Surprise Nr. 435

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Strassenmagazin Nr. 435 5. bis 18. Oktober 2018

CHF 6.–

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Sexarbeit

Liebe verkaufen Zwei Frauen in der Schweiz und ihre gegensätzlichen Blicke auf ihren Job Seite 20


GESCHICHTEN VOM FALLEN UND AUFSTEHEN Kaufen Sie jetzt das Buch «Standort Strasse – Menschen in Not nehmen das Heft in die Hand» und unterstützen Sie einen Verkäufer oder eine Verkäuferin mit 10 CHF. «Standort Strasse» erzählt mit den Lebensgeschichten von zwanzig Menschen, wie unterschiedlich die Gründe für den sozialen Abstieg sind – und wie gross die Schwierigkeiten, wieder auf die Beine zu kommen. Porträts aus früheren Ausgaben des Surprise Strassenmagazins ergänzen die Texte. Der Blick auf Vergangenheit und Gegenwart zeigt selbstbewusste Menschen, die es geschafft haben, trotz sozialer und wirtschaftlicher Not neue Wege zu gehen und ein Leben abseits staatlicher Hilfe aufzubauen. Surprise hat sie mit einer Bandbreite an Angeboten dabei unterstützt: Der Verkauf des Strassenmagazins gehört ebenso dazu wie der Strassenfussball, der Strassenchor, die Sozialen Stadtrundgänge und eine umfassende Beratung und Begleitung. 156 Seiten, 30 farbige Abbildungen, gebunden, CHF 40 inkl. Versand, ISBN 978-3-85616-679-3 Bestellen bei Verkaufenden oder unter: surprise.ngo/shop Weitere Informationen T +41 61 564 90 90 | info@surprise.ngo | surprise.ngo | Facebook: Surprise NGO

Das Magazin der Reformierten

Die Dinge auf den reformierten Punkt gebracht. Jetzt abonnieren. www.brefmagazin.ch

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In bref  N° 8 / 2016: Die Marketingleiterin der Zürcher Hochschule der Künste Debbie Zedi im Gespräch über ein bedingungsloses Grundeinkommen. Bild: Laurent Burst

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TITELBILD: CHIARA NIKISCH

Editorial

Zu kurz «Wer 34 Jahre alt ist und noch nie für Sex bezahlt hat, der hat irgendwie nicht richtig gelebt.» TV-Moderator Roman Kilchsperger kann nicht nur jassen, er weiss offenbar auch sonst Bescheid. Dieser Kilchspergersche Imperativ ist Ausdruck einer verkürzten Männlichkeit.­ ­Unsicherheit hinter einer grossen Klappe. Kann man ihr mit dem Gesetz beikommen, zum Beispiel in Form eines Sexkaufverbots, wie es jüngst die Frauenzentrale Zürich forderte? Eine Welt ohne Prostitution als Ziel, die Bestrafung der Freier als Weg? Die Argumentation entspringt einer verkürzten Weltsicht, die zwar im Gegensatz zur verkürzten Männlichkeit nicht aggressiv ist, aber sehr wohl Schaden anrichten kann. Die Gründe, warum die einen (meist Frauen) Sex für Geld anbieten und die anderen (meist Männer) Geld für Sex bezahlen, sind vielschichtig. Herrschaftsstrukturen, ­öko­nomische Verhältnisse, Gefälle aller Art – natürlich spielen sie eine Rolle.

4 Aufgelesen 6 Vor Gericht

Alarmstufe rot

8 Entwicklung

Ein Tal sucht seine Zukunft

­ enauso aber geht es um das Bedürfnis G nach Nähe und Geborgenheit. Und dann geht es, ja: um Sex (ab Seite 20). Sexarbeit ist oft Ausdruck von Ungleichheit, keine Frage. Die Ursachen aber liegen ­anderswo: schlechte oder keine Bezahlung von Care­-Arbeit und anderen möglichen Alternativen zur Prostitution. Dazu schwierige ökonomische Bedingungen in Osteuropa, Brasilien und anderen Herkunfstländern. Der verkürzten Männlichkeit möchte man zuzurufen: Geh meinetwegen ins Puff, aber stell dir ein paar Fragen: Warum tue ich das? Wie geht es dieser Frau? Was ist mein Verhältnis zu Frauen allgemein? Was, wenn meine Tochter diese Arbeit ­machen würde? Die Idee, die Nachfrage mit einem Verbot abzuklemmen, greift zu kurz. Nur ­ Selbstreflexion wird hier etwas ändern. AMIR ALI Redaktor

24 Film

Stiller Streifen schafft Sensation

30 Surprise-Porträt

«Schule ist mein grösster Traum»

26 Veranstaltungen

7 All Inclusive

27 Fortsetzungsroman

Helfen tut gut – aber wem?

28 SurPlus Positive Firmen 16 Ostafrika

Endlich Frieden?

20 Sexarbeit

29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren

Das Escort und die Strassendirne

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Aufgelesen

News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 34 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Neue Kleider «Repicturing Homeless» heisst die Kampagne, welche die Düsseldorfer Strassenzeitung Fifty-Fifty zusammen mit der Bildagentur Getty und der Werbeagentur Havas umgesetzt hat. Neben der öffentlichen Aufmerk­ sam­keit generiert der Verkauf von Foto-Lizenzen auch Einnahmen für die Wohnprojekte von Fifty-Fifty. Hinzu kommt, dass diese Bilder uns einen Spiegel vorhalten und dieses Spiegelbild uns Fragen stellt: Wie viel oder wie wenig müsste geschehen, bis es mich trifft? Und umgekehrt: Wer bin ich, wenn ich meine Statussymbole ablege?

FIFTYFIFTY, DÜSS ELDORF

Jennifer

Wie sehr die äusserliche Verwandlung wirken kann, erfuhr Jennifer, als ein Angestellter des Luxus­hotels, in dem das Shooting stattfand, sie im rauen Vorgesetzten-Ton anhielt, zurück an die Arbeit zu gehen.

Kalle

Business-Anzug, Luxusuhr, Dienstwagen – einige wenige Insignien des ökonomischen Erfolgs, und Kalle (56) nimmt man den erfolgreichen Geschäftsmann ganz selbstverständlich ab. Tatsächlich lebte er fast 20 Jahre lang auf der Strasse und schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch.

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Schuldenspirale

Durchschnittlich 1671 Pfund kostet Menschen in Wales und England die Gemeindesteuer. Wer nicht innerhalb von zwei Wochen nach Fälligkeit bezahlt, erhält eine ­Zahlungserinnerung. In der folgenden Woche muss der ­ausstehende Betrag beglichen werden, sonst kann die ­Gemeinde Haft anordnen: 3,5 Millionen solcher Haft­an­ ordnungen wurden 2017 ausgestellt. Nicht selten f­ ühren Gerichtskosten und Besuche von Gerichtsvoll­­zie­hern in eine Schuldenspirale. 2016/17 landeten 4817 Men­schen wegen nicht gezahlter Gemeindesteuern vor Gericht, ein Anstieg um 11 Prozent in den letzten vier Jahren. Sie standen mit Gerichtskosten von durchschnittlich 2213 Pfund in der Schuld. 62 davon landeten bis zu drei Monaten hinter Gittern. Die Summe der Gemeindesteuerschulden im ganzen Land beträgt 2,84 Milliarden Pfund.

Karl-Heinz

Im wirklichen Leben ist Karl-Heinz (62) kein Modedesigner. Die Kreativität dazu hätte er. Der Hobby-­ Maler zog viele Jahre lang ohne Wohnung von Stadt zu Stadt, mit seinem Hund, seiner Katze und seiner Gitarre. Zurzeit lebt er in einer Notunterkunft.

THE BIG ISSUE, LONDON

FOTOS: FRANK SCHEMMANN, GETTY / HAVAS

(Un-)Beschwert

Decken mit gleichmässig verteilten, eingenähten Gewichten können unmittelbar Gutes tun: Untersuchungen zufolge setzt der Körper unter einer derart beschwerten Decke Serotonin und Melatonin frei. Serotonin baut Ängste ab und verbessert die Stimmung, Melatonin fördert und reguliert den Schlafzyklus. Eingesetzt werden schwere Decken unter anderem bei Menschen, die an Angststö­ rungen, posttraumatischer Belastungsstörung oder Autismus leiden. Aber auch Menschen ohne psychische Erkrankung können von dem Gefühl profitieren, das die Decken im Körper auslösen. Es ist dasselbe wie bei einer festen Umarmung. Und wer braucht die nicht von Zeit zu Zeit? THE CONTRIBUTOR, NASHVILLE

Einen Schritt vor, zwei zurück

Michael

Michael Hermann, genannt Hörman, hat 20 Jahre lang auf der Strasse gelebt. Inzwischen hat er durch Fifty-Fifty eine Wohnung gefunden.

Erstmals hat sich in der Steiermark eine Studentin gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt gewehrt. ­Wiederholt bekam sie Absagen mit der Begründung, ver­ mietet werde nicht an Ausländerinnen. Die gebürtige Bosnierin lebt seit dem ersten Lebensjahr in Österreich. Die Basis für ihre Klage ist das Gleichbehandlungsgesetz von 2004. Ein Makler hatte ihr per SMS erklärt: «Vermie­ tet wird nur an EU-Bürger.» Dafür sprach ihr das Gericht 750 Euro Schadenersatz zu. Die Antidiskriminierungs­ stelle Steiermark beobachtet in den letzten Jahren Rück­ schritte: «Früher gab es Inserate, in denen stand: ‹Keine Haustiere, keine Ausländer›. Das wurde später undenkbar. Heute wird Diskriminierung wieder offener geäussert.»

MEGAPHON, GRAZ

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ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

Erste Hürde genommen

2017 stufte Thompson Reuters die ägyptische Hauptstadt Kairo als die weltweit gefährlichste Mega-City für Frauen ein. Eine Gruppe junger Sportlerinnen lässt sich davon nicht beeindrucken. Die Frauen treffen sich regelmässig, um mitten in der Öffentlichkeit in einem Stadtteil-­ Park ihre Fähigkeiten in der Trend­ sportart Parkour auszubauen. ­Anfangs stiessen sie auf Widerstand unter den zahlreichen Zuschauern, die ihr Training beobachteten. ­Parkour-Sportlerin Zayneb Helal er­klärt: «Die Leute wollten nicht ­akzeptieren, dass Frauen Sport ma­ chen, noch dazu auf der Strasse.» Mittlerweile tritt jedoch ein Gewöh­ nungseffekt ein. «Durch die immer weitere Verbreitung der Sport­ art steigt auch die Akzeptanz ­ von aktiven Frauen», sagt Trainer Mohamed Omran.

Vor Gericht

FOTO: ZVG

Alarmstufe rot

BIG ISSUE NORTH, MANCHESTER, LIVERPOOL , LEEDS, SHEFFIELD

Schwarz ist schlecht

Im Wiener ÖV läuft derzeit eine Kampagne zum neuen Essverbot in Bus und Tram. Die Plakate ­zeigen weisse Schafe, die sich kor­rekt ver­ halten, und ein schwarzes Schaf, das etwas falsch macht, ­beispielsweise Döner isst. Den Vorwurf von Rassis­ mus weist die Betreibergesellschaft Wiener Linien zurück: Alle seien willkommen, «un­­­ab­hängig von Hautfarbe, sexueller Orientierung, Religion und Co. Im Gegenzug ­gelten aber auch für alle dieselben Regeln: Respekt und Rücksicht­ nahme.»

AUGUSTIN, WIEN

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Die Mitarbeitenden der Firma Skyguide di­ rigieren in Zürich vom Tower aus täglich fast 750 Flugbewegungen. Kein Job für Leute mit schwachen Nerven, kein Job für allzu lockere Typen. Zu letzteren gehört nach Ansicht der Staatsanwältin der be­ schuldigte Fluglotse. Der 48-Jährige habe ein saloppes Verhältnis zu geltenden Re­ geln, weshalb er 2012 leichtfertig eine Bei­ nahe-Kollision verursacht habe. Laut An­ klage näherten sich ein Sportcruiser im Landeanflug und eine startende Maschine der Darwin Air auf 205 Meter vertikal und 23 Meter horizontal an. Als sicher gelten 300 Meter vertikal und 9 Kilometer hori­ zontal. Kein Wunder, dass das Kollisions­ warnsystem Alarmstufe rot meldete. Dass sich die Maschinen nahekamen, bestreitet der Beschuldigte nicht. Jedoch sei die Situation stets unter Kontrolle gewesen. Brenzlig sei es nur geworden, weil der Sportcruiser den Landeanflug verfrüht ein­ geleitet und dies erst 30 Sekunden später gemeldet habe. Deshalb habe er die Posi­ tion des Kleinflugzeugs falsch eingeschätzt, was er dann mit der Anweisung einer Steil­ kurve korrigierte. Alles problemlos, alltäg­ lich gar: «Für mich war immer klar, dass die Maschinen aneinander vorbeigehen.» Der Beschuldigte verharmlost, sagt hin­ gegen die Anklägerin. Nur die beherzte Re­ aktion der Pilotinnen habe das Schlimmste verhindert. Die Pilotin des Sportcruisers, eine Fluglehrerin, sagte in der Zeugenein­ vernahme: «War mir wohl in dieser Situa­ tion? Nein.» Und der Kapitän des Passa­ gierflugzeugs, mit 42 Dienstjahren und 18 000 Flugstunden ein erfahrener Mann, hatte danach Albträume. Immer wieder

durchlebte er den Moment, als er durchs seitliche Cockpitfenster sah, wie das Sport­ flugzeug genau auf ihn zusteuerte. Er war es, der die Untersuchung ins Rollen brachte. Die Unfalluntersuchungsstelle SUST kam zum Schluss, der Beschuldigte habe sich verschätzt. Das lässt der Beschuldigte nicht gelten: «Die haben keine Ahnung von der Tower-Arbeit.» Diese «erschütternde Uneinsichtigkeit» erzürnt die Staatsanwäl­ tin. Was denn noch hätte passieren müssen, bis er das Geschehen als gefährlich einge­ stuft hätte, fragt sie. Auch Fluglotsen mach­ ten Fehler. Doch in diesem Geschäft müsse man sein Vorgehen kritisch hinterfragen können, um Erkenntnisse daraus zu gewin­ nen. Sie fordert eine hohe Freiheitsstrafe: 14 Monate bedingt für «fahrlässige Gefähr­ dung des öffentlichen Verkehrs». Der Strafverteidiger macht klar, was er von der Anklage hält: «Rein gar nichts.» Dann zerpflückt er während fast drei Stun­ den die Vorwürfe. Zusammengefasst: Die drohende Kollision sei reine Hypothese, das Gutachten untauglich, deshalb Freispruch. Das Gericht will es genau nehmen und in den kommenden Wochen prüfen, ob wei­ tere Beweise nötig sind. Selbst wenn sich die Richter dann in der Lage sehen, die Si­ tuation zu beurteilen, bleibt die juristische Knacknuss: Können einzelne Skyguide-­ Mitarbeitende strafrechtlich belangt wer­ den? Wenn ja, sagt der Verteidiger, dann würden Fehler weniger gemeldet. Warum aber, sagt die Staatsanwältin, sollten Fluglotsen anders behandelt werden als SBB-Mitarbeitende, die eine Weiche falsch stellen? * persönliche Angaben geändert

Y VONNE KUNZ ist Gerichtsreporterin in Zürich

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ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING

dass er oder sie auch Macht ausübt. Allerdings haben viele Menschen genau aus diesem Grund Angst vor einer schweren Krankheit oder Gebrechlichkeit im Alter: Weil sie dann auf Wohlwollen und Un­ terstützung angewiesen und damit von anderen Menschen abhängig wären. Den meisten ist – wenn sie etwas darüber nachdenken – doch klar, dass um Hilfe bitten oder auf Unterstützung angewiesen zu sein nicht einfach ist. Dass man selbst vielleicht nicht immer «leuchtende ­A­ugen» hätte, sondern auch mal schlecht gelaunt wäre, weil man sich hilflos fühlt oder nicht die Form der Hilfe b ­ ekommt, die man sich wünscht. Die beste Hilfe ist jene, die den Betrof­ fenen dient und nicht in erster Linie den Helfenden ein gutes Gefühlt vermittelt. Um das zu erreichen, braucht man das Gegenüber bloss zu fragen. Möchte der Mann mit dem Blindenstock tatsächlich über die Strasse geführt werden oder kommt er gut alleine klar? Und wünscht sich die depressive Freundin statt eines aufmunternden Blumenstrausses vielleicht eher, dass man sie zum Arzt ­begleitet, weil sie das im Moment nicht alleine schafft?

All Inclusive

Helfen tut gut – aber wem? Wenn die Medien über Menschen mit Behinderung berichten, sind die Rollen oft klar verteilt: Menschen ohne Behinderung tun etwas Gutes für Menschen mit Behinderung und werden dafür mit leuchtenden Augen belohnt. So kann man in der Zeitschrift Motonews in einem ­Bericht über den Love Ride lesen: «Leuchtende Augen lassen sie für einen Tag das Los ihrer Krankheit vergessen, wenn sie stolz und glücklich in den Seiten­ wagen oder auf den Trikes ihr Love-Ride-­ Erlebnis geniessen dürfen.» Im Bezug auf behinderte Kinder ist eine solche Berichterstattung noch nach­ vollziehbar. Es irritiert dann aber doch ein wenig, wenn die Chefin eines Unternehmens in einem Interview mit dem ­Tages-Anzeiger über ihre handicapierten Mitarbeitenden sagt: «Beide hatten leuch­tende Augen, als ich ihnen einen Arbeitsvertrag anbot.» Auch Menschen ohne Behinderung freuen sich natürlich, wenn sie eine Stelle bekommen. Der ­Abschluss eines Arbeitsvertrages wird allerdings in der Regel weder von ihnen Surprise 435/18

noch von ihren Vorgesetzten als Akt der Wohltätigkeit empfunden. Bei Menschen, die es aufgrund einer Behinderung oder einer chronischen Krankheit auf dem ­Arbeitsmarkt nicht einfach haben, ist das oft anders. Mit dem Slogan «Helfen macht Freude» werben viele Organisationen um Freiwillige, die sich unentgeltlich engagieren. Dass Helfen auch den Helfenden gut tut, ist wissenschaftlich erwiesen. Oft sagen Freiwillige, dass sie es als bereichernd empfinden, wenn sie etwas Gutes bewirken können. Etwas bewirken können, ­bedeutet auch Macht. Es heisst, den Betroffenen ein spezielles Erlebnis zu ­ermöglichen oder ihnen Unterstützung zu bieten bei etwas, das sie alleine nicht oder nur schwer bewältigen könnten. ­Betroffene können diese Unterstützung nicht einfordern, sie können nur darauf hoffen, dass man sie ihnen gibt. Dafür wird dann von ihnen Dankbarkeit e­ rwartet. Wer sich in der Rolle des Helfers befindet, ist sich vermutlich nicht immer bewusst,

Menschen, die schon länger mit einer chronischen Krankheit oder einer Behinderung leben, wissen oft sehr genau, ­welche Unterstützung sie brauchen. Peter Lienhard, Professor an der Interkan­tonalen Hochschule für Heilpädagogik in Zürich, sagt dazu: «Im Zusammenhang mit Evaluationen von Sonderschulen und ­integrativen Regelschulen bin ich immer wieder erstaunt darüber, wie klar Schü­ lerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen ihre Kompetenzen einzuschätzen ­vermögen – und ausdrücken können, wie eine Lernumgebung aussähe, die gut für sie ist. Bildungspolitiker, Fachper­so­ nen und Eltern sind in dieser Frage ­wichtige, aber eben nicht die wichtigsten Personen.»

MARIE BAUMANN schreibt unter ivinfo. wordpress.com über Behinderung und die Invalidenversicherung.

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Visionen eines Tals Entwicklung Das Val Medel in der Surselva leert sich. Jene, die zuziehen, kämpfen

um eine Zukunft. Und ecken damit bei den Eingesessenen an. TEXT  SIMON JÄGGI FOTOS  JONAS SCHAFFTER

Das Dorf Curaglia liegt zuhinterst in der Bündner Surselva, dort, wo der Rhein aus den Bergen springt. Wie ausgeleerte Bauklötze verteilen sich die rund hundert Häuser über der Ebene am Fusse des Piz Muraun. Die Strasse führt hoch zum Lukmanierpass, vorbei an Alpweiden und Tannenwäldern. Im Herbst kommen die Hirsche in das Tal herunter und ziehen auf Nahrungssuche durch das Dorf. Curaglia liegt in einer Gegend, wo die Menschen den Rückzug angetreten haben. Schulen schliessen, Arbeitsplätze verschwinden, die Einwohner ziehen talabwärts. Betrachtet man die Zahlen, sieht auch die Zukunft von Curaglia düster aus. Im Jahr 1960 lebten in der Gemeinde Medel, zu der Curaglia und die anderen Ortschaften im Tal gehören, noch rund 820 Menschen. Seither nahm die Bevölkerungszahl ab. Heute zählt die Gemeinde noch 386 Einwohnerinnen und Einwohner, davon gerade einmal rund ein Dutzend Kinder. In diesem Sommer stellte die erst vor Kurzem renovierte Primarschule den Betrieb ein. Manche Einheimische haben den Glauben daran verloren, dass ihre Kinder und Enkel hier oben eine Zukunft finden. Die Auswärtigen Doch es gibt auch Menschen, die den umgekehrten Weg gehen. Die aus dem Unterland und den Städten nach Curaglia kommen. Und bleiben. Sie teilen diese düstere Sichtweise nicht, sondern glauben an eine Zukunft. Der Aufbruch wird in Curaglia angetrieben von einer Schar Auswärtiger, wie man sie hier oben nennt. In den vergangenen Jahren haben sich mehr als ein Dutzend von ihnen im Val Medel niedergelassen, angezogen wie von einer unsichtbaren Hand. Sie kommen aus verschiedenen Gründen, aus Zürich, St. Gallen, dem Toggenburg oder Tirol. Was sie eint, ist die Sehnsucht nach einem naturnahen Leben in den Bergen. Angetrieben von der Hoffnung, hier oben eine Lebensgrundlage zu finden, haben die Auswärtigen in wenigen Jahren viel bewirkt. Sie haben Bauernhöfe übernommen, die keine Nachfolger mehr fanden. Eine Käserei eröffnet, wo die Milch der Geissen aus dem Tal verarbeitet wird. Das ehemalige Altersheim zu einem erfolgreichen Hotel umgebaut und den Dorfladen vor der Schliessung Surprise 435/18

gerettet, der neu mit einem Sortiment an lokalen Produkten Werbung macht. An der Hauptstrasse steht der ehemalige Stall, den der einheimische Architekt für eine junge Familie renoviert hat. Einige hundert Meter weiter das Bauernhaus, wo ein Paar aus der Ostschweiz eingezogen ist. Die Veränderungen in Curaglia sind allgegenwärtig. Und sie stossen manche Alteingesessene vor den Kopf. Tabea Baumgartner steuert entspannt ihren etwas abgenutzten Kleinwagen um die engen Haarnadelkurven bergaufwärts. Die 28-jährige Aargauerin trägt die blonden Haare kurz und ungebändigt. Vor drei Jahren hatte sie ihr Geografiestudium in Zürich abgeschlossen und kam für ein Praktikum in die Region. «Ich wollte das Leben in den Bergen kennenlernen. Damals hätte ich nie gedacht, dass ich heute noch immer hier heroben bin», sagt sie. Baumgartner ist eine der umtriebigsten Figuren unter den Zugezogenen. Sie leitet einen Verein, der sich für eine nachhaltige Regionalentwicklung einsetzt, und besetzt seit diesem Sommer einen von drei Sitzen im Gemeindevorstand. Am Rand einer Kiesstrasse parkiert sie ihr Auto, hundert Meter weiter befindet sich einer ihrer liebsten Orte im Tal. Vor dreissig Jahren hat hier ein Orkan den gesamten Wald zerstört, an dessen Stelle steht nun auf einer Lichtung inmitten der wild nachwachsenden Vegetation die Academia Vivian. Die Waldhütte, um deren Betrieb sich ebenfalls Baumgartner kümmert, dient als Begegnungsort, Waldschulzimmer und Kino in einem. Umgeben von blühenden Alpenrosen, niedrigen Tannen und Bergfarn. Die alpine Kulisse wird bestimmt von den breiten Gipfeln des Bündner Oberlandes: Piz Medel, Piz Pazzola, Piz Muraun. «Ich bin hier, weil ich etwas bewirken möchte», sagt Baumgartner. Von weit her lärmt die Kettensäge eines Försters, dann bricht das Krachen einer Tanne durch die kurze Stille. In ihrem Kopf trägt die junge Frau eine lange Liste von Ideen mit sich herum, mit denen sie das Tal beleben möchte. Sie weiss, dass manche Einheimische ihre Ideen als naive Spinnereien abtun. Diese Naivität sieht Baumgartner als Chance und zugleich als Gefahr. «Wir müssen miteinander im Gespräch bleiben, damit der Graben zwischen den Alteingesessenen und den Neuen nicht zu 9


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gross wird.» In den vergangenen drei Jahren hat sie deshalb Sursilvan gelernt, einen Dialekt des Rätoromanischen, der hier gesprochen wird. Sie war bis zu ihrer Wahl Mitglied in der Dorffeuerwehr, im Sommer hütet sie Geissen auf einer nahen Alp. Baumgartner wünscht sich ein Tal, wo alte Traditionen und moderne Ideen zu etwas Neuem verschmelzen. «Häufig hört man, die Bergler hinken einen Schritt hinten nach. Aber oft denke ich, das Gegenteil ist der Fall. Wir sind den Städtern eigentlich voraus», sagt Baumgartner. Der nahe Bezug zur Natur, den Lebensmitteln und den Menschen, «ich kann mir kein zeitgemässeres Lebensmodell vorstellen». Dann packt sie die vollen Müllsäcke ins Auto und fährt zurück in Richtung Dorf. Im Dorfzentrum, gleich neben der Haltestelle, wo einmal stündlich der Bus nach Disentis fährt, liegt das Gemeindehaus. Ein schlichtes Gebäude aus den 70er-Jahren. Im ersten Stock sitzt im schmucklosen Zimmer des Gemeindepräsidenten seit diesem Sommer Rico Tuor. Ein grossgewachsener und zunächst etwas zurückhaltender Mann, aufgewachsen im Nachbarort Disentis. In Zürich hatte er Geografie studiert, bevor er für ein Entwicklungsprojekt nach Südostasien auswanderte. Nach drei Jahren kehrte er zurück in die Schweizer Berge. «Ich wollte hier in meiner Heimat die Zukunft mitgestalten», sagt der 40-Jährige. Die erste Gelegenheit bot sich Tuor mit dem damals neu geplanten Parc Adula. Der Bund wollte gemeinsam mit den Berggemeinden zwischen dem Vorderrheintal und dem Tessin den grössten Nationalpark der Schweiz schaffen. Tuor trat als Regionalentwickler dem Projektteam bei und ahnte nicht, wie viel Ablehnung ihm dafür schon bald entgegenschlagen sollte. Der Parc Adula entzweite innerhalb von wenigen Jahren Dörfer und Familien. Er war ein Lehrstück dafür, wie gross hier heroben das Misstrauen gegen Veränderungen ist. Auf der einen Seite die Befürworter, die im Park eine einmalige Entwicklungschance für die Region sahen. Sie träumten von nachhaltigem Tourismus, Arbeitsplätzen und einer starken Marke für regionale Produkte. Auf der anderen Seite die Gegner, welche die Abstimmung zum Freiheitskampf der Bergler stilisierten. Sie schimpften am Stammtisch auf die Beamten in Bundesbern, die den Menschen 10

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vorschreiben wollten, wie sie zu leben hätten. Sie verteufelten die Umweltverbände als heimliche Drahtzieher und das Planungsteam als deren Handlanger. An Informationsabenden kam es zu wüsten Tiraden, an Dorfeingängen verkündeten handgezimmerte Schilder: «Keine fremden Vögte. No Parc.» Im Herbst 2016 schmetterte das Stimmvolk in den betroffenen Gemeinden den National­park deutlich ab. Auf der Suche nach Investoren Zwei Jahre später ist Rico Tuor nach wie vor überzeugt, dass es den Wandel braucht. «Immer mehr Touristen suchen solche Orte wie hier. Wir müssen lernen, unsere Kultur in Wert zu setzen, ohne daraus Folklore zu machen», sagt Tuor. In Curaglia findet er all das, was er für seine Vision sucht: kaum berührte Naturlandschaften, Traditionen, Menschen, die in der Not offen sind für Veränderungen. Sein Vorgänger als Gemeindepräsident, Peter Binz, ­verschaffte ihm vor einigen Jahren eine Teilzeitstelle als Wirtschaftsförderer. In dieser Rolle plante Tuor die Umnutzung des ehemaligen Altersheims zu einem Hotel. Weil sich kein Käufer fand, machte er sich selber auf die erfolgreiche Suche nach Investoren und gründete eine Aktiengesellschaft. Vor zwei Jahren eröffnete das Hotel Medelina unter der Leitung einer jungen Frau aus Zürich, auch der Koch stammt aus dem Unterland. Rico Tuor packt an, wo er gebraucht wird. So auch vor wenigen Monaten, als der bisherige Gemeindepräsident seinen Rücktritt ankündigte. Im Dorf fand sich niemand, der das Amt übernehmen wollte, es drohte die Fusion mit Disentis. Schliesslich stellte sich Tuor als Präsident zur Wahl. Gemeinsam mit Tabea Baumgartner und einem Einheimischen leitet er seit diesem Sommer die Gemeinde. Einen entscheidenden strukturellen Vorteil hat Curaglia gegenüber den Nachbargemeinden: Es fehlt nicht an Geld. Dank des Staudamms am oberen Talende beim Lukmanierpass verfügt die Gemeinde über ein stetiges Einkommen. Hinzu kommt finanzielle Unterstützung durch die Berghilfe für verschiedene Projekte im Tal. Es ist Abend geworden, ein letzter Motorradfahrer donnert durch das Dorf in Richtung Lukmanier. Am Rand der Haupt­ strasse steht das Hotel Vallatscha, neben dem Eingang im weiss Surprise 435/18


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«Wir müssen lernen, unsere Kultur in Wert zu setzen, ohne daraus Folklore zu machen.» RICO TUOR, GEMEINDEPR ÄSIDENT

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1 Grad kein Hirsch zu sehen: Sommer in Curaglia. 2 Venanzi Flepp und seine Frau vermissen das Leben auf den Strassen. 3 Will seine Heimat mitgestalten: Gemeindepräsident Rico Tuor. 4 Tabea Baumgartner fühlt sich Städtern einen Schritt voraus. 5 In einem Haus voller Wohngemeinschaften wohnen die jungen Zugezogenen mitten im Dorf.

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7 6 Die Landschaft um Curaglia verführt Auswärtige zum Bleiben. 7 Kino, Waldhütte und Begegnungsort: die Academia Vivian. 8 Die Bauern Silvia Jud-Schweizer und ihr Mann Roman kamen aus dem Toggenburg. 8

«Viele Alteingesessene haben den Glauben an eine Zukunft im Tal aufgegeben.» VENANZI FLEPP

gebügelten Hemd dessen Besitzer Peter Binz. Dass in Curaglia heute wieder zarte Hoffnung keimt, ist zu einem grossen Teil sein Verdienst. Binz war in einem früheren Leben Finanzchef in einem international tätigen Wirtschaftsprüfungsunternehmen und lebte in Zürich. Während eines Urlaubs in Curaglia erlag er der Verführung des Tals. Er kündete mit Ende 50 seine Stelle, kaufte das Hotel und zog mit seiner Frau hierher. Wenig später übernahm er als erster Unterländer das Amt des Gemeindepräsidenten, da bereits damals keine Einheimischen mehr für eine Kandidatur zur Verfügung standen. Für sein Hotel sucht er nun bereits seit einiger Zeit einen Käufer, damit er sich hier heroben zur Ruhe setzen kann. Visionäre versus Skeptiker An diesem Abend hat der ehemalige Gemeindepräsident seinen Nachfolger Rico Tuor zum Essen ins Hotel eingeladen, gemeinsam mit Livia Werder, der Gastgeberin im Hotel Medelina, und Brigitta Holz, Käserin aus dem Tirol und Leiterin der vor Kurzem eröffneten Dorfkäserei. Auf den Tellern dampft Hackbraten aus Junggeissenfleisch aus dem Tal. Es geht an diesem Abend zu wie meistens, wenn Zugezogene beisammen sitzen: Sie diskutieren über die Zukunft des Dorfes, über Herausforderungen und Ideen. Neuen Wohnraum schaffen, die Fleischtrocknerei der Metzgerei vergrössern, eine Vermarktungsplattform für regionale Produkte aufbauen. «Was wir brauchen, ist eine gemeinsame Vision», sagt Rico Tuor. Doch die Vision eines sanften Tourismus teilen nicht alle im Tal. Als die Gemeinde vor einigen Jahren ihre Bewohner nach Surprise 435/18

Ideen fragte, kamen ganz andere Vorstellungen zur Sprache. Eine grosse Paint-Ball-Anlage, eine Rodelbahn, ein Skigebiet. Manche Alteingesessene verwerfen die Hände angesichts der neuen ­Käserei, deren Produkte viel zu teuer seien. Sie kritisieren das Hotel, das die beiden bestehenden konkurrenziere, und die zugezogenen Bauern, die alles anders machen würden als ihre hier aufgewachsenen Vorgänger. Es sind Stimmen, die kaum je an die Öffentlichkeit dringen. Die aber wie Schatten um die Häuser ziehen und zuweilen am Selbstvertrauen jener nagen, die hier an den Aufschwung glauben. Einer, der diese Stimmen kennt, ist der 80-jährige Venanzi Flepp, der sein gesamtes Leben in Curaglia verbracht hat. Er sitzt vor dem Kachelofen des Holzchalets, in dem er seit seiner Kindheit lebt. Er selber wolle nichts Schlechtes sagen über die Ideen der Neuzugezogenen, sagt er. Hier oben etwas zu verändern sei jedoch nicht so einfach. «Viele der Alteingesessenen haben den Glauben an eine Zukunft im Tal aufgegeben.» Flepp ist kein Nostalgiker, das Leben früher sei hart gewesen, sagt er, es gab weder Strom noch Geld. Aber an Kindern habe es nie gefehlt. «Was wir hier brauchen, sind neue Arbeitsstellen.» Auch seine Frau ist im Tal aufgewachsen. Die Ideen der Jungen seien zum Vorteil für das Dorf, sagt sie. «Die Veränderungen müssen wir hinnehmen. Das Rad lässt sich ohnehin nicht zurückdrehen, und das ist gut so.» Am Dorfausgang von Curaglia, bevor sich die Strasse in Kurven weiter taleinwärts schlängelt, steht am nächsten Morgen Tabea Baumgartner hinter ihrem Marktstand, den sie hier einmal in der Woche aufbaut. Sie verkauft, was das Tal hergibt. Käse von den Geissen, die hier zu Hunderten weiden. Würste aus der Dorfmetzgerei, Teemischungen, Felle, bald soll gesponnene Schafwolle dazukommen. «Ich hoffe, dass diese Region eines Tages zu einem Beispiel wird», sagt Baumgartner. Dafür, wie abgeschiedene Bergregionen überleben können. Im Einklang mit Natur und Traditionen, ohne sich an Grossinvestoren zu verkaufen. Am Ende werden es nüchterne Zahlen sein, die im Val Medel über die Zukunft entscheiden. Es braucht Arbeitsplätze, Familien und ein andauerndes Gespräch zwischen Jung und Alt. Damit die beiden Welten nicht auseinander brechen. 13


«Ich würde mir wünschen, dass noch mehr Menschen hierher ziehen und ein Teil jener Jungen zurückkehrt, die weg gezogen sind.» LIVIA WERDER

«Die Schule dauerte von Oktober bis April, im Sommer halfen wir Kinder den Bauern auf der Alp.» VENANZI FLEPP

Venanzi Flepp, 80 Jahre, ehemaliger Bauer

«Früher färbte das Blut die Gassen rot, wenn im Dorf ein Schwein geschlachtet wurde. Ich lebe seit 80 Jahren hier heroben, aufgewachsen bin ich in einer Grossfamilie. Mein Vater war ein Kleinbauer. Im Dorfladen gab es in meiner Kindheit noch keine Bananen. Dafür Mehl, Zucker, Reis, Konfitüre. Das Nötigste eben. Geld war immer knapp. Wollte jemand eine Anschaffung tätigen, musste er einen Kredit aufnehmen oder ein Rind verkaufen. Die gesamte Arbeit auf dem Hof machten wir noch von Hand. Fliessendes Wasser gab es nur am Brunnen. Die Schule dauerte von Oktober bis April, im Sommer halfen wir Kinder den Bauern auf der Alp. Ich arbeitete zuerst auf dem Hof meines Vaters, später verdiente ich mein Geld als Staumauer-Wärter. Das Leben war härter früher, aber an Kindern fehlte es nie. In den Gassen im Dorf war immer Leben. Das ist vorbei. Was wir hier brauchen, sind neue Arbeitsstellen. Der Investor Samih ­Sawiris zum Beispiel mit seinem Grossprojekt drüben in Andermatt, der denkt in die richtige Richtung. Hier in ­Curaglia etwas zu verbessern, wird aber schwierig, so abgelegen, wie wir sind.» 14

Livia Werder, 30 Jahre. Hotelbetreiberin

«Ich glaube, manche Einheimische verkennen den Wert ihrer Heimat. Einige, vor allem Ältere, sehen eher das, was verloren geht: Junge, die wegziehen, immer weniger Kinder, Gleichaltrige sterben. Es gibt aber auch die andere Seite. Junge Menschen lassen sich nieder, es entstehen spannende Projekte. Ich denke lieber in Möglichkeiten als in Problemen. Einige sind der Meinung, dass touristische Grossprojekte der Region eine bessere Zukunft ermöglichen würden, ich denke jedoch, dass diese unserem Tal nicht viel bringen würden. Wir wollen einen nachhaltigen Tourismus. Es komSurprise 435/18


«Andere gehen nach Kanada, uns hat es ins Val Medel verschlagen. Hier bleiben wir.» SILVIA JUD-SCHWEIZER

Silvia Jud-Schweizer, 36, Bäuerin

men immer mehr Menschen zu uns im Hotel auf Besuch, die genau diesen naturnahen Lebensraum suchen. Die Interesse mitbringen für die lokale Kultur mit ihren Traditionen. Darauf möchten wir weiter aufbauen. Ich würde mir wünschen, dass noch mehr Menschen hierher ziehen und ein Teil jener Jungen zurückkehrt, die weggezogen sind. Damit wir gemeinsam unsere Vision weiter umsetzen können. Was mir hier oben manchmal fehlt, ist der soziale Austausch, insbesondere in der Nebensaison, wenn wir weniger Gäste im Haus haben. Aber ich gehe hier nicht so bald wieder weg, das steht für mich fest.» Surprise 435/18

«Wir sind vor zwei Jahren nach Curaglia gezogen. Hier betreiben wir einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb mit einigen Kühen, Schafen und Geissen. Wir wohnen in einem Haus im Dorf und bewirtschaften mehrere Felder im Tal. Wir hatten früher einen Hof in der Ostschweiz. Dort war es uns jedoch zu eng, mir fehlten der weite Blick und die Berge. So haben wir dann im Val Medel fünf Sommer auf einer Sennalp verbracht. Man sagt oft, die Menschen hier heroben seien verschlossen. Das haben wir anders erlebt. Wir fanden rasch Zugang, lernten die Bewohner des Tals und die Gegend schätzen. Bis wir schliesslich merkten, hier möchten wir bleiben. Es war ein Glücksfall, dass wir dann einen Bauern kennenlernten, der seinen Hof verkaufen wollte. Uns gefällt die Landschaft. Es gibt keine Touristentempel, die im Sommer wie tot daliegen. Inzwischen sind einige junge Paare hierher gezogen, einmal in der Woche trifft man sich im Gesangsverein. Wir fühlen uns bereits sehr zuhause. Andere gehen nach Kanada, uns hat es ins Val Medel verschlagen. Hier bleiben wir.» 15


Ostafrika Nach über fünfzig Jahren zeichnet sich zwischen Eritrea und Äthiopien erstmals die Aussicht auf Frieden ab. Der Konflikt hat hunderttausende Menschen in die Flucht getrieben, auch in die Schweiz. Wir haben zwei von ihnen zum Gespräch getroffen. INTERVIEW  SIMON JÄGGI

INFOGRAFIK: BODARA, QUELLE: LE MONDE DIPLOMATIQUE, 2007

Geschwister im Krieg

ERITREA ROTES MEER

BARENTU

SENAFE

YIRGA

OM HAJER

ZALAMBESSA ADUA ADIGRAT AKSUM

TIGRE MEKELE

ASEB

ÄTHIOPIEN SAUDIARABIEN

ERITREA

JEMEN

Von Äthiopien beanspruchte Gebiete, die Eritrea zuerkannt wurden

SUDAN SOMALIA

1890

ÄTHIOPIEN

Von Eritrea beanspruchte Gebiete, die Äthiopien zuerkannt wurden

KENIA

0

Eritrea wird zur ­italienischen Kolonie unter dem neu geschaffenen Namen Colonia Eritrea.

16

1936

Eritrea wird Teil von Italienisch-Ostafrika.

DSCHIBUTI DSCHIBUTI

10 0 KM

1941

1952

Das Gebiet wird unter britische Militär­ver­waltung gestellt.

Die UN spricht Eritrea ­Teilautonomie innerhalb des Äthiopischen Staates zu.

1961

Der äthiopische Kaiser Haile Selassie annektiert Eritrea und zwingt das eritreische Parlament zur Auflösung – Ausbruch des eritreischen Unabhängigkeitskriegs.

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Das Leben von Sirak Temesgen, 53, ist eng mit der Ge­ schichte von Eritrea verflochten. Er kämpfte als Kinder­ soldat im Unabhängigkeitskrieg (siehe «100 000 Tote in zwei Jahren» auf Seite 17) und flüchtete später als junger Mann in die Schweiz. Abelot Kidan, 37, sass in Äthiopien als Oppositioneller in Haft und flüchtete nach Europa. Begegnet sind sich die beiden zuvor noch nie, auf Ein­ ladung von Surprise haben sie sich an einen Tisch gesetzt. Anonymität war für beide die Voraussetzung dafür, dass sie sich öffentlich zur politischen Entwicklung in ihren Heimatländern äussern: Ihre Namen sind geändert. Die Lage zwischen Eritrea und Äthiopien mag sich in den letz­ ten Monaten entspannt haben – die Menschen lassen wei­ terhin Vorsicht walten. Anfang Juli haben Eritrea und Äthiopien einen Friedensvertrag unter­ Der 37-Jährige Äthiopier lebt seit acht Jahren in der Schweiz. Er zeichnet. Herr Kidan, wuchs im Norden Äthiopiens auf. was hat die Nachricht bei Als Jugendlicher unterstützte er den Ihnen ausgelöst? Krieg gegen Eritrea, später änderte Abelot Kidan: Ankündigun­ er seine Sicht und wurde Mitglied gen dieser Art gab es von einer oppositionellen Gruppe, die äthiopischer Seite schon von der Regierung verboten wurde. Nach mehreren Gefängnisaufentviele. Zuerst dachte ich, es halten flüchtete er vor acht Jahren sei nur ein weiteres leeres in die Schweiz. Hier möchte er Versprechen. Alle bisheri­ bald ein Studium beginnen. gen Ministerpräsidenten hatten Friedensgespräche angekündigt, ohne dass je etwas passiert wäre. Als dann die eritreische Regierung das Friedensangebot akzeptierte, war es wie der Beginn eines neuen Kapitels. Abelot Kidan

Was haben Sie gedacht, Herr Temesgen? Sirak Temesgen: Ich war sehr, sehr glücklich. Wir haben so viele Jahre auf diesen Frieden gehofft. Die Menschen im Grenzgebiet, wo auch meine Familie lebt, leiden bis heute sehr unter dem Konflikt. Weshalb ist dieser Friedensvertrag so wichtig? Kidan: Wir teilen eine gemeinsame Geschichte, Kultur und

1974

Sturz von Haile Selassie und Machtübernahme in Äthiopien durch Militärdiktatur.

1987 Äthiopien erklärt Eritrea zur autonomen Region.

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Sprache, die beiden Länder sind wie Geschwister. Als die Regierungen vor wenigen Wochen die Telefonlinien wieder aufschalteten, haben Menschen auf beiden Seiten der Grenze unbekannte Nummern gewählt, nur um endlich wieder miteinander sprechen zu können. Am Fernsehen habe ich gesehen, wie der erste Linienflug aus Äthiopien in der eritreischen Hauptstadt Asmara landete und auf dem Flughafen eine Mutter ihren Sohn nach vielen Jahren wieder in die Arme schloss. Das sind berührende Momente. Auch ich hatte Freunde, die bei Kriegsbeginn nach Eritrea fliehen mussten. Seither habe ich sie nie wieder gesehen. Herr Temesgen, Sie haben in den Siebzigerjahren für die Unabhängigkeit Eritreas gekämpft. Weshalb? Temesgen: Während meiner ganzen Kindheit wurden wir durch das damalige äthiopische Regime unterdrückt. Es gab immer wieder Angriffe und Bombardements. Bereits früh hatte ich den Wunsch, den Rebellen beizutreten und mit ihnen für unser Land zu kämpfen. Die Rebellen rekru­ tierten damals aktiv Jugendliche. Sie haben gekämpft? Temesgen: Ja. Ich war 14, das Gewehr war fast so gross wie ich. Man konnte nie schlafen, ständig wurde gekämpft. Es gab tagelang kaum zu essen, wenig zu trinken. Ich habe viele Menschen sterben sehen.

«Die Propaganda der Regierung war überall, es gab keine freien Medien.» ABELOT KIDAN ÜBER ÄTHIOPIEN

1991 Eritreische Grossoffensive und Eroberung der von Äthiopien kontrollierten Stadt Aseb. Noch im selben Jahr marschiert die Eritreische Volksbefreiungsfront in Addis Abeba ein.

25. April

Nach einem Referendum wird ohne Protest der äthiopischen Re­gierung die unabhängige Republik Eritrea ausgerufen. Isayas Afewerki wird Staatspräsident.

1993

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Herr Kidan, wie geht es Ihnen als Äthiopier dabei, wenn Sie das hören? Herr Temesgen hat gegen Äthiopien gekämpft, auf äthiopische Soldaten geschossen. Kidan: Es hängt davon ab, wie man diesen Konflikt versteht. Die Erzählung auf eritreischer Seite lautete, dass Äthiopien das eritreische Land besetzt. Auf der äthiopischen Seite hiess es, Äthiopien habe einen historischen Anspruch auf Eritrea. Es macht Sie nicht wütend, wenn jemand Ihr Land bekriegt? Kidan: Ich war damals noch ein Kind, aber rückblickend betrachte ich den eritreischen Freiheitskampf nicht als Kampf von Eritreern gegen Äthiopier. Damals war Äthio­ pien kein demokratisches Land, sondern ein Königreich, später eine Militärdiktatur. Der Kaiser schrieb die Sprache vor, die Religion. Nicht nur die Menschen in Eritrea, auch viele Menschen in Äthiopien haben gegen diese Diktatur gekämpft. Und nicht … Temesgen: … nicht gegen die Bevölkerung. Kidan: Nicht gegen die Menschen, genau! Sie selber wollten nicht in den Krieg ziehen? Kidan: Ich wollte damals Pfarrer werden, für mich kam das nicht in Frage. Doch auch ich war damals der Ansicht, dass Äthiopien im Recht war und diesen Krieg zur Verteidigung des Landes führen musste. Nicht nur ich dachte das, so dachten die meisten Menschen im Land. Das staatliche Fernsehen zeigte Bilder einer Schule, die von Eritrea bom­ bardiert worden war. Die Propaganda der Regierung war überall präsent, es gab keine freien Medien. Mit der Zeit begann ich, internationale Radiosender zu hören. So ver­ änderte sich langsam meine Sicht.

Was ist aus dem Dorf geworden? Temesgen: Alle Dörfer in der Gegend wurden stark beschä­ digt oder zerstört. Nach dem Krieg waren die Menschen obdachlos. Das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, gibt es nicht mehr. Die Folgen des Krieges sind bis heute sicht­ bar. Die Felder sind vermint, die Bauern können das Land nicht mehr nutzen, die Tiere sich nicht mehr frei bewegen. Man sagt heute, es war der erste moderne Krieg in Afrika. Beide Seiten setzten moderne Waffen, Panzer und Kampf­ flugzeuge ein. Deshalb war dieser Krieg auch so tödlich. Haben Sie mit Ihrer Familie gesprochen seit dem Friedensvertrag? Temesgen: Mit meinem Vater, er ist sehr erleichtert. Es ist kompliziert, denn wo Leid geschieht, entsteht auch Hass. Nicht alle werden den Frieden gleich akzeptieren. Aber die meisten hoffen, dass dieser Konflikt nun zu Ende geht. Die junge Generation will nach vorne schauen und nicht zurück. Wie steht es um die Beziehung zwischen den Eritreern und den Äthiopiern in der Schweiz?

Herr Temesgen, Sie befanden sich 1998 bei Kriegs­ ausbruch bereits als Flüchtling in der Schweiz. Wie haben Sie den Krieg erlebt? Temesgen: Das Dorf, wo ich aufgewachsen bin, liegt direkt an der Grenze zu Äthiopien, mitten im Kriegsgebiet. Seit meiner Kindheit war der Ort umkämpft. Als der Krieg aus­ brach, lebte meine gesamte Familie noch dort.

«Die Felder sind bis heute vermint, die Bauern können das Land nicht nutzen, die Tiere sich nicht bewegen. »

Wie hat Ihre Familie diese Zeit erlebt?

SIR AK TEMESGEN ÜBER ERITREA

6. Mai 1998 Zwischen Eritrea und Äthiopien bricht ein offener Krieg aus.

18

Temesgen: Meine Geschwister haben alle im Krieg ge­ kämpft, das war damals eine Selbstverständlichkeit. Meine Geschwister haben zum Glück überlebt, sehr viele andere Verwandte von mir sind gestorben.

18. Juni

2000

Unterzeichnung eines Waffenstillstands­ abkommens und Einritt in den «kalten» Konflikt.

5. Juni

2018

Die äthiopische Regierung erklärt sich bereit, die Regelungen des Grenzabkommens von 2002 zu akzeptieren (siehe Karte).

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Temesgen: Wenn in Zürich ein äthiopischer Musiker spielt, hat es im Publikum mehr Eritreer als Äthiopier. Wir gehen in denselben Restaurants essen, beten in denselben Kirchen. Kidan: In der Asylunterkunft lebte ich mit vielen Men­ schen aus Eritrea. Wir haben zusammen gegessen, zu­ sammen Fussball gespielt, sind zusammen in den Deutschkurs gegangen. Es gab manchmal politische Diskussi­ onen. Aber Streit oder Hass, das Sirak Temesgen habe ich in den acht Jahren in der Schweiz nie erlebt. Der heute 53-Jährige Eritreer wuchs mitten im umkämpften Gebiet auf, dort wo heute die Grenze zu Äthiopien liegt. Mit 14 schloss er sich einer Rebellengruppe und ihrem Kampf für die Unabhän­ gigkeit Eritreas an. Nachdem er bei einem Streit unter verschiedenen Rebellengruppen zwischen die Fronten geriet, flüchtete er als 22-Jähriger in die Schweiz. Seine Familie lebt bis heute im Grenzgebiet, viele Verwandte sind während des Krieges ums Leben gekommen. Temesgen arbeitet in der Schweiz als Übersetzer.

Herr Temesgen, Sie sind seit Ihrer Flucht vor rund 30 Jahren nie nach Eritrea zurückgekehrt. Weshalb? Temesgen: Meine Heimat ist heute ebenso die Schweiz wie Eritrea. Ich hatte zudem keinen eritreischen Pass. Diesen zu er­ werben hätte mich hohe Gebüh­ ren gekostet. Solange der Kon­ flikt andauerte, fehlte mir zudem der Antrieb für eine Rückkehr. Jetzt werden die Grenzen geöffnet, der Handel wird wiederaufgenommen. Wenn dieser Frieden andauert, die Minenfelder verschwinden, dann könnte ich mir vor­ stellen, irgendwann zurückzukehren. Wie sehen Sie das, Herr Kidan? Eröffnet der politische Wandel die Perspektive für eine Rückkehr? Kidan: Ich bin immer noch vorsichtig, gerade was die politische Lage innerhalb von Äthiopien betrifft. An der Grenze zu Somalia gibt es weiterhin bewaffnete Kon­ flikte. Was in nächster Zeit geschieht, ist entscheidend für die Zukunft von Äthiopien. Gelingen die Reformen nicht, kann alles noch schlimmer werden. Die wirklich schwierige Phase beginnt jetzt. Wenn das Land diesen Übergang meistert, wenn wahrer Frieden und Demokra­ tie entstehen, dann kann sich das auf die ganze Region auswirken.

18. Juli

2018 Surprise 435/18

Der regelmässige Flugverkehr zwischen den beiden Haupt­städten wird nach zwanzig­ jährigem Unterbruch wieder aufgenommen.

100 000 Tote in zwei Jahren Ostafrika Der Konflikt mit dem Nachbarland Äthiopien gilt als Hauptursache für die Auswanderung aus Eritrea. Die Spannungen zwischen Äthiopien und Eritrea gehen auf das Jahr 1952 zurück. Die UN-Generalversammlung schlug damals die ehemalige italienische Kolonie Eritrea als autonome Provinz dem damaligen Kaiserreich Abes­ sinien zu. Kaiser Haile Selassie hob die Selbständigkeit des Teilstaates jedoch rasch wieder auf und höhlte die Rechte der eritreischen Bevölkerung aus. 1961 annektierte Äthiopien Eritrea. In der Folge griffen eritreische Separa­ tisten zu den Waffen. Der Unabhängigkeitskampf dauerte 30 Jahre, forderte zehntausende Menschenleben und en­ dete 1993 mit der Unabhängigkeit Eritreas. Fünf Jahre später kam es zum offenen Grenzkrieg, der nach zwei Jahren und rund 100 000 Toten zum kalten Krieg wurde. Der Konflikt mit Äthiopien ist der Hauptgrund für die starke Militarisierung des kleinen Eritrea, das mit seinen rund fünf Millionen Einwohnern eine der grössten Mili­ tärmächte südlich der Sahara ist. Es herrscht Dienstpflicht für Männer und Frauen, viele werden für über zehn Jahre eingezogen. Dies gilt als Hauptursache für die Abwande­ rung aus Eritrea. Für 2014 bezifferte das Flüchtlingshilfs­ werk der Vereinten Nationen (UNHCR) die Gesamtzahl der Flüchtlinge aus Eritrea auf 360 000, bis heute sind rund zwölf Prozent der Bevölkerung aus dem Land ge­ flohen. Rund 37 000 Eritreer sind nach Europa ausgewan­ dert. Hier ist die Schweiz eines der wichtigsten Zielländer: Aktuell leben rund 25 000 Menschen mit eritreischer Staatsangehörigkeit in der Schweiz, die Zahl neuer Asyl­ gesuche ist seit einigen Jahren rückläufig. Auch Äthiopien wurde lange mit harter Hand regiert, das Land zählt trotz der schnell wachsenden Wirtschaft zu den ärmsten Ländern der Welt. Der seit April amtie­ rende Regierungschef Abiy Ahmed tritt als Reformer auf: Er liess Hunderte politische Gefangene frei, kündigte Wirt­ schaftsreformen und innenpolitische Versöhnung an. Ah­ med ist der erste Vertreter des marginalisierten Mehr­ heitsvolkes der Oromo und zugleich der erste Muslim im Amt des Ministerpräsidenten und gilt als treibende Kraft hinter dem Friedensvertrag mit Eritrea. SIM 19


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Zwischen Lust und Ekel Sexarbeit Ella aus Bulgarien möchte nicht mehr auf den Strich. Die Schweizerin

Leonie hingegen sieht ihren Escort-Job auch als Akt der Emanzipation. Die Frage aber, ob Prostitution verboten gehört, beantworten beide gleich. TEXT  MIRIAM SUTER FOTOS  CHIARA NIKISCH

«Mein erster Freier? Ja, natürlich erinnere ich mich. Das war total scheisse. Das kann man nicht vergessen.» Ella* sitzt im Innen­ hof eines Luzerner Cafés, es ist einer dieser Sommertage, die bereits am Morgen mit drückender Hitze auffahren, und jetzt ver­ sprechen dicke Wolken ein baldiges Ge­ witter. Sie sagt: «Ich hatte ja keine Ahnung, wie das geht. Ich dachte, ich muss jetzt mit dem so Sex haben, als wäre ich seine Freundin.» Vor drei Jahren kam Ella in die Schweiz, seither arbeitet sie fast täglich auf dem Strassenstrich, fährt bei Regen mit dem Bus aus der Stadt hinaus, an schönen Ta­ gen geht sie die knappe halbe Stunde zu Fuss. Ella spricht oft übers «Ficken», findet im Gespräch aber kein Wort für ihre Vagina. «An stressigen Tagen tut es manchmal schon ziemlich weh da unten», sagt sie und deutet sich zwischen die Beine. «Es gibt Frauen, die trinken ein bisschen Cola mit Wodka, bevor der Kunde kommt. Da merkst du weniger, wer gerade über dir ist.» Vor vier Jahren ging die heute 30-Jäh­ rige aus Bulgarien nach Deutschland. Sie liess ihr damals achtjähriges Kind bei ihrer Mutter zurück, um in einem Bordell zu ar­ beiten, lernte das nötige Vokabular auf Deutsch: Verkehr, Kondom, Oral. Sie war alleinerziehende Mutter, schon viele Jahre arbeitslos, konnte die Mietwohnung nicht mehr bezahlen. Und sie hatte keine Aus­ sicht auf einen Job, mit dem sie genug ver­ dienen würde. Sexarbeiterinnen können sich in der Schweiz bis zu 90 Tage ohne Bewilligung aufhalten – wenn sie selbstän­ dig arbeiten. Die fälligen Steuern werden nach der Ausreise erhoben. Ella hat heute eine Aufenthaltsbewilligung B. Sie arbeitet auf eigene Rechnung, ohne Zuhälter. Mitt­ lerweile hat sie für sich, ihre Tochter und ihre Mutter in Bulgarien ein Haus gekauft. Es gibt keine genauen Zahlen darüber, wie viele Frauen und Männer in der Schweiz Sex für Geld anbieten. Eine der umfassend­sten Studien dazu verfasste 2009 die Universität Genf. Demnach gab Surprise 435/18

es damals in der Schweiz schätzungsweise zwischen 13 000 und 20 000 legal tätige Sexarbeiterinnen – auf dem Strassenstrich, in Kontaktbars und Bordellen und im ­Escortbereich. 2009 galt für einen grossen Teil der osteuropäischen EU-Staaten noch keine vollständige Personenfreizügigkeit. Die schrittweise Liberalisierung in den fol­ genden Jahren hat «die Gesamtlage erheb­ lich verändert», wie der Bundesrat 2015 in seinem Bericht über «Prostitution und Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung» schrieb. Auch das Bundesamt für Migration geht im Bericht der nationa­ len Expertengruppe «Schutzmassnahmen für Frauen im Erotikgewerbe» von 2014 davon aus, dass die Zahl der Sexarbeite­ rinnen in Schweizer Städten aufgrund der vereinfachten Freizügigkeitsabkommen angestiegen ist. Die Preise sind gesunken Rebecca Angelini von der Fachstelle Frau­ enhandel und Frauenmigration (FIZ), die mit ihrem Angebot namens Makasi auch

«Natürlich kannst du Kunden ablehnen, aber ich will ja auch Geld verdienen. » ELL A

im Opferschutz aktiv ist, betont: «Zahlen alleine sagen nicht viel über dieses Phäno­ men aus. Es ist unklar, ob es tatsächlich mehr Frauen sind, oder ob einfach mehr Frauen gemeldet sind, weil sie seit Inkraft­ treten des Freizügigkeitsabkommens legal in der Schweiz arbeiten können.» Vor der Liberalisierung seien zudem kaum Zahlen erhoben worden, die man mit den aktuel­ len vergleichen könne. Die Personenfrei­ zügigkeit habe sich auch auf die Anzahl identifizierter Opfer von Menschenhandel ausgewirkt. Menschenhandel sei seither leichter aufzudecken – weil die Betroffenen sich eher trauen, Hilfe zu suchen oder sich bei der Polizei zu melden. «Die Illegalität hingegen wird von der Täterschaft oft als Druckmittel missbraucht. Sie sagen den Frauen: Wenn du zur Polizei gehst, wirst du sofort ausgeschafft, weil du eigentlich gar nicht hier sein darfst», sagt Angelini. «Aber nur ein kleiner Teil der Frauen im Sexgewerbe ist vom Menschenhandel be­ troffen. Wichtig ist ausserdem: Menschen­ handel kommt auch in anderen Branchen vor, wie etwa im Baugewerbe, in der Pflege oder Hausarbeit.» NGOs schätzen, dass knapp 80 Prozent der Sexarbeiterinnen in der Schweiz Migrantinnen sind. Dass heute mehr Sexarbeiterinnen ihre Dienste anbieten, legt auch die Entwick­ lung bei den Preisen nahe: «Sie sind sehr stark gesunken, seit ich angefangen habe», sagt Ella. «Und die Männer stellen immer krassere Forderungen. Viele wollen ohne Gummi ficken. Das mache ich natürlich nicht, da können sie zu einer anderen. Aber die macht’s dann vielleicht – und sogar für weniger Geld als ich.» Auf die Frage, ob ihr Job auch gute Seiten habe, antwortet Ella: «Die Flexibilität!» Mehrmals im Jahr kann sie nach Hause, nach Bulgarien zu ihrem Kind und ihrer Mutter, die beide nicht wis­ sen, wie Ella in der Schweiz das Geld für alle drei wirklich verdient. Und abgesehen davon? Ella sagt nichts, rollt mit den Au­ gen, seufzt. Und was ist schlimm am Job? «Dass du mit vielen Männern schlafen 21


musst, mit denen du eigentlich keinen Sex haben willst. Natürlich kannst du Kunden ablehnen, aber ich will ja Geld verdienen.» Mit wem sie mitgeht und mit wem nicht, entscheidet Ella nach Bauchgefühl. Sie merke mittlerweile schnell, ob es mit ei­ nem Mann «gut geht» oder nicht. Bald wird es wieder Winter, dann fährt Ella nach Hause. Sie sagt: «Eigentlich will ich nicht wiederkommen, ich habe zuhause für ein paar Monate einen Job gefunden in einem Hotel. Aber ich habe schon einige Male gesagt, dass ich nicht mehr zurück­ komme – und ich stehe trotzdem immer wieder hier.» «Die Idee hat mich gereizt» Oft hört man, der grösste Teil der Sexar­ beiterinnen würde aussteigen, wenn sie es könnten. Ursula Kocher, Betriebsleiterin der Stadt Zürich für soziale Einrichtungen und Betriebe, differenziert lieber: «Sexar­ beit ist nicht gleich Sexarbeit. Es gibt Sex­ arbeiterinnen, die ihren Job sehr gerne aus­ üben, und solche, die darunter leiden», sagt sie. Sie schätzt, dass etwa neun Prozent der Sexarbeiterinnen in der Schweiz auf dem Strassenstrich arbeiten. Und auf diese Frauen treffe die Aussage sicherlich zu, dass die meisten aussteigen wollten. Was muss sich ändern? «Es braucht Firmen, die bereit sind, diesen Frauen eine Chance zu geben. Zum Beispiel mit einem Praktikum. Diese Unterstützung ist essenziell. Ausser­ dem ist der Beruf gesellschaftlich noch sehr stark stigmatisiert, auch das muss sich än­ dern. Sex ist privat ja auch nichts Ekliges, warum dann in der Sexarbeit?» In einer anderen Stadt, und Welten von Ella entfernt, sagt Leonie*: «Ich bin nicht primär wegen des Geldes Sexarbeiterin ge­ worden.» Sie sitzt in der karg eingerichte­ ten Küche der Berner Fachstelle für Sexar­ beit XENIA, es ist heiss, Leonie trägt ein rotes Sommerkleid, die kastanienbraunen Haare hat sie zum Zopf gebunden. Draussen zieht die smaragdgrüne Aare ihre Bahn durch den schwülen Sommertag. Für den Job als Sexarbeiterin hat sie sich während ihres Medizinstudiums entschie­ den. Zu Beginn ihrer Ausbildung arbeitete Leo­nie im Nachtdienst eines Spitals, konnte nebenher fürs Studium lernen, «das ging eigentlich gut so», sagt sie. Den Ärztinnen­ beruf hat sie nach dem Staatsexamen bald aufgegeben, heute arbeitet die 28-Jährige Vollzeit als Sexarbeiterin, vor allem im Es­ cortbereich. Das bedeutet: Leonie schaltet entweder selber Anzeigen, in denen sie ihre 22

Dienste anbietet, oder sie beantwortet ent­ sprechende Gesuche von Männern. Leonies Kunden können sie aber auch direkt per Anruf buchen. Das können sowohl sexuelle Dienste für eine halbe Stunde sein als auch ein längeres Treffen, zum Beispiel zum Abendessen und späteren Verkehr. Auf die Idee brachte sie eine Freundin, die selber eine Zeit lang als Escort tätig war. «Ein Gespräch mit ihr brachte mich zum Nachdenken. Sie meinte, ich sei vom Typ her super geeignet für diese Arbeit.» Sie habe gerne Sex und sei experimentierfreu­ dig, erzählt Leonie. «Als Dauersingle war ich es einfach leid, One-Night-Stands zu haben. Und die Idee, mit fremden Männern gegen Geld ins Bett zu gehen, hat mich ge­ reizt.» Leonie wirkt müde – «ich habe lange gearbeitet gestern» –, aber ihre Augen strahlen eine Wärme aus, die den Raum erfüllt, wenn sie spricht. Zwei Wochen lang liess sie sich damals Zeit, bevor sie sich ent­ schied, «das einfach mal auszuprobieren». Vorher erlegte sie sich selbst eine Prüfung auf: Während einer Woche fragte sie sich bei jeder Busfahrt, ob sie mit jedem der Männer im Bus Sex gegen Geld haben könnte. Die Antwort ihrer inneren Stimme habe stets «ja» gelautet. Heute arbeitet Leonie sowohl als Escort als auch in einem Studio. Im Gegensatz zum Escort-Service arbeiten in einem Stu­ dio oft mehrere Frauen, aus denen der Kunde entweder auswählen oder sie bereits im Voraus buchen kann. «Dort kann ich aber durchaus auch Kunden ablehnen», sagt sie. Beispielsweise, wenn ein Mann von ihr ver­ langt, ihn zu küssen oder ihn oral ohne Kon­ dom zu befriedigen. «Das möchten ziem­ lich viele, es gehört aber einfach nicht zu

Legal, aber sittenwidrig Prostitution ist in der Schweiz seit 1942 legal, Sexarbeiterinnen bezahlen Steuern und Sozialabgaben. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist sie allerdings sittenwidrig. Bezahlt ein Freier nicht oder nicht vollständig, kann die Sexarbeiterin den Betrag nicht einklagen – deswegen verlangen die meisten Sexarbeiterinnen die Bezahlung der Dienstleistungen im Voraus. 2012 forderte der Kanton Bern mit einer Standesinitiative, Prostitution von der Sittenwidrigkeit auszunehmen. Im zürcherischen Horgen urteilte ein Richter 2013, dass Prostitution im Grossraum Zürich heutzutage nicht mehr sittenwidrig sei und zumindest die Geldforderung erfüllt werden müsse. Dieses Urteil ist zwar nicht bindend für ein anderes Schweizer Gericht, hat jedoch eine gewisse Signalwirkung.

«Ich würde gerne jede Frau, die unzufrieden ist mit ihrem Körper, einmal mitnehmen in ein Bordell. » LEONIE

meinem Angebot.» Es muss auch nicht im­ mer zu Geschlechtsverkehr kommen: «Ob man’s glaubt oder nicht: Was die meisten Kunden von mir wollen, ist nicht in erster Linie Sex, sondern ein Gespräch. Sie brau­ chen jemanden zum Zuhören, jemanden, der sich ihre Probleme anhört und ihnen emotionale Zuneigung gibt», sagt Leonie. «Ich würde gerne jede Frau, die unzufrieden ist mit ihrem Körper, einmal mitnehmen in ein Bordell. Um ihr zu zeigen, dass der Mann nicht die Schönste oder die Dünnste auswählt. Sondern die, zu der er die stärkste menschliche Verbindung spürt.» Das Doppelleben macht krank Sexarbeit als Akt der Emanzipation und Selbstermächtigung? Auf Frauen wie ­Leo­nie mag das zutreffen, sie bleiben aber die Ausnahme. 2010 fand eine Forscher­ gruppe der Universität Zürich um den Psy­ chiater Wulf Rössler heraus, dass Sex­ arbeiterinnen überdurchschnittlich häufig an psychischen Störungen leiden: 30 Pro­ zent erfüllten die Kriterien für eine Depres­ sion, 34 Prozent wiesen Symptome einer Angststörung auf. «Um ein mög­­lichst ­repräsentatives Bild der Situation von Surprise 435/18


Pros­tituierten zu erhalten, kontaktierten wir Frauen unterschiedlicher Nationalitä­ ten in Bars, Bordellen, Studios, Begleit­ diensten und auf der Strasse», schrieben die Forscher. Die Mehrheit der knapp 200 Befragten war in der Schweiz geboren, zwei ­Drittel besassen einen Schweizer Pass. Besondere Risikofaktoren seien ei­ nerseits Gewalterfahrungen im und aus­ serhalb des Milieus sowie die Arbeitsbe­ dingungen und Nationalitäten der Frauen: Schweizer Frauen, die auf der Strasse ar­ beiten, und Frauen aus Asien oder Süd­ amerika, die in Bars und Studios arbeiten, seien besonders gefährdet. Es habe sich aber auch gezeigt, dass soziale Unterstüt­ zung aus dem Umfeld der Frauen das Ri­ siko für Depressionen und Angststörungen reduziere. Auch für Leonie spielt das Umfeld eine wichtige Rolle. Die Vorstellung, als Sexar­ beiterin ein Doppelleben führen zu müssen, machte ihr lange zu schaffen: «Ich dachte, ich kann niemandem von meiner Arbeit er­ zählen. Als ich angefangen habe, als Escort zu arbeiten, wusste keiner davon, ausser der Freundin, die mich auf diese Idee ge­ bracht hat. Das war extrem belastend für Surprise 435/18

mich.» Bei ihrem übrigen Freundeskreis hat Leonie sich nur langsam, über mehrere Jahre hinweg, geoutet: «Die Reaktionen wa­ ren dann durchwegs positiv und bestär­ kend. Es wissen trotzdem auch heute noch nur die Menschen in meinem engsten Um­ feld Bescheid. Meine Coiffeuse oder meine Nachbarinnen zum Beispiel müssen das nicht wissen. Ich habe schon Angst davor, in eine Ecke gestellt und abgestempelt zu werden von Leuten, die nicht verstehen können, was mir dieser Job bedeutet.» Es sei dieses Doppelleben, das krank mache, nicht die Arbeit selbst, sagt Leonie: «Ich träume davon, eines Tages mein Kind in die Schule zu bringen und den Müttern dort ganz einfach sagen zu können, was ich beruflich mache, ohne dafür verurteilt zu werden.» Eine Strafe für Freier, wie sie mo­ mentan in der Schweiz auf Initiative der Zürcher Frauenzentrale diskutiert wird, würde genau das Gegenteil bewirken, findet sie. «In meinen Augen ist das ein riesiger Schritt weg von der Emanzipation, es muss genau das Umgekehrte geschehen. Unsere Arbeit muss als Arbeit anerkannt werden, wie jede andere auch.» Ein Verbot bringe die Prostitution nicht zum Verschwinden,

sagt Leonie, sondern dränge sie ab in die Illegalität, ohne Sicherheit für die Frauen. Auch Ella glaubt, dass ein Verbot nach schwedischem Vorbild mehr Gefahr für sie und die anderen Frauen auf dem Strassen­ strich und im Gewerbe bedeuten würde. Sie zieht an ihrer Zigarette, mittlerweile unter der Stoffstore des Cafés, daneben prasselt der Sommerregen auf den warmen Asphalt. «Wir sollten ganz normal darüber sprechen können, was wir tun. Ohne uns schämen zu müssen», sagt sie. Ob sie selbst ihrer Tochter und ihrer Mutter jemals er­ zählen wird, was für einer Arbeit sie in der Schweiz wirklich nachgeht, weiss sie nicht. «Ich sage ihnen halt lieber, dass ich Gläser abwasche in einer Bar.» Schämt sie sich für ihren Beruf? «Man denkt immer, Sex­ arbeiterinnen seien arme Opfer. Aber das stimmt nicht. Wir Frauen auf der Strasse sind alles starke Frauen», sagt sie. Kann sie sich vorstellen, dass eine Frau diesen Job gerne ausübe? Sie schaut überrascht, runzelt die Stirn und sagt: «Ich kenne keine einzige. Das höre ich jetzt zum allerersten Mal von dir.» * Alle Namen geändert.

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Beschwerliche Reise zum Kaiserschnitt: Suren und Dorj, zwei Nomaden, die in die grosse Stadt müssen.

Der Pulsschlag des Vertrauens Film Das bildgewaltige und wortkarge Roadmovie «Out of Paradise» beweist, dass man es auch als Quereinsteiger in der Filmbranche sehr weit bringen kann. TEXT  MONIKA BETTSCHEN

Am diesjährigen Internationalen Filmfestival Shanghai ging eine Durststrecke zu Ende: «Out of Paradise», das Spielfilmdebüt des schweizerisch-mongolischen Regisseurs Batbayar Chogsom, gewann als erster Schweizer Film seit 20 Jahren an einem der renommiertesten Wettbewerbe der Welt den Hauptpreis für den besten Film. Doch nicht nur diese Tatsache ist bemerkenswert. Regisseur Chogsom, der vor 18 Jahren als junger Mann aus der Mongolei in die Schweiz kam, in Zürich einen Bachelor in Sozialwissenschaften machte und heute mit seiner Familie im Kanton St. Gallen lebt, ist ein Autodidakt und Quereinsteiger, der sich gleich mit seinem Erstling gegen die gewaltige Konkurrenz von 3400 eingereichten Filmen aus über 100 Ländern durchzusetzen vermochte. Den Grundstein für diesen Erfolg legte kein Studium an einer Filmhochschule, sondern ein dreimonatiger Drehbuchkurs an der Migros Klubschule. «Ohne ein Studium an der Filmhochschule, ohne grosses Netzwerk, ohne Erfahrung und dann auch noch mit einer Geschichte ohne inhaltlichen Bezug zur Schweiz hatte ich schlechte Karten, als ich mich mit meinem Dossier um Fördergelder bewarb», sagt der heute 44-jährige Filmemacher. Doch er liess sich von den vielen verschlossenen Türen nicht entmutigen. Vielmehr motivierten sie ihn dazu, Lösungen zu finden. «Um Kosten zu sparen schrieb ich nicht nur das Drehbuch, sondern suchte auch selber nach Drehorten, castete Schauspieler, und mit der Zeit formierte sich um das Projekt herum ein eingespieltes Team, in dem alle die gleiche Vision verfolgten.» Ganz bewusst habe er auf allen Produktionsebenen auch Leute berücksichtigt, die wie er nicht über langjährige Erfahrung im Filmemachen verfügten. 24

Von der Idee bis zur Realisierung des Films vergingen acht Jahre. Chogsom finanzierte aus eigener Tasche einen Teaser, eine Kurzversion des Films, um Produzenten zu überzeugen. An den diesjährigen Solothurner Filmtagen feierte «Out of Paradise» schliesslich Weltpremiere, wurde aber von der hiesigen Filmszene ignoriert. «Umso grösser war dann die Überraschung, als mich die Veranstalter aus Shanghai kontaktierten», sagt Chogsom. Rückblickend hätten sich die scheinbaren Nachteile auf dem Weg zum Erfolg als Vorteile erwiesen. «Da ich Umwege gehen musste, habe ich Erfahrungen im Filmemachen und im Budgetieren sammeln können, die ich nicht gemacht hätte, wenn alles glatt von A nach B verlaufen wäre.» Die Eltern waren Nomaden «Out of Paradise» ist ein Roadmovie, das mit Wärme und wunderschönen Einstellungen von der mongolischen Steppenlandschaft besticht. Erzählt wird die Geschichte von Suren und Dorj, zwei Nomaden, die für die Geburt ihres ersten Kindes einen Kaiserschnitt benötigen und sich deshalb auf eine beschwerliche Reise in die Hauptstadt Ulaanbaatar aufmachen. Unterwegs wird ihre Liebe auf harte Proben gestellt, vor allem auch, weil ihnen für die Behandlung im Spital das Geld fehlt. Stadt und Land prallen aufeinander, werden aber nicht gegeneinander ausgespielt. Das Leben der Nomaden wird wie das Leben der Stadtbewohner in seiner ganzen Beschwerlichkeit gezeigt. Die Mongolei, die viermal so gross ist wie Deutschland, zählt gut drei Millionen Einwohner, von denen die Hälfte in Ulaanbaatar lebt. «Ich wollte die Stadt nicht als gefährlichen Moloch verteufeln, sondern zeigen, dass ­Ursprünglichkeit und Fortschritt Hand in Hand gehen Surprise 435/18


können», sagt Chogsom, der die Falle der Folklore geschickt umgeht und regionale Eigenheiten so dezent in die Geschichte einbettet, dass sie echt und nachvollziehbar wirken. «Meine Eltern waren Nomaden, die in die Stadt gezogen sind. Meine Geschwister und ich sind die erste Generation, die in der Sesshaftigkeit geboren wurde», erzählt der Regisseur, in dessen Herkunftsland die Schauspielkunst eine lange Tradition hat. «Während des Kommunismus wurde das Theater zwar für Propa­ ganda missbraucht. Als Nebeneffekt davon gibt es dafür heute gute Strukturen für die darstellenden Künste, die einen hohen Stellenwert geniessen.» Zu Sowjetzeiten habe es einen regen Austausch mit der DDR und Ländern des Ostblocks gegeben. «Vermutlich ist es mir deshalb so leichtgefallen, mich in Europa und in der Schweiz einzuleben», sagt Chogsom. «Mein Film ist eine physische und eine geistige Reise. Landflucht gibt es überall auf der Welt. Mein Ziel war es, einen versöhnlichen Film zu drehen, der die Zuschauer mit einem guten Gefühl erfüllt, eine Rückbesinnung auf die Menschlichkeit.» Das gute Gefühl stellt sich denn auch ein, weil diese schweizerisch-mongolische Co-Produktion ihre Geschichte nicht zwischen Dialogzeilen zermalmt. Ahnungen und Andeutungen in der Gestalt von flüchtigen Blicken und scheuen Berührungen lassen einen die Liebe, den Schmerz und die Hoffnung der Protagonisten in einer Weise nachvollziehen, wie sie viel zu selten zu sehen ist, und das Kernthema des Films zieht sich wie ein konstanter Pulsschlag durch die Handlung: Vertrauen, das zerstört und wieder aufgebaut werden kann. «Es geht um Vertrauen zwischen Liebenden und Fremden genauso wie um Vertrauen in Fortschritt, Technik oder Medizin. Vertrauen als Voraussetzung, um sich als Mensch weiterentwickeln zu können.»

Batbayar Chogsom: «Out of Paradise», 100 min, Schweiz/Mongolei 2018, mit Bayarsaikhan Bayartsengel, Enerel Tumen u. a. Läuft zurzeit im Kino.

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Film Ethan Hawkes Regiearbeit «Blaze» läuft an. Und das Stadtkino Basel widmet ihm eine ganze Reihe. Blaze Foley ist kein Musiker, den alle Welt kennt. Nur so viel: Er war Country-Musiker, ein Nonkonformist, und schrieb neben politisch zugespitzten auch hochemotionale Songs. Am diesjährigen Locarno Filmfestival fand ein Publikumsgespräch mit Ethan Hawke statt, und betreffend «Blaze» meldete sich ein Zuschauer zu Wort: «Bei deinem Film habe ich irgendwann gemerkt: Es geht nicht einfach um Blaze Foley. Es geht um die Musik an sich.» – «Du verstehst den Film total», antwortete Hawke, «ich wollte einen Film darüber machen, was Musik bedeutet.» Es geht um die Musik als Tradition, als Erbe. Und als Zeitmaschine in vergangene Jahre oder zurück in die eigenen Erinnerungen. Fast gleichzeitig zum Filmstart von «Blaze» zeigt das Stadtkino Basel eine Ethan-Hawke-Reihe. Paul Schraders «First Reformed» von 2017 ist dabei, in dem Hawke den ehemaligen Militärpriester Ernst Toller verkörpert. Erschöpft von der Vergangenheit und zunehmend zerfressen von Zweifeln an seinem Glauben und sich selbst, versucht Toller seine zusammengeschrumpfte Gemeinde am Leben zu erhalten. «First Reformed», der Name der Kirche, hört sich ja noch nach Aufbruch an, aber dass auch die Mülltonnen so beschriftet sind, hinterlässt dann doch ein Gefühl des Niedergangs. Auch sonst ist das Leben in treuherzigem Puritanismus erstarrt, und die Blickwinkel sind manchmal so eigenartig gewählt, dass einem diese Welt fremd erscheint. Obendrauf lauert der ökologische Untergang, den uns ein Gemeindemitglied vor Augen führt. Das hört sich düster an und ist es auch. Beim Gespräch in Locarno zeigte Hawke aber eine Sichtweise auf das Leben, die schon fast psychotherapeutische Wirkung hatte. Er zitierte einen Filmdialog aus Richard Linklaters «Boyhood», in dem er einen Vater spielt. Sein Filmsohn fragt ihn: «Gibt es eigentlich Elfen?» Er sagt: «An sich nicht. Aber es gibt Wale und Pflanzen, die meterhoch in die Höhe wachsen.» – «Ja. Aber keine Elfen.» Dieser kleine Dialog, fand Ethan H ­ awke, sei die Quintessenz des Films: Was ist, ist atemberaubend schön – wir übersehen es einfach die ganze Zeit. Und diese Quintessenz steckt in manchen seiner Filme. DIF FOTO: LOOK NOW

FOTOS: LOOK NOW

Die Falle der Folklore wird geschickt umgangen.

«Gibt es eigentlich Elfen?»

Ethan Hawke: «Blaze», USA 2018, 126 Min., mit Ben Dickey, Alia Shawkat, Josh Hamilton u. a. «Ethan Hawke – To Interpret Life», im Oktober, Stadtkino Basel, Klostergasse 5. stadtkinobasel.ch

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Winterthur «Walter Bosshard / Robert Capa – Wettlauf um China», Ausstellung, Sa, 22. September bis So, 10. Februar 2019, Di bis So 11 bis 18 Uhr, Mi 11 bis 20 Uhr, Fotostiftung Schweiz, Grüzenstrasse 45. fotostiftung.ch

Walter Bosshard (1892–1975) ist der erste Schweizer Fotojournalist, der mit seinen Reportagen international berühmt wurde. Ab 1931 konzentrierte sich Bosshard auf China: Fotografierend und schreibend verfolgte er den verhee­ renden Krieg mit Japan und den Machtkampf zwischen Nationalisten und Kommunisten. Er widmete sich auch dem Alltag und dem Leben auf der Strasse und bekam grosse Anerkennung für seine Gandhi-Porträts. Er foto­ grafierte Politiker, Generäle und Warlords sowohl auf japanischer als auch auf chinesischer Seite. Bosshards China-Bilder werden in Winterthur zu­ sammen mit denen des Starreporters Robert Capa gezeigt. Die beiden kannten sich und standen in freundschaftlichem Wettstreit, vor allem, was die Pub­ likationen in der renommierten amerikanischen Zeitschrift Life anging. Kennengelernt hatten sie sich im Jahr 1938 während des Aufenthalts in der temporären chinesischen Hauptstadt Hankou, die monatelang heftigsten japanischen Bombardierungen ausgeliefert war. DIF

Tournee «Le Prix de l’Or», Theater, 6. Oktober, 20 Uhr, Kultur­ markt Zürich; 8. Oktober, 20 Uhr, Kosmos Zürich (mit anschliessender Diskussion zur Konzernverantwortungs­ initiative); 17. bis 20. Oktober, 20.30 Uhr, Theater Tojo, Bern; 24. bis 27. Oktober, 20 Uhr, Theaterfalle, Basel; 30. und 31. Oktober, 19.30 Uhr, Stadttheater Winterthur, ab November auf Tour, Programm online. kuckuckproduktion.ch

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«Le Prix de l’Or» ist kein Theater­ abend, der nur Fragen aufwerfen, sondern auch Antworten geben will. Denn das Theaterstück han­ delt von der Goldgewinnung in Burkina Faso und dem Weg des Goldes in die Schweiz – und damit von der vielschichtigen Problema­ tik des globalen Rohstoffhandels. «Le Prix d l’Or» räsoniert auf Fran­ zösisch, Deutsch und in afrikani­ schen Sprachen über Konzern­ verantwortung, schlechte Regierungsführung, Menschenrechte und die Gier nach Gold. Aber es wird versprochen: das Ganze leicht erzählt mit Livemusik, Tanz, Ge­ sang und Humor. DIF

Zürich und Dornach SO «Die Gottesanbeterin», Theater, Sa, 6. Oktober, 22 Uhr, So, 7. Oktober, 17 Uhr, Mi, 10. Oktober, 16 Uhr (mit Autorinnengespräch), Do, 11. Oktober, sogar Theater, Zürich; Do, 18. Oktober, 19.30 Uhr, Sa, 20. Oktober, 19.30 Uhr, So, 21. Oktober, 18 Uhr, Neues Theater, Dornach. sogar.ch

Auf der einen Seite sind Wunder­ heilungen, Prophetie und Zungen­ rede in bestimmten strenggläu­­ bigen Gemeinschaften fester Bestandteil der religiösen Praxis. Auf der anderen Seite ist das Hören von Stimmen oder das Erleben von Halluzinationen medizinisch ge­ sehen eine Störung. Ein interes­ santer Widerspruch, fand die Au­ torin Anna Papst, und machte diese unterschiedliche Bewertung des an sich gleichen Phänomens zur zentralen Frage des Stücks «Die Gottesanbeterin»: Wo liegt die Grenze zwischen religiösem Wahn und psychischer Störung? Hier geht es um Rita, die zur Führerin einer christlichen Gemeinde wird, sie glaubt an ihre übersinnlichen Kräfte und suhlt sich im Gefühl des Auserwähltseins. Bis sie in ihrer Wirkung zu scheitern beginnt und sich völlig in ihre religiöse Welt zurückzieht. Mit Mona Petri und Alexander Seibt. DIF

Bern «Grand Prix Suisse 1934–54. Bern im Rennfieber», Ausstellung, bis Mo, 22. April 2019, Di bis So 10 bis 17 Uhr, Bernisches Historisches Museum, Helvetiaplatz 5. bhm.ch Der Grand Prix Suisse war einmal das grösste Sportereignis der Schweiz und machte Bern zwi­ schen 1934 und 1954 zum Schau­ platz der internationalen Motor­ rennsport-Szene. Im Rekordjahr 1948 strömten über 120 000 Zu­ schauer zur Rennstrecke im Brem­ gartenwald. Die Kassen der Hotel­ lerie klingelten, die SBB reagierten mit dem Einsatz von Extrazü­ gen, und Bern erlebte die ersten Verkehrsstaus seiner Geschichte. Aber auch politisch ist die Renn­ fahrer-Historie interessant: Vor dem Zweiten Weltkrieg begeisterte das Propaganda-Duell zwischen ­Rennwagen der vom NS-Regime geförderten Werkteams von Merce­ des-Benz und Auto Union AG die Zuschauer. DIF

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BILD(1): ROBERT CAPA, BILD(2): AYŞE YAVAŞ, BILD(3): CHRISTINE MOOR, BERNISCHES HISTORISCHES MUSEUM

Veranstaltungen


ILLUSTRATION: SARAH WEISHAUPT

Agglo-Blues

Folge 18

Das Forum Was bisher geschah: Nach den bisher im Sand verlaufenen Ermittlungen im Mordfall Schwander geniesst es Vera Brandstetter, bei ihrem Freund Thorsten in der Stadt zu übernachten. Der ist zwar äusserlich kein Traummann, aber genau auf ihrer Wellenlänge. Am Freitagmorgen erwachte Brandstetter in Thorstens Wohnung und hatte Hunger. Er bereitete ihr ein ausgiebiges Frühstück zu. Wohlgenährt ging sie zu Fuss ins Büro, um Papierkram zu erledigen. Während sie durch ihre geliebte Stadt ging, dachte sie über die Pokerrunde nach: Wie war Schwander da reingekommen? Illegale Spielclubs, wie Jackie einen betrieb, waren auf Diskretion angewiesen. Sie inserierten nicht, sie hatten keine Webseite. Wie in anderen exklusiven Klubs musste man von jemandem eingeführt werden, der für einen bürgte. Damit sollte verhindert werden, dass sich Falschspieler, Journalisten oder Polizisten einschlichen. Das Hinterzimmer eines schmuddeligen Salons passte nicht zum sauberen Herrn Schwander. Sie glaubte nicht, dass er im Salon verkehrt hatte oder ein Milieugänger war. Sie prüfte noch einmal, ob seine Frau etwas mit Prostitution oder organisierter Kriminalität zu tun hatte. Fehlanzeige. Olena war zwei Monate vor der Hochzeit zum ersten Mal in die Schweiz eingereist. Auch im Schengenraum hatte sie sich zuvor nicht länger aufgehalten. Selbst dass sie einen Masterabschluss in Germanistik hatte, entsprach der Wahrheit. Brandstetter steckte die Speicherkarte, die sie im Happy Valley mitgenommen hatte, in den Computer und machte sich an die Arbeit. Kurz nach vierzehn Uhr klingelte sie beim Salon. Sie fragte sich, wer hier um diese Zeit in den Puff ging. Niemand, so wie es aussah. «Ist der Chef da?» Die gleiche Frau wie am Vorabend hatte die Tür geöffnet und liess Brandstetter wortlos herein. An der Bar sassen dieselben drei Frauen, als wären sie nie weg gewesen. Brandstetter ging nach hinten, klopfte an die Tür des Büros und trat ein. Jackie, der konzentriert auf den Bildschirm geschaut hatte, zuckte zusammen. Sein Gesicht war von einer Maske bedeckt, die das Nasenbein schiente. Brandstetter musste lachen. «Steht dir gut das Teil, sieht echt besser aus als vorher, du solltest Surprise 435/18

mir dankbar sein, es war längst Zeit für eine Schönheitsoperation.» Jackie wurde ordinär. Sie setzte sich ihm gegenüber in den beigen Besucherstuhl, der aussah, als sei er aus dem Sitzungszimmer eines zweitklassigen Hotels gestohlen worden. «Wie ist Schwander zu der Runde gestossen?», fragte sie. «Lass mich in Ruhe.» «Hör zu, es ist klar, dass man hier nicht einfach reinlaufen und fragen kann, ob man mitspielen darf. Es braucht eine Empfehlung, einen Kontakt.» Jackie grunzte. Brandstetter zog ihr Handy hervor, wischte darauf herum und hielt es ihm vor die lädierte Nase. Sie zeigte ihm die Aufnahme. Die Bildqualität war mässig, sie hatte ein wenig nachbearbeitet, sodass ihr Gesicht nicht richtig zu erkennen war. Deutlich erkennbar war der grosse Rocker in seiner Kutte, der von einer Frau niedergeschlagen wurde. «Woher hast du das?» Seine Faust krachte auf die Tischplatte. Sie legte die Speicherkarte vor sich auf den Schreibtisch. «Die stammt aus der Kamera, die draussen über der Tür hängt. Ich bin sicher, der Clip wird ein Hit auf YouTube. Du wirst ein Star, Jackie, freu dich. Was gibt es Schöneres, als die Menschen zum Lachen zu bringen? Schade nur, dass du dafür aus dem Club fliegst. Entehrung der Kutte und so.» Wütend griff Jackie nach der Speicherkarte, Brandstetter war schneller und zog sie weg. «Wie ist Schwander in diese Runde gekommen?» «Über das Forum», presste Jackie hervor. «Welches Forum?» «Das Forum der wehrhaften Eidgenossen.» «Was zum Teufel soll das sein?» «Ein Internetforum von besorgten Bürgern, die nicht einverstanden sind mit dem, was in unserem Land geschieht.» «Bist du etwa auch auf dem Forum? Ich denke, du bist ein Outlaw?» «Ich bin Patriot, es hat mir zu viele Ausländer in der Schweiz. Reicht das?» Brandstetter grinste. «Was ist mit den Frauen da draussen? Alles waschechte Schweizerinnen oder was?» Jackie winkte ab. «Das ist etwas anderes.» «Natürlich, was sonst? Aber egal, erzähl mir alles über Schwander und dieses Forum.» STEPHAN PÖRTNER schreibt und lebt in Zürich. Alle bisher erschienenen Folgen des Fortsetzungskrimis gibt es zum Nachlesen und -hören unter www.surprise.ngo/krimi

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IND 0.– S AB 50 ABEI! SIE D

Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist. 01

freigutpartners IP Law Firm, Zürich

02

Hervorragend AG, Bern

03

Praxis Colibri, Murten

04

Sublevaris GmbH, Brigitte Sacchi, Birsfelden

05

SBB Angebotsgestaltung Langstrasse, Zürich

06

Stoll Immobilientreuhand AG, Winterthur

07

Anyweb AG, Zürich

08

Leadership LP3 AG, Biel

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Echtzeit Verlag, Basel

10

Maya-Recordings, Oberstammheim

11

Gemeinnütziger Frauenverein, Nidau

12

Scherrer & Partner GmbH, Basel

13

Madlen Blösch, GELD & SO, Basel

14

Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

15

Lotte’s Fussstube, Winterthur

16

Cantienica AG, Zürich

17

Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Zürich

18

Brother (Schweiz) AG, Dättwil

19

Kaiser Software GmbH, Bern

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Coop Genossenschaft, Basel

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Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

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Proitera betriebliche Sozialberatung, Basel

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Praxis PD Dr. med. Uwe Ebeling, Bern

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VXL gestaltung und werbung AG, Binningen

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Burckhardt & Partner AG, Basel

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma und Ihr gewünschter Namenseintrag Sie erhalten von uns eine Bestätigung. Kontakt: Nicole Huwyler Team Marketing, Fundraising & Kommunikation T +41 61 564 90 50 I marketing@surprise.ngo

SURPLUS – DAS NOTWENDIGE EXTRA Das Programm

Wie viele Surprise-Hefte müssten Sie verkaufen, um davon in Würde leben zu können? Hätten Sie die Kraft?

Wussten Sie, dass einige unserer Verkaufenden fast ausschliesslich vom Heftverkauf leben und keine Sozialleistungen vom Staat beziehen? Das fordert sehr viel Kraft, Selbstvertrauen sowie konstantes Engagement. Und es verdient besondere Förderung. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkaufenden zusätzliche Unterstützung. Sie sind mit Krankentaggeld und Ferien sozial abgesichert und erhalten ein Nahverkehrsabonnement. Bei Problemen im Alltag begleiten wir sie intensiv.

Eine von vielen Geschichten Der Weg in die Armut führte für Daniel Stutz über die Sucht. Als Jugendlicher rutschte der heute 44-Jährige in die Spielsucht und später in den Konsum harter Drogen. Dank einer Therapie schaffte er vor 7 Jahren den Ausstieg. Geblieben ist dem Zürcher Surprise-Verkäufer und -Stadtführer ein Schuldenberg. «Den Weg aus der Sucht habe ich hinter mir, der Weg aus der Armut liegt noch vor mir», beschreibt Daniel seine Situation. SurPlus gibt ihm dabei Rückenwind: «Es ermöglicht mir hin und wieder Ferien. Ausserdem bedeutet es, auch einmal krank sein zu dürfen – ohne gleich Angst haben zu müssen, die Miete oder Krankenkasse nicht zahlen zu können.»

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Unterstützen Sie das SurPlus-Programm mit einer nachhaltigen Spende Derzeit unterstützt Surprise 14 Verkaufende des Strassenmagazins mit dem SurPlus-Programm. Ihre Geschichten stellen wir Ihnen hier abwechselnd vor. Mit einer Spende von 6000 Franken ermöglichen Sie einer Person, ein Jahr lang am SurPlusProgramm teilzunehmen.

Unterstützungsmöglichkeiten: · 1 Jahr: 6000 Franken · ½ Jahr: 3000 Franken · ¼ Jahr: 1500 Franken · 1 Monat: 500 Franken · oder mit einem Beitrag Ihrer Wahl.

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Wir alle sind Surprise Sozialer Stadtrundgang Zürich

#433: Von einem, der auswandern will

«Besorgt um unser Wohl»

«Aufwendig»

Hans Rhyner zeigte sich auf unserer Tour als liebenswür­diger und kompetenter Stadtführer. Wir danken ihm ganz herzlich für seine engagierte Führung, die Offenheit und den Einblick in seine persönliche Lebensgeschichte. Die vielen interes­santen Ausführungen und Informationen, die Möglichkeit, Fragen zu stellen und die entsprechenden Antworten zu erhalten, machten den Rundgang zu einem Erlebnis, das uns sehr beeindruckt hat.

Gratulation zur berührenden Geschichte von Urs Saurer und Glückwunsch an Birgit Lang für ihre feinen und aufwendigen Illustrationen. Urs Saurer wünsche ich alles Gute für die Zukunft und seine weiteren Pläne.

J. UND C. ZÜRCHER, Zürich

Wir möchten uns für die ausgesprochen interessante, lebhafte und lehrreiche Führung ausdrücklich bedanken. Markus Christen hat den Rundgang sehr kurzweilig und bei allem Ernst auch mit einer grossen Prise Humor gestaltet. Es hat uns gefreut, dass er mit uns sogar noch in die Beiz gekommen ist.

Ich habe mich sehr gefreut über den Beitrag im Heft Nr. 428 über das Buch von Laurie Lee. Das Buch war für mich eine grosse Hilfe in einem schwierigen Moment. Meiner Meinung nach zeigt es zwar viele harte Seiten des Lebens auf, ist aber im Grundton sehr optimistisch. Mein Kompliment auch für Ihre Zeitung, ich kaufe sie recht regelmässig und finde immer etwas darin, das mir gefällt.

C. BRÜGGER, Riehen

U. TRÖSCH, Gütighausen

Sozialer Stadtrundgang Basel

«Eine Prise Humor»

Impressum Herausgeber Surprise, Münzgasse 16 CH-4051 Basel Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T  +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T  +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T  +41 61 564 90 90 M+41 76 325 10 60 anzeigen@surprise.ngo Redaktion
 Verantwortlich für diese Ausgabe: Amir Ali (ami) Diana Frei (dif), Sara Winter Sayilir (win) Reporter: Andres Eberhard (eba), Simon Jäggi (sim) T +41 61 564 90 70 F +41 61 564 90 99
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Ständige Mitarbeit
 Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Marie Baumann, Florian Burkhardt, Rahel Nicole Eisenring, Georg Gindely, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Khusraw Mostafanejad, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Monika Bettschen, Lucian Hunziker, Chiara Nikisch, Jonas Schaffter, Miriam Suter

Gönner-Abo für CHF 260.– Geschenkabonnement für: Vorname, Name Strasse

Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik

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Auflage  25 200 Abonnemente  CHF 189, 25 Ex./Jahr Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt. Spendenkonto:
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«Grosse Hilfe»

25 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.–) Verpackung und Versand bieten Strassen­verkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen

PLZ, Ort

Papier  Holmen TRND 2.0, 70 g/m2, FSC®, ISO 14001, PEFC, EU Ecolabel, Reach

#428: Aus Kinderaugen

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FOTO: LUCIAN HUNZIKER

Surprise-Porträt

«Schule ist mein grösster Traum» «Als ich ein kleines Mädchen war, wollte ich Polizistin oder Ärztin werden. Doch ich hatte keine Chance dazu. Ich wuchs zusammen mit sieben Geschwistern in einem kleinen Dorf in Somalia auf. In meinem ­Heimatland muss man für die Schule bezahlen, und für mich reichte das Geld nicht. Also blieb ich daheim und half meinen Eltern auf ihrem kleinen Bauernhof. Mit 14 fuhr ich in die Hauptstadt Mogadischu, um als Haushaltshilfe bei meinem Bruder zu arbeiten. Er und seine Frau haben elf Kinder. Es war eine gefährliche Zeit, in Somalia herrschte Krieg. Einmal erlebte ich den Einschlag einer Granate mit. Neben mir lag ein Mann mit einem offenen Bauch, auf der anderen Seite ein Junge mit blutendem Kopf. Ich nahm mein Kopftuch, das ich in der Öffentlichkeit sonst nie a­blege, teilte es in zwei Hälften und verband die beiden Ver­ letzten. Der Mann starb im Spital, der Junge überlebte. Als ich 19 war, kam meine beste Freundin zu mir und sagte: Komm, wir fliehen nach Europa. Ich wusste nicht, wo Europa war, aber ich wusste, dass ich in ­Somalia keine Zukunft hatte. Mein Bruder gab mir Geld, befahl mir aber, vor der Abreise meinen Freund zu heiraten. Das taten wir, und mein Mann kam mit. Zu dritt flohen wir nach Äthiopien, dann weiter in den Sudan und anschliessend durch die Sahara nach ­Libyen. Auf dem Weg wurde ich schwanger. Als wir in Tripolis auf das Schiff Richtung Italien warteten, tauchte die libysche Polizei auf und nahm meinen Mann fest. Ich konnte mich verstecken. Drei Monate hörte ich nichts von ihm, dann schrieb er mir aus dem Gefängnis. Ich solle ohne ihn los, meinte er. Unser Kind solle in Europa auf die Welt kommen. Also machte ich mich zusammen mit meiner Freundin auf den Weg. Während der Überfahrt glaubten wir, wir würden sterben. Das Boot hatte plötzlich ein Leck, Wasser strömte herein und stieg immer h ­ öher. Wir schrien, wir weinten, andere waren ganz stumm. Als ich glaubte, alles sei verloren, kam ein R ­ ettungsschiff. Ich war noch nie so glücklich in meinem Leben. In Italien lebte ich drei Monate in einem Flüchtlingsheim und reiste anschliessend in die Schweiz. Mein Sohn Mustafa kam im Februar 2004 in Aarau auf die Welt. Sein Vater sass immer noch in Libyen im Gefängnis und wurde erst zwei Jahre später freigelassen. Er landete aber nicht in Italien, sondern auf Malta. Von dort aus rief er mich an und sagte, er habe eine andere Frau kennengelernt und wolle nach Amerika zu seinem Bruder. Er hat Mustafa bis heute nicht gesehen. 30

Habiba Osman Omar, 34, ging letztes Jahr zum ersten Mal in ihrem Leben zur Schule. Um ihre Hauswirtschaftsaus­ bildung zu finanzieren, verkauft sie Surprise in Dornach.

Im selben Jahr sprach mich ein Mann aus Somalia im Bahnhof Basel an. Ich hatte ihn 2004 in Aarau zum ersten Mal gesehen, und er erkannte mich wieder. ‹Du bist doch Habiba!›, sagte er. Wir erzählten uns unsere Lebensgeschichten. Ein halbes Jahr später heirateten wir. Mittlerweile haben wir vier Kinder zusammen, mit Mustafa sind es fünf, ein Mädchen und vier Buben. Manchmal geht es ziemlich wild zu und her. Ich mag das. Mein Mann arbeitet als Koch in einem Altersheim. Und für mich erfüllte sich letztes Jahr mein grösster Traum. Ich ging zum ersten Mal in meinem Leben zur Schule, mit 33 Jahren! Ich hatte Tränen in den Augen, als ich im Klassenzimmer sass. Diesen Sommer habe ich an der Berufsschule Basel eine dreijährige Hauswirtschaftsausbildung begonnen. Eine Stiftung unterstützt mich, und zudem verkaufe ich Surprise vor dem Coop in Dornach, um die Kosten decken zu können. Seit alle Kinder in der Schule und im Kindergarten sind, habe ich am Morgen jeweils ­einige Stunden Zeit. Auf Sozialhilfe sind wir nicht angewiesen. Immer mittwochs, wenn ich in der Schule bin, ist mein Mann zuhause. Manchmal sagt er: ‹Du bist nur ein Mensch, nicht drei. Musst du so viel machen?› Ich finde: Ja, unbedingt. Endlich habe ich eine Zukunft. Ich bin unglaublich dankbar dafür.» Aufgezeichnet von GEORG GINDELY

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BETEILIGTE CAFÉS

Café Surprise – eine Tasse Solidarität Zwei bezahlen, eine spendieren.

IN BASEL Bäckerei KULT, Riehentorstrasse 18 | Bäckerei KULT «Elsi», Elsässerstrasse 43 | BackwarenOutlet, Güterstr. 120 | Café Bohemia, Dornacherstr. 255 Café-Bar Elisabethen, Elisabethenstr. 14 | Flore, Klybeckstr. 5 | Café Restaurant Haltestelle, Gempenstr. 5 | Kiosk Amann, Claragraben 101 | Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg | Quartiertreffpunkt Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 Quartiertreffpunkt Lola, Lothringerstr. 63 | Les Gareçons to go, Badischer Bahnhof Rest. Manger & Boire, Gerbergasse 81 | Trattoria Bar da Sonny, Vogesenstr. 96 Didi Offensiv, Erasmusplatz 12 | Radius 39, Wielandplatz 8 | Café Spalentor, Missionstrasse 1 IN LUZERN Jazzkantine zum Graben, Grabenstr. 8 | Meyer Kulturbeiz, Bundesplatz 3 | Blend Teehaus, Furrengasse 7 | Quai4-Markt Baselstrasse, Baselstr. 66 | Restaurant Quai4, Alpenquai 4 | Quai4-Markt Alpenquai, Alpenquai 4 | Pastarazzi, Hirschengraben 13 | Netzwerk Neubad, Bireggstr. 36 Sommerbad Volière, Inseli Park | Restaurant Brünig, Industriestrasse 3 IN RAPPERSWIL | Café good, Marktgasse 11 IN SCHAFFHAUSEN Kammgarn-Beiz, Baumgartenstr. 19 IN BERN Café Kairo, Dammweg 43 | Café MARTA, Kramgasse 8 Café Tscharni, Waldmannstr. 17a | Café-Bar das Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 | LoLa Lorraineladen, Lorrainestr. 23 | Luna Llena Gelateria Rest. Bar, Scheibenstr. 39 | Rest. Genossenschaft Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 Rest. Löscher, Viktoriastr. 70 | Rest. Sous le Pont – Reitschule, Neubrückstr. 8 Rösterei Kaffee und Bar, Güterstr. 6 | Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 | Zentrum 44, Scheibenstr. 44 | Café Paulus, Freiestrasse 20 IN BIEL Treffpunkt Perron bleu, Bahnhofplatz 2d IN ZÜRICH Café Zähringer, Zähringerplatz 11 | Cevi Zürich, Sihlstr. 33 | Quartiertreff Enge, Gablerstrasse 20 | Flussbad Unterer Letten, Wasserwerkstr. 141 IN STEIN AM RHEIN Raum 18, Kaltenbacherstr. 18 IN WINTERTHUR Bistro Dimensione, Neustadtgasse 25 IN OBERRIEDEN Strandbad Oberrieden, Seestrasse 47 IN ST. GALLEN S’Kafi, Langgasse 11

Weitere Informationen: surprise.ngo/cafesurprise

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Kultur

Solidaritätsgeste

STRASSENCHOR

CAFÉ SURPRISE

Lebensfreude

Entlastung Sozialwerke

BEGLEITUNG UND BERATUNG

Unterstützung

Job

STRASSENMAGAZIN Information

Zugehörigkeitsgefühl Entwicklungsmöglichkeiten

STRASSENFUSSBALL

Expertenrolle

SOZIALE STADTRUNDGÄNGE Perspektivenwechsel

SURPRISE WIRKT Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: 12-551455-3 | IBAN CH11 1 0900 0000 1255 1455 3 INS_Kurzportraet_GzD_Layout 1 PC 09.05.17 15:43 Seite

Erlebnis


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