei anderen Organisationen trifft man immer nur auf andere Obdachlose, das ist sehr bedrückend», sagt Laura. Von dem jungen Mädchen mit Brille und Hoodie hatte beim Pétanque-Spiel niemand gedacht, dass sie obdachlos sei – Surprise 463/19

mit Klischees zu brechen ist ebenfalls ein Ziel von Entourage. Die App habe sie per Zufall beim Googlen nach Hilfsangeboten entdeckt. Vor ein paar Monaten wurde die 18-Jährige von ihrer Mutter aus der Wohnung geworfen. Nun lebt sie mit Rucksack, Zelt – und Smartphone. «Mein Handy beinhaltet mein ganzes Leben», sagt sie. Nicht nur ihr Adressbuch, ihre Bilder und Musik, sondern auch all ihre Dokumente sind darauf gespeichert. Damit ist Laura nicht allein: Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass mindestens 70 Prozent der obdachlosen Menschen in Paris ein Smartphone besitzen. Längst handelt es sich dabei nicht mehr um ein Statussymbol, sondern um ein Alltagsutensil. «In Barbès kann ich dir ein Handy für fünf Euro besorgen», sagt Fabrice augenzwinkernd und spielt auf den in diesem Quartier florierenden Schwarzmarkt an. Kostenloses Wifi gibt es in Bahnhöfen und Cafés, Steckdosen findet man an gewissen 19


BILDER (5/6): EVA HIRSCHI

5 Noch sei es eine kleine Minderheit, die digitale Angebote für Obdachlose nutze, sagt Fabrice. 6 «Es tut gut, neue Leute kennenzulernen», sagt Laura. «Bei anderen Organisationen trifft man nur auf Obdachlose, das ist sehr bedrückend.»

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Bushaltestellen, am Tresen in der Bar oder in Wartehallen. Auch sind die Preise fürs Internet längst nicht mehr so hoch wie früher. Bei der Hilfsorganisation Emmaüs Connect können mittellose Personen sogar Datenpakete zu Spezialpreisen kaufen. Das wissen auch andere Hilfsorganisationen. In einer regelrechten Welle von Tech-Start-ups sind in Frankreich in den letzten Jahren viele Apps und Websites für Bedürftige hinzugekommen. Auf Soliguide.fr beispielsweise, einer Website mit einer interaktiven Stadtkarte, sind verschiedene Hilfsangebote markiert, unterteilt in neun Kategorien wie Essen, Hygiene, Zugang zu Technologie oder Bildung, inklusive Angaben der Öffnungszeiten. Rund 1500 Nutzer pro Monat zählt die Anfang 2017 lancierte Website heute, die nebst Paris auch Bordeaux und Nantes erfasst. Die App Reconnect wiederum bietet einen Online-Datenspeicherdienst an, also eine Art Cloud, auf 20

«In Barbès kann ich dir ein Handy für fünf Euro besorgen», sagt Fabrice augenzwinkernd. Surprise 463/19


welcher man Dokumente und Ausweise sicher hinterlegen kann und von jedem Gerät mittels Passwort Zugang hat. So soll verhindert werden, dass bei einem Verlust der Papiere die ganze Bürokratie wieder bei null beginnt. 10 000 Profile wurden in Frankreich seit dem Start 2016 bereits angelegt, nun ist Reconnect daran, das Modell in andere Länder zu exportieren. Denn die Zahl der obdachlosen Menschen wächst rasant. Allein in Paris gibt es 24 400 Plätze in Notschlafstellen, die oft komplett belegt sind. Über 3600 Personen schlafen auf der Strasse. Zum Vergleich: In Basel leben gemäss einer Anfang Jahr publizierten Studie der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) rund 100 Personen auf der Strasse. In der ganzen Schweiz geht man von mehreren Hundert obdachlosen Personen aus – in Frankreich hingegen von fast 200 000. «Es gibt zahlreiche Organisationen in Paris, die sich um Essen oder Kleidung für Obdachlose kümmern, doch für das soziale Leben, das Menschliche, hat fast niemand Zeit», sagt Guillaume Roussel. Er arbeitete während mehrerer Jahre als Sozialarbeiter beim medizinischen Notfalldienst und beim Roten Kreuz, jetzt ist er bei Entourage unter anderem für das Community Management zuständig. Um Rassismus, Diskriminierung oder sonstigem Missbrauch auf der App vorzubeugen, hat er Zugriff auf alle Gruppenchats, mit Ausnahme der privaten Nachrichten. Er schaut, dass sich alle an die Charta halten, die man beim Kreieren eines Profils akzeptieren muss. Eingreifen müsse er nur bei 10 Prozent der Nachrichten, schätzt Roussel. In den meisten Fällen handle es sich um eine zu genaue Beschreibung einer Person, sodass man sie auf der Strasse identifizieren könnte. Das soll unbedingt vermieden werden. Beziehung statt Spende Am Anfang stand Entourage deswegen in Kritik. Ursprünglich war die Idee, eine obdachlose Person auf einer Karte zu markieren, etwa Pierre mit grauen Haaren am Boden vor dem Supermarkt, und dazu deren Bedürfnisse hinzuschreiben, wie einen Schlafsack. So könnte eine Person, die in der Nähe wohnt und einen Schlafsack besitzt, diesen Pierre bringen. Dies hatte bei der Lancierung von Entourage für Polemik gesorgt, da Persönlichkeitsrechte und Intimsphäre verletzt worden wären. Gründer Jean-Marc Potdevin spricht von einem anfänglichen Missverständnis, einem Kommunikationsfehler. Wie dem auch sei – jetzt jedenfalls stehen die Treffen im Vordergrund, das Schaffen von Beziehungen als einer Art soziales Netzwerk. Die App sei nur der Vermittler. «Für mich ist die App Entourage eine gute Möglichkeit, um einer Person konkret zu helfen», sagt Nathalie, die Frau mit dem vielen Makeup. «Laura etwa hat nach Hygieneprodukten für Frauen gefragt. So haben wir uns zum ersten Mal getroffen, und ich habe sie gleich zum Apéro mit unseren Freunden eingeladen.» Gemeinnütziges Engagement mit dem Alltag zu verbinden, das überzeugt Nathalie beim Konzept von Entourage am meisten. Wenn sie einer bettelnden Person auf der Strasse ein paar Euros Surprise 463/19

in die Hand drücke, wisse sie nicht, was mit dem Geld geschehe. Wie Nathalie stören sich viele Menschen daran, dass sie mit ihrer Spende vielleicht Alkohol oder Drogen finanzieren. Da Nathalie aber auf der App sieht, was eine Person konkret sucht, und diese ausserdem bei der Übergabe kennenlernen kann, empfindet sie ihre Hilfe als nützlich. Durch das vorgängige Kontaktieren über die Nachrichtenfunktion der App entsteht so zudem eine erste persönliche Beziehung. In gewisser Weise widerspiegelt Entourage somit auch den gesellschaftlichen Zeitgeist: Es fällt vielen leichter, ein Gespräch mit einer obdachlosen Person über das Smartphone zu beginnen, als direkt auf der Strasse jemanden anzusprechen. Modell birgt auch Gefahren Thibault Leblond, Projektleiter bei der Hilfsorganisation Aux captifs, la libération, war in die Entwicklung dieser App involviert, hat sie getestet und Verbesserungsvorschläge gemacht. Klar sei es schön, dass auf Entourage auch Privatpersonen helfen könnten, doch das berge auch Gefahren. «Gerade im Winter haben viele Pariser Mitleid mit Obdachlosen und nehmen jemanden in ihrer Wohnung auf. Aber anschliessend haben sie Probleme, wenn sich die Person nicht angemessen verhält oder im Frühling nicht mehr weggehen will.» Professionelle Strukturen und ausgebildete Sozialarbeiter seien deshalb wichtig, man solle solche Probleme nicht allein stemmen wollen. Er sehe allerdings durchaus Platz für Komplementarität: «Manche obdachlosen Menschen wollen statt Essen lieber ein Gespräch. Als Sozialarbeiter kann man sich nicht immer genug Zeit dafür nehmen.» Noch benutzt in Frankreich bloss eine kleine Minderheit solche Apps in ihrem Alltag. Die Angebote gibt es auch erst seit kurzer Zeit. Und obwohl bei Entourage bereits 65 000 Personen registriert sind, ist nur ein Bruchteil auch wirklich aktiv. Eine App fürs Kaffeetrinken und Plaudern – ist es wirklich das, was obdachlosen Menschen hilft? «Die Möglichkeit, sich sporadisch zu treffen, antwortet auf ein Bedürfnis der heutigen Zeit, in der sich viele Menschen nicht mehr langfristig engagieren möchten, sondern lieber ab und zu spontan im Kleinen helfen wollen», sagt Leblond. Solche Apps würden denn auch eher auf die Nachfrage hilfsbereiter Bürgerinnen und Bürger reagieren und weniger auf die Bedürfnisse von obdachlosen Personen selbst. Das zeigen auch die Zahlen von Entourage: Seit der Lancierung vor drei Jahren wurden insgesamt über 6800 Aktionen kreiert, aber nur 15 Prozent davon von Menschen in Not. Leblond steht dem nicht nur kritisch gegenüber: «Natürlich ist die Digitalisierung keine Lösung. Sie ist lediglich Mittel zum Zweck.» Vielleicht aber würden gerade solche Begegnungen gewissen Menschen den Antrieb geben, ihr Leben wieder in die richtige Bahn zu lenken. Beim Pétanque-Spiel ist die Stimmung auf jeden Fall heiter. Omar, der Vater eines zweijährigen Mädchens, sagt: «Eine Wohnung gibt mir die App zwar nicht. Aber wenigstens kann ich so für einen Moment meine Sorgen vergessen und endlich wieder einmal Spass haben.» 21


Kraków farbenfroh Culturescapes  Die Autorin und Journalistin Michelle Steinbeck reiste nach Kraków,

um in zwei Tagen ihre Eindrücke festzuhalten. Hingeschickt hat sie das Kulturfestival Culturescapes. Teil drei einer vierteiligen Text-Serie zum heutigen Polen. TEXT  MICHELLE STEINBECK

Ich fahre mit dem Zug nach Polen. Mein reservierter Platz ist besetzt, die Frau darauf sagt: «Hier sitzen schon vier.» Sie zeigt auf drei Leute auf umliegenden Sitzen, dann auf mich: «Mit dir sind wir fünf.» Dieses Spiel wiederholt sich bei jedem Halt, Menschen suchen ihren Platz, der schon vergeben ist, aber nie kommt Unruhe auf. Tatsächlich kommt es mir vor, als wäre ich noch nie in einem Zug gefahren, in dem ausnahmslos alle Beteiligten so gelassen und hilfsbereit sind. Die Stunden von Berlin nach Kraków verlaufen in fast perfekter Stille; ab und an ein Blättern, Husten, leises Seufzen. Nur der Zug hupt scheinbar ohne Grund im Minutentakt die vorbeiziehenden Föhren und Birkenwäldchen an. Neben mir sitzt eine Frau im Alter meiner Mutter. Ich frage mich, ob sie eine der vielen polnischen Pflegerinnen ist, die in der Schweiz und in Deutschland von OnlineAgenturen mit Namen wie Hausengel.de als «herzliche Alternative zum Altersheim» angepriesen werden. Ich war noch nie in Polen, deshalb lese ich im Culturescapes-Programmheft voller Interesse den Artikel eines polnischen Schriftstellers, der mir rät, in seinem Land «andere Farben dieses farbenfrohen Regenbogens» sehen zu wollen. Diesen Aufsatz scheint er eigens für mich, die ich nach Polen fahre, um darüber zu schreiben, angefertigt zu haben. Er unterstellt mir, eine «linksorientierte Autorin» zu sein, gar eine «Liebhaberin postkolonialer Klischees». Solche, das weiss der Autor, verwenden für sein Land «emotional aufgeladene Adjektive» wie «fremdenfeindlich, nationalistisch». Er selbst würde sich wohl als «mit einer eher konservativen Sensibilität» ausgestattet bezeichnen. Ich beschliesse, seinen Ratschlägen zu folgen. Eine «Freundin orientalisierender Stereotypen» zu sein, soll mir dieser Herr nicht vorwerfen können, ich will in diesen zwei Tagen Kraków nicht «schwarz-weiss sehen», sondern den konservativ sensiblen Regenbogen aufspüren! Im Bahnhof ein Duft nach Bäckerei. Der Perron voll mit Leuten. Ein junger Mann mit einem dünnen Strauss Blumen. Ein Paar mit Suppenplänen: Sie winken der aussteigenden Freundin mit Säcken voll Wurzelgemüse. Teenagermädchen springen einander jubelnd an. In den vollen Lift schlüpft noch ein Junge, aus seinem Arm miaut ein junges Kätzchen. Im Taxi läuft Country; im Treppenhaus der Wohnung riecht es nach dem chinesischen Restaurant im Parterre, erst ab dem dritten Stock nach Kohl. Im Zimmer begrüsst mich eine Tourist-Map mit den typischen To-Do’s: Auschwitz-Birkenau-Vodka-Tasting-Gewehrschiessen. 22

Ich aber bin für farbige Folklore hier, und Kraków macht es mir einfacher als gedacht: Herbstlaub, Trachten, Sonnenschein. Der polnische Autor hat mir zur Belohnung die letzten Sommertage bestellt. Ein lauer Windstoss fegt die Blätter schwarmweise von den Bäumen, gelb und rot wirbeln sie am Boden. Die Menschen spazieren sonntagsfein, das Laub läuft kichernd um die Wette. Es hängen keine Wahlplakate mehr, stattdessen Werbung für Schlagerkonzerte und eine Magiershow: An den Säulen verbiegt ein kleiner Junge einen Löffel, allein mit seinem traurigen Blick. Konserviert im Bernstein Auf dem rummligen Domplatz sind die blumengekrönten Kutscherinnen in Trachten das Fotosujet Nummer eins. In einer Buchhandlung finde ich dank Anglizismen (Bestsellery) auch den perfekten Reisebegleiter: «Krakauer Legenden», ein Buch mit – Bonus! – Regenbogencover, das sich selber mit «farbenfrohen Schilderungen der Geschichte» anpreist. Eine Erklärung dafür, wieso den Kutscherinnen, wenn die Fahrt losgeht, die Zügel aus der Hand genommen werden und sie auf den Beifahrerinnensitz rutschen, während ein männlicher Kutscher den Wagen lenkt, finde ich darin nicht. Dafür lerne ich, dass die Tauben auf dem Domplatz verzauberte Ritter sind, und dass bei einer jüdischen Hochzeit einmal alle Gäste tot umfielen, weil sie den Shabbat nicht berücksichtigt hatten. Ich laufe zwischen den fast ganz originalen «historischen Palais und Bürgerhäusern» durch die «traditionellen Stände», die «wie schon vor Jahrhunderten» Blumen und Bernstein und Papst-Magnete verkaufen. Die Sonne überflutet den Platz mit einem goldenen Licht – und ich habe eine Vision von mir als Insekt, das, vom schimmernden Harz angelockt, plötzlich festklebt und nur noch zuschauen kann, wie es während Abertausenden von Jahren perfekt in einem Bernstein konserviert wird. Abends stehe ich vor einer bunt bemalten Bar. Ein junger Krakówer fragt, woher ich komme, was ich hier mache. Ich lade ihn zu meiner Lesung ein. «Mmh», macht er, «nah. I don’t read.» Ich frage, was er mache. «I am bored», meint er. Früher habe er in dieser Bar gearbeitet, nun sei er Alkoholiker. Ihm ist nicht sehr farbig zumute. «Was hier abgeht», sagt er, «eine Katastrophe.» Er überlegt lange, bevor er etwas sagt wie: «Aber dein Land … Es ist seltsam … Das ganze Geld … Was hier passiert und was dort passiert … Es ist seltsam.» Er holt aus zu einer grossen Bewegung, hebt eine Hand hoch über den Kopf – «ihr Surprise 463/19


ILLUSTRATION : TILL LAUER

FOTO: DIRK SKIBA

Leselust im Wohnzimmer Die Schweiz schreibt Gute Literatur zuhause erleben und dabei neue Leute kennenlernen: Die Sofalesungen machen es möglich.

habt so viel» – die andere runter zu den Knien – «und wir so». Er sagt, er wolle in die Schweiz zum Arbeiten. Was er denn machen würde dort, frage ich. Er zuckt die Schultern: Eine Skateschule aufmachen? Auf der Heimfahrt färbt die untergehende Sonne die Wolken zu Lachs. Mondweiss steigt der Geist eines riesigen Papst Johannes II. zwischen den Häusern von Świebodzin auf. Seine goldene Krone blitzt im Abendlicht über den Dächern, er hebt den Arm und winkt mir hinterher.

Ein gutes Buch geniessen wohl die meisten von uns, gerade jetzt in der kalten Jahreszeit, mit Vorliebe im eigenen Wohnzimmer. Eingekuschelt auf dem Sofa die Seiten umzublättern ist zwar eine Wonne, aber eine einsame. Der Verein Sofalesungen verbindet deshalb die Vorzüge der Lektüre im gemütlichen Daheim mit dem Reiz, in vertrautem Umfeld neue literaturbegeisterte Leute kennenzulernen. Als Gastgeberin oder Gastgeber einer Sofalesung öffnet man die eigene Haustür für eine öffentliche Lesung – und damit auch für andere Lesefreudige. «Die Lesung kann in einem Wohnzimmer, aber auch in einem Schrebergarten oder in einem Atelier stattfinden. Hauptsache, es herrscht eine einladende Atmosphäre, in der sich unterschiedliche Menschen zwanglos auf Werke von jungen Literaturschaffenden einlassen können», sagt Sidonie Jeremic, Geschäftsführerin der Sofalesungen, die 2014 aus dem gleichnamigen Projekt des Literaturhauses Basel hervorgegangen sind. Dass junge Autorinnen und Autoren direkt beim Publikum zuhause lesen, schafft ein sehr persönliches Ambiente, wie es bei einer Lesung in einem anonymen Raum eher selten entsteht. «Jede Sofalesung ist anders. Einige Gastgeber sind doch etwas nervös, während andere es gewohnt sind, viele Leute in ihrer Wohnung zu haben. Spätestens gegen Ende einer Lesung fallen aber bei allen die Hemmungen. Man freut sich auf den Apéro, der ein fester Bestandteil jeder Sofalesung ist. Hier bietet sich die Möglichkeit sich auszutauschen, was bis in die Morgenstunden gehen kann. «Ich habe schon erlebt, dass um 22 Uhr noch Pizza für alle Anwesenden bestellt und auf dem Balkon bis tief in die Nacht zusammen philosophiert worden ist», sagt Jeremic, die sich immer auch über die Anwesenheit von Sofa-Stammgästen freut, die in ihrer jeweiligen Stadt möglichst jede Sofalesung besuchen und offen sind für neue Stimmen oder Buchthemen. Das innovative Konzept erfreut sich wachsender Beliebtheit: Mittlerweile gibt es die Sofalesungen in zahlreichen Städten der Deutschschweiz sowie als Lectures Canap in der Romandie. MONIK A BET TSCHEN

«Culturescapes Polen», multidisziplinäres Kulturfestival, bis Fr, 6. Dezember; Literatur, Theater, Musik, Tanz, Film, Kunst und Kulinarik in der ganzen Schweiz. culturescapes.ch

Verein Sofalesungen: Wer Gastgeberin oder Gastgeber einer Lesung werden möchte, meldet sich unter info@sofalesungen.ch, www.sofalesungen.ch

Michelle Steinbeck (*1990) ist leitende Redaktorin der Fabrikzeitung und Studentin der Philosophie und Soziologie. Sie schreibt Geschichten, Gedichte und Stücke, Kolumnen und Reportagen. 2016 erschien ihr Debütroman «Mein Vater war ein Mann an Land und im Wasser ein Walfisch», 2018 folgte der Gedichtband «Eingesperrte Vögel singen mehr».

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BILDER: XENIX FILM

«Wenn alles weiss ist, liegt alles im Verborgenen» Kino  Der isländische Regisseur Hlynur Pálmason stellt

mit seinen Filmen die grossen Fragen des Menschseins. Und begreift damit den Film als Kunstform. INTERVIEW  DIANA FREI

Herr Pálmason, in «A White White Day / Hvítur Hvítur Dagur» geht es um die Beziehung zwischen dem Grossvater Ingimundur und der Enkelin Salka. Er ist ruhig und verschlossen. Sie dagegen ist das Leben selbst. Warum sind die beiden so gegensätzlich? Hlynur Pálmason: Ich habe mich schon immer für die Beziehung zwischen Grossvater und Enkel interessiert. Ich bin jetzt in einem Moment im Leben, in dem ich die Menschen, die mir als Kind wichtig waren, verliere. Deshalb wollte ich mich damit beschäftigen. Ich habe den Film sehr spezifisch für Ingvar Sigurðsson und meine Tochter geschrieben, die Ingimundur und Salka spielen. Sie ist vom Leben unversehrt, und Kinder sind immer irgendwie besser als man selbst. Sie sind am lustigsten, am lebendigsten, am meisten von allem. Und er hat bei einem Autounfall seine Frau verloren. Die Zeit, die Gefühle haben ihn zu dem gemacht, was er ist. Sie haben eine sehr eigene Erzählweise. Wir sehen zum Beispiel zu, wie ein Steinbrocken, den Ingimundur von der Strasse wegschafft, den ganzen Abhang hinunterrollt, bis er auf dem Meeresgrund zu liegen kommt. Wieso zeigen Sie den ganzen Weg dieses Steins? Darin stecken mehrere Dinge. Zum einen zeigt dieser Weg konkret, wo das Auto von Ingimundurs verunfallter Frau hinuntergestürzt sein muss. Auf dem Weg hinunter stösst der Stein etliche Male an, wird beschädigt und sinkt ins Meer. Das ist faktisch das, was mit dem Auto geschehen ist. Es kann aber auch etwas anderes vermitteln – und 24

zwar abhängig davon, wer du bist, die sich das anschaut. Es kommt darauf an, ob man sich dem Protagonisten verbunden fühlt. Oder sich für den Autounfall interessiert. Es hängt davon ab, wie man sich den Film anschaut. Wenn beim Schreiben oder Recherchieren solche Elemente wie der Stein auftauchen, folge ich ihnen. Wenn an einem Baum ein Ast wächst, geht er vielleicht nach links oder vielleicht nach rechts ab. In einem geradlinigeren Film würde man die Äste abschneiden. Aber ich mag diese Äste. Und ich glaube, im Ganzen wird der Baum auf diese Art schöner und authentischer. Sie beobachten auch gerne Leute dabei, wie sie banale Dinge tun, ein Telefon suchen oder auf dem Trainingsplatz hin und her laufen. Und wir sehen lange einer Kindersendung zu, die im Fernsehen läuft.

Pálmasons Gespür für die menschliche Seele In Pálmasons zweitem Langspielfilm «A White White Day» schöpft der Witwer Ingimundur nach dem Unfalltod seiner Frau den Verdacht, dass sie eine Affäre hatte. In Hlynur Pálmasons Geschichten stecken grosse Themen wie Trauer, Verlust, Schuld, Identität. Die Bilder der Kamera­frau Maria von Hausswolff zeigen ein Gespür für Landschaften sowie für die Schichten der Wahrnehmung, die aus Bildkompositionen, Atmosphäre und dem Rhythmus des Werks entstehen.

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BILDER: XENIX FILM

Das Kinderprogramm ist ein guter Weg, expressiv zu erzählen. Es kommen da Äusserungen und Themen vor, die für eine Figur wie Ingimundur schwer auszusprechen wären, die aber zu seiner Geschichte gehören. Es geht um eine Katastrophe, und der Mann in der Sendung sagt: «Jeder wird sterben …» Es wäre seltsam, Ingimundur so etwas sagen zu lassen. Für mich ist es eine Möglichkeit, die Grundthemen des Films auf den Tisch zu legen, ohne das Geflecht meiner Geschichte kaputt zu machen. Das Kinderprogramm ist eine Art Spiegel davon, was in Ingimundur vorgeht. Solche Szenen kommen in Ihren Filmen immer wieder vor – auch eine Landschaft kann das Innenleben spiegeln. Ja. Ich möchte mich so tiefer in ein Thema vertiefen können. Viele der Szenen gehen ähnlichen Motiven nach. Manchmal erzählen sie die gleichen Dinge, aber auf je eigene Art. Ich mag die Repetition. Denn Repetition kann Verdichtung sein. Sie meinen aber Variationen, nicht exakte Repetition? Wenn du einen Berg zehn Jahre lang immer wieder malst, wird er mit der Zeit zu einem komplett anderen Berg. Weil du diesem Berg mit der Zeit nahekommst und ihn anders verstehst als das erste Mal. Das Gleiche passiert, wenn du einen Film machst. Du sinkst langsam in diesen Film ein. Und plötzlich übernimmt der Film, und du machst, was der Film will. Es gibt in «A White White Day» viele Fenster. Da ist ein kleines rundes Fenster in der Eingangstür, ein neues Fenster wird eingebaut, aber auch ein Überwachungsmonitor, der Fernseher oder ein Skype-Gespräch sind Varianten eines Fensters in eine andere Welt. Und auch in Ihrem letzten Film «Vinterbrødre» haben Sie anhand eines Fensters ganze Teilgeschichten erzählt. Wieso? Ich bin fasziniert von Räumen. Und davon, in einem Raum zu sein und in einen anderen hineinzuschauen. Ich bin auch fasziniert von Räumen, die Kontraste in sich tragen. Die Dunkelheit versus das Licht. Oder warm versus kalt. In «Vinterbrødre» hatte ich oft einen Gegensatz von Warm Surprise 463/19

und Kalt. Die Hauptfigur steht draussen in der Kälte und schaut hinein ins Warme, zu den Dingen, nach denen sie sich sehnt. Gewisse Räume sind dagegen unendlich, die Dunkelheit zum Beispiel. Die Dunkelheit ist unergründlich. Oder eine weisse Landschaft. Wenn alles weiss ist, liegt alles im Verborgenen. In einer Szene trägt Ingimundur Salka auf dem Rücken, und sie marschieren durch einen Tunnel. Der Ort wirkt wie abgeschnitten von der Realität. Es ist dunkel, es gibt ein Echo. Aus dem Dialog heraus beginnt er zu schreien, sie lacht. Der Moment erinnert mich an den russischen Regisseur Andrei Tarkowski, der stark mit Räumen arbeitete und dessen Filme oft eine ähnliche Stimmung in sich tragen. Für mich ist Tarkowski einer der wenigen spirituellen Regisseure. Viele Leute finden, er sei sehr symbolisch, aber ich glaube eher, er ist spirituell, und darum geht es auch mir. Ich versuche Dinge zu ergründen, für die mich interessiere, und eine Frage davon ist auf jeden Fall: Was heisst es, Mensch zu sein? Oder: Was treibt uns an? Ich gehe Dingen nach, die ich liebe. Und Dingen, vor denen ich mich fürchte. Manchmal ist Film vielleicht der Musik näher als der Erzählung. Man hört Musik oder schaut sich ein Bild an und spricht dabei nicht über den Handlungsablauf. Wir reden über das Gefühl, das sie vermitteln. Ich finde, wir brauchen heute Werke, die den Fragen des menschlichen Daseins nachgehen. Wieso? Ich glaube, wir wollen miteinander in einem Dialog sein. Wir wollen fundamentale Gefühle ergründen. Wir wollen alle Teil von etwas sein, das wir sinnlich nachvollziehen können. Ich würde keine Filme machen, wenn ich es nur für mich tun würde. Es muss eine Art Dialog entstehen.

Hlynur Pálmason: «A White White Day / Hvítur Hvítur Dagur», IS/DK/SE, 2019, 109 Min., mit Ingvar Sigurðsson, Ída Mekkín Hlynsdóttir, Hilmir Snæir Guðnason u. a. Läuft ab 21. Nov im Kino. 25


BILD(1): GEORGE EASTMAN MUSEUM, OLIVIA KRISTINA STUTZ, ERC ADVANCED GRANT FILMCOLORS BILD(2): GHOSTPOET (UK), STEVE GULLICK BILD(3): CAROLINE FINK

Veranstaltungen Winterthur «Color Mania – Materialität Farbe in Fotografie und Film», Ausstellung, bis So, 24. November, Di bis So 11 bis 18 Uhr, Mi 11 bis 20 Uhr, Mi 17 bis 20 Uhr freier Eintritt, Fotomuseum Winterthur, Grüzenstrasse 44 + 45. fotomuseum.ch

Wir kennen die handkolorierten Filme in Zuckerbäckerfarben: Das waren einmal die bescheidenen, aber aufwendigen Möglichkeiten, eine schwarzweisse Welt etwas farbiger zu machen. In der frühen Fotografie fügte man schon 1839 den damaligen Daguerreotypien – dem Fotografie-Verfahren, das Bilder auf Metallplatten bannte – Farbe hinzu. Um die 1890er-Jahre begannen Pioniere dann Filmstreifen einzufärben. «Color Mania» geht der Faszination der historischen Farbgebungsverfahren in Fotografie und Film nach: Autochrome! Technicolor! Handkolorierte Glasplatten! Das sind die Begriffe, die die Menschen vor ein paar Jahrzehnten in Begeisterung versetzten – und heute eine nostalgische Faszination auslösen. DIF

Bern «Saint Ghetto», Musikfestival, Do, 21. bis Sa, 23. November, Dampfzentrale Bern, Marzilistrasse 14. saintghetto.ch

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Das gefällt uns: Eine englische Industrial-Band nimmt mit einem Chor streikender Minenarbeiter eine Platte auf und spielt Benefizkonzerte, um die Arbeiterfamilien finanziell zu unterstützen. Test Dept hat genau das in den 1980er-Jahren getan und wurde damit zur Legende. Die Dampfzentrale Bern versucht seit zwölf Jahren, mit ihrem Musikfestival eigenwillige Künstler auf die Bühne zu bringen, Test Dept sind auch zu Gast. Aus der Schweiz kommen Merz, der von der Industrie möglichst unabhängige Alben produziert, und Rea Dubach, die mystische Soundwelten aus Stimme, field recordings und elektronischen Klängen schafft. Das elektronische Popprojekt TR/ST des Kanadiers Robert Alfons lässt den Synth-Pop der frühen 1980er wiederaufleben, und Ghostpoet aus England macht mit seinen Gitarrenmustern und repetitiven Melodiearrangements Musik, die hypnotisch wirkt. DIF

Basel «Meine Frage» und «Denkpause», Gesprächsreihen, «Meine Frage», Mo, 18. November, 19 bis 21 Uhr, Sa, 23. Nov., 13 bis 16 Uhr; «Denkpause: Im Netz», Mi, 20. Nov., 20 bis 22 Uhr, «Denkpause: Alles Zufall?», Mi, 4. Dezember, 20 bis 22 Uhr, Philosophicum im Ackermannshof, St. JohannsVorstadt 19–21, 1. Stock (Salon). philosophicum.ch

Bern «Biwak#25 – Iran Winter: Abseits der Piste», Ausstellung, Fr, 22. November bis So, 12. April 2020, Führung mit dem Gründer von Iran Mountain Zone, So, 24. Nov., Tiefschnee, ein Skitourenabend, Fr, 13. Dezember, Führung mit Co-Kuratorin Caroline Fink, So, 12. Januar, Alpines Museum der Schweiz, Helvetiaplatz 4. alpinesmuseum.ch

Wer kennt sie nicht, jene Fragen, die man vielleicht jahrelang mit sich herumträgt, ohne dass je der richtige Moment kommt, sie zu stellen? Christian Graf, Musiker und Philosoph, bietet in der Reihe «Meine Frage» Abhilfe. In einer Runde von Leuten, die gerne nachdenken, wird eine Frage aus Blickwinkeln beleuchtet, an die man selbst vielleicht gar nie gedacht hat. Wer eine Frage erörtert haben will, schickt sie vorgängig an: christian.graf@philosophicum.ch. Zu schüchtern dafür? Dann gibt es immer noch die philosophischen Abendgespräche, die «Denkpausen»: Hier redet Graf mit Gästen über ausgewählte Themen. DIF Schneeberge und Wintersport, meiZürich nen hierzulande vielleicht man«Anders als geplant», che, seien Schweizer Spezialitäten. Ausstellung zum Thema Aber auch der Iran ist ein Land des «Scheitern», bis Fr, 20. Pulverschnees und der Skipisten. Dezember, Mo bis Sa 9 bis 22 Hinzu kommen Berghütten, BergUhr; «Die etwas andere vereinigungen, Wanderwege und Fuck-up-Night», Di, 26. Kletterrouten. «Iran Mountain November, Karl der Grosse, Zone» nennt Mohammad HajabolKirchgasse 14, Eintritt frei. fath sein Sportartikel- und Outdoor-Unternehmen in der Milliokarldergrosse.ch «Ist dir schon mal etwas unvernenmetropole Teheran. Hajabolhofft Gutes passiert, obwohl du fath verkauft Bergsteiger- und Skidachtest, dass du gescheitert bist?» touren-Equipment und bietet SchuDiese Frage haben die Mitarbeiter lungen und Kurse an. Das ganze des Zentrums Karl der Grosse ihren Jahr über führt er westliche und iraBekannten gestellt. Die Antworten nische Gäste auf hohe Gipfel und und weitere Geschichten sind in in unberührte Pulverschneehänge. die Ausstellung geflossen, die sich In «Biwak#25» erzählen er sowie dem Phänomen widmet, dass sich der Bergjournalist Nazar Housvieles, was im ersten Moment nach saini, die Höhenbergsteigerin PaMist aussieht, als Gold entpuppt. rastoo Abrishami und die BergfühAuch eine Fuck-up-Night gibt es, rerin Mina Ghorbani von ihrer bestehend aus Gespräch und LeLeidenschaft. Davon, was sie in die sung mit Veronika BrandstätBerge lockt. Auch gesellschaftliche ter-Morawietz, LehrstuhlinhaberFragen stecken in der Bergthemain des Psychologischen Instituts tik, zum Beispiel die: Wie privat ist der Uni Zürich, sowie Gina Bucher, der öffentliche Raum der Berge im Autorin des Buches «Der Fehler, Vergleich zur Stadt? Die Ausstellung zeigt Audio- und Videomateder mein Leben veränderte». Im rial der Zürcher Filmerin und Buch kommt übrigens auch der Zürcher Surprise Stadtführer Peter Buchautorin Caroline Fink, die den Conrath vor. DIF Iran regelmässig bereist. DIF

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BILDER: NICOLE HUWYLER, GESTALTUNG: BODARA

jede Einmischung, ausser jener der herbeigerufenen Polizistin. Das Mädchen, farbiger Plastikreif über dem Kopftuch, noch keine sechs Jahre alt und nicht fahrscheinpflichtig, weint still.

Tour de Suisse

Pörtner in Bümpliz Surprise-Standort: Bottigenstrasse 7 Einwohnerinnen und Einwohner: 16 877 Sozialhilfequote in Prozent: 4,58 Anteil Ausländerinnen und Ausländer in Prozent: 34,8 Musikalisches Denkmal: «Bümpliz-Casablanca» (Züri West), «W. Nuss vo Bümpliz» (Patent Ochsner)

Wer einen Gluscht verspürt, ist hier am richtigen Ort, hier befindet sich Leo’s Gluschteria, die unter anderem Backwaren, Glace und Kaffee anbietet. Gegenüber lockt ein kleiner Park. Ins hohe Gras wurden Wege und eine Art Kornkreise oder eben Wiesenkreise gemäht. Ein Bauwagen mit der Aufschrift «Wildwechsel Stadtnatur für alle» bildet einen schönen Kontrast zu der ansonsten eher in Stein gehaltenen Umgebung. Eine kulturelle Wüste kann sich hier nicht ausbreiten, dafür sorgt der offene Bücherschrank, dank dem, nach dem Prinzip nimm eins gib eins, Literaturaustausch stattfindet. Zu haben sind unter anderem aktuelle Krimis, Schweizer Autoren und Autorinnen, oder «Allein gegen die Seelenfänger». Eine ältere Dame weist ihre Bekannte laut und deutlich darauf hin, dass sie gestern zwei Surprise 463/19

Bücher deponiert, aber keines herausgenommen habe. Keinesfalls will sie als Bücherdiebin in Verdacht geraten. Diesen erwägen könnten jedoch nur die Männer auf der Parkbank, die das Büchertauschgestell im Auge haben, doch die sprechen eine andere Sprache und kommen von weit her. Vielleicht aus demselben Land wie die beiden Kinder, die von drei Beamten der Verkehrsbetriebe, zwei Männern und einer Frau, befragt werden. Wahrscheinlich sind sie ohne gültigen Fahrausweis erwischt worden, diese beiden kleinen Kinder. Die ein Poschtiwägeli dabeihaben, die wohl zum Einkaufen geschickt wurden und statt zu Fuss zu gehen das Tram benutzt haben. Das Tram, das um diese Zeit fast leer ist. Genau zu erfahren ist es nicht, die Kontrolleure verbitten sich

«Willkommen in Bern» steht zwei Meter daneben auf einem Weltformat-Plakat. Willkommen geheissen wird die Schweizer Edition von Coca-Cola Zero. Sie hat dieselbe Farbe wie die Haut der Kinder, um die sich die vier Erwachsenen aus zwei verschiedenen Dienstabteilungen drängen, gerechtfertigt von einem vermuteten Deliktbetrag in der Höhe von zwei Franken. Die Polizistin kniet vor den beiden, redet mit ihnen. Jetzt weint auch der Bub. Endlich löst sich die Gruppe auf, die Polizistin bringt die Kinder nach Hause. Die Kontrolleurinnen wechseln die Haltestellenseite, starren in ihre Handys oder schreiben auf Blöcke, bürokratisch korrekter Dienst nach Vorschrift. Augen werden hier nicht zugedrückt. Bümpliz, so scheint es, ist ein hartes Pflaster. Ist die Main Street Bar, die Stars and Stripes im Schriftzug trägt, die so gar nicht zu dem rustikalen, solid schweizerischen Gebäude mit Schindeln und Riegeln passen wollen, am Ende eine Mean Street Bar und die Bottigenstrasse, an der sich diese Dramen abspielen, ein Highway to Hell oder eine Road to Nowhere? Im Eingang vor der Migros sitzt eine Frau, das Gesicht metallic-grün geschminkt, auf einem kleinen Podest und isst ein Sandwich, vor sich einen Topf für Münzen. Eine lebende Statue. Auch die machen mal Pause. Das sollten wir alle öfters tun: Vom Sockel steigen, Mensch sein.

STEPHAN PÖRTNER  Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.

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IND 0.– S AB 50 ABEI! SIE D

Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist. 01

Cantienica AG, Zürich

02

Hervorragend AG, Bern

03

Beratungsgesellschaft f. die 2. Säule AG, Basel

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Beat Vogel, Fundraising-Datenbanken, Zürich

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Echtzeit Verlag, Basel

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Waldburger Bauführungen, Brugg

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Rhi Bühne Eglisau

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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Philanthropische Gesellschaft Union Basel

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Mitarbeitende Forbo Siegling CH, Wallbach

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TopPharm Apotheke Paradeplatz, Zürich

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Hausarztpraxis Tannenhof, Tann-Rüti

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RLC Architekten AG, Winterthur

14

Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

15

LIVEG Immobilien GmbH, Adliswil

16

VXL, gestaltung und werbung, Binningen

17

Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Zürich

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Brother (Schweiz) AG, Dättwil

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

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Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

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Physiopraxis M. Spring/S. Zeugin, Basel

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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Madlen Blösch, Geld & so, Basel

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Schluep & Degen, Rechtsanwälte, Bern

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma und Ihr gewünschter Namenseintrag Sie erhalten von uns eine Bestätigung. Kontakt: Nicole Huwyler Team Marketing, Fundraising & Kommunikation T +41 61 564 90 50 I marketing@surprise.ngo

SURPLUS – DAS NOTWENDIGE EXTRA Das Programm

Wie viele Surprise-Hefte müssten Sie verkaufen, um davon in Würde leben zu können? Hätten Sie die Kraft?

Wussten Sie, dass einige unserer Verkaufenden fast ausschliesslich vom Heftverkauf leben und keine Sozialleistungen vom Staat beziehen? Das fordert sehr viel Kraft, Selbstvertrauen sowie konstantes Engagement. Und es verdient besondere Förderung. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkaufenden zusätzliche Unterstützung. Sie sind mit Krankentaggeld und Ferien sozial abgesichert und erhalten ein Nahverkehrsabonnement. Bei Problemen im Alltag begleiten wir sie intensiv.

Eine von vielen Geschichten Der Weg in die Armut führte für Daniel Stutz über die Sucht. Als Jugendlicher rutschte der heute 44-Jährige in die Spielsucht und später in den Konsum harter Drogen. Dank einer Therapie schaffte er vor 7 Jahren den Ausstieg. Geblieben ist dem Zürcher Surprise-Verkäufer und -Stadtführer ein Schuldenberg. «Den Weg aus der Sucht habe ich hinter mir, der Weg aus der Armut liegt noch vor mir», beschreibt Daniel seine Situation. SurPlus gibt ihm dabei Rückenwind: «Es ermöglicht mir hin und wieder Ferien. Ausserdem bedeutet es, auch einmal krank sein zu dürfen – ohne gleich Angst haben zu müssen, die Miete oder Krankenkasse nicht zahlen zu können.»

Die ganze Geschichte lesen Sie unter: surprise.ngo/surplus

Unterstützen Sie das SurPlus-Programm mit einer nachhaltigen Spende Derzeit unterstützt Surprise 15 Verkaufende des Strassenmagazins mit dem SurPlus-Programm. Ihre Geschichten stellen wir Ihnen hier abwechselnd vor. Mit einer Spende von 6000 Franken ermöglichen Sie einer Person, ein Jahr lang am SurPlusProgramm teilzunehmen.

Unterstützungsmöglichkeiten: · 1 Jahr: 6000 Franken · ½ Jahr: 3000 Franken · ¼ Jahr: 1500 Franken · 1 Monat: 500 Franken · oder mit einem Beitrag Ihrer Wahl.

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Wir alle sind Surprise #461: Strassenchor

#457: Pörtner in Langenthal

«Sogar unser Dörfli»

«Überraschend gute Qualität» Das Jubiläumskonzert vom Surprise Strassenchor in Basel war ein Erlebnis der besonderen Art. Die Sänger*innen sangen mit Freude, Leidenschaft und viel Herzblut. Dies in einer für mich überraschend guten musikalischen Qualität. Der Funke sprang auch auf das Publikum über, welches das Konzert sichtbar genossen hat. Die Gedichte zwischendurch waren tiefgründig und weise. Über allem schwebte eine Stimmung der Zufriedenheit und der Liebe. Die «standing ovations» am Schluss hat sich der Surprise Chor wahrlich verdient.

Schon lange habe ich Pörtner nicht mehr gelesen, nun aber wieder einmal in der Ausgabe 457. Ich bin begeistert, wie er eines der popeligen Städtchen so spannend und treffend beschreibt. Da bekomme ich das Gefühl, dass einem sogar unser Dörfli mit (s)einer Art Blick besonders erscheinen könnte! Vielen Dank für diesen Artikel und für eure grossartige Arbeit!

R. M. BL ANCO, Basel

«Alles haben wollen»

#458: Die Brandlöscher

«Wichtige Themen» Das neue und erste Editorial von Klaus Petrus sagt genau das aus, weshalb wir immer wieder das Surprise kaufen. In keiner anderen Zeitung – denken wir – kommen so viele wichtige Themen der Gesellschaft zur Sprache wie im Strassenmagazin. Wenn das die Leute nur mehr interessieren würde! Danke, Herr Petrus, und danke allen, die beim Surprise mitmachen.

Impressum

Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T  +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T  +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T  +41 61 564 90 90 M+41 76 325 10 60 anzeigen@surprise.ngo Redaktion
 Verantwortlich für diese Ausgabe: Diana Frei (dif) Klaus Petrus (kp), Sara Winter Sayilir (win) Reporter: Andres Eberhard (eba), Simon Jäggi (sim) T +41 61 564 90 70 F +41 61 564 90 99
 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch

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#459: Verstrahlt

In dieser Ausgabe beschwert sich ein Pierre Louis aus La Neuveville über die Verstrahlung und stellt dies im Wald fest, wo sein Handy nicht funktioniert. Das finde ich doch nun paradox. Jeder will alles haben, aber keine Konsequenzen tragen. Daran leidet unsere Gesellschaft. Hoffentlich hat dieser Herr sein Handy inzwischen verkauft oder verschrottet. E. BLUM, ohne Ort

I. TUDOR A, ohne Ort

Herausgeber Surprise, Münzgasse 16 CH-4051 Basel

H. TORPUS, Sissach

Ständige Mitarbeit
 Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Monika Bettschen, Rahel Nicole Eisenring, Ruben Hollinger, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Semhar Negash, Stephan Pörtner, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Julie Franchet, Mika Grunwaldt, Eva Hirschi, Nora Noll, Joël Roth, Michelle Steinbeck Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Geneh­ migung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt. Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik Druck  AVD Goldach Papier  Holmen TRND 2.0, 70 g/m2, FSC®, ISO 14001, PEFC, EU Ecolabel, Reach Auflage  29 200 Abonnemente  CHF 189, 25 Ex./Jahr Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt. Spendenkonto:
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Ich möchte Surprise abonnieren 25 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.–) Verpackung und Versand bieten Strassen­verkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen Gönner-Abo für CHF 260.– Geschenkabonnement für: Vorname, Name Strasse PLZ, Ort

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FOTO: RUBEN HOLLINGER

Surprise-Porträt

«Plötzlich stand ich alleine da» «Aufgewachsen bin ich in einem Dorf in der Nähe von Keren, der drittgrössten Stadt von Eritrea. Als junge Frau ging ich in die Stadt und arbeitete als Lehrerin. Ich unterrichtete Erst- bis Fünftklässler in Mathematik, Tigrinya und Blin, meiner Muttersprache und einer von neun Landessprachen. Längere Zeit hatte ich einen Freund, und als ich schwanger wurde, dachte ich, wir würden heiraten. Doch er wollte das nicht, denn er stamm­­­­te aus einer christlich-orthodoxen Familie und ich aus einer katholischen. So kam es, dass ich im Frühling 2008 nach der Geburt von Sabriel alleine dastand. Mit verschiedenen Jobs und der Hilfe meiner Geschwister hielt ich uns beide jahrelang irgendwie über Wasser. Bis ich im 21. August 2014 entschied, in Europa nach einem besseren Leben zu suchen. Um Sabriel nicht zu gefährden, liess ich ihn bei meiner Schwester zurück und flüchtete in den Sudan. Von dort gelangte ich über Libyen und das Mittelmeer nach Italien. Vor fünf Jahren, im November 2014, stellte ich im Empfangszentrum Vallorbe ein Asylgesuch. Nach ein paar Wochen wurde ich ins Berner Oberland in die Asylunterkunft nach Aeschiried hoch über dem Thunersee gebracht. Unter der Woche, während die Frauen zu den Kindern schauten, schnitt ich im Beschäftigungsprogramm mit den Männern die Bäume, Büsche und Hecken in der Gegend. Ich war froh um diese Arbeit, auch wenn es eine anstrengende Tätigkeit war. Da das ehemalige Blaukreuz-Ferienzentrum gerade erst in eine Asylunterkunft umgewandelt worden war, gab es im Haus einiges zu tun. Einer, der beim Umbau und Einrichten mithalf, war Daniel Meyer – mit ihm bin ich heute verheiratet, wir wohnen in Thun und haben einen zweieinhalbjährigen Sohn. Surprise verkaufe ich seit letztem Februar. Ein eritreischer Kollege hatte mir davon erzählt, und ich dachte, das sei genau das Richtige für mich. Mein Mann hatte vor einem Jahr einen schweren Motorradunfall und ist deswegen noch immer krankgeschrieben. So kann ich Carlos ein oder zwei Stunden bei ihm lassen und beim Coop Hefte verkaufen. Was ich dort erlebe, vor allem der Kontakt mit den Leuten, stellt mich total auf. Schwierig ist einzig die lange Trennung von meinem älteren Sohn Sabriel. Seit Jahren hofft die ganze Familie, dass er zu uns in die Schweiz kommen darf. Doch zuerst ging es nicht wegen meiner Aufenthaltsbewilligung, dann gab es Hindernisse und Verzögerungen wegen

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Hosaena Meyer, 34, ging ihren Weg und fand ihr Glück im Berner Oberland. Um ihr Leben zu vervollkommnen, fehlt aber noch jemand.

der Dokumente, denn Sabriel besass keinen Pass. Für den Pass und die Einwilligung zur Ausreise mussten meine Geschwister zuerst seinen Vater finden. Das Ganze wird dadurch erschwert, dass Sabriel inzwischen mit meiner Schwester und ihrer Familie in Khartum ist. Es brauchte mehrmals Kuriere, die mit den Dokumenten zwischen dem Sudan und Eritrea hin und her reisten. Im Moment sieht es aber besser aus denn je: Wir warten auf das Einreisevisum für Sabriel. Wann es von der Schweizer Botschaft ausgestellt wird, wissen wir nicht. Aber wenn es so weit ist, werde ich nach Khartum fliegen und Sabriel abholen. Sicher würde er die Reise alleine schaffen, er ist ja inzwischen schon elf Jahre alt. Aber ich möchte auch noch meine Schwester sehen. Sie ist an Krebs erkrankt und wird, mit der Bewilligung von Eritrea, im Sudan medizinisch behandelt. Ich hoffe, dass ich die beiden nach mehr als fünf Jahren wiedersehen und in die Arme schliessen kann.»

Aufgezeichnet von ISABEL MOSIMANN

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GESCHICHTEN GESCHICHTENVOM VOMFALLEN FALLEN UND UNDAUFSTEHEN AUFSTEHEN Kaufen KaufenSie Siejetzt jetztdas dasBuch Buch«Standort «StandortStrasse Strasse––Menschen MenschenininNot Notnehmen nehmen das dasHeft Heftinindie dieHand» Hand»und undunterstützen unterstützenSie Sieeinen einenVerkäufer Verkäuferoder odereine eine Verkäuferin Verkäuferinmit mit1010CHF. CHF. «Standort «Standort Strasse» Strasse» erzählt erzählt mitmit den den Lebensgeschichten Lebensgeschichten von von zwanzig zwanzig Menschen, Menschen, wie wie ununterschiedlich terschiedlich diedie Gründe Gründe fürfür den den sozialen sozialen Abstieg Abstieg sind sind – und – und wie wie gross gross diedie SchwierigSchwierigkeiten, keiten, wieder wieder aufauf diedie Beine Beine zuzu kommen. kommen. Porträts Porträts aus aus früheren früheren Ausgaben Ausgaben des des Surprise Surprise Strassenmagazins Strassenmagazins ergänzen ergänzen diedie Texte. Texte. Der Der Blick Blick aufauf Vergangenheit Vergangenheit und und Gegenwart Gegenwart zeigt zeigt selbstbewusste selbstbewusste Menschen, Menschen, diedie es es geschafft geschafft haben, haben, trotz trotz sozialer sozialer und und wirtschaftliwirtschaftlicher cher Not Not neue neue Wege Wege zuzu gehen gehen und und einein Leben Leben abseits abseits staatlicher staatlicher Hilfe Hilfe aufzubauen. aufzubauen. Surprise Surprise hathat siesie mitmit einer einer Bandbreite Bandbreite anan Angeboten Angeboten dabei dabei unterstützt: unterstützt: Der Der Verkauf Verkauf des des Strassenmagazins Strassenmagazins gehört gehört ebenso ebenso dazu dazu wie wie derder Strassenfussball, Strassenfussball, derder Strassenchor, Strassenchor, diedie Sozialen Sozialen Stadtrundgänge Stadtrundgänge und und eine eine umfassende umfassende Beratung Beratung und und Begleitung. Begleitung. 156156 Seiten, Seiten, 3030 farbige farbige Abbildungen, Abbildungen, gebunden, gebunden, CHF CHF 4040 inkl. inkl. Versand, Versand, ISBN ISBN 978-3-85616-679-3 978-3-85616-679-3 Bestellen Bestellen beibei Verkaufenden Verkaufenden oder oder unter: unter: surprise.ngo/shop surprise.ngo/shop Weitere Weitere Informationen Informationen T +41 T +41 6161 564 564 9090 9090 | info@surprise.ngo | info@surprise.ngo | surprise.ngo | surprise.ngo | Facebook: | Facebook: Surprise Surprise NGO NGO INS_Kurzportraet_GzD_Layout 1 09.05.17 15:43 Seite 1 INS_Kurzportraet_GzD_Layout 1 09.05.17 15:43 Seite 1

Kultur Kultur

Solidaritätsgeste Solidaritätsgeste

STRASSENSTRASSENCHOR CHOR

CAFÉ CAFÉ SURPRISE SURPRISE

Lebensfreude Lebensfreude Entlastung Entlastung Sozialwerke Sozialwerke

BEGLEITUNG BEGLEITUNG UND UND BERATUNG BERATUNG

Unterstützung Unterstützung

Job Job

STRASSENSTRASSENMAGAZIN MAGAZIN Information Information

SURPRISE WIRKT SURPRISE WIRKT

ZugehörigkeitsZugehörigkeitsgefühl gefühl EntwicklungsEntwicklungsmöglichkeiten möglichkeiten

STRASSENSTRASSENFUSSBALL FUSSBALL

Expertenrolle Expertenrolle

SOZIALE SOZIALE STADTRUNDSTADTRUNDGÄNGE GÄNGE PerspektivenPerspektivenwechsel wechsel

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SOZIALE STADTRUNDGÄNGE

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