Surprise Nr. 464

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Strassenmagazin Nr. 464 29. Nov. bis 12. Dez. 2019

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Lebensform

Im Tipi

Mike Häfliger lebt seit über zwanzig Jahren im Wald. Allein. Richtig ausgestiegen ist er nicht. Seite 8


GESCHICHTEN GESCHICHTENVOM VOMFALLEN FALLEN UND UNDAUFSTEHEN AUFSTEHEN Kaufen KaufenSie Siejetzt jetztdas dasBuch Buch«Standort «StandortStrasse Strasse––Menschen MenschenininNot Notnehmen nehmen das dasHeft Heftinindie dieHand» Hand»und undunterstützen unterstützenSie Sieeinen einenVerkäufer Verkäuferoder odereine eine Verkäuferin Verkäuferinmit mit1010CHF. CHF. «Standort «Standort Strasse» Strasse» erzählt erzählt mitmit den den Lebensgeschichten Lebensgeschichten von von zwanzig zwanzig Menschen, Menschen, wie wie ununterschiedlich terschiedlich diedie Gründe Gründe fürfür den den sozialen sozialen Abstieg Abstieg sind sind – und – und wie wie gross gross diedie SchwierigSchwierigkeiten, keiten, wieder wieder aufauf diedie Beine Beine zuzu kommen. kommen. Porträts Porträts aus aus früheren früheren Ausgaben Ausgaben des des Surprise Surprise Strassenmagazins Strassenmagazins ergänzen ergänzen diedie Texte. Texte. Der Der Blick Blick aufauf Vergangenheit Vergangenheit und und Gegenwart Gegenwart zeigt zeigt selbstbewusste selbstbewusste Menschen, Menschen, diedie es es geschafft geschafft haben, haben, trotz trotz sozialer sozialer und und wirtschaftliwirtschaftlicher cher Not Not neue neue Wege Wege zuzu gehen gehen und und einein Leben Leben abseits abseits staatlicher staatlicher Hilfe Hilfe aufzubauen. aufzubauen. Surprise Surprise hathat siesie mitmit einer einer Bandbreite Bandbreite anan Angeboten Angeboten dabei dabei unterstützt: unterstützt: Der Der Verkauf Verkauf des des Strassenmagazins Strassenmagazins gehört gehört ebenso ebenso dazu dazu wie wie derder Strassenfussball, Strassenfussball, derder Strassenchor, Strassenchor, diedie Sozialen Sozialen Stadtrundgänge Stadtrundgänge und und eine eine umfassende umfassende Beratung Beratung und und Begleitung. Begleitung. 156156 Seiten, Seiten, 3030 farbige farbige Abbildungen, Abbildungen, gebunden, gebunden, CHF CHF 4040 inkl. inkl. Versand, Versand, ISBN ISBN 978-3-85616-679-3 978-3-85616-679-3 Bestellen Bestellen beibei Verkaufenden Verkaufenden oder oder unter: unter: surprise.ngo/shop surprise.ngo/shop Weitere Weitere Informationen Informationen T +41 T +41 6161 564 564 9090 9090 | info@surprise.ngo | info@surprise.ngo | surprise.ngo | surprise.ngo | Facebook: | Facebook: Surprise Surprise NGO NGO INS_Kurzportraet_GzD_Layout 1 09.05.17 15:43 Seite 1 INS_Kurzportraet_GzD_Layout 1 09.05.17 15:43 Seite 1

Kultur Kultur

Solidaritätsgeste Solidaritätsgeste

STRASSENSTRASSENCHOR CHOR

CAFÉ CAFÉ SURPRISE SURPRISE

Lebensfreude Lebensfreude Entlastung Entlastung Sozialwerke Sozialwerke

BEGLEITUNG BEGLEITUNG UND UND BERATUNG BERATUNG

Unterstützung Unterstützung

Job Job

STRASSENSTRASSENMAGAZIN MAGAZIN Information Information

SURPRISE WIRKT SURPRISE WIRKT

ZugehörigkeitsZugehörigkeitsgefühl gefühl EntwicklungsEntwicklungsmöglichkeiten möglichkeiten

STRASSENSTRASSENFUSSBALL FUSSBALL

Expertenrolle Expertenrolle

SOZIALE SOZIALE STADTRUNDSTADTRUNDGÄNGE GÄNGE PerspektivenPerspektivenwechsel wechsel

Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, uns ohne staatliche sind aufHinsicht Spenden Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschenfinanzieren in der Schweiz. Unser Angebot Gelder wirkt inund doppelter – und auf den armutsbetroffenen Menschen surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC gewinnorientiert, 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1455 3Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht finanzieren uns ohne1255 staatliche surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3

Erlebnis Erlebnis


TITELBILD: DIANA PFAMMATTER

Editorial

Was schwerer wiegt Die einen wohnen in Mehrfamilienhäusern, pendeln in vollen Zügen, verbringen viele Stunden täglich im Büro, essen QuinoaBowls oder Döner, trinken Coffee-to-go und joggen abends mit dem Hund durch den Park. Ein anderer wohnt in einem Tipi im Wald, konzentriert sich auf seine Musik und Kunst, kocht Espresso auf dem Feuer und interagiert nur dann mit anderen Lebewesen als seiner Katze, wenn ihm danach ist. Mike Häfliger nimmt sich heraus, sein Leben jenseits vieler Normen so zu bauen, wie es sich für ihn richtig anfühlt. Anecken ist nicht sein Ziel, frei sein schon eher. Häfliger will nicht die Welt verändern. Sein Lebenswandel aber stellt infrage, was viele von uns für normal halten: Wie man wohnt, wie man seine Zeit verbringt, ob man soziale Verpflichtungen einhält, mit der Zeit geht, ge­ sell­schaftlichem Aufstieg nachjagt. Einen Moment innezuhalten und sich auszu­ tauschen mit einem Menschen, der es radikal anders macht, zwingt uns zum Nachdenken. Wer seine eigenen Normen von Zeit zu Zeit hinterfragt, ist offener für Wan-

4 Aufgelesen 6 Moumouni …

8 Lebensform

Mann im Tipi

... stimmt mit

del, kann vielleicht mehr Verständnis für andere Lebensentwürfe aufbringen. Lesen Sie ab Seite 8. Ob man Verantwortung übernimmt oder sich aus allem heraushält, muss man nicht nur als Einzelperson, sondern auch als Gesellschaft entscheiden. Dazu gehört auch die Frage, ob das, womit wir unser Geld verdienen, anderen schadet. Im globalen Kontext wird dies besonders bei Rüs­ tungsmaterialien heiss diskutiert. Der Flugzeugbauer Pilatus ist an seinem Standort in Nidwalden hochgeschätzt: als Arbeitgeber, als identitätsstiftende Marke, als Traditionsunternehmen. Der Export der Pro­ dukte jedoch ist umstritten, können die Flugzeuge doch von anderen als Waffen benutzt werden. Was wiegt nun schwerer: Unsere Verantwortung für das Leben von Menschen in fernen Kriegsgebieten oder die ökonomische Stabilität einer Schweizer Region? Die Nidwaldner sind sich darüber erstaunlich einig, SAR A lesen Sie WINTER SAYILIR ab Seite 14. Redaktorin

24 Kino

Das Ideal der tödlichen Reinheit 25 Kino

7 Die Sozialzahl

Blick in den Spiegel

Pensionierung in Würde

25 Die Schweiz schreibt

Alle Sprachen sind Fremdsprachen 14 Waffenexporte

Nidwalden und Pilatus 22 Culturescapes

26 Veranstaltungen

27 Tour de Suisse

Pörtner in Landquart 28 SurPlus Positive Firmen 29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren 30 Internationales Verkäuferporträt

«Ich bin immer noch hier»

Kraków, Stadt der Poesie

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FOTOS: NATE GOWDY

Aufgelesen

News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Stereotypen aufbrechen Wer gehört dazu und wer nicht? Diese Frage stellt das Fotoprojekt «The American Superhero» von Cartoonist und «Sikh Captain America» Vishavjit Singh und dem Seattler Fotografen Nate Gowdy. Die unterschiedliche Herkunft, Altersstufen und Fähigkeiten der Porträtierten werden hier zu Super­ kräften der US-amerikanischen Heldenfigur Captain America.

REAL CHANGE, SEAT TLE

«Drag inspiriert und ermutigt die Menschen, ermöglicht ihnen, die Dinge zu hinterfragen und Schönheit von aussen und innen wahrzunehmen.» Aleksa Manila, Sozialarbeiterin und Drag-Queen

«Ich möchte die Menschen ver­wirren, damit sie anfangen, Fragen zu stellen und nach­­zu­for­schen.» Vishavjit Singh, Sikh Captain America

«Meine Superkraft ist, die Technologie so voranzutreiben, dass Menschen mit ähnlichen physischen Herausforderungen wie ich auch in Zukunft Musik machen können.» Jeremy Best, Musiklehrer und Tetraplegiker

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Weltweit sind derzeit 70 Millionen Men­ schen auf der Flucht, schätzt das Flücht­ lingswerk der Vereinten Nationen UNHCR. Die Mehrheit lebt in den Nachbarstaaten ihrer Herkunftsländer, die meist alles an­ dere als sicher sind und den Geflüchteten keine Perspektiven bieten. Bei vielen dieser Geflüchteten handelt es sich um Folterop­ fer, vergewaltigte Frauen und Männer, Schwangere sowie ältere Menschen. Das UNHCR fordert, dass sichere Staaten sol­ chen dringend Schutzbedürftigen viel häu­ figer ermöglichen sollten, direkt einzurei­ sen und sich ein neues Leben aufzubauen.

HINZ & KUNZT, HAMBURG

Retter von Venedig

Venedigs Bewohner befürchten, dass sich ihre Stadt in eine Geisterstadt nur für Tou­ risten verwandelt. Einige Einheimische kämpfen dagegen, indem sie leerstehende Wohnungen besetzen. «Wir helfen Men­ schen, die ihre Wohnungen verlieren, weil sie zu teuer werden oder zu Hotels umge­ baut werden», sagt Aktivistin Nicola. Sie und ihre Mitstreiterinnen wissen, dass Beset­ zungen allein nicht ausreichen, um Venedig zu retten. «Wir bräuchten auch die Politi­ ker auf unserer Seite. Doch ihnen geht es nur um die Touristen und ums Geld.» Jährlich besuchen bis zu 30 Millionen Tou­ risten die Lagunenstadt.

FAKTUM, GÖTEBORG

Lange Fahrt in den Tod

300 Millionen sogenannte Nutztiere (inklu­ sive Fische und Bienen) werden jedes Jahr innerhalb der EU mittels Langzeittranspor­ ten befördert. Als «lange» gelten Trans­ porte, wenn sie mehr als acht Stunden dau­ ern. Dabei wird offenbar in fast allen Fäl­len die maximale Transportzeit ausgereizt. Für Rinder und Schafe bedeutet das 29 Stunden am Stück, für Schweine 24 Stun­ den. Am Ende der Fahrt wartet für die meisten Tiere im Schlachthof der Tod. In der Schweiz ist die Transportzeit übrigens auf acht Stunden beschränkt.

MEGAPHON, GRAZ

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Fokus Surprise

Was schenken? Schon wieder naht in rasantem Tempo das Ende eines Jahres und Weihnach­ ten steht vor der Tür. Für viele Men­ schen erzeugt diese Zeit einen alljähr­ lich wiederkehrenden Stress: Was schenken? Wie feiern? Warum über­ haupt feiern? Dabei sollten die Ad­ ventswochen doch besinnlich und ru­ hig sein, mit gemütlichen Abenden zuhause mit Familie oder Freunden, in Vorfreude auf das Weihnachtsfest, wo man einander beschenkt und Freude verbreitet. Jedes Jahr frage ich mich erneut, ob es dieses Mal nicht anders geht – ohne den ganzen Stress. Schenken und da­ mit jemandem eine Freude bereiten sollte doch eigentlich eine gute Sache sein, oder? Doch in unserer Konsum­ gesellschaft ist es fast ein Zwang, sich jedes Jahr mit Geschenkideen zu über­ treffen. Für viele sind diese Überlegungen Luxus. Offiziellen Angaben zufolge ist in der Schweiz fast jede 12. Person von Armut betroffen. Das sind rund 675 000 Menschen, die am oder unter dem Existenzminimum leben, Ten­ denz steigend. Für sie bedeutet Weih­ nachten auf andere Weise Stress: Wie feiern, wenn kein Geld da ist? Für Fa­ milien mit Kindern ist es besonders schwierig, wenn die Wünsche der Klei­ nen nicht erfüllt werden können. Als Mutter kann ich dies gut nachfühlen. Armut schafft auch Einsamkeit. Ohne Geld am sozialen Leben teilzu­ haben, wird einem vielerorts unmög­ lich gemacht. Wie erleben also Men­ schen die Weihnachtszeit, für die niemand da ist, der Zeit mit ihnen ver­ bringt, die keinen Ort haben, an dem sie einfach mal sein können? Für viele unserer Verkaufenden, Sängerinnen und Stadtführer ist die Weihnachtszeit deshalb eine schwierige Zeit. Dass Surprise armutsbetroffenen und ausgegrenzten Menschen zu einer Arbeit verhilft und sie am sozialen Leben teilhaben lässt, schenkt ein bisschen Zuversicht. Und die vor­ weihnachtlichen Anlässe und das ge­ mütliche Beisammensein in der Surprise-­Familie helfen über die ein­

samen Festtage hinweg. Auch Gesprä­ che mit Käuferinnen und Käufern ge­ hören zu den wertvollen Momenten, die Freude bereiten. Weihnachten bei Surprise heisst: sich Zeit nehmen für die Sorgen und Probleme jedes Ein­ zelnen, einander zuhören und nach Möglichkeit unterstützen, und zwar Tag für Tag. Wenn Sie jetzt noch nach einer sinnvollen Geschenkidee suchen, wel­ che die Lebenssituation von armuts­ betroffenen Menschen nachhaltig ver­ bessert, dann kaufen Sie auch 2020 das Heft und unterstützen Sie damit einen Verkaufenden und seine Familie ganz direkt. Oder schenken Sie jeman­ dem aus ihrem Familien- oder Freun­ deskreis einen Gutschein für einen Sozialen Stadtrundgang, offerieren Sie einen Café Surprise. Oder unterstüt­ zen Sie unsere Fussballer und Sänger­ innen mit einer Spende. Und jenseits all der materiellen Fragen wünsche ich mir für uns alle: Schenken wir einander doch wieder mehr Zeit und seien wir füreinander da, aber nicht nur an Weihnachten, sondern das ganze Jahr über.

FOTO: TOBIAS SUTTER

Millionen auf der Flucht

JANNICE VIERKÖT TER,

Geschäftsleiterin 5


ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING

Aber dann sollte man sich auch fragen, warum man nicht mitmachen darf. Also ich meine: Ich war ziemlich beliebt in der Schule und ich wusste immer, warum bestimmte Leute nicht mitmachen durften. Sind Migrantinnen etwa dick? Haben sie schon zu früh oder zu spät oder zu kleine oder zu grosse Brüste? Sind Mi­­­g­ranten vielleicht noch im Stimmbruch und die Stimme klingt komisch? Stinkt ihr Pausenbrot? Warum dürfen Migrant*innen nicht mitmachen? Irgendwohin migrieren und einfach nie mitbestimmen dürfen, ist wie aus der Erde gerissen werden und dann im Kühlschrank im Gemüsefach gehalten werden, ist wie geschält werden, dann einfach verkocht werden – ich fühl mich so sehr wie eine Karotte in diesem Land! Ein Gastarbeiterkind zu sein, also ein Kind von Eltern, die für dieses Land gearbeitet haben, und nicht die gleichen Rechte zu haben wie Kinder von anderen Eltern, die ebenfalls für dieses Land gearbeitet haben, ist wie ein Senfglas zu sein, das ausgespült wurde, in das irgendjemand Marmelade hineingetan hat, die niemandem schmeckt: Da steht man nun ganz hinten im Kühlschrank seit Jahren – ohne jemals sei­nen Senf beigetragen zu haben. Obwohl man doch ein Senfglas ist!

Moumouni …

... stimmt mit Ich wurde zur diesjährigen Migrantenund Migrantinnensession des Vereins mitstimme.ch eingeladen, und so durfte ich mich für einen Tag im Rathaus Basel richtig wichtig fühlen. Ich dachte die ganze Zeit an das perfekte Selfie für meinen Papa, um ihm zu zeigen, dass ich an manchen Tagen einen anständigen Job habe: ich, anständig angezogen, hinterm Rednerpult im Grossratssaal vor den Wandmalereien, die nacherzählen, wie Basel 1501 der Eidgenossenschaft beigetreten ist. Die wenigen Frauen auf dem Gemälde sind jeweils mit Kindern versehen, die sie tragen oder verhätscheln, eine Frau wird von einem, wie ich deute, sehr gut gekleideten Mann auf einem Pferd umgarnt. Natürlich gibt es auf dem Bild keine schwar­zen Frauen, die vor einem Rednerpult stehen. Das ist aus verschie6

denen Gründen völlig klar. Und wäh­rend ich mich immer noch geschmeichelt fühle, in diesem Saal aufzutreten, spüre ich plötzlich, wie aussergewöhnlich diese Veranstaltung ist: So viel Diversität ist in diesem Raum wohl selten vertreten. Ein Tag, an dem engagierte Migrant*innen, die vielleicht seit Ewigkeiten in der Schweiz wohnen (zum Beispiel seit mehreren Generationen), aber keinen Schwei­ zer Pass haben, einmal mitbestimmen können. Vorschläge, die in Arbeitsgruppen formuliert wurden, werden vorgestellt, diskutiert, dann wird eine*r der anwesen­ den Politiker*innen darum gebeten, die Vorschläge weiterzutragen und sich dafür einzusetzen. So verschaffen sich die Teilnehmenden über Umwege eine Stimme. Absurd für dieses Land, das sich so sehr seiner direkten Demo­ kratie brüstet, dass so viele Menschen immer noch nicht stimmen dürfen.

Nicht mitmachen zu dürfen ist wie in die Hand zu husten – einfach nicht mehr zeitgemäss. Den Gesetzen eines Landes folgen zu müssen, ohne darüber mit­ entscheiden zu dürfen, aber Steuern zu zahlen ist ein bisschen wie Pizza Hawaii! Meega absurd! Ich will jedenfalls keine Karotte sein! Wir. Wir wollen keine Pizza Hawaii sein. Wir wollen kein Senfglas sein. Wir wollen mitentscheiden!

FATIMA MOUMOUNI  findet, nicht mitstimmen zu dürfen, kann auch Vorteile haben: Zum Beispiel kann man bei katastrophalen Wahlergebnissen sagen: Tja, ich war’s nicht!

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INFOGRAFIK: BODARA ; QUELLE: BUNDESAMT FÜR STATISTIK (2018): SOZIALHILFESTATISTIK

Die Sozialzahl

Um ÜL zu erhalten, müssen viele Bedingungen erfüllt werden. So darf unter anderem die Aussteuerung erst nach dem 60. Altersjahr erfolgt sein. Auch müssen die betroffenen Personen mindestens 20 Jahre in der AHV versichert sein und in den letzten 15 Jahren vor der Arbeitslosigkeit mindestens 10 Jahre lang über 21 330 Franken im Jahr verdient haben. Zudem darf bei alleinlebenden Personen das Vermögen nicht grösser als 100 000 Franken sein und bei Ehepaaren nicht grösser als 200 000 Franken. Auch darf keine IV-Rente und kein Vorbezug der AHV-Rente vorliegen. Und schliesslich muss man sich weiter um eine Stelle bemühen.

Pensionierung in Würde Der Anteil der älteren Menschen in der Sozialhilfe nimmt seit vielen Jahren zu. Machten die 46- bis 64-Jährigen 2007 noch knapp ein Fünftel aller Sozialhilfebeziehenden aus, sind es heute schon mehr als ein Viertel aller Unterstützten. Auch das Risiko, im Alter auf Sozialhilfe angewiesen zu sein, ist grösser geworden. Hatten die 46- bis 55-Jährigen 2007 eine Sozialhilfequote von 3,0 Prozent, so beläuft sie sich zehn Jahre später bereits auf 3,5 Prozent, womit sie über dem Durchschnitt von 3,3 Prozent liegt. Das Gleiche gilt für die noch älteren Sozialhilfebezügerinnen und -bezüger zwischen 56 und 64 Jahren: Hier stieg die Sozialhilfequote von 2,1 auf 2,9 Prozent.

Wer diese Bedingungen erfüllt, bekommt die Überbrückungsleistung, die sich an den Ergänzungsleistungen (EL) orientiert. Der Bundesrat schätzt, dass es jedes Jahr weitere 4400 Perso­ nen sein werden, die ÜL erhalten werden. Bis 2030 führt das zu jährlichen Kosten von 230 Millionen Franken; ihnen stehen Einsparungen bei den Ergänzungsleistungen in der Höhe von rund 30 Millionen sowie nicht bezifferte Einsparungen bei der Sozialhilfe gegenüber.

Viele dieser älteren Menschen in der Sozialhilfe sind langzeitarbeitslos. Sie stempelten ohne Aussicht auf eine Stelle bei einer der regionalen Arbeitsvermittlungsstellen und wurden dann ausgesteuert. Sie müssen ihr Vermögen aufzehren und ihre AHV-Rente vorbeziehen. Oft sind sie gezwungen, ihre Alters­ guthaben aus der zweiten und dritten Säule anzutasten, bevor sie schliesslich Sozialhilfe erhalten.

Wie wird die Wirtschaft darauf reagieren? Werden Unternehmen etwa infolge Umstrukturierung ältere Angestellte entlassen, um sie der Arbeitslosenversicherung und den ÜL zu überstellen? Der immer wieder zitierte Fachkräftemangel wird einer solchen betrieblichen Logik Grenzen setzen. Sonst muss man auch in der Schweiz über die Bestrafung von Unternehmen reden, die missbräuchlich Entlassungen vornehmen.

Angesichts dieser Situation hatte die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) die Idee, Überbrückungsleistungen (ÜL) einzuführen. Der Vorschlag stiess auf grosse Resonanz, und es wurde ungewöhnlich rasch gehandelt. Der Bundesrat entwickelte die Massnahme weiter, schickte sie in die Vernehmlassung und liess ein kurzes wissenschaftliches Gutachten erstellen. Inzwischen hat er seine Botschaft an das Parlament verabschiedet.

PROF. DR. CARLO KNÖPFEL  ist Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz.

35 Sozialhilfebeziehende nach Alterskategorien 2007 und 2017, in Prozent 35 30 30 25

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Wäre er nicht im nahen Städtchen aufgewachsen, könnte Mike Häfliger kaum ungestört im Wald leben.


Der Zauberer im Wald Lebensform Mike Häfliger lebt seit über zwanzig Jahren im Wald.

Allein. Aber er spielt Musik, die Zehntausende hören. TEXT  BENJAMIN VON WYL FOTOS  DIANA PFAMMATTER

Die Songs dauern ewig, Refrains fehlen, Texte gibt es keine. Manchmal tritt der Gitarrist ans Mikrofon und knurrt, wahrscheinlich Kauderwelsch. Diese dröhnende Stimme will so gar nicht zur Erscheinung passen. Der Mann sieht eher aus wie Rumpelstilzchen, mit seinem Zauberhut, dem Gilet und der Schminke. Blauer Balken auf Höhe der Augen, gelb-rote Schraffur um die Nase, grün-gelb am Kinn. Richtung Ohren wird’s dann violett. Das ist zwar bunt, aber alles andere als Flowerpower – es hat etwas Bedrohliches. Über den fünf Musikerinnen und Musikern leuchten die Sterne am gemalten Himmel unter dem Bühnendach. Und über dem Bühnendach leuchtet der Sternenhimmel. Das Publikum wippt mit, geht mit, driftet ab an diesem Konzert in der Mitte von Deutschland. Die Band heisst Space Invaders – mit dieser Musik soll man in den Weltraum reisen können. Das will der Psychedelic Rock: die Leute woanders hinbringen. Woanders: in der Nähe einer Schweizer Kleinstadt, daheim beim Zauberer. Er lebt in einem Tipi im Wald und heisst Mike Häfliger. Ich besuche ihn im Winter. Das erste Mal zu ihm unterwegs fühle ich mich wie auf einer Himmelstreppe. Vom Bahnhof durch die Altstadt den Hang hoch, immer geradeaus. Dann ab dem Waldrand ein schnurgerader Weg. Aufwärts, immer aufwärts. Irgendwann steht er mitten auf der Waldstrasse, im Kapuzenpulli. Sogar im Hoodie sieht er schmal aus. Ein Männlein steht im Walde. Um das Tipi liegt Schnee,

wenig nur, aber er muss erst das Eis aus den Espressotassen schmelzen, bevor er Kaffee servieren kann. Ich besuche ihn auch im Frühling und im Sommer, als er seinen Hausrat zur Feuerstelle vor dem Tipi verlagert hat. Er macht Musik, in der man sich verirrt, und er mag Musik, in der man sich verirrt. Sie habe ihn zu einem Psychonauten gemacht, zu jemandem, der die Windungen des menschlichen Bewusstseins auch mit psychedelischen Drogen erforscht. Alkohol ist hingegen überhaupt nicht seins. Mike ist viel gereist, hat als Tourist kalifornische Megachurches besucht und sich auf Hochebenen in Indien lange mit der dortigen klassischen Musik auseinandergesetzt. Seit über zwanzig Jahren lebt er ununterbrochen hier im Wald. Ungeachtet der Drogen, der Berührungspunkte mit den Weltreligionen und des Wohnorts, der offiziell nur Tieren Lebensraum bietet, hat Mike eine klare Haltung. Der Gesellschaft begegnet er von Tatsachen geerdet, Verschwörungstheorien sind ihm ein Graus. «I got the sun in my eyes», tönt es aus der Boombox, als ich näher komme. Die Sonne scheint, aber Baumwipfel, das Tipi und die Sandsteinhänge gegenüber fangen die Strahlen ab. Mike sitzt auf seiner Decke und schaut ins Feuer. Wallendes Haar, feingliedrig, dauerlächelnd. «I got the sun in my eyes», das stehe für das Lächeln während LSD-Trips. Häfliger ist nicht auf LSD, aber erinnert sich, er hat das gesungen, in den 1990er-Jahren. Er hört sich selber zu. 9


«Ein Proll mit Einfamilienhaus und Kombi hält mich vielleicht für verrückt, das ist aber kein Problem. Das gibt mir Freiheit.»

«I got the sun in my eyes.» In Indien, damals war er wohl auf LSD. «I got the sun in my eyes.» Entstanden ist die Aufnahme in einem Zelt. Dazwischen das Krächzen von Krähen, die er mit ranziger Butter zu seinem Recorder gelockt habe. Der Beat stammt von einem selbstgebauten Schlagzeug – aus Trommeln, Flaschen und einer Mausefalle. «Hä, Buusle!» Die Katze Kali ist ihm vor Jahren zugelaufen, sie ist zutraulich und sichtlich in die Jahre gekommen. Kali – benannt ist sie nach der hinduistischen Göttin der Zerstörung und Erneuerung. Mit Notebook im Tipi Ein 52-jähriger Mann lebt seit über zwanzig Jahren im Wald. Das muss ein Ausstei10

ger sein, ein Sonderling, ein Freak. Ein Freak, das sei er, aber ein Aussteiger sicher nicht. Er nimmt ja an der Gesellschaft teil. Die Waldstrasse ist so steil, dass er auf dem Bike in drei Minuten im Zentrum des Städtchens ist. Mike hat dort einen Atelierplatz, mischt im Kulturlokal mit, organisiert Konzerte, auch von Arthur Brown. Eines seiner wenigen Jugendidole, die noch leben und noch immer touren. Aber am Ende des Abends, wenn andere in ihre Zweizimmerwohnung zurückkehren, geht Mike in den Wald. «Die Schuhe vorne ausziehen.» Mike bittet rein. Der Eingang des Tipis ist massiv, ein Törchen wie das eines Hobbit-Hauses. Drinnen lodert es, die Tipimitte füllt eine Lehmfeuerstelle aus. Der Zeltwand

entlang ist Mikes Haushalt organisiert: Werkzeug rechts vom Eingang, Katzenfutter links davon, geradeaus ist sein Schlaflager. Häfliger stellt die Bialetti-Kanne auf den Feuerrost. Es wirkt geräumig. Grund dafür ist die Ordnung: Alles hat seinen Platz. Darin sei er sehr schweizerisch, witzelt Mike, aber er ist sich bewusst, dass sein Hiersein einen Normbruch bedeutet: «Bei manchen spult es Indianerfilme ab, Kindheitsträume. Ein Proll mit Einfamilienhaus und Kombi hält mich vielleicht für verrückt, das ist aber kein Problem. Das gibt mir Freiheit.» Für Provokationen sei er zu haben, er glaubt, dass sein Dasein manchen den Spiegel vorhält. Gleichzeitig zeige sich gerade jetzt, wie gefährlich Provokation um Surprise 464/19


Nicht ganz ausgestiegen: Häfliger nutzt Mobiltelefon und Internet und geht regelmässig abstimmen.

jeden Preis sei. Wenn er über Fake News und Verschwörungstheorien spricht, verschwindet Mikes Lächeln. «Alle gehören zum Stamm, der ums Feuer tanzt. Selbst wenn es nicht mehr alle wissen», sagt er und erklärt dann, wie er es meint: Verbundenheit mit der Natur, aber auch als Gesellschaft, als Menschheit. Einsam fühlt sich Mike im Wald nie. Wenn Wanderer vorbeikommen und interessiert sind, lädt er sie auch mal zu einem Kafi ein. Früher, bevor alles digital wurde, hätten die Kassetten noch viel Platz gefressen, erzählt er. Notebook und Handyinternet haben Mikes Teilnahme am gesellschaftlichen Leben schon sehr erleichtert. Abstimmen gehe er fast immer, wählen tue er nur auf lokaler Ebene: Wenn er die Leute kennt. Surprise 464/19

Aber wieso kann Mike Häfliger überhaupt im Wald leben? Ein Grund sei schon, dass er die Leute kenne. Weil er im nahen Städtchen aufgewachsen sei. Mike ist zwar ein lange und weit Gereister, aber doch ein Hiesiger. Mit einem Fremden wäre man wohl anders umgesprungen – sagt’s und bedauert’s. Weil das Städtchen miterleben konnte, wie er der geworden ist, der er heute ist. Weil bis heute Verwandte hier wohnen, in vier Wänden. Mike entsorgt den Müll, auch wenn es nicht sein eigener ist. Wenn er nicht so ordentlich wäre, würde man ihn auch anders behandeln – sagt’s und bedauert’s. Weil es Leute gibt, die halt keine Ordnung halten können. Womöglich ist ein weiterer Faktor für Mikes erfolgreiches Waldleben, dass der Wald um sein Tipi

herum vom Kanton verwaltet wird und nicht einer Privatperson gehört. 130 000 Youtube-Klicks Mike schlägt einen anderen Ton an, wenn er über klassische indische Musik spricht. Bei jedem meiner Besuche setzt die Musik eine Grundstimmung. Mike sagt, seine Tage unterteilen sich in acht Stunden Musik hören, acht Stunden was anderes, zum Beispiel Musik machen, und acht Stunden Schlaf. Würde er einen Lebenslauf erstellen, würde er mit Bandnamen ansetzen. Mit acht begann es mit den Beatles, drei Jahre später kam Hendrix dazu: «Wie habe ich mit zwölf gewusst, wie gross seine Musik ist? Ich hatte kaum Musikwissen, konnte gerade mal einen Akkord auf der 11


«Wir begegnen uns einmal pro Jahr. Es ist ein bisschen wie ein Treffen von Magiern, Zauberern und Künstlern.»

Die Bühnenshow der Space Invaders ist nichts für Blumenhippies.

Gitarre, ein E-Dur. Ich hab Hendrix gehört und erkannt, wie gross er ist. Als Zwölfjähriger mit bürgerlichen Eltern – wie ist das passiert?!» Als Nächstes trat Frank Zappa ins Zentrum, schon vor dem ersten LSDTrip mit achtzehn kam psychedelische Musik hinzu. Während des ersten Trips dann: Arthur Brown, Gong, Steven Hillage. Auf einem toten Baumstamm. Am Ufer des Sempachersees. In den frühen Morgenstunden. «Fire – I’ll take you to burn – Fire – I’ll take you to learn – I’ll see you burn!» Sein Leben im Erwachsenenalter erzählt Mike entlang seiner Reisen, mit dem Kanu von Minneapolis bis New Orleans, später dann immer wieder ins Parvati Valley nach Indien: Jam-Sessions, Mantras, Spontankonzerte. Mike sagt, das Reisen habe seine 12

Entwicklung am meisten geprägt. Ich sehe nervtötende Backpacker vor dem inneren Auge und frage mich: Was unterscheidet Mike von ihnen? Erstmal macht er kein Yoga, vor allem aber hat er seinen «Rucksack» nie wieder ausgezogen. Er kommt tatsächlich mit fast nichts aus, für ihn ist diese Lebensweise kein Trip, kein Ausbruch mit doppeltem Boden, keine Selbsterfahrung, nach der man wieder brav ins Büro zurückkehrt. Ins Büro zurückkehren kann. Wieder am Konzert nahe der Mitte Deutschlands. Zwei Stunden spielen die Space Invaders, und währenddessen vergisst man schon mal, dass es ein Leben aus­serhalb des Songs gibt. Wo im Song sind wir? Somewhere in Space, im Weltraum. Der Auftritt ist der Höhepunkt im

anderen Leben, das Mike führt: der Gig am Burg-­Herzberg-Festival. Vor dem Auftritt war Mike nervös. Viele Leute, deren Meinung ihm etwas bedeutet, seien im Publikum: Musikerinnen, Musikjournalisten, solche, die wissen, was gut ist. Hier steht Mike in der Mitte des Ge­ schehens. Alle die, mit denen er meist nur chattet, die im ganzen deutschen Raum verstreut leben, besuchen das Burg-Herzberg-Festival. Die Musiker wippen im Takt, das Publikum wippt im Takt, es wirkt meditativ. Zu Beginn standen vielleicht 200 Leute vor der Bühne, aber es werden mehr und mehr. Die Space Invaders spielen lange – und sie spielen spät, von nachts um eins bis etwa drei. Währenddessen geht den 11 000 Besucherinnen und Besuchern Surprise 464/19


des Festivals überall woanders langsam das Programm aus. Dann kommen sie zum «Höllenschuppen», der experimentellen Bühne am Hang. Keine Zäune, keine Security Mike hat sie vor neun Jahren mitgegründet, hier wird während des viertägigen Festivals fast durchgehend gejammt, wenn keine Band auftritt. Aus einer Jamsession entstanden die Space Invaders, der Name kam zwar erst später hinzu. Sie seien eine «AllStar-Band der deutschen Psych-Szene», schreibt Eclipsed, das Musikmagazin im deutschsprachigen Raum für jene, die sich für solche Musik interessieren. Auf Youtube wurde das vorletzte Space-Invaders-Album 130 000 Mal gehört. Surprise 464/19

Auch auf dem Herzberg – «auf’m Berch», wie man sagt – sind viele Menschen. Wer hät­te geglaubt, dass 2019 noch tausende Men­schen unironisch Batik-T-Shirts tragen? Sie kommen mit Wohnmobilen, VWBus­sen und kleinen Zelten. Manche bringen Grills und Campingstühle mit, und alle küm­mern sich vorbildlich um ihren Abfall. Die Urhippies sind schon in Rente gegangen, sie haben ihre Kinder und Enkel dabei. Sie sitzen auf Stoffdecken vor der Hauptbühne und rauchen ihre Joints. Statt Massenfrass gibt es günstiges Bio-Essen, es gibt keine Metallzäune, kaum Security. Und nur selten zückt während eines Konzerts jemand das Handy und schiesst Fotos. Lädt die Musik der Space Invaders in den Weltraum ein, fühlt sich das Herzberg wie eine

Zeitreise an. Zum ersten Mal fand das Festival, das auch als «Bonsai-Woodstock» bekannt ist, 1968 statt. Letztes Jahr war Jubiläum; dieses Jahr kamen noch mehr Besucher. Seenotretter, Antifa-Gruppen und Umweltorganisationen haben Stände «auf’m Berch» – aber auf dem Festivalbändchen steht «Stardust we are» in Regenbogenfarbe. Die Festivalleitung hat in einem Interview mit Journal Frankfurt behauptet, die Begriffe Love und Peace hätten «die Kraft, die derzeitige Spaltung der Gesellschaft aufzulösen». Das wirkt nicht nur aus der Zeit gefallen, sondern schmerzhaft naiv. Die Zeitreise macht eben auch die Macken der Hippies erlebbar – eine kurze Flucht aus dem Alltag. «Es gibt solche, die ziehen die Pluderhosen an und spielen ein paar Tage pro Jahr Blumenhippie», sagt Mike nach dem Festival. Aber dann gebe es auch die, die ähnlich leben wie er. «Und wir begegnen uns einmal pro Jahr. Es ist ein bisschen wie ein Treffen von Magiern, Zauberern und Künstlern.» Die Blumenhippie-Sache war eben nie Mikes Ding – seine Katze trägt den Namen einer Zerstörungsgöttin, er bewundert das Feuer, er sieht sich als Provokateur, als Spiegel der Gesellschaft, ist sich aber bewusst, wie destruktiv und gefährlich Provokation sein kann. Mike wäre gerne ein Zauberer, fühlt sich manchmal als Zauberer – aber weiss eben auch, dass er keiner ist. Oder höchstens im übertragenen Sinn. Zehntausende hören sich die Musik dieses Mittelland-Magiers im Internet an, während der mit seiner Katze im Wald sitzt und ins Feuer schaut. Und die wenigsten der Hörer wissen, dass Mike im Wald lebt und nie in einem Büro sitzt. Häfliger versteckt sein Daheim nicht, aber er geht damit nicht hausieren. Er lebt nicht für die anderen im Wald, nicht für irgendein Publikum, sondern für sich. Es ist die Geschichte von einem, der die Normen kennt, die Normen versteht, die Normen anwenden kann, wenn er muss: Im Städtchen organisiert er regelmässig Konzerte. Das bedeutet viele Sitzungen, Promoarbeit, Werbung. Aber er kann trotzdem so leben, wie er will. Schon 1968 war das für die meisten Hippies nur ein Traum. In der kleinen Schweiz des 21. Jahrhunderts scheint er noch viel unrealistischer als in den USA der 1960er. Schön, dass es möglich ist. 13


Die Schilder der Protestdemo gegen den Bundesrat sind heute ErinnerungsstĂźcke, auf die man stolz ist in Stans.


Pilatus hat leise gehustet Waffenexporte Der Flugzeugbauer Pilatus ist wegen seiner Geschäfte mit Saudi-Arabien

in die Kritik geraten. Doch in Nidwalden könnte die Unterstützung für die milliardenschwere Firma nicht grösser sein. Warum? Eine Reise in die Mitte der Schweiz. TEXT  ANDRES EBERHARD FOTOS  MEINRAD SCHADE

Ein bekanntes Sprichwort in Nidwalden geht so: «Wenn Pilatus hustet, hat Nidwalden die Grippe.» Mit Pilatus ist der Flugzeugbauer aus Stans gemeint, 80 Jahre alt und Aushängeschild des Urkantons. Mit 2000 Mitarbeitenden ist er der einzige unternehmerische Riese einer Region, deren Wirtschaft fast ausschliesslich aus KMUs besteht. Würde man all die Zulieferer mit einrechnen, die von den Flugzeugwerken leben, käme man wohl auf eine fünfstellige Zahl von Menschen, die von ihnen abhängig sind – und das bei einer Einwohnerzahl Nidwaldens von etwas über 40 000. Wenn also Pilatus krankt, dann leiden alle darunter, heisst es. Noch ist die Firma zwar kerngesund – doch seit diesem Sommer herrscht in der Mitte der Schweiz Durchzug. Am 4. Juli 2019 treffen sich alle sieben Bundesräte in Ostermundigen bei Bern und steigen in den Zug. Für einmal nicht Politik, sondern Geselliges soll während der nächsten zwei Tage im Vordergrund stehen. Dominieren sollen nicht Grabenkämpfe, sondern lockere Sprüche. Und der «Austausch mit der Bevölkerung». In der Vergangenheit tanzten die Bundesräte schon an der Chilbi, überquerten barfuss einen Fluss, malten gemeinsam ein Bild, fuhren Trottinett, rodelten oder setzten sich in Schützenpanzer und Rennautos. Das «Schuelreisli», wie es der Boulevard nennt, ist zur Schau gestelltes Teambuilding. Surprise 464/19

Zunächst läuft auch am diesjährigen Ausflug in die Innerschweiz alles nach Plan. Die Stimmung ist gelöst, als die Bundesräte in Schwyz aus dem Zug steigen, sich durch das Bundesbriefmuseum führen lassen und dann für den ersten Apéro Halt machen. So wird man es später in den Klatschspalten der Zeitungen nachlesen können. Die Obersten des Landes stimmen in einen Jodel ein, der Schwyzer Landammann überreicht ihnen ein Taschenmesser, beim Fototermin witzelt Simonetta Sommaruga über «de falsch Tschoope» – die übertriebene Garderobe – von Ignazio Cassis. Lachen, Gesten, Sprüche, so wie es sich gehört. Per Schiff geht’s nach Altdorf, ein weiterer Apéro, dann nach Andermatt. Im Fünf-Sterne-Hotel Chedi wird eingecheckt. Am zweiten Tag jedoch, nach einer Wanderung durch die Schöllenenschlucht und noch vor dem «Nidwaldner Bratchäs», kommt es zu einer «atmosphärischen Störung», wie Ueli Maurer die Vorkommnisse auf dem Dorfplatz von Stans bezeichnet – beziehungsweise zu einem «Eklat», wie es in der «Tagesschau» heissen wird. Denn statt eines Taschenmessers wie in Schwyz erhält der Bundesrat von der Nidwaldner Lokalregierung einen Rüffel. Landammann Alfred Bossard (FDP) wendet sich während seiner Ansprache dem Bundesrat zu und sagt: «Es widerspricht jeglicher Rechtsordnung, wenn Sie diesen Streit auf dem Rücken einer Firma respektive der Schweizer 15


Eine Strasse führt quer über den Flugplatz, Modellflugzeuge sind allgegenwärtig: Fliegen prägt das Selbstverständnis einer ganzen Region.


Wirtschaft austragen.» Im Publikum halten mehrere Zuhörer Plakate hoch: «Bundesbern zerstört Arbeitsplätze» steht darauf, und etwas kleiner darunter: «bei den Pilatus Flugzeugwerken». Ein Lokalpolitiker, der den Bundesrat ausgerechnet auf seinem geselligen Jahresausflug mit einem Streit konfrontiert, und Bürger, die demonstrieren. Wie konnte das passieren? Vor rund zehn Jahren verkaufte Pilatus 80 militärische Flugzeuge in den arabischen Raum – 25 in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und 55 nach Saudi-Arabien. Die beiden Staaten beteiligen sich seit 2015 im Jemen an

«Ein rechtsstaatlicher Skandal» Das Bundesverwaltungsgericht wird entscheiden, ob Pilatus die an die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien gelieferten Flugzeuge weiterhin warten darf. Der Bund hatte angeordnet, dass die Firma ihre Mitarbeiter innerhalb von neunzig Tagen aus den Ländern zurückholen soll, wogegen Pilatus Rekurs einlegte. Einem Antrag auf aufschiebende Wirkung hat das Gericht stattgegeben, sodass die Pilatus-Mitarbeiter vorläufig vor Ort bleiben dürfen. Der Fall beschäftigt auch die Politik: Innerschweizer Abgeordnete haben zahlreiche Vorstösse im National- und Ständerat eingereicht, die Pilatus helfen sollen. Am weitesten gediehen ist eine dringliche Motion, mit welcher der Bundesrat aufgefordert werden soll, das Söldnergesetz anzupassen. Eine Mehrheit der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats hat sich bereits dafür ausgesprochen. Voraussichtlich in der Wintersession wird darüber abgestimmt. Priska Seiler Graf (SP), Mitglied der Kommissions-Minderheit, spricht auf Anfrage von einem Skandal. «Der Gesetzesverstoss von Pilatus ist meiner Meinung nach offensichtlich. Dass man sich nun für die Interessen einer privaten Firma über geltendes Recht hinwegsetzen möchte, ist sehr bedenklich.» Auch Balthasar Glättli (Grüne) empörte sich in einer Stellungnahme darüber, dass sich die Politik in ein laufendes juristisches Verfahren einmischt. «Während im Jemen-Krieg Kinder sterben, verletzt die sicherheitspolitische Kommission das Prinzip der Gewaltenteilung, um die finanziellen Interessen von Pilatus zu schützen. Ein rechtsstaatlicher, aber auch ein politischer Skandal.» EBA Surprise 464/19

einem blutigen Krieg gegen die Huthi-Rebellen – auch aus der Luft. Die VAE zogen sich zwar unlängst zurück, das hat die Lage vor Ort jedoch weiter destabilisiert. Die humanitäre Lage des Jemens ist katastrophal, 80 Prozent der Bevölkerung sind auf internationale Hilfe angewiesen. Der Export der Pilatus-Flugzeuge war dennoch legal. Für beide Deals erteilte das zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) eine Bewilligung. Als Pilatus 2009 den 500-Millionen-Auftrag von den VAE erhielt, war das Land noch nicht in den Krieg im Jemen verwickelt. Dass die Emire systematisch Menschenrechte verletzen, wie Kritiker anmerkten, und das Land fünf Jahre davor seinem Ruf als Waffendrehscheibe alle Ehre machte, indem es entgegen den Abmachungen 40 Schweizer Panzerhaubitzen nach Marokko weiterverkaufte, darüber sah der Bund hinweg. Drei Jahre später, als die Saudis beim Stanser Flugzeugbauer anklopften, war die Ausgangslage eine andere. Denn Saudi-Arabien steht seit 2009 auf der Liste jener Länder, in welche der Export von Kriegsmaterial verboten ist. Trotzdem bewilligte der Bund auch diesen Deal. Möglich wurde das, weil die Maschinen des Typs PC-21 als Trainingsflugzeuge gelten und nur dann als Kriegsmaterial eingestuft werden, wenn sie mit Trägervorrichtungen ausgerüstet sind, an denen sich Bomben aufhängen lassen. Während Pilatus offen zugegeben hatte, den Emiraten bei der Bewaffnung der Maschinen geholfen zu haben, lieferte man den Saudis Flugzeuge ohne solche «hard points». Statt dem Kriegsmaterial- unterstanden die Exporte deshalb dem lockereren Güterkontrollgesetz, weshalb für Pilatus der grösste Auftrag der Unternehmensgeschichte ungehindert über die Bühne gehen konnte. EDA pfiff Pilatus aus arabischem Raum zurück Die Grauzone, was als Kriegsmaterial gilt und in welche Länder geliefert werden darf, legte der Bund in diesem Fall also jeweils zum Vorteil von Pilatus aus. Das änderte sich im Juni dieses Jahres und sorgte für den kräftigen Durchzug in der Innerschweiz. Das Aussendepartement EDA pfiff Pilatus nämlich aus dem arabischen Raum zurück. Konkret forderte es die Firma auf, ihre rund zwanzig Mitarbeiter, welche vor Ort die gelieferten Maschinen warten, innerhalb von neunzig Tagen zurückzuholen. Das EDA begründete diesen Schritt mit einem Verstoss gegen das sogenannte Söldnergesetz. Dieses war vom Parlament 2015 eigentlich für einen anderen Zweck geschaffen worden: Nämlich um zu verhindern, dass sich hierzulande ausländische Sicherheitsfirmen ansiedeln, die Mitarbeitende in Kriegsgebieten beschäftigen. Dass davon Schweizer Firmen mit Mitarbeitenden im Ausland betroffen sein könnten, daran dachte damals niemand. Ein paar Wochen nach der Bundesratsreise knipst Christoph Keller in einem hinter der Gaststube gelegenen Saal des Restaurants Glasi-Adler in Hergiswil das Licht 17


an. Er kenne den Wirt persönlich, es sei schon gut. Die Wände sind mit Flugzeugen aus Glas bestückt, die Trennwand zur Gaststube ist komplett himmelblau bemalt. «Diese Nachricht aus Bern schlug hier ein wie eine Bombe», sagt Keller. «Es brodelte gewaltig. Also entschied ich mich, Flagge zu zeigen.» Keller, Präsident der Nidwaldner SVP, hatte in die Tasten gegriffen und für 300 Franken ein Inserat im Unterwaldner gebucht – einem lokalen Inserateblatt, das gut gelesen wird, weil es nicht nur mit Werbung, sondern auch mit privaten Mitteilungen und Meinungen gefüllt ist. Unter einem SVPLogo und dem Schlagwort «Klartext» schrieb Keller: «Stellen Sie sich vor, ein Garagist darf ein Auto verkaufen, aber keinen Service leisten», und weiter: «Mit ihrem Vorgehen gefährden die EDA-Beamten (im Verbund mit den linksgrünen Medien und Parteien) die Existenz der Pilatus-Flugzeugwerke.» Keller und mit ihm viele Nidwaldner stören sich daran, dass man sich in Bern offenbar uneinig darüber ist, ob die Tätigkeiten im arabischen Raum legal oder illegal sind. So hatte eine Stelle (das Seco) grünes Licht gegeben, eine andere (das EDA) stellte auf Rot. Doch kann man mit Verweis auf widersprüchliche Aussagen des Bundes den Krieg im Jemen verdrängen? «Krieg ist schlimm. Aber es geht hier um Trainingsflugzeuge», sagt Keller und fragt zurück: «Wo ziehen Sie die Grenze? Auch ein Handy ist Kriegsmaterial, wenn es als Zeitzünder benutzt wird.» Im Gespräch mit Keller wird klar, warum der Fall Pilatus in Nidwalden Emotionen auslöst. Hier ist man stolz auf die CHRISTOPH KELLER, PR ÄSIDENT DER NIDWALDNER SVP Flugtradition. Schliesslich baue Pilatus nicht nur militärische, sondern auch zivile Flugzeuge – so unter anderem die bekannte Kunstflugstaffel PC-7. Ausserdem war der kleine Regionalflugplatz lange Zeit eine wichlediglich durch eine Barriere gesichert – quer über den tige Basis der Schweizer Luftwaffe. «Als hier noch Mirage-­ Flugplatz Buochs führt; dass Flugzeuge über eine KanKampfflugzeuge aus den Bergen starteten, gab es in der tonsstrasse rollen und darum der Verkehr angehalten Badi Buochs eine Durchsage und alle schauten in die Luft. wird; dass auf der Terrasse eines Bistros in Stans als DeDie Mütter hielten ihren Kindern die Ohren zu.» Die koration zwei ausgemusterte Mirage-­Kampf­flugzeuge Mirage sind seit vielen Jahren Geschichte und die Lärmstehen. gegnerinnen und -gegner wären wohl heute auch in der Seine Anzeige im Unterwaldner schloss Keller damals mit dem Aufruf, bei der Bundesratsreise auf den Dorfplatz Innerschweiz in der Mehrheit, doch die Flugzeugbegeisterung in Nidwalden ist noch heute sichtbar. Wer durch zu kommen. «Eine gute Gelegenheit für die Nidwaldner den Kanton fährt, wundert sich darüber, dass eine Stras­se – Bevölkerung nachzufragen, was dieser Entscheid eigent-

«Wo ziehen Sie die Grenze? Auch ein Handy ist Kriegsmaterial, wenn es als Zeitzünder benutzt wird.»

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lich soll.» Er selber sei nicht zur Demo gegangen. «Ich der Schweiz gehen verloren.» Rund tausend Mitarbeitende hatte Geburtstag und meine Familie hatte für mich einen seien betroffen. «Sie sind nervös. Sie haben Angst um ihre Ausflug geplant.» Den Kontakt des Organisators gibt er Stelle.» aber gerne weiter. Schwenk zeigt sich in diesem Interview äusserst geDer Widerstand während der Bundesratsreise in Stans sprächig. So erzählt er freimütig, dass die Service-Aufträge löste in Nidwalden viele Sympathien aus. Es kommt gut der rund zwanzig Mitarbeiter im arabischen Raum pro an, wenn sich der Landammann nicht vor dem Bundesrat Jahr rund fünfzig Millionen Franken einbringen und dass duckt. So stellten sich alle Regierungsparteien Nidwaldens – FDP, SVP und CVP – geschlossen hinter die öffentliche Kritik an der Bundesregierung. Wenig später fuhr eine Regierungsdelegation nach Bern, um die Sache hinter verschlossenen Türen noch einmal mit dem Bundesrat zu besprechen. Auch Innerschweizer Abgeordnete wurden inzwischen aktiv: Sie reichten im nationalen Parlament diverse Vorstösse ein, die PiLEO AMSTUT Z, PR ÄSIDENT DER GRÜNEN NIDWALDEN latus helfen sollten (siehe Kasten Seite 21). Regierung, Politikelite und demonstrierende Bürger: Geeint kämpft Nidwalden für die Interessen einer privaten Firma, die jährlich einen Umsatz von über einer Milliarde Schweizer Franken macht. Dabei wird der Gewinn von zuletzt 150 Millionen Schweizer Franken nicht etwa im Volk verteilt, sondern unter einigen wenigen: Hauptaktionäre von Pilatus sind die Nachkommen der Waffen-Dynastie Bührle sowie der Schweizer Investor und Ex-Banker Jörg F. Burkart. Warum steht die Firma dennoch unter dem Schutzschild des Volkes? Dazu gibt es zwei Theorien. Wer eher an das Gute glaubt, sagt: Weil Pilatus zu den Leuten schaut. Wer Böses vermutet, antwortet: Weil die Leute von Pilatus erpresst werden.

«Wissen Sie, moralischethische Fragen sind hier schwierig zu diskutieren.»

Patriotismus statt Moralfragen Am selben Tag, als der Bundesrat zu Besuch war, vom Landammann einen Rüffel einstecken musste und Demonstranten Schilder hochhielten, erschien in der Nidwaldner Zeitung ein Interview mit Pilatus-CEO Oscar J. Schwenk. Dieser kündigte an, dass seine Firma gegen den Entscheid des Bundes Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einreichen werde. Und sagte, dass er zwei Möglichkeiten sehe, falls die Beschwerde nicht erfolgreich sei. «Wir verlagern das Militärgeschäft ins Ausland. Oder wir verkaufen das Geschäft. Bei beiden Optionen ist die Folge dieselbe: Die Arbeitsplätze in Surprise 464/19

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«Das Ganze ist für mich nicht politisch. Ich möchte den Mitarbeitern helfen, die keine Stimme haben.» ALBERT FR ANK , EHEMALIGER SVP-K ANTONSR AT

er eine SMS der Nummer 2 des Verteidigungsministeriums aus den Emiraten erhalten habe, der «rassig Bescheid haben wollte, ob Pilatus den Support für seine Flieger noch machen könne». Auf Nachfrage von Surprise reagiert die Pilatus-Zentrale hingegen verschlossen. Man erhalte «stets viele Interviewanfragen» und könne «2019 leider keinen Interviewslot mehr anbieten». Gegenüber der Lokalzeitung gibt sich der CEO als wohlwollender Patron. «Ich habe mich seit vierzig Jahren für die Firma und die Arbeitsplätze eingesetzt», sagt er. 20

«Dass ich von meinem eigenen Land eine solche Ohrfeige bekomme, hätte ich nicht erwartet.» Er sei nicht stolz darauf, dass er Beschwerde gegen den Entscheid des Bundes eingereicht habe. «Ich schäme mich, die Schweiz zu verklagen.» Schwenk weiss, dass dieser Lokalpatriotismus in Nidwalden ankommt. Für moralische Fragen fühlt er sich aber nicht zuständig. Auf die entscheidende Frage im Interview mit der Nidwaldner Zeitung sagt Schwenk mit denselben Worten wie Christoph Keller von der lokalen SVP: «Was im Jemen-Konflikt passiert, ist schrecklich, keine Frage.» Ein «Aber» im nächsten Satz genügt ihm, um dem Thema auszuweichen. Das Seco habe die Bewilligungen erteilt, der Bundesrat habe grünes Licht gegeben, das Ganze sei nicht nachvollziehbar. «Ach wissen Sie, moralisch-ethische Fragen sind hier schwierig zu diskutieren.» Das sagt Leo Amstutz, Präsident der Grünen Nidwalden. Er ist sozusagen der Kopf der Opposition, denn die führenden bürgerlichen Parteien sind sich in den Kernthemen meist einig. Oft argumentiert Amstutz in Debatten gegen einen ganzen Saal. Dieselbe Rolle nimmt Amstutz beim Thema Pilatus ein. «Sie würden wohl im ganzen Kanton keine zehn Personen finden, welche die Firma öffentlich kritisieren», sagt er. «Wir sind die Nestbeschmutzer.» Amstutz spricht laut über den Elefanten im Raum: «Rechtfertigen tausend Arbeitsplätze, dass anderswo Menschen sterben?» Er verweist auf die Skandale, welche den Flugzeugbauer in den 1990er-Jahren erschütterten. Damals kam raus, dass Pilatus seit den 1970er-­ Jahren systematisch Handel mit autoritären Regimes betrieben hatte. Der Bundesrat habe über viele Jahre seine schützende Hand über diese zwielichtigen Geschäfte gehalten, wie Gregor Poletti im Buch «Der Pilatus-Schwindel» schreibt. Auch die Bevölkerung gab sich lange mit dem Argument zufrieden, dass es sich bei den Maschinen PC-7 und PC-9 um «Schulflugzeuge» handle – bis Bilder aus Burma, Guatemala, Mexiko und dem Irak auftauchten, die Pilatus-Maschinen bei Angriffen auf die Zivilbevölkerung zeigten. Nach diesem Skandal wurden die Gesetze für die Ausfuhr von Kriegsmaterial verschärft. Jedoch sorgte eine Surprise 464/19


starke Lobby für ein Schlupfloch: Nicht der Flugzeugtyp, sondern die Ausführung sollte in der Folge entscheidend sein, ob Pilatus in kritische Gebiete liefern dürfe. Aus diesem Grund wird die PC-21 – der Nachfolger von PC-7 und PC-9 – manchmal mit, manchmal ohne die oben beschriebenen Aufhängepunkte für Waffen gebaut, je nach Kunde und politischer Situation. Amstutz kann diese Unterscheidung nicht nachvollziehen, für ihn sind auch Trainingsflugzeuge ohne Bomben Kriegsmaterial. «Piloten lernen darauf, wie sie Bombenangriffe fliegen müssen. Damit sind sie der Anfang einer leidvollen Geschichte.» Zeit genug, den zivilen Einsatz auszubauen Doch Amstutz will gar nicht zu sehr Moralist sein, er findet das Verhalten von Pilatus auch aus ökonomischer Sicht fahrlässig. «Aus Sicht des Unternehmens stellt das militärische Geschäft doch ein riesiges Risiko dar.» Dieses nehme Pilatus bewusst in Kauf und gefährde mit dieser riskanten Strategie einen ganzen Kanton. «Dabei wäre genug Zeit gewesen, um sich vom militärischen Teil zu trennen und den zivilen auszubauen.» Auch Amstutz kennt den Spruch vom leise hustenden Pilatus und Nidwaldens Grippe, doch anders als die meisten sieht er die Flugzeug-

Volk stimmt über Waffenexporte ab Gleich zwei Volksinitiativen zu Waffenexporten kommen demnächst zur Abstimmung. Die Initianten der «Korrektur-Initiative» wollen verhindern, dass Schweizer Rüstungsfirmen Waffen in Bürgerkriegsländer liefern dürfen, auch wenn kein Grund zur Annahme besteht, dass das Kriegsmaterial im internen Konflikt eingesetzt wird. Der Bundesrat hatte zuvor die Regeln für Rüstungsexporte in mehreren Schritten gelockert – das kann er mittels Verordnungen jederzeit tun. Die Initiative möchte dies unterbinden und die Regeln für Rüstungsexporte auf Verfassungs- und Gesetzesebene festschreiben. Die «Kriegsgeschäfte-Initiative» wiederum möchte der Nationalbank, Schweizer Stiftungen sowie Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge verbieten, Unternehmen zu finanzieren, die mehr als fünf Prozent ihres Umsatzes mit Kriegsmaterial erzielen. Für beide Volksbegehren sind die nötigen 100 000 Unterschriften bereits eingereicht worden. Sie sind beim Bundesrat bzw. beim Parlament hängig. EBA

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werke nicht in der Rolle des Opfers. «Pilatus hat sich freiwillig in den Durchzug gestellt.» «Bundesrat zerstört Arbeitsplätze» – die Schilder von der Demo lagern heute in einer Doppelhaushälfte in Buochs an einer ruhigen Dorfstrasse zwischen Flugplatz und Vierwaldstättersee. Eines ist ans Tor genagelt, die anderen sind drinnen in der Garage verstaut. Albert Frank holt sie heraus, stellt fürs Foto auch gleich noch zwei Modellflugzeuge aus, die sein Sohn von Pilatus zur bestandenen Lehrabschlussprüfung erhalten hat. Wenig später stellt Frank eine Karaffe Leitungswasser auf den Tisch in der «Fischereihütte», einem mit Baumstämmen und einem Wellblech lieblich eingerichteten Gartensitzplatz, und erzählt, warum er die kleine Demo während des Besuchs des Bundesrats organisiert hat. «Das Ganze ist für mich nicht politisch», sagt er. «Ich möchte den Mitarbeitern helfen, die keine Stimme haben.» Frank sagt von sich, er sei ein grosser Fan und Bewunderer des Flugzeugbauers. Sein Sohn lernte bei Pilatus Flugzeugkonstrukteur. Zudem beherbergte Frank in einer Einliegerwohnung immer wieder internationale Spezialisten für die Pilatus Flugzeugwerke, bis diese eine eigene Wohnung gefunden hatten – eine Tradition, die seine Mutter in den 1960er-Jahren begonnen hatte. Frank, selbständiger Werber und ehemaliger SVP-Kantonsrat, gilt im Ort als umtriebig, wird im Politbetrieb aber offenbar auch etwas belächelt, vermutlich weil er oft spricht, bevor er denkt. Dass er mobilisieren kann, bewies er vor rund fünf Jahren, als er über 3000 Unterschriften für eine Petition gegen den Bau eines Deltas im nahe gelegenen Seefeld sammelte – prompt schickte das Volk das Projekt bachab. Schliesslich gelang es ihm auch bei Pilatus innerhalb von kurzer Zeit, rund 25 meist Pensionierte aufzutreiben, die bei der Demo mitmachten. Auch Frank schiebt moralische Bedenken zur Seite, aber im Gegensatz zu jenen, die einen Ruf zu verlieren haben, ist er dabei gnadenlos ehrlich. «Arabien?», fragt er und legt sein Gesicht in Falten, «darüber weiss ich zu wenig.» Er steht auf, breitet seine Arme weit aus und sagt: «Meine Welt geht genau von hier», er dreht seinen Kopf zuerst nach links, dann nach rechts, «bis hier.» Er sei gläubiger Christ, fährt er fort. «Moral ist für mich, zu seinem Nächsten zu schauen und mit ihnen zu teilen, wenn man etwas hat.» Kürzlich sei er auf Ibiza gewesen, wo ein paar Jugendliche im Bed-and-Breakfast nicht gewusst hätten, wie man sich benehme. Also habe er ihnen gesagt: «Schaut, ich finde toll, was die Greta Thunberg macht. Aber ihr müsst das Geschirr abwaschen und die Spaghetti entsorgen, das ist es, worauf es jetzt gerade ankommt.» Ein paar Tage später schiebt er per E-Mail nach, was er damit sagen wollte, er möchte nicht falsch verstanden werden. «Zuerst sollte man sein eigenes Verhalten in seinem kleinen Umfeld in Ordnung bringen, bevor man für die Probleme der Welt auf die Strasse geht.» 21


Kraków, Stadt der Poesie Culturescapes Im Rahmen des Kulturfestivals Culturescapes 2019 reisten namhafte Schweizer Autorinnen und Autoren zum Schreiben nach Polen. Wir drucken ihre Texte. Ariane von Graffenried schliesst die Mini-Serie ab. TEXT  ARIANE VON GRAFFENRIED

Ich liege am Ufer der Wisła im Gras, einen Kugelschreiber zwischen den Zähnen, und warte auf Agnieszka. Es ist Samstag, Ende Oktober, 18 Grad, Herbstsonne und wolkenloser Himmel in Kraków. Seit zwei Tagen bin ich in der Stadt, lese ihre Dichter, koste Piroggen und flaniere durchs Laub. Die Stadt leuchtet. Verschlafen schreibe ich ins Notizbuch: Das Licht ist schön im Osten. Culturescapes 2019 hat mich eingeladen, im Rahmen des Conrad-Literaturfestivals in einer kleinen Buchhandlung aus meinem Band «Babylon Park» zu lesen. Kraków gilt als Stadt der Poesie. Zwei Literaturnobelpreisträger lebten hier, Wisława Szymborska und Czesław Miłosz. Und auch der grosse Lyriker, Essayist und Bürgerrechtler Adam Zagajewski kehrte nach Jahren im Exil hierher zurück. In den 80er-Jahren hatte ihm das kommunistische Regime die Einreise und Publikation seiner Bücher verboten. Lange war der Spaziergang durch Kraków für ihn blosse Erinnerung. Ein reisender Poet ist ein Tourist, «einer von tausend Schatten», schreibt Zagajewski im Gedicht «Der Koffer». Vielleicht ist man nur ab und zu Dichterin, denke ich im Halbschlaf. Und vielleicht ist auch Kraków nur ab und zu die Stadt der Poesie. Am Fusse der Wawel, dem kalkfelsigen Burghügel, reihen sich die Restaurantbarken wie gefälschte Perlen auf glitzerndem Wasser entlang der vollgestopften Uferpromenade. Schleppend gehen die Krakówer ihrem Fluss entlang. Und selbst die Krähen scheinen phlegmatisch in all den treibenden Blättern auf ihrer halbherzigen Suche nach Krümeln im goldenen Licht. Ob die Polen erschöpft sind, weil sie den Kapitalismus innert weniger Jahre aus dem Nichts aufgebaut haben? Ein behelmter britischer Junggesellenabschied grölt im karierten Rock auf E-Scootern an mir vorbei. Er und die Wahlergebnisse der letzten Wochen trüben die verschlafene Idylle. Die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat bei der Parlamentswahl einen klaren Sieg errungen. Finanz- und Korruptionsaffären im Dunstkreis der Partei, die Untergrabung des Rechtsstaates, der Streit mit der EU – es hätte viele Gründe gegeben, die PiS nicht zu wählen. Wie kann es sein, dass in einem Land mit so 22

vielen Literaturnobelpreisträgerinnen – auch die jüngste, Olga Tokarczuk, beharrliche Kritikerin der Regierung, ist in diesen Tagen in Kraków – der Rechtsnationalismus so populär ist, frage ich mich. Wobei der Literaturnobelpreis spätestens seit der Vergabe an Peter Handke keine Garantie für gute Literatur und ethische Orientierung mehr ist. Denn poetische Subjektivität, die historische Fakten leugnet und deren poetische Dimension darin besteht, Menschen zu trennen, verfügt über keine Kraft und verfehlt ihre Möglichkeiten. Ich lege den Kugelschreiber zwischen die Halme und döse ein. Flucht vor den Lindt-Hasen In der Ferne kreischt eine alte Strassenbahn. Mein Telefon klopft. Agnieszka schreibt mir eine Nachricht: «Stehe vor dem Schiff.» «Welchem?», antworte ich. Schon sehe ich sie winken. Wir begegnen uns heute zum ersten Mal. Agnieszka Kowaluk ist Literaturübersetzerin und Sprachdozentin. Sie ist eine der Besten, hat Elfriede Jelinek, Wolfgang Herrndorf und Marlene Streeruwitz ins Polnische übersetzt, unterrichtet Deutsch für Migranten und hat ein amüsantes Buch über ihr Leben in Deutschland geschrieben. Vor einigen Wochen hat Agnieszka einige meiner Gedichte übersetzt, darunter «Warschau», einen berndeutschen Text über die Zerstörung und den Wiederaufbau der Warschauer Altstadt nach dem Vorbild der Gemälde des venezianischen Malers Canaletto. Wisława Szymborska hat in ihrem Gedicht «Ende und Anfang» übers Aufräumen und den Wiederaufbau geschrieben, übers Weitermachen, wenn woanders der nächste Krieg begonnen hat. Ich komme aus einem kriegsverschonten Land und denke an all die polnischen Porzellantassen, an Möbel, Familienalben, Kulturschätze und ganze Stadtteile, die zerstört wurden. Irgendwann wächst Gras drüber. Und «im Gras, das über Ursachen und Folgen wächst, muss jemand ausgestreckt liegen, einen Halm zwischen den Zähnen, und in die Wolken starrn». Agnieszka hat in Warschau Germanistik studiert und mag die herbe Schönheit der Hauptstadt lieber als das nostalgische Kraków. Bis heute stehen die beiden Städte Surprise 464/19


FOTO: CLAUDIA HERZOG

Ariane von Graffenried (*1978) arbeitet als Autorin, Spoken-­WordPerformerin und promovierte Theater­ wissenschaftlerin. Sie ist Mitglied der preis­gekrönten Autorinnen- und Autorengruppe «Bern ist überall» (siehe «Die Schweiz schreibt», S. 25) und des Duos Fitzgerald & Rimini, schreibt für die Bühne, für Zeitungen und die Wissenschaft. 2017 erschien ihr Buch «Babylon Park», 2019 folgte «50 Hertz», eine CD mit Gedichtband. Für ihre Sprechtexte wurde sie mehrfach ausgezeichnet.

für grundverschiedene Lebenshaltungen: Warschau für Wandel, Kraków für Beständigkeit. Warschau wurde im Zweiten Weltkrieg durch deutsche Sprengung in Schutt und Asche gelegt, Kraków blieb verschont. «In den 90er-Jahren waren die Lindt-Hasen auf dem Vormarsch in Polen, da bin ich gegangen», sagt Agnieszka. Sie flüchtete vor dem Turbokapitalismus und wegen der Liebe nach Deutschland. Wir spazieren Richtung Altstadt, ein urbanes Meisterwerk des Mittelalters und der Renaissance, umschlossen von einer Parkanlage: ein UNESCO-Schätzchen in Form einer Laute, dem Instrument der antiken Dichter. Der Marktplatz ist das Zentrum. Er ist grösser als Venedigs Markusplatz und einer der schönsten öffentlichen Räume Europas. Es ist Abend geworden. Tauben scheissen auf das Denkmal des Nationaldichters Adam Mickiewicz, Menschen sitzen unter Heizpilzen in Cafés. «Wo Heizpilze wachsen, gibt es keine Hoffnung mehr», steht beim Poppoeten Jens Friebe geschrieben. Fiaker rattern übers Kopfsteinpflaster. Touristen, Studentinnen mit knalligem Haar, Omas und orthodoxe Juden strömen uns entgegen. In einer Seitengasse setzen wir uns in eine vegane PatisSurprise 464/19

serie. Ich frage Agnieszka nach dem Ausgang der Wahlen. Sie winkt ab, sagt: «Bitte nicht.» Und tut es dann doch: «Fast jeder zweite Wählende hat die PiS gewählt. Die polnische Gesellschaft ist gespalten. Doch die Westpresse berichtet wenig über die starke Bürgergesellschaft, die sich gegen die nationalkonservative Regierung stellt und die auf einer langen Widerstandstradition gründet.» Ich fühle mich wohl in Agnieszkas Gesellschaft. Wir reden über Sprache, Übersetzungen und Bücher, über Gemeinsamkeiten und die Auflösung von Grenzen. Eigentlich wollten wir zu Olga Tokarczuks Lesung, doch der Saal war voll. In einem ihrer Bücher lese ich: «Läsen die Menschen dieselben Bücher, lebten sie in derselben Welt.»

«Culturescapes Polen», multidisziplinäres Kulturfestival, bis Fr, 6. Dezember; Literatur, Theater, Musik, Tanz, Film, Kunst und Kulinarik in der ganzen Schweiz. culturescapes.ch 23


BILD: XENIX FILM

Das Ideal der tödlichen Reinheit Kino In «Le jeune Ahmed» erzählen die Belgier Luc und Jean-Pierre Dardenne vom Islamismus und

bleiben trotzdem ihrem Kernthema treu: dem Erwachsenwerden in einer schwierigen Situation. TEXT  MONIKA BETTSCHEN

Rituelle Waschung vor dem Gebet in der Moschee. Eben noch hat sich der 13-jährige Ahmed (Idir Ben Addi) geweigert, seiner Lehrerin Inès (Myriem Akheddiou) zum Abschied die Hand zu geben. Nun reibt er sich mit Wasser gründlich das Gesicht und die Arme ab und wendet sich danach seinem Imam zu, dem er das Mikrofon für die Predigt am Kragen seines Gewandes befestigt. Eine Geste, die offenbart, wie sehr der introvertierte Heranwachsende zu diesem Mann aufschaut. Beim Abendessen ist seine Mutter aus­ ser sich, als sie vom verwehrten Handschlag erfährt. «Vor einem Monat hingst du noch an der PlayStation. Du hast deine Poster abgenommen. Du trägst keine kurzen Ärmel mehr», fasst sie den Wandel zusammen, der sich in erschreckend kurzer Zeit vollzogen hat. Ahmed macht dicht, und so bleibt es bis kurz vor der letzten Einstellung. Das belgische Brüderpaar Luc und Jean-Pierre Dardenne hebt sich die leise Andeutung einer Abkehr vom Fanatismus bis ganz zum Schluss auf. Im Telefongespräch erklären die beiden: «Uns interessierte weniger die Frage nach den Ursachen einer Radikalisierung als vielmehr die Frage, wie ein Jugendlicher, der sich bereits radikalisiert hat, wieder zurück ins Leben finden könnte.» Es mag erstaunen, dass ein Film als Reaktion auf die Terroranschläge in Belgien und Frankreich deren Ursachen weitgehend ausblendet, dafür aber seiner Haupt24

figur mit der Handkamera auf Schritt und Tritt folgt. «Wir wollten dem Zuschauer nicht erlauben, verallgemeinernde Schlüsse zu ziehen, daher bleiben wir sehr nahe bei Ahmed», begründet dies Luc Dardenne. «Le jeune Ahmed» reiht sich in eine anwachsende Liste von (oft frankophonen) Filmen ein, die sich aus europäischer Sicht mit der Radikalisierung junger Menschen auseinandersetzen, wie zum Beispiel «L’adieu à la nuit» von André Téchiné oder «Le ciel attendra» von Marie-Castille Mention-Schaar. Sie bringen die Grundstimmung einer diffusen Angst zum Ausdruck, die spätestens nach den Anschlägen auf «Charlie Hébdo» und das Bataclan 2015 in Europa zurückgeblieben ist. Ahmeds Fanatismus erreicht seinen Höhepunkt in einem Mordversuch an seiner Lehrerin, die er für ihren liberalen Lebensstil verachtet. Zur Strafe muss der Teenager mit der erstarrten Miene in ein Jugendgefängnis, wo er Psychologen und Gefängnisaufseher gleichermassen täuscht. Als Zuschauerin verfügt man über den beunruhigenden Wissensvorsprung, dass er zu Ende bringen möchte, was ihm beim ersten Versuch misslungen ist: Mit der gleichen Ernsthaftigkeit, mit der er seine Gebete verrichtet, spitzt er an den Bodenfugen eine Zahnbürste an, die er in seine Zelle geschmuggelt hat. Ahmeds Innenleben kann man nur erahnen. Er wird durch seine Taten und die Reaktionen seines Umfelds definiert. Der

13-Jährige steht stellvertretend für Heranwachsende, die auf der Suche nach Vorbildern leichte Beute von Hasspredigern werden können. «Ahmed hat nach seiner Tat kein Unrechtsbewusstsein. Das ist charakteristisch für den Fanatismus. Er folgt dem Ideal der Reinheit, die alle, die seiner Auffassung nach keine wahren Muslime sind, ausschliesst. Es ist das Ideal einer tödlichen Reinheit», sagt Jean-Pierre Dardenne. Luc und Jean-Pierre Dardenne wurden für «Le jeune Ahmed» in Cannes mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet. Die Filmemacher, die schon zweimal die Goldene Palme gewonnen haben, beweisen seit Jahren ein gutes Gespür für Geschichten rund um das Auf- und Heranwachsen unter erschwerten Bedingungen. So zum Beispiel auch in «Rosetta», «Le fils» oder «Le gamin au vélo». «Kindheit und Jugend sind Lebensphasen, in denen es noch möglich ist, sich zu verändern», sagt JeanPierre Dardenne. «Darum ist Ahmed zwar ein Jugendlicher, aber auch immer noch kindlich. Wir wollten, dass diese Figur den Kontakt zum Leben behält und wieder dorthin zurückfinden kann.»

Luc Dardenne und Jean-Pierre Dardenne: «Le jeune Ahmed», B/F 2019, 84 Min., mit Idir Ben Addi, Olivier Bonnaud, Myriem Akheddiou u.a. Der Film läuft ab 5. Dezember im Kino. Surprise 464/19


Blick in den Spiegel

BILD: OUTSIDE THE BOX

Der Dokumentarfilmer und Reisejournalist René Gardi (1909– 2000) träumte davon, die Volksgruppe der Mafa im Norden Kameruns mit einem Zaun gegen europäische Einflüsse abzuschirmen, um ihre in seinen Augen so ursprüngliche und unschuldige Lebensweise zu bewahren. Begierig wandert Gardis Kamera über nackte schwarze Haut, während er aus dem Off das Wesen der Menschen beschreibt: «Sie leben glücklich in den Tag hinein, kümmern sich um keinen Lebensstandard, wissen nichts von Produktion und Rendite.» In solchen Szenen offenbart «African Mirror» Gardis gleichzeitig schwärmerische wie zutiefst herablassende Haltung, die den Mafa die geistigen Fähigkeiten moderner Menschen abspricht. Wie trotzige Kinder seien sie, ist an anderer Stelle zu hören. Gardis Filme, Fotografien und Texte haben unser Afrikabild während Jahrzehnten nachhaltig geprägt – und verzerrt. «Bis vor wenigen Jahren gab es keine kritische Auseinandersetzung mit Gardis problematischem Werk», sagt Mischa Hedinger. «Mein Film offenbart die gestörten Machtverhältnisse und möchte ein Beitrag zur postkolonialen Diskussion sein. Er soll den Anstoss geben, den eigenen Blick auf Afrika zu reflektieren. Der Film bleibt in seiner Zeit, aber mit dem Wissen von heute entstehen im Kopf automatisch Querverbindungen. Es bedarf keiner zusätzlichen Erklärungen, um die verborgene Wahrheit zu erahnen.» Der Film ist somit kein Biopic über René Gardi und will es auch nicht sein. Hedinger stand für seine Recherchen Gardis Nachlass zur Verfügung, und das kommentarlos präsentierte Archivmaterial hält uns den Spiegel vor. Wie nötig das ist, zeigen zum Beispiel immer wieder die emotional geführten Debatten über den Namen eines bestimmten Schokoschaumgebäcks. MONIK A BET TSCHEN

Mischa Hedinger: «African Mirror», Dokumentarfilm, CH 2019, 84 Min. Läuft zurzeit im Kino. Surprise 464/19

ILLUSTRATION: TILL LAUER

Kino «African Mirror» des Berner Regisseurs Mischa Hedinger zeigt, wie der Schweizer Dokumentarfilmer René Gardi unser Afrikabild nachhaltig verzerrt hat.

Alle Sprachen sind Fremdsprachen Die Schweiz schreibt Die Autorengruppe

«Bern ist überall» setzt sich für die Gleichwertigkeit aller Sprachen ein. Sprache bedeutet Heimat und schafft Zugehörigkeit. Aber in Zeiten, in denen oft und gerne das Wir-Gefühl beschworen wird, dämmert einem langsam auch, wie viel politischer Zündstoff sich hinter der Haltung verbirgt, dass Sprache identitätsstiftend sei. «Der Wandel von dieser Annahme hin zur Überzeugung, dass die Muttersprache die einzig wahre ist und anderen sogar überlegen, vollzieht sich genau auf einem solchen Nährboden», sagt der Berner Autor und Musiker Adi Blum. Er war von Beginn an Mitglied des 2003 gegründeten Spoken-Word-Ensembles «Bern ist überall», dem auch Pedro Lenz oder Antoine Jaccoud – unter anderem bewährter Drehbuchautor der französisch-schweizerischen Filmregisseurin Ursula Meier – angehören. Die Gruppe verbindet mündliche Literatur mit Musik und setzt bei ihren Bühnenprojekten auf Mehrsprachigkeit. «Die mehrsprachige Schweiz ist ein guter Ort, um laut auf der Bühne die Gleichwertigkeit aller Sprachen zu leben. Denken wir zum Beispiel nur an die immer wieder aufflammenden Diskussionen, ob in den Deutschschweizer Schulen überhaupt noch Französisch unterrichtet werden soll», so Blum. «Indem wir Mehrsprachigkeit ganz selbstverständlich auf die Bühne bringen und damit den Klang aller Sprachen würdigen, möchten wir darauf aufmerksam machen, wie sehr rund um die Sprache ausgetragene Machtkämpfe einem friedlichen Miteinander im Weg stehen», sagt Adi Blum und liefert auch gleich ein eindrückliches Beispiel, das die politische Dimension verdeutlicht: «Vorletztes Jahr unternahmen wir für das Projekt ‹Kosovë IS EVERYWHERE› eine Reise in den Balkan. Bei einem Auftritt im Kosovo wurde es den Kunstschaffenden nahegelegt, auf der Bühne kein Serbisch zu sprechen. Die Nachwehen des Krieges sind im alltäglichen Sprachgebrauch immer noch deutlich spürbar. Wenn man für Europa eine einzige Sprache bestimmen müsste, wäre wohl die Sprache der Übersetzung eine geeignete Wahl.» Und deshalb ist «Bern ist überall» so konsequent, in einem Manifest zu fordern: «Es gibt keine eigenen und fremden Sprachen. Alle Sprachen sind Fremd­ sprachen.» MONIK A BET TSCHEN «Bern ist überall», Spoken-Word-Kollektiv; Infos und Auftrittsdaten unter: bernistueberall.ch 25


Birsfelden (BS)/Bern Blackbox IWF, Daten: Do, 28., Sa, 30. November, So, 1. bis Di, 3. Dezember, jeweils 20 Uhr, ausser Sonntag 18 Uhr, Roxy Birsfelden, Muttenzer­ strasse 6, Birsfelden; Do, 12. bis Sa, 14. Dez., jeweils 20 Uhr, Schlachthaus Theater Bern, Rathausgasse 20/22. theater-roxy.ch schlachthaus.ch

Zürich «Alles meins! – Der zweite Abend: Held*innen», Salon mit Sibylle Berg und Knackeboul, 17. Dezember, 20 bis 22 Uhr, weitere Daten mit anderen Gästen: Di, 25. Februar und So, 2. April, je 20 Uhr, Schauspielhaus Zürich, Pfauen, Rämistrasse 34. schauspielhaus.ch «Eine Revue zur Herstellung guter Laune» bietet uns Sibylle Berg, die gerade mit «GRM – Brainfuck», einem Buch, das von einer ziemlich schlimmen Welt erzählt, den Schweizer Buchpreis gewonnen hat. Das muss aber kein Widerspruch sein, und ziemlich wild könnte es trotz gesittet formulierter Ankündigung auch hier werden. Berg fragt unter dem Titel «Held*innen»: Wer hat uns erzogen, beeinflusst, zum Träumen gebracht? Wer hat die Welt verändert, und sei es nur die eigene? Die Antworten werden sich dann mit Hip-Hop, Chanson, Chor, Modeschau, Videos und Alkohol vermengen. DIF

Dornach/Solothurn/Biel «Das Original», Theater­ stück, Sa, 7. Dezember, 19.30 Uhr, So, 8. Dez., 18 Uhr, Di, 10. Dez., 19.30 Uhr, Do, 9. Januar, 19.30 Uhr, Sa, 11. Jan., 19.30 Uhr, So, 12. Jan., 18 Uhr, Neues Theater Dornach, Bahnhofstr. 32; weitere Vorstellungen ab Mi, 22. Jan. im TOBS Biel, Burggasse 19, ab Di, 28. Jan. im TOBS Solothurn, Theatergasse 16–18, und Do, 5. März, 20 Uhr Gastspiel in Burgdorf. neuestheater.ch/tobs.ch Amerikanische Theaterstücke haben es oft so an sich, dass sie Tief-

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sinniges in süffige Geschichten packen. In Stephen Sachs’ «Das Original» haben wir Maude, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens steht und in einem Trailerpark lebt. Diese Frau behauptet, das «hässliche Ding», das sie in einem Trödlerladen gekauft habe, sei ein echter Jackson Pollock, ca. 50 Millionen Dollar wert. Aus New York reist, von einer Stiftung entsandt, ein gutsituierter Echtheitsprüfer an, der sich die Sache ansehen soll. Und prompt entspinnt sich ein Gespräch, in dem es nebst der künstlerischen vor allem auch um die menschliche Authentizität geht: um soziale Herkunft und darum, wie man sich ein Bild von jemandem macht. DIF

Das Stück «Blackbox IWF» nimmt sich der gleichen Thematik an wie der Film «African Mirror» (siehe S. 25): Die aktuellen Diskussionen über Flucht und Migration sind noch immer von kolonialen Bildern des Anderen geprägt, die Exotismus mit Überheblichkeit verbinden. «Blackbox IWF» schaut sich die Dynamiken dahinter an – anhand von Material aus dem ehemaligen Institut für den wissenschaftlichen Film in Göttingen, kurz IWF. Gegründet nach dem Zweiten Weltkrieg, entwickelte es sich zu einer wichtigen Institution für Filmproduktionen mit wissenschaftlichem Anspruch. Nach der Schliessung blieben Tausende von ethnologischen Filmen mit den zugehörigen Akten zurück. Auf der Bühne setzen sich nun ein Kulturanthropologe und zwei Performer mit dem Nachlass auseinander und fragen: Wie treten wir das Erbe dieser Bildproduktion an? DIF

Bern «Connected Space», Projekträume und Initiativen der Berner Kunstszene laden einander ein: Peinture Jaune zu Gast in der Sattelkammer zu Gast im AirBnB Halden­ strasse 18, bis 29. November, weitere Projekte bis Ende Dezember. connected-space.ch Das Projekt «Connected Space» lässt lokale Kunsträume und Initiativen an Orten zu Gast sein, die künstlerisch bislang nicht genutzt wurden. Das geht zum Beispiel so: Die Sattelkammer logiert in einer Airbnb-Wohnung, macht dort aber keine Ferien. Sondern fotografiert die komplett eingerichtete Wohnung und räumt sie danach aus. Dann ist nämlich Platz für Themen rund ums Wohnen, Besitzverhältnisse und Unterkunftsmöglichkeiten. Es lohnt sich, das Programm von «Connected Space» online detailliert anzusehen. Denn der Ideen sind noch viel mehr, und zum Teil ist eine Anmeldung erforderlich. Weitere Termine sind: Lokal-Int zu Gast im Gpard 14 zu Gast in der ehemaligen Metzgerei Meinen (15. Nov. und 7. Dez.), PTTH:// zu Gast im Kore zu Gast im Blutturm (12. bis 31. Dez.). DIF

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BILD (1): HETA MULTANEN, BILD (2): JONAS GILLMAN, BILD(3): SAMUEL RAUBER

Veranstaltungen


Leute nicht besonders fashionbewusst wirken. Das ist ein Kennzeichen der Markenmode: Es kommt nicht darauf an, ob einem das Teil steht, es kommt darauf an, was auf dem Teil steht. Weltbekannte Modehäuser, Gibt’s-die-immer-nochMarken und nie gehörte Labels wechseln sich ab mit den grossen Namen der Sport- und Outdoor-Branche. Es gibt Pfan­ nen und Töpfe, Schokolade, Kaffee und Kägi fret. Das Konzept ist durchdacht: Gegenüber den Lingerie-Läden liegt das Geschäft für Babysachen. Die Stimmung ist gut, niemand wartet auf den Bus, niemand muss zur Arbeit, alle gönnen sich etwas. Die Menschen schlendern die Strasse hinauf und kommen strahlend, eine Einkaufstüte schwingend, wieder zurück. Schnäppchenjagd erfolgreich, Geld gespart.

Tour de Suisse

Pörtner in Landquart Surprise-Standort: Tardistrasse 20a Einwohnerinnen und Einwohner: 9043 Sozialhilfequote in Prozent: 2,2 Durchschnittlicher Preis für 4-Zimmer-Wohnung in Franken: 1360 Fashion Outlet: 7 Tage offen, 160 Marken, bis 70 Prozent Rabatt

Auf der anderen Seite der Geleise, zwischen Eisen- und Autobahn, liegt das Landquart Fashion Outlet. Der Dorfplatz ist ein Parkplatz. Ein riesiger, der allen Innenstadtautoshoppenden Tränen in die Augen treibt. So gross. So viel Platz. Und kostet fast nix. Das Leben kann so schön sein. Schön wie ein Dorf, in dem es nur eine Hauptstrasse gibt, nur Läden, keine Bewohner. Eine mit Hits aus vergangenen Jahrzehnten dezent beschallte Hauptstrasse mit Sitzgelegenheiten, Grünpflanzen und Food­trucks. Die schmucken, zweistöckigen Häuser sind nicht etwa einheitlich, nein, es gibt ganz unterschiedliche Modelle: Die Fassaden sind weiss oder gelb oder apricot. Häuser mit holzverkleidetem Obergeschoss, in dem sich wahrscheinlich Büro- und La­ ger­räume befinden, auch wenn sie wie Surprise 464/19

Wohnungen wirken sollen, mit Balkon, mit Laube, mit aufgemalten Steinquadern oder einer beliebigen Kombination aus diesen Elementen. Alles einheitlich und doch nichts genau gleich. Dazwischen Holzbeigen, Gartencafés, Blumenkübel, Sitzbänke, Strassenlaternen. Es wirkt wie die Fussgängerzone in der Innenstadt eines Touristendorfs oder eines historischen Städtchens, vertraut, hier war man schon, ohne je hier gewesen zu sein. Das Publikum ist durchmischt. Hunde werden spazieren geführt, Halbwüchsige beiderlei Geschlechts vom Typ Ladenschreck ohne Kaufabsicht verstrolchen den freien Mittwochnachmittag. Männer in Anzügen eilen zielstrebig vorbei, zum Aufsto­­­­­cken des Bestands an Businesshemden. Touristinnen machen das Beste aus dem nebligen Regentag. Auffällig ist, dass die

Das Dorf verfügt über einen Spielplatz und ein eigenes Tourismusbüro. Für den Laien ist das Angebot der Outlet Shops schwer von dem der städtischen Flag­ship Stores zu unterscheiden. Sind es letztjährige, gefloppte oder leicht beschädigte Modelle, die hier angeboten werden? Oder wird ganz einfach die im Gegensatz zur Innenstadt gewiss tiefere Miete an die Kundschaft weitergegeben? Rätselhafter Detailhandel. Vielleicht sieht so seine Zukunft aus. Raus aus den Innenstädten, wo die Flächen so teuer geworden sind, dass sie nur noch als Büroflächen oder Co-Working-Spaces ver­ mietet werden können. Ausser zum Arbeiten fahren die Leute nur noch in die Stadt, um das für die Abendgarderobe eingesparte Geld ins Theater oder in den Club zu tragen. Wer weiss? Noch befindet sich auf der anderen Seite der Geleise eine ganz normale Schweizer Kleinstadt. Eine andere Welt.

STEPHAN PÖRTNER  Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.

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IND 0.– S AB 50 ABEI! SIE D

Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist. 01

DD4U GmbH, IT Projektierung und Beratung

02

Gemeinnützige Frauen Aarau

03

Cantienica AG, Zürich

04

Hervorragend AG, Bern

05

Beratungsgesellschaft f. die 2. Säule AG, Basel

06

Beat Vogel, Fundraising-Datenbanken, Zürich

07

Echtzeit Verlag, Basel

08

Waldburger Bauführungen, Brugg

09

Rhi Bühne Eglisau

10

Scherrer & Partner GmbH, Basel

11

Philanthropische Gesellschaft Union Basel

12

Mitarbeitende Forbo Siegling CH, Wallbach

13

TopPharm Apotheke Paradeplatz

14

Hausarztpraxis Tannenhof, Tann-Rüti

15

RLC Architekten AG, Winterthur

16

Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

17

LIVEG Immobilien GmbH, Adliswil

18

VXL, gestaltung und werbung, Binningen

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Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Zürich

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Brother (Schweiz) AG, Dättwil

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Kaiser Software GmbH, Bern

22

Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

23

Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

24

Physiopraxis M. Spring/S. Zeugin, Basel

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Maya-Recordings, Oberstammheim

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma und Ihr gewünschter Namenseintrag Sie erhalten von uns eine Bestätigung. Kontakt: Nicole Huwyler Team Marketing, Fundraising & Kommunikation T +41 61 564 90 50 I marketing@surprise.ngo

SURPLUS – DAS NOTWENDIGE EXTRA Das Programm

Wie viele Surprise-Hefte müssten Sie verkaufen, um davon in Würde leben zu können? Hätten Sie die Kraft?

Wussten Sie, dass einige unserer Verkaufenden fast ausschliesslich vom Heftverkauf leben und keine Sozialleistungen vom Staat beziehen? Das fordert sehr viel Kraft, Selbstvertrauen sowie konstantes Engagement. Und es verdient besondere Förderung. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkaufenden zusätzliche Unterstützung. Sie sind mit Krankentaggeld und Ferien sozial abgesichert und erhalten ein Nahverkehrsabonnement. Bei Problemen im Alltag begleiten wir sie intensiv.

Eine von vielen Geschichten Der Weg in die Armut führte für Daniel Stutz über die Sucht. Als Jugendlicher rutschte der heute 44-Jährige in die Spielsucht und später in den Konsum harter Drogen. Dank einer Therapie schaffte er vor 7 Jahren den Ausstieg. Geblieben ist dem Zürcher Surprise-Verkäufer und -Stadtführer ein Schuldenberg. «Den Weg aus der Sucht habe ich hinter mir, der Weg aus der Armut liegt noch vor mir», beschreibt Daniel seine Situation. SurPlus gibt ihm dabei Rückenwind: «Es ermöglicht mir hin und wieder Ferien. Ausserdem bedeutet es, auch einmal krank sein zu dürfen – ohne gleich Angst haben zu müssen, die Miete oder Krankenkasse nicht zahlen zu können.»

Die ganze Geschichte lesen Sie unter: surprise.ngo/surplus

Unterstützen Sie das SurPlus-Programm mit einer nachhaltigen Spende Derzeit unterstützt Surprise 15 Verkaufende des Strassenmagazins mit dem SurPlus-Programm. Ihre Geschichten stellen wir Ihnen hier abwechselnd vor. Mit einer Spende von 6000 Franken ermöglichen Sie einer Person, ein Jahr lang am SurPlusProgramm teilzunehmen.

Unterstützungsmöglichkeiten: · 1 Jahr: 6000 Franken · ½ Jahr: 3000 Franken · ¼ Jahr: 1500 Franken · 1 Monat: 500 Franken · oder mit einem Beitrag Ihrer Wahl.

Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 | Vermerk: SurPlus Oder Einzahlungsschein bestellen: T +41 61 564 90 90 info@surprise.ngo | surprise.ngo/spenden Herzlichen Dank!


Wir alle sind Surprise Strassenchor

#462: Ich will Sex

«So viele Talente»

«Sich nicht entziehen können»

Besten Dank für den Auftritt des Surprise Strassenchors bei uns. Er war so farbenfroh, so erfrischend, voller Freude und Spass. Diesen Auftritt können wir nicht so schnell vergessen. All den guten Stimmen haben wir gerne zugehört und gestaunt, dass so viele Talente dort mitmachen. Unsere Mitglieder waren begeistert, und auch die Gäste aus Bern und anderen Sektionen haben grosse Freude gehabt. Der Chor ist eine Entdeckung! M. HOFER,  Avivo Region Basel

Ich kaufe regelmässig das Strassenmagazin. Ehrlicherweise muss ich gestehen: weniger, weil mich der Inhalt interessiert, sondern um die Verkäuferin zu unterstützen. Sie ist eine sehr zurückhaltende und herzliche Frau und Mutter von vier Kindern. Heute hat sie mir die Zeitschrift beschämt mit der Rückseite nach oben überreicht. Als ich mir dann das Titelthema angeschaut habe, wurde mir auch klar, warum. Im Editorial ging es dann um aufgezwungene Scham, und mir kam wieder die Surprise-­ Verkäuferin in den Sinn. Vielleicht würde etwas mehr Fingerspitzengefühl bei der Themenwahl dazu beitragen, dass die Mitarbeiter ihre Zeitschrift mit Freude anpreisen können. Unsere öffentlich ausgelebte Freiheit kann andere beschämen, gerade wenn sie sich dem nicht entziehen können. E. STEINER,  ohne Ort

«Grosse Bewunderung» Ganz herzlichen Dank für die mutige und berührende Reportage zum Thema «Sexualität leben mit Behinderung». Meine grosse Bewunderung gilt den beiden Porträtierten für ihren Mut, sich in ihrer Intimität zu zeigen, um der Öffentlichkeit ein Thema nahezubringen, das sonst völlig tabuisiert wird. L . MEIER,  ohne Ort

Impressum Herausgeber Surprise, Münzgasse 16 CH-4051 Basel Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T  +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T  +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T  +41 61 564 90 90 M+41 76 325 10 60 anzeigen@surprise.ngo Redaktion
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 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch

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Ständige Mitarbeit
 Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Monika Bettschen, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Semhar Negash, Stephan Pörtner, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Diana Pfammatter, Meinrad Schade, Benjamin von Wyl Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Geneh­ migung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt. Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik Druck  AVD Goldach Papier  Holmen TRND 2.0, 70 g/m2, FSC®, ISO 14001, PEFC, EU Ecolabel, Reach

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FOTO: PAULA CARLSON

Internationales Verkäuferporträt

«Ich bin immer noch hier» Sue Anderson wohnt schon lange in Downtown Eastside, einem Quartier von Vancouver in Kanada, das bekannt ist für Krimi­ nalität, Prostitution, Drogen und Armut. Hier besuchte sie die Grundschule, und sie kann sich noch gut daran erinnern, wie ihre Mutter von den Fischern umsonst Fischköpfe bekam, die sie dann zu einer Suppe verkochte. Sues Mutter wurde in British Columbia geboren, ihr Vater stammte aus dem US-ameri­ kanischen Minnesota. Sue kam in Seattle zur Welt, etwa drei Stunden von Vancouver entfernt. Als Kind pendelte sie zuerst mit ihren Eltern im Zug nach Vancouver, doch schon bald wurde Downtown Eastside zu ihrem festen Zuhause. Viele von Sues Freundinnen und Bekannten halten die 50-Jäh­ rige für eine starke Frau, da sie trotz ihrer zierlichen Statur eine grosse Last auf ihren Schultern zu tragen vermag. Tatsäch­ lich hatte sie, die der Tla’amin Nation angehört (die indigenen Völker in Kanada werden «First Nations» genannt), alles andere als eine leichte Familiengeschichte. Sie war das jüngste Kind und hatte acht Schwestern und vier Brüder. Zwei ihrer Schwes­ tern starben an Drogen, eine weitere wurde ermordet, einer ihrer Brüder verunglückte tödlich mit dem Auto, ein anderer erlag der Tuberkulose, der dritte starb an Alkohol. Auch ihr Vater trank sich zu Tode und ihre Mutter kam, wie der Bruder, bei einem Autounfall ums Leben. Doch damit noch nicht genug. Auch der Vater von Sues Sohn starb früh, ebenso die Zwil­ lingsschwester ihrer Tochter. Vor sieben Jahren nahm sich ihr Ex-Partner das Leben, und im selben Jahr erfuhr Sue, dass sie Krebs hatte. «Das war eine schwere Zeit», sagt Sue heute. «Ich habe echt viel durchgemacht. Aber ich bin immer noch hier, und nur das zählt.» Wie geht man mit so vielen Verlusten um? «Ich habe immer versucht, etwas Gutes daraus zu machen», sagt Sue. Heute be­ sucht sie Kurse und bildet sich weiter. So hat sie eine Ausbil­ dung zur Rettungssanitäterin absolviert, um den Leuten auf der Strasse zu helfen und ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind, dass sich jemand um sie kümmert. «Ich will den Menschen helfen. Schon meine Mutter hat mich gelehrt, wie wichtig das ist. Das ist heute auch mein Ziel: Ich will für andere da sein. Inzwischen bin ich eine richtige ‹Glucke› geworden.» Heute erfreut sich Sue bester Gesundheit. Sie hat die Chemothe­ rapie erfolgreich durchgestanden, auch von den Drogen ist sie losgekommen. Sue beherrscht das Handwerk der Tla’amin, sie kann traditionelle Gerichte kochen, Teppiche knoten, Tier­ häute einfärben, Handtrommeln herstellen und Schmuckstü­ cke wie Perlenohrringe anfertigen. In ihrer Freizeit geht sie wandern oder spielt Tennis. «Ich war mal richtig gut im Tennis. Doch das ist lange her», sagt Sue lachend. Sie schreibt auch Ge­ dichte und erzählt stolz, wie eine Bekannte sie einmal bezahlt habe, damit sie für deren Freund Liebesgedichte schreibt. 30

Sue Anderson, 50, hat viele Verluste hinnehmen müssen. Heute verkauft sie im kanadischen Vancouver das Strassen­magazin Megaphone, schreibt Gedichte und kämpft gegen Vorurteile.

Gute Freunde zu haben und sich mit positiven Menschen zu umgeben, das ist für Sue der Schlüssel, um schwierige Zeiten zu überstehen. «Es hat lange gedauert, bis ich dort war, wo ich jetzt bin», sagt sie. Auf diesem langen Weg sei sie sich selbst näher­ gekommen. «Je älter ich werde, desto besser verstehe ich mich selbst.» Sue ist überzeugt: Wenn die Menschen mehr über die Lebens­ geschichten der Bewohner von Downtown Eastside wüssten, würden sie auch mehr Mitgefühl zeigen. «Wir würden einander viel besser verstehen.» Wenn Sue das Strassenmagazin Mega­ phone verkauft, kommt sie oft mit Leuten ins Gespräch, was ihr gefällt. «Ich scherze gerne mit ihnen. Und ich versuche, sie über uns Menschen auf der Strasse zu informieren, damit sie nicht so die Nase rümpfen und uns nur immer durch eine Brille voller Vorurteile anschauen. Wenn mir das gelingt, bin ich zufrieden.»

Aufgezeichnet von PAUL A CARLSON Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von MEGAPHONE, VANCOUVER, K ANADA

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JA, ich möchte sinnvoll schenken und bestelle: Strasse:

GUTSCHEIN FÜR 1 SOZIALEN STADTRUNDGANG   Basel pro Person CHF 25.– Anzahl:   Bern pro Person CHF 25.– Anzahl:   Zürich pro Person CHF 30.– Anzahl:

SURPRISE-MÜTZE CHF 35.– (exkl. Versandkosten) 100% Merinowolle, hergestellt in der Schweiz. Erhältlich in 5 verschiedenen Farben und zwei Modellen. Links: Modell Knitwear / Rechts: Modell Klappkapp Modell:   Knitwear    Klappkapp Farbe:  rot  schwarz        petrolblau    mittelgrau  SURPRISE-RUCKSACK CHF 99.– (exkl. Versandkosten)

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pink

Modell Ortlieb-Velocity, 24 l, wasserfest. Hergestellt in Deutschland. Erhältlich in ultramarin, silber und rot (schwarz ist momentan ausverkauft). Farbe:   silber  rot   ultramarin

LIEFERADRESSE (falls nicht identisch mit Rechnungsadresse) Vorname, Name:

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SOZIALE STADTRUNDGÄNGE

ERLEBEN SIE BASEL, BERN UND ZÜRICH AUS EINER NEUEN PERSPEKTIVE. Menschen, die Armut, Ausgrenzung und Obdachlosigkeit aus eigener Erfahrung kennen, zeigen ihre Stadt aus ihrer Perspektive und erzählen aus ihrem Leben. Authentisch, direkt und nah. Buchen Sie noch heute einen Sozialen Stadtrundgang in Basel, Bern oder Zürich. Infos und Terminreservation: www.surprise.ngo/stadtrundgang


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