Surprise Nr. 436

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Strassenmagazin Nr. 436 19. Okt. bis 1. Nov. 2018

CHF 6.–

davon gehen CHF 3.– an die Verkaufenden

Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass

Jubiläum

20 Jahre

Vom «Stempelkissen» zum Surprise: Das Strassenmagazin feiert Geburtstag Seite 8


Mit euch arbeitet die Schweiz

Liebes Surprise-Team Herzliche Gratulation zum 20jährigen Jubiläum! Ihr macht einen grossartigen und wertvollen Job. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit. Alles Liebe Euer jobs.ch Team jobs.ch ist ein Portal der JobCloud AG

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jobcloud.ch/csr

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TITELBILD: BODARA

Editorial

Zum Netzwerk gehören Bei der Recherche zur Geschichte der Strassenzeitungen (Seite 8) überraschte mich, dass der Kontakt zwischen dem britischen The Big Issue und Surprise der­ massen früh zustande kam. Bereits die Gründer der Basler Arbeitslosenzeitung «Stempelkissen» – dem Vorläufer von Surprise, dessen Logo Sie auf unserer Titel­ seite sehen – reisten nach London, um die Kollegen zu besuchen und von ihnen zu lernen. Kurz nachdem sehr viele deutschsprachige Strassenzeitungen entstanden waren, setzte man sich zusätzlich in Deutschland an einen Tisch, um 1995 das sogenannte Loccumer Abkommen zu unterzeichnen: Die Abmachung war, dass man sich die Verkaufsorte nicht streitig macht und dass man Inhalte und Wissen teilt. Schon sehr früh fiel mir auf, wie sehr sich auch viele Surprise­Verkaufende als Teil von etwas Grösserem sehen. Und vor

4 Aufgelesen 5 Hausmitteilung

20 Jahre Surprise 7 Die Sozialzahl

Trotz Einkommen kein Auskommen 8 Bewegung

Stimmungsbild der Gesellschaft 12 Botschafter

14 Fotostory

Immer schön grüssen!

allem, wie dieses Grössere durch sie erst entsteht. Denn öffentlichen Raum kann man nicht durch grosse Plätze und ein paar Sitzbänke herstellen. Öffentlicher Raum wächst aus der Begegnung, aus der Inter­ aktion. Nun grüsst niemand in einer Stadt die Pas­ santen so konsequent wie die Surprise­ Verkaufenden. Zurück kommt neun Mal ein irritierter Blick – und jedes zehnte Mal ein Lachen. Surprise-Verkaufende zwingen die Passanten durch ihre Präsenz zu einer Reaktion. Das gefällt mir. Es pas­ siert etwas zwischen den Menschen. Es entsteht öffentlicher Raum. Eine Gemein­ schaft. Begegnungen. Dinge, die es gerade in der Schweiz nicht im Überfluss gibt. Lesen Sie dazu auch unsere Fotostory ab Seite 12. DIANA FREI Redaktorin

22 Film

Private Einblicke in die Ära Putin 24 Literatur

Ausloten und sichtbar machen

29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren 30 Surprise­Porträt

«Ein Sprung ins kalte Wasser»

26 Fortsetzungsroman 27 Veranstaltungen 28 SurPlus Positive Firmen

Mr. Trainspotting über Obdachlosigkeit

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Aufgelesen

FOTO: SEBASTIAN SELLHORST

News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 34 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Haarengel Warum tragen diese Profi-Coiffeure Rockerkutten? «Das baut Schwellenängste ab», sagt einer von den Barber Angels. Gegründet 2016 mit der Idee, gratis Haarschnitte für Wohnungslose anzubieten, blicken die inzwischen 180 ehrenamtlichen Coiffeure auf über 10000 Haarschnitte für Bedürftige zurück. Nicht immer einfach: «Wir haben mit Menschen zu tun, die seit Ewigkeiten niemand angefasst hat», sagt Coiffeurin Coco. Sie weiss aber: Das Selbstbild der Menschen ändert sich. «Die Haare sind so wichtig, um sich wohlzufühlen.» Am Tag, an dem diese Bilder entstanden, haben acht Barber Angels 62 Menschen die Haare geschnitten. Auch für gestandene Profis ein anstrengender Tag.

BODO, BOCHUM/DORTMUND

FOTO: NATALI WISEMAN, ©SEATTLE ART MUSEUM

42 für 42 Die Künstlerin Jono Vaughan macht in ihrer Ausstellung «Project 42» mit Gewändern auf Gewalt gegen TransgenderPersonen aufmerksam. Diese werden viermal so häufig Opfer von Mord und Totschlag wie Frauen im Allgemeinen. Allein für 2017 hat die NGO Human Rights Campaign 28 Fälle dokumentiert, in denen Transgender gewaltsam ums Leben kamen – das bisher tödlichste Jahr in den USA. Vaughan will mit ihren Gewändern an 42 getötete Transgender erinnern. 42 Jahre ist zudem die durchschnittliche Lebenserwartung für Transpersonen in den USA.

REAL CHANGE, SEAT TLE

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ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

Sozialwohnungen 1

800 günstige Wohnungen will Dresden bis 2022 bauen. 2006 hatte die die ostdeutsche Stadt ihre 48 000 Sozialwohnungen für 1,7 Milliarden Euro an private Investoren verkauft und hält seither lediglich Belegungsrechte für einen Teil der Wohnungen. «Im Nachhinein betrachtet ein Fehler», so der Chef der neuen städtischen Wohnbaugesellschaft, der damals selbst am Verkauf beteiligt war. Zum Entscheid von CDU, FDP, SPD und Linken im Stadtrat hatte unter anderem eine falsche Prognose über das Bevölkerungswachstum geführt.

DROBS, DRESDEN

Sozialwohnungen 2

Die britische Premierministerin Theresa May will den Bau von günstigem Wohnraum mit insgesamt 2 Milliarden Pfund (rund 2,5 Milliarden Franken) fördern. Gemeinden und Wohnbaugenossenschaften sollen sich ab 2022 und über sechs Jahre hinweg um die Gelder bewerben können – just dann also, wenn die nächsten Wahlen anstehen. Zu wenig, sagen Kritiker: 90 000 Sozialwohnungen müssten in den nächsten 15 Jahren gebaut werden.

THE BIG ISSUE, LONDON

Flüchtlinge? Ja bitte!

82 Prozent der Deutschen sind für eine weitere Aufnahme von Geflüchteten, nur 16 Prozent sind dagegen, so eine Studie des US-amerikanischen Pew Research Center. Der europäische Durchschnitt beträgt 77 Prozent. Deutschland liegt mit Spanien, den Niederlanden, Schweden und Frankreich über dem europaweiten Durchschnitt, in Ungarn sind die Befürworter in der Minderheit.

BODO, BOCHUM/DORTMUND

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Vor Gericht

Kokain und Corn Flakes Dem Angeklagten gebührt, so lautet ein ehrwürdiger Rechtsgrundsatz, das letzte Wort. Doch die Stimme versagt ihm, Tränen rollen ihm über die Wangen. Der abgezehrt wirkende Mann macht keinen Versuch, sie zurückzuhalten. Seinen Sohn hat er seit anderthalb Jahren nicht mehr gesehen. Seine Tochter kennt er nur von Fotos, sie kam in Albanien zur Welt, als er in der Schweiz im Gefängnis sass. Er schluchzt und räuspert sich. «Ich bin ein schreckliches Vorbild und habe Schande über meine Familie gebracht», sagt er reumütig. Doch Reue ist selten mehr als die Erkenntnis, dass der Gewinn den Preis nicht wert war, den man dafür bezahlen musste. Tarik B.*, 29, ist der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz angeklagt; er hat gestanden, rund fünf Kilo Heroin- und ein knappes Kilo Kokaingemisch gebunkert, gestreckt, portioniert und an diverse konsumfreudige Kunden in Stadt und Agglomeration Zürich geliefert zu haben. Er ist ein sogenannter Läufer, kein Baron, darin sind sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung einig. Ein albanisches Brüderpaar, das unter den Spitznamen Panda und Miki firmierte, beauftragte ihn telefonisch, den Stoff an vereinbarte Treffpunkte zu liefern und das Geld entgegenzunehmen. Innerhalb der Stadt Zürich auch ganz ökologisch per Velo oder ÖV. «Die Läufer werden wie Taglöhner bezahlt», erklärt der Verteidiger das Lohnsystem in der Drogenservicebranche. Wochentags liegt der Verdienst bei rund 100

Franken, der sich an einem stressigen Wochenende auch auf 150 Franken steigern kann, monatlich aber kaum mehr als 2000 Franken einträgt. Eines Tages, erzählt Tarik, der in einer Hafenstadt Albaniens eine Kaffeebar eröffnet hatte, kam der «Teufel in Gestalt eines Gastes» in sein Lokal. Man kam ins Gespräch, und Tarik klagte ihm seine finanziellen Sorgen. Da machte ihm der Mann, ein Bauunternehmer, ein Angebot: Er werde den Bankkredit begleichen und Tarik könne diese zinsfreien Schulden mit ein paar Arbeitseinsätzen im Ausland abarbeiten. Deal! Observiert wurde Tarik als Mitglied einer in der Schweiz operierenden Balkandrogenbande seit längerem, sein Telefon wurde abgehört. Allmählich ergaben die verklausulierten Gespräche, in denen von «Käse, Bier und Zitronen» die Rede war, einen Sinn. Als die Polizei den Drogenring zerschlug, fand sie im Küchenschrank von Tariks Studio, in Corn-Flakes-Schachteln versteckt, 120 Gramm Heroingemisch in verkaufsfertigen Portionen abgepackt. Tarik ist geständig und gab der Polizei einen Tipp, in welchem Waldstück weitere Drogen versteckt waren. Was er getan habe, sei unverzeihlich, sagt er. «Wegen meiner Dummheit verlor ich meine Freiheit, meine Ehre und noch mehr Geld.» Aber Dummheit schützt vor Strafe nicht, das weiss auch Tarik B. «Ich habe jede Strafe verdient, die Sie mir geben, Herr Richter», sagt er bussfertig. Das Urteil: 32 Monate Freiheitsstrafe, die Hälfte hat er bereits abgegolten. Ein Drittel wird ihm wegen guter Führung erlassen. Er hofft, seine Tochter bald persönlich kennen zu lernen. * alle Namen geändert ISABELL A SEEMANN ist Gerichtsreporterin in Zürich.

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Hausmitteilung

20 Jahre Surprise FOTO: TOBIAS SUTTER

Surprise wird 20 Jahre alt, und wie es sich gehört, schummeln wir ein bisschen mit den Jahren, denn eigentlich ist Surprise viel älter. Wir haben uns dazu entschieden, den Moment der Ver­ einsgründung zu feiern. Denn 1998 wurde Surprise zur Institution, mit stabiler Grundlage und mit einer realen Zukunft. Zu einem Betrieb mit versierten Redak­ torinnen und Reportern, einer Geschäfts­ leitung, verschiedenen professionell geführten Bereichen, einer Administra­ tion und einer Marketingabteilung. Die Idee Surprise hat sich in all den Jah­ ren stetig weiterentwickelt, ist gereift und gewachsen. Unser Hauptziel ist nach wie vor, Armutsbetroffene mit allen Mitteln direkt zu unterstützen. Die Gesell­ schaft auf die zunehmende soziale Ausgrenzung aufmerksam zu machen, ist unsere zweite Mission. In der Schweiz müssen rund 630 000 Menschen unter der Armutsgrenze leben. Die gute Nachricht: Wir können etwas dagegen tun. Die schlechtere Nachricht: Noch fehlt zu vielen das dafür nötige Bewusstsein. Viele politische Entscheide, welche im Bundeshaus und in den Kantonen gefällt werden, zeigen nur in eine Richtung: Die Unterstützung für Armutsbetroffene wird immer weiter ge­ kürzt. Ein Blick auf die Fakten zeigt, wie realitätsfremd diese Politik ist: Von den schweizweit 230 000 Sozialhilfe­ bezügern zum Beispiel sind 60 Prozent Kinder und Jugendliche. Sie wachsen in Armut auf – und werden sich, wie die Forschung belegt, nur sehr schwer daraus befreien können. Wenn wir keine Armutsprävention betreiben, zemen­ tieren wir die Armut der nächsten Gene­ rationen. Seit über 20 Jahren zeigt Surprise Miss­ stände auf und bietet Lösungen an. In den Neunzigerjahren kam die Strassen­ zeitung unter dem Namen «Stempel­ kissen» in Umlauf – von engagierten Ar­ beitslosen selbst geschrieben, gedruckt und verkauft. Eine klassische Arbeits­ losenzeitung, die zu Beginn vom RAV finanziell unterstützt wurde. 6

«Wenn wir keine Armutsprävention betreiben, zementieren wir die Armut der nächsten Generationen»: Paola Gallo, Geschäftsführerin

Schnell erkannte man bei Surprise, dass den Verkäuferinnen und Verkäufern die gesellschaftliche Teilhabe genauso wichtig ist wie die Arbeit und das Ein­ kommen. So entstanden mit den Jahren weitere Projekte wie der Strassenfuss­ ball, der Strassenchor und die Sozialen Stadtrundgänge.

Danke an die 160 Strassenfussballer, an alle Schiedsrichter, Coaches, Unterstützerinnen und Unterstützer.

Zudem riefen wir das Projekt Café Sur­ prise ins Leben. Wir konnten zahlreiche Cafés dafür gewinnen, dass man bei ihnen einen Kaffee bezahlen kann, den später jemand konsumieren darf, der es sich nicht leisten könnte. Das bedeutet für uns gelebte Solidarität im Alltag.

Danke an alle Gastronominnen und Kaffeetrinker, die bei Café Surprise mit­ machen.

Dies ist der Moment, Danke zu sagen: Allen, die an die Idee geglaubt, Surprise gegründet und trotz allen Hinder­ nissen immer weiterentwickelt haben. Danke allen 400 Verkaufenden, die sich auf die Strasse stellen und das Heft in die Hand nehmen. Ihr seid Surprise, jeden Tag.

Danke an die Sängerinnen und Sänger des Strassenchors, die ihre unglaubliche Lebensfreude in ihren Auftritten mit allen teilen.

Danke an unsere Stadtführerinnen und ­führer, die auf ihren mittlerweile tägli­ chen Touren zeigen, was Armut in einem der reichsten Länder der Welt bedeutet. Und Danke auch Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Dank Ihnen haben die Ver­ kaufenden ein geregeltes Einkommen und soziale Kontakte. Dank Ihnen kann Surprise eine lösungsorientierte Sicht­ weise und sein Wissen über die Struktu­ ren der Armut teilen. Danke, dass Sie mithelfen, Chancen für alle zu schaffen. Surprise 436/18


INFOGRAFIK: BODARA ; QUELLE: BUNDESAMT FÜR STATISTIK (2018): SOZIALHILFESTATISTIK

Die Sozialzahl

sogenannten Einkommensfreibetrag aufgenommen. Erwerbs­ tätige Personen, die von der Sozialhilfe unterstützt werden, sollen demnach die ersten 400 bis 700 Franken behalten dürfen, die sie pro Monat dazuverdienen.

Trotz Einkommen kein Auskommen Erwachsene Sozialhilfebezügerinnen befinden sich in unter­ schiedlichen Erwerbslagen. Rund ein Drittel von ihnen sind nicht erwerbstätig, weil sie sich noch in einer Ausbildung be­ finden, krankgeschrieben sind oder Kleinkinder betreuen. Rund 40 Prozent sind erwerbslos, also langzeitarbeitslose So­ zialhilfebeziehende. Sie werden von den Sozialdiensten an­ gehalten, trotz vieler Widrigkeiten eine Stelle zu suchen. Und schliesslich sind mehr als ein Viertel der Sozialhilfebezüger zwischen 18 und 65 Jahren in der Schweiz erwerbstätig. Die Löhne dieser rund 50 000 Personen im erwerbsfähigen Alter reichen jedoch nicht zur Existenzsicherung des Haushalts, in dem sie leben. Im Fachjargon ist die Rede von den «working poor». 80 Prozent dieser «arbeitenden Armen» sind teilzeitlich ange­ stellt, nur jede fünfte von ihnen arbeitet Vollzeit. Damit weicht das Erwerbsverhalten der Sozialhilfebeziehenden deut­ lich von jenem der ständigen Wohnbevölkerung ab. Hier sind fast 80 Prozent der 18 bis 65­Jährigen erwerbstätig, zwei Drittel von ihnen in einem Vollzeitjob. Viele Surprise­Verkaufende gehören zu den working poor. Sie werden von der Sozialhilfe unterstützt, verdienen sich aber mit jedem verkauften Heft 3 Franken dazu (die Hälfte des Ver­ kaufspreises geht an die Verkaufenden). Wie geht die Sozial­ hilfe mit diesem Zusatzverdienst um? Wird den Surprise­Ver­ kaufenden jeder Franken, den sie einnehmen, gleich wieder von der Sozialhilfe abgezogen oder dürfen sie einen Teil des Verdienstes behalten? Erst 2005 bekannte sich die Schweizeri­ sche Konferenz für Sozialhilfe SKOS zum Motto «Arbeit soll sich lohnen». In den Richtlinien wurde ein Passus zum

Wie diese Richtlinie konkret umgesetzt wird, ist jedem Kanton überlassen. So finden sich in den jeweiligen Sozialhilfege­ setzen und den dazu gehörenden Ausführungsbestimmungen unterschiedliche Varianten. In Basel­Stadt ist es zum Beispiel so, dass Personen, die monatlich bis zu 150 Franken verdienen, alles behalten dürfen. Haben sie ein Erwerbseinkommen zwischen 150 und 450 Franken, werden ihnen 150 Franken gut­ geschrieben. Liegt das monatliche Erwerbseinkommen über 450 Franken, dürfen sie ein Drittel des Betrags behalten, bis maximal 400 Franken. Mit anderen Worten: Wer in der Sozial­ hilfe mehr als 1200 Franken verdient, aber doch nicht so viel, dass er aus der Sozialhilfe wegkommt, kann sich mit Erwerbs­ arbeit nicht mehr besserstellen. Damit beginnt das grosse Rechnen für die Surprise­Verkaufen­ den in Basel. Wer im Monat bis zu 50 Hefte verkauft, kann den ganzen Betrag behalten, also bis zu 150 Franken. Wer bis zu 150 Hefte monatlich los wird, kann sich ebenfalls nur 150 Franken gutschreiben lassen. Darüber hinaus können Ver­ kaufende ein Drittel ihres Erwerbseinkommens für sich be­ halten bis maximal 400 verkaufte Hefte. Wer noch mehr Hefte im Monat absetzt, erzielt kein höheres Gesamteinkommen mehr. Hören erfolgreiche Surprise­Verkaufende also auf, wenn sie diese Grenze erreichen? Oder gibt es für Surprise­Verkau­ fende noch andere als materielle Motive? Fragen Sie doch ein­ mal Ihre Surprise­Verkäuferin oder Ihren Surprise­Verkäufer!

PROF. DR. CARLO KNÖPFEL ist Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Erwerbsverhalten von Sozialhilfebeziehenden im Vergleich zur ständigen Wohnbevölkerung, 18-65-Jährige, 2016 Sozialhilfebeziehende ständige Wohnbevölkerung

78,4% 26,2%

39,0%

34,8%

17,2%

4,4% Erwerbstätige

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Erwerbslose/Langzeitarbeitslose

Nicht Erwerbstätige

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Die Erste? Street News aus New York.

Das Vorbild: Das britische The Big Issue.

Eine Idee geht um die Welt Bewegung Die Geschichte der Strassenzeitungen zeichnet auch ein Stimmungsbild der Gesellschaft. Weltweit – und in Basel, wo Surprise entstand. TEXT DIANA FREI

In der Zeit, als in Europa der Eiserne Vorhang zu fallen begann, passierte auch in New York so einiges. Zum Beispiel grassierte eine Crack-Epidemie, welche die Mordrate in der Stadt in die Höhe trieb. Im selben Jahr forderte der New Yorker Immobilienmogul Donald J. Trump in ganzseitigen Zeitungsinseraten die Todesstrafe für fünf afroamerikanische Teenager, denen fälschlicherweise eine Vergewaltigung zur Last gelegt wurde. Und ebenfalls in jenem Jahr, 1989, wurde das erste Strassenmagazin im heutigen Stil gegründet – Street News in New York. (Streng genommen ging Street Sheet in San Francisco im gleichen Jahr etwas früher an den Start, aber die New Yorker Street News ist die Strassenzeitung, die kurz darauf zum Vorbild für etliche europäische Blätter wurde.) Auf die New Yorker Street News wurde nämlich der Brite Gordon Roddick aufmerksam, der mit seiner Frau Anita The Body Shop aufgebaut hatte, das Kosmetik-Unternehmen, das sich 8

ethischen Grundsätzen verschrieben hat. Roddick hatte einen alten Freund, den er 1967 in einem Pub in Edinburgh kennengelernt hatte: John Bird. Die beiden hatten früher Gedichte geschrieben, ihre Texte ausgetauscht und sich die Freundinnen abgejagt. Bird war das Kind einer armen irischen Familie in London und hatte bereits seine Kindheit und Jugend in Heimen, als Obdachloser und Kleinkrimineller verbracht. Später schaffte er es an eine Kunstschule und erlernte das Druckerhandwerk. Gordon und Anita Roddick hatten etliche Jahre später die Idee, eine Strassenzeitung nach dem Vorbild der New Yorker Street News aufzubauen, und sie hatten das Geld dazu. Sie glaubten daran, dass John Bird der Richtige war, es umzusetzen: weil er ein Macher war, weil er aus dem Druckergewerbe kam – und weil er Lebenserfahrung als Obdachloser hatte. Zusammen mit den Roddicks gründete er 1991 The Big Issue mit Sitz in Glasgow. Es war die Antwort auf die zunehmende Anzahl Obdachloser auf Surprise 436/18


Gründungswelle: Bodo aus Bochum und Dortmund.

den Strassen. Die Politik von Premierministerin Margaret Thatcher hatte während der Achtzigerjahre die Herausbildung einer neuen Unterschicht befördert, vor allem viele Junge wurden obdachlos. Bird rief 1994 auch das Internationale Netzwerk der Strassenzeitungen INSP ins Leben und legte damit den Grundstein für eine weltweite Bewegung von Strassenzeitungen. Heute ist John Bird 72 Jahre alt und aufgrund seiner Verdienste Mitglied des House of Lords. Pünktlich zur Gründung der ersten Strassenzeitung in Europa kam die Krise. Die Neunzigerjahre brachten in ganz Europa einen wirtschaftlichen Einbruch. In der Schweiz hätten sich die ersten Anzeichen der Arbeitslosigkeit ab 1991 bemerkbar, sagt Anina Zahn, Doktorandin beim Projekt «Selbstorganisation von Erwerbslosen in der Schweiz (1975 – 2002): Soziale Bewegung und individuelle Sicherungsnetzwerke». «Die hohe Arbeitslosigkeit war etwas Neues und für viele Leute ein Schock.» Arbeitslosigkeit und neue Armut betrafen nun plötzlich grössere Bevölkerungsschichten als bis anhin, auch die «normalen Bürger» waren betroffen. Das Stempelkissen an der internationalen Konferenz In Basel wurde 1993 unter der Führung von Hans-Georg Heimann, Catherine Merz und Hanspeter Gysin ein Arbeitslosenkomitee gegründet, zwei Wochen später initiierten sie die Arbeitslosenzeitung «Stempelkissen». «Hans-Georg und ein Kollege riefen vor dem Arbeitsamt zu einer Versammlung wegen amtlicher Missstände auf», sagt Catherine Merz. «Zur Versammlung kamen etwa Surprise 436/18

Vorgänger von Surprise: Das Stempelkissen.

70 Leute. Da wurde die Idee besprochen, dass man eine Lobby bilden und ein Arbeitslosenkomitee gründen könnte, ein Sprachrohr für Erwerbslose. Und vielleicht sogar eine Zeitung.» Kurz darauf erschien das Blatt unter dem Namen «Stempelkissen», von einer grossen Gruppe Arbeitsloser selbst produziert und selbst verkauft. Es war ein Selbsthilfeprojekt: arbeiten im Ehrenamt, bezahlt wurde niemand. Die Themen waren politisch und drehten sich um Fragen rund um die Erwerbslosigkeit. Man war nicht nur nah an den Betroffenen – man war betroffen. Das Logo zeigte eine Hand, die mit Wucht einen Stempel auf ein Stempelkissen donnert. Damals musste man als Arbeitsloser auf dem Arbeitsamt «stempeln gehen»: Fast jeden Tag musste man aufs Amt, um einen Stempel abzuholen. Dort traf man zwangsläufig andere Arbeitslose und wurde zur Gemeinschaft. 1995 schloss sich das «Stempelkissen» mit der Zeitung des Zürcher Arbeitslosenkomitees zusammen, einer Zeitschrift mit dem eigenwilligen Titel «Kalter Kaffee – ganz heiss!». Man beschloss, einen griffigeren Namen zu wählen. Nicht zuletzt, weil in den Schweizer Restaurants zu jener Zeit die sogenannten «Menus Surprise» hoch im Kurs waren, kam man auf den Namen Surprise. Ein Kriterium war auch, dass sich das Wort auf der Strasse gut ausrufen liess. Bereits im Februar/März 1995 erschien dann das erste Surprise, das fürs Erste weiterhin auch die Namen «Stempelkissen» und «Kalter Kaffee – ganz heiss!» auf dem Titel trug. Surprise war da immer noch eine Arbeitslosenzeitung. Aber man hatte bereits in früheren Jahren begonnen, über den Tellerrand hinauszuschauen und internationale Kontakte zu knüpfen. 9


Bereits in den Anfangsjahren des Stempelkissens wusste Gründer Hans-Georg Heimann von The Big Issue in London, und er nahm auch an den INSP-Konferenzen teil, kannte John Bird. «Wir hatten irgendwann herausgefunden, dass es eine internationale Gemeinschaft und eine Konferenz gab, an der Strassenzeitungen aus der ganzen Welt zusammenkamen» sagt Catherine Merz. «So konnten wir sehen, wie die anderen ihre Zeitungen machen und es ein Stück weit auf Basel übertragen. Es ging aber auch darum, dass Basel Teil dieser Gemeinschaft sein sollte.» Im Dezember 1994 berichtete das «Stempelkissen» in einer doppelseitigen Reportage über The Big Issue und beschrieb das Konzept, dass die Verkaufenden die Zeitungen selbst erwerben und dann zum doppelten Preis verkaufen. Inhaltlich wurde The Big Issue als «formal und inhaltlich ansprechende Mischung von Information, Unterhaltung, Investigationsjournalismus und Adressenservice» beschrieben. Das Londoner Strassenmagazin wurde später zum direkten Vorbild für Surprise. Verteilungskonflikte spitzen sich zu Auch in Deutschland entstanden in den Neunzigerjahren zahlreiche Strassenzeitungen. «BISS in München und Hinz&Kunzt in Hamburg wurden 1993 unabhängig voneinander gegründet. Beide geben an, dass sie von Big Issue inspiriert gewesen seien», sagt Volker Macke, Redaktionsleiter von Asphalt in Hannover und Sprecher der deutschsprachigen Strassenzeitungen. Eine grosse Gründungswelle gab es ab 1994. In vielen Städten Deutschlands entstanden nun Strassenmagazine, die folglich alle demnächst ihr 25-Jahre-Jubiläum feiern können. Die gesellschaftliche Stimmung gehe in Deutschland seit einigen Jahren allerdings eher in Richtung Entsolidarisierung, sagt Bastian Pütter, Redaktionsleiter des Strassenmagazins Bodo in Dortmund, Bochum und Umgebung. «Die Armutszahlen wachsen, unter Armen und Wohnungslosen spitzen sich Verteilungskonflikte zu», erklärt er die Hintergründe. Die Zuwanderung von armen EU-Bürgern etwa, vor allem Roma aus Rumänien und Bulgarien, die oft von Sozialleistungen ausgeschlossen sind, habe

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1 1995 entstand der Name Surprise 2 Bis 1998 wurde vor allem die Arbeitslosigkeit thematisiert 3 Mehr Beschäftigungsprogramme hiess: weniger Verkäufer 4 Immer politisch: Cover von 2004

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die Arbeit der deutschen Strassenmagazine in den vergangenen Jahren stark geprägt. Zudem habe die sogenannte Flüchtlingskrise den Blick auf Zugewanderte und auf den öffentlichen Raum verändert. «Das sind die äußeren Bedingungen», fasst Pütter zusammen. «Auf der anderen Seite erleben wir von unser Leserschaft eine ungebrochene Solidarität und ein unverändertes Interesse am Produkt Strassenzeitung.» Und Volker Macke aus Hannover ergänzt: Grundsätzlich seien diejenigen Magazine stabil, die sich als professionell produzierte Medienprodukte etablieren konnten. Schwierigkeiten hätten die nicht professionell hergestellten Magazine, weil bei ihnen meistens auch die Organisation im Hintergrund finanziell wacklig dastehe und die Leser unterdessen auch ein überzeugendes Produkt in Händen halten wollten. Mit Wortwitz und Selbstbewusstsein Als in der Schweiz ab 1996 die kantonalen Arbeitsämter durch die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren RAV ersetzt und Beschäftigungsprogramme ausgebaut wurden, gingen den Arbeitslosenzeitungen die Verkäufer aus. Die Gemeinschaft zerfiel nach und nach. Die Surprise-Macher entschieden sich, das Magazin an den neuen Geschäftsführer Michele Alvaro und seine kleine Crew weiterzugeben. Weiterhin wurde ehrenamtlich gearbeitet, oder die Leute waren indirekt durch einen Arbeitseinsatz vom Amt finanziert. 1998 wurde der gemeinnützige Verein «Strassenmagazin Surprise» ins Leben gerufen – «die schnellste, einfachste und billigste Rechtform nach der Ablösung vom Arbeitslosenkomitee», erinnert sich Alvaro. Das war der Geburtstag, den Surprise dieses Jahr feiert. Parallel dazu entstand mit mit der Gründung der Strassenmagazin Surprise GmbH ein Lohnbetrieb mit professioneller Redaktion. Im Marketing war man nun mit Wortwitz und neuem Selbstbewusstsein unterwegs, die Unterstützung war gross: Renommierte Werbefirmen wie Publicitas oder Jung von Matt sponserten teure Werbekampagnen. Mit Kalauern wie Surprise 436/18


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«Werfen Sie Ihr Geld nicht auf die Strasse. Investieren Sie es bei uns» verkaufte man die Inserateseiten, und vermeintliche Schwächen machte man zur Stärke, steckte die vom Leben gezeichneten Verkaufenden in schicke Anzüge und textete: «Aussendienstmitarbeiter gesucht, Drogenkarriere von Vorteil.» Neue Herausforderungen «Wir waren sehr geschäftstüchtig», sagt Michele Alvaro. Er versuchte, inhaltlich von den strengen Arbeitskampf-Themen wegzukommen und ein weiterhin gesellschaftskritisches, aber auch unterhaltsames Heft zu machen. Dies gilt grob auch heute noch, auch wenn unterdessen auch grosse Auslandreportagen ihren

Platz haben – aus der Überzeugung heraus, dass der Blick nach aussen wichtig ist, um die gesellschaftspolitische Situation in der Schweiz verstehen zu können. «Die letzten 20 Jahre haben soziale Umwälzungen und wirtschaftliche Veränderungen mit sich gebracht, die die INSP-Mitglieder vor neue Herausforderungen stellen», schreibt das Internationale Netzwerk der Strassenzeitungen INSP auf seiner Webseite. Das hört sich wenig erfreulich an. Aber immerhin lässt sich der Schlusssatz doch fast schon als Geburtstagsgruss an Surprise und all die anderen 100 Strassenzeitungen in 34 Ländern lesen: «Das heisst aber auch, dass ihre Arbeit nie notwendiger war als heute.»

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FOTO: BRANT ADAM PHOTOGRAPHY

«Die Gesellschaft ändert sich, Obdachlosigkeit ist ein Anzeichen dafür»: Irvine Welsh.

«Strassenzeitungen sind wichtiger denn je» Botschafter Irvine Welsh, Autor des Kultromans Trainspotting, ist Botschafter des

Internationalen Netzwerks der Strassenzeitungen INSP. Seine sozialkritische Haltung äussert er gerne pointiert in den sozialen Medien. INTERVIEW TONY INGLIS, INSP

«Wenn es dir nicht so gut geht, wähle die, die dein Leben verbessern. Wenn es dir gut geht, wähle die, die das Leben anderer verbessern.» Das twitterte Irvine Welsh im Mai 2015 – in der Zeit vor dem Brexit, der Zeit vor Trump. In einer Zeit, die eine Ewigkeit her zu sein scheint. Welsh ist kein TwitterNeuling. Wenn er nicht freche Prosa verfasst oder sich am Strand seiner Wahlheimat Miami sonnt, dann verbreitet er – wie ein kurzer Blick auf seine Social-MediaPräsenz verrät – seine Meinung über Politik und soziale Fragen, aber auch leichtere (wenn auch nicht weniger lebenswichtige Themen) wie Fussball. Letztes Jahr kam Danny Boyles «T2: Trainspotting» heraus, der Nachfolger zu seinem Erfolgsfilm «Trainspotting». Kurz 12

danach veröffentlichte Irvine Welsh im März 2018 sein nächstes Werk, «Dead Men’s Trousers». Es ist der fünfte (und vielleicht letzte) Roman mit den Hauptfiguren der «Trainspotting»-Reihe: Renton, Sick Boy, Spud und Begbie. Die Handlung spielt in Leith, Schottland, wo auch Welsh selbst geboren ist. Nun ahnten die die Verkäuferinnen und Verkäufer der britischen Strassenzeitungen – viele sind Welsh-Fans – schnell, woher die Inspiration für den kreativen Schub gekommen sein könnte. Sie war offensichtlich die Weiterführung einer Weihnachtsgeschichte, die der schottische Autor für das Internationale Netzwerk der Strassenzeitungen geschrieben hatte: Es ging da um ein Familientreffen der Begbies. Die

Kurzgeschichte wurde 2013 in 32 Strassenzeitungen in 16 Ländern weltweit publiziert (siehe «Weihnachten bei Begbies» in Surprise Nr. 314/13, in unserem OnlineArchiv zugänglich). Welshs Markenzeichen sind Figuren, die richtiges Schottisch reden. Für die norwegische Strassenzeitung wurde der schottische Slang auf Trøndersk übersetzt, den lokalen Dialekt von Trondheim. Wenn man den Autor fragt, ob er sein Comeback auch ein wenig den Strassenzeitungen zu verdanken habe, antwortet er mit grosser Überzeugung: «Absolut!» Seine Tweets, seine Bücher zeigen Welsh als einen Künstler, der die Probleme der Menschen versteht. Seit 2013 ist er Botschafter des Internationalen Netzwerks der Surprise 436/18


Strassenzeitungen INSP und zeigt dabei nicht nur viel Empathie, sondern auch kämpferischen Einsatz für benachteiligte Menschen. Irvine Welshs Talent ist, gesellschaftlichen Randgruppen eine Stimme zu geben.

«Es ist lächerlich, dass ein 95-Jähriger wählen darf und ein 14-Jähriger nicht.» IRVINE WELSH

Herr Welsh, Sie sagten einmal, Strassenzeitungen seien eine der grössten sozialen Errungenschaften der letzten 20 Jahre. Was bedeutet ihre Arbeit für Sie? Leider sind Strassenzeitungen heute wichtiger denn je. Unsere Wirtschaft und Gesellschaft ändern sich zur Zeit stark, vielleicht werden sie sogar versagen. Die Obdachlosigkeit ist ein ernstzunehmendes Anzeichen dafür. Sie sagten, Sie seien INSP-Botschafter geworden, weil Sie es als Privileg empfänden. Was meinten Sie damit? Ich bin unglaublich glücklich. Ich musste mich seit einer Jugendphase nicht mehr persönlich mit Obdachlosigkeit auseinandersetzen. Damals schlief ich einen Sommer lang draussen, konnte aber jederzeit in ein sicheres Zuhause zurückkehren. Jetzt geht es mir so gut, dass ich wahrscheinlich nie mehr selbst betroffen sein werde. Die Obdachlosigkeit in England aber wird immer schlimmer, das kann jeder sehen. Ich war vor kurzem in Brighton an der Südküste Englands, wo Touristen buchstäblich über die vielen Obdachlosen hinwegtrampelten. Ihre Zahl wächst extrem. Es wird sich in diese Richtung weiterentwickeln, weil gar nichts dagegen getan wird. Bald werden mehr Menschen auf der Strasse liegen als Konsumenten, die auf ihnen herumtrampeln. Sie leben seit langem in den USA. Wie nehmen Sie die Strassenzeitungen dort wahr? Als ich in Chicago lebte, kaufte ich mir regelmäßig StreetWise, die lokale Strassenzeitung. Sie kommt zwar etwas anders daher, erfüllt aber die gleiche Rolle wie The Big Issue in England. Ich hatte mich mit Clint, meinem Verkäufer, angefreundet und machte mir Sorgen um ihn und die anderen, wenn es draussen kalt war. Wie beurteilen Sie den Umgang mit der Obdachlosigkeit in den USA? Ich habe gesehen, wie die Polizei Obdachlose belästigt hat, besonders auf den Einkaufsmeilen in der City. Aber das ist auch in England nicht ungewöhnlich. Im Winter Surprise 436/18

machen sich zahllose Obdachlose aus den kalten Städten im Norden auf nach Miami. Ganz einfach, weil man dort auf der Strasse überleben kann. Sie leben jetzt selbst in Miami. Der Amoklauf von Parkland, als ein 19-Jähriger 17 Menschen tötete, fand ganz in der Nähe statt. Die Tat löste massive Proteste gegen die amerikanischen Waffengesetze aus. Vor allem die Jugendlichen wehren sich. Inwiefern haben sie die Debatte verändert? Die Kids tun ihre jugendliche Pflicht – aufrütteln gegen den Wahnsinn der Alten, die eh bald tot sind und ihr Bestes tun, um den jungen Leuten den grösstmöglichen Scheisshaufen zu hinterlassen. Ich glaube, die politischen Geschehnisse sind auf ihre Art eine natürliche Reaktion auf die Umwälzung des technisch-wirtschaftlichen Systems und einer ganzen Lebensweise. Es ist lächerlich, dass ein 95-Jähriger wählen darf und ein 14-Jähriger nicht. Sie sind sehr aktiv auf Twitter. Aber Sie haben ja als erfolgreicher Autor bereits eine Bühne. Was bringen Ihnen die sozialen Medien? Auf Twitter lasse ich Dampf ab, aber so ernst nehme ich das nicht. Erst wenn es viele Leute mobilisiert, wird daraus was Grösseres. Ansonsten heisst auf Twitter ‹aktiv› zu sein soviel, wie vor der Glotze ‹aktiv› zu sein. Spud, eine Figur aus Trainspotting, hat mit Obdachlosigkeit und vielen damit verbundenen Problemen zu kämpfen. Sie stellen ihn sehr nuanciert dar. Spud ist eine meiner Lieblingsfiguren. Das Tragische an ihm ist, dass er genau weiss, was mit ihm passiert, aber nichts dagegen tun kann. Als Schriftsteller und als Mensch wurde ich selbst in Edinburgh und Leith geformt. Das bleibt immer Teil von mir.

Und du willst, dass deine Figuren so echt und einfühlsam wie möglich sind. Jede persönliche Geschichte ist wichtig. Geschichten sind Eckpfeiler unserer Menschlichkeit und Kultur. Wenn wir aufhören zu erzählen, sind wir am Ende. Strassenzeitungen beschäftigen unter anderem Leute, die obdachlos sind. Was ist ein Zuhause für Sie selbst? Wo ich die Tür schliessen oder sie der Welt öffnen kann. Das ist eine Grundentscheidung. Und ein Grundrecht für alle Menschen. Hatten Sie beim Schreiben von Trainspotting das Gefühl, Sie hätten irgendeine moralische Verantwortung für das Thema Drogensucht? Die Verantwortung gegenüber der Drogensucht als Thema ist wie bei jedem anderen Thema auch – du musst die Wahrheit erzählen, so wie sie dir als Autor erscheint. Diese Wahrheit ist natürlich nicht die einzig mögliche, aber du hoffst, dass andere sie teilen. Ihr neues Buch «Dead Men’s Trousers» ist das fünfte rund um die Figuren Renton, Sick Boy, Spud und Begbie. Macht es Ihnen nach so langer Zeit immer noch Spass, an diesen Charakteren weiterzuarbeiten? Ja klar! Man muss ihre fiktive Reise aber ernst nehmen. Ich könnte jedes Jahr einen Trainspotting-Roman mit diesen Figuren raushauen, aber ich will keine Marke aufbauen. Es gibt so viel mehr, über das man schreiben kann.

Dieser Text wurde von INSP.ngo zur Verfügung gestellt. Aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt von Translators Without Borders.

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Sozialraum Surprise Fotostory Die Surprise-Verkäufer Peter Conrath, Hans Peter Meier, Hans Rhyner und

Ruedi Kälin machen ihre Arbeit – und die Stadt zum Begegnungsort. Eine Geschichte nach wahren Begebenheiten. SZENARIO DIANA FREI

FOTOS MARKUS FORTE

Ja, lass doch, der ist einfach ein mühsamer Typ …

Ruedi und Hans verkaufen Surprise vor der Sihlpost.

Klar, klar! Und dann hat der im Ernst gesagt ...

Was erlaubt der sich eigentlich? Das ist hier unser Arbeitsplatz.

Ich mach’ hier, was ich will. Das ist öffentlicher Raum.

Das ist unser Verkaufsplatz! Und den machen wir nun sauber. Damit sich die Kunden wohlfühlen bei uns.

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Hans Peter verkauft unterdessen Surprise am Bellevue Zürich.

Herr Meier, Gott sei Dank sind Sie hier!

Ich habe wieder einen Arzttermin. Und immer, wenn Sie hier stehen, fallen die Resultate gut aus.

Danke! Sie wissen gar nicht, wie sehr Sie mir helfen!

Ich habe eigentlich keine heilenden Kräfte, aber ich wünsche Ihnen alles Gute.

Schön, wenn er so seine Selbst­ heilungskräfte aktivieren kann …

Derweil bei der Sihlpost:

Geht so. Ich habe schon wieder ein Handy verloren ...

Schau, da kommt Peter!

... und musste ein neues kaufen. Und das Heft läuft auch nicht recht.

Peter, wie läuft’s bei dir?

Du musst die Leute grüssen! Merk dir 20 Leute, die du immer grüsst, egal in welcher Situation. Nur so schaffst du dir Stammkunden!

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Ruedi, ich weiss. Ich mache das seit über 10 Jahren so.

Ruedi, Hans, ich muss los. Ab morgen mache ich zusätzlich noch den Marroni-Stand in Zug.

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Unterdessen am Bellevue bei Hans Peter:

Nein, wissen Sie … ich muss umziehen … aber ich habe 38 Jahre lang hier in der Nähe gewohnt …

… und Sie haben mich immer so freundlich gegrüsst … und ich habe Ihnen nie ein Heft abgekauft …

Kann ich Ihnen helfen? Haben Sie einen Arzttermin? Oder möchten Sie ein Surprise?

Sie waren morgens jeweils der Erste, der mir einen schönen Tag gewünscht hat. Das werde ich vermissen. Darf ich Sie zu einem Kaffee einladen?

Er hätte aber von mir aus nicht 38 Jahre damit warten müssen …

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Nett, dass Sie mich angesprochen haben.

Früher war es hier im Quartier eben noch so … und ich … genau …! Sehr schön, Sie endlich kennenzulernen!

… letztes Jahr war es aber auch heiss im Sommer …

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Peter ist unterwegs zum Marroni-Stand.

Grüezi!

Kennen wir uns?!

Kennen ist zu viel gesagt. Aber Sie kommen jeden Tag um 6.55  Uhr bei der Sihlpost die Treppe hoch.

… und ich sage Ihnen jeden Morgen Grüezi. Sie sind eine von 20 Personen, die ich immer Wissen Sie, grüsse. Egal in welcher ich bin Ihr Situation. Surprise-Verkäufer.

Im Surprise-Büro wird Peter derweil gesucht. Er ist auch Surprise-Stadtführer, und die Vertriebsmitarbeiterin will wissen, wann sie ihn für Führungen buchen kann.

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Währenddessen: Peter hat seinen ersten Arbeitstag, ...

Gut, gut. Auf höchster Stufe anbraten, dann die innere Flamme abstellen … dann gut verteilen …

Nein! Ich bin Ruedi!

rrring! … rrring! rrring! … rrring! rrring! … rrring!

... sein Telefon aber liegt vor der Sihlpost

Peter!

Ruedi! Aber ich bin doch bei Peter?

Nein! Peter hat sein Handy hier vergessen! 18

Weisst du, ob Peter heute Marroni verkauft? Hat er überhaupt schon angefangen?

Bin ich Peters Sekretärin?! Ich führe doch nicht Buch darüber, wann er wo was verkauft!

Ok. Dann versuch’ ich’s später wieder.

Bitte nicht! Ich bin nicht Peter!

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Derweil am Marroni-Stand:

Hans Peter! Was machst du denn hier?

Ja, klar. Die Marroni sind mein Menu Surprise. Extrem gesund. Mit Vitamin C, Vitamin B1, Eisen, Magnesium, Kalium. Und so weiter, lies die Packung. Steht alles drauf.

Dich besuchen! Jetzt wollte ich mal sehen, ob du auch so gut Marroni verkaufst wie Surprise.

Und das Wichtigste ist: Immer die Stammkunden grüssen.

Das ist ja fast wie vor der Bellevue­Apotheke.

Marroni! Marroni!

ENDE

Mit: Surprise­Verkäufer Ruedi Kälin, Hans Rhyner, Peter Conrath, Hans Peter Meier, Vertriebsmitarbeiterin Priska Schlatter. In weiteren Rollen: Hansruedi Sieber, Christian Sieber, Amir Ali, Diana Frei. Herzlichen Dank an das Café Hotel Altstadt, die VBZ, den Marroni­Stand am Bahnhof Zug und die Bellevue­Apotheke Zürich.

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Eine eritreische Verkäuferin aus Bern «zöpflet» einer 10-köpfigen Kindergruppe die Haare. Ort: Regionalstelle Surprise, Scheibenstrasse 41, Bern

Ruedi Kälin will Ihnen seine Welt zeigen – ein Spaziergang zu seinen Lieblingsplätzen. Ort: vermutlich Zürich, oder wonach ihm (und Ihnen) dann auch immer der Sinn steht.

Wie hiess die Basler «Afghanisches Abendessen»: Arbeitslosenzeitung, «Mit Roger auf der Gasse»: Afghanische Strassenfussballer kochen Verkäufer verdienen sich jedes Ehrenamtliche unterstützen aus der das Surprise Stadtführer Roger Meier nimmt zusammen mit Ihnen eine Aubergineneinmit Einkommen durchSozialen den auf einen privaten Stadt4 Personen. Ort: Bei Ihnen unsereSpezialität globalefürBewegung Strassenmagazin Jahr Sie rundgang inkl. Abendessen für 4 Personen zuhause (Stadt/Region Basel) oder auf der Verkauf der Straßenmagazine Surprise in der Gassenküche des Sleepers, Bern. Regionalstelle Surprise, Münzgasse 16, Basel. hervorging? Jeden Monat verdienen «Eritreisches Abendessen»:

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Sie sind mit bis zu fünf Begleitpersonen eingeladen, an einer Probe des Surprise Strassenchor teilzunehmen, inkl. hausgemachtem Zvieri und einer Gesprächsrunde, in der die Chorsängerinnen und –sänger ihre persönlichen Geschichten erzählen. Ort: Probelokal am Aeschenplatz 2, Basel

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Bisher unveröffentlichte Szenen: Team Putin trinkt auf die Zwischenresultate (li.). Bei Jelzins im Wohnzimmer (m.). Kandidat Putin besucht seine frühere Lehrerin (u.).

BILDER: AARDVARK FILM EMPORIUM

Der Zögling aus Jelzins guter Stube Film Der heute im Exil lebende Dokumentarfilmer Vitaly Mansky zeichnet in «Putin’s Witnesses» die Anfänge der Ära Putin nach. Und gewährt dabei ungewohnt private Einblicke hinter die Kulissen des Kremls. TEXT MONIKA BETTSCHEN

Politiker sind auch nur Menschen. Erinnern Sie sich noch an Boris Jelzins Staatsbesuch bei Bill Clinton 1995 und an den legendären Lachanfall, den der russische Präsident dabei Clinton bescherte, als er die Weltpresse beschimpfte? Ein halbes Jahrzehnt später will in Jelzins guter Stube aber keine rechte Freude mehr aufkommen. Umringt von seiner Familie sitzt das erste demokratisch gewählte russische Staatsoberhaupt sichtbar gealtert vor dem Fernseher und versucht vergeblich, seinen soeben gewählten Nachfolger und politischen Ziehsohn Wladimir Putin telefonisch zu erreichen. Dieser hat für seinen Wegbereiter allem Anschein nach aber kein offenes Ohr mehr. An Silvester 1999 hatte Jelzin seinen Rücktritt bekannt gegeben, nachdem seine von Skandalen überschattete Präsidentschaft Zweifel an seiner Führungskraft hatte aufkommen lassen. Er übergab die Geschicke des Landes ad interim dem früheren KGBMann Putin, der sich kurz vor der Jahrtausendwende gleich in einer Fernsehansprache an das Volk wandte. Mittendrin in diesem Machtwechsel war der in der Ukraine geborene Regisseur Vitaly Mansky. Als Dokumentarfilmchef eines staatlichen TV-Senders konnte er sich während dieses Umbruchs innerhalb des Kremls mit seiner Kamera praktisch frei bewegen. So setzte er sich in der Wahlnacht zu den Jelzins ins Wohnzimmer oder heftete sich an Putins Fersen, als dieser sich vor den Wahlen im März 22

2000 den Menschen als Macher mit harter Hand empfahl, zum Beispiel in der bis heute schwelenden Tschetschenienfrage. Mansky begleitete Putin zu einem durch ein Attentat zerstörtes Wohnhaus, zum Besuch bei seiner früheren Lehrerin, am Frauentag medienwirksam in eine Weberei und schliesslich bis an seinen Schreibtisch. In diesen bisher unveröffentlichten Archivaufnahmen nimmt Vitaly Mansky seine Zuschauer in der Wahlnacht vom 26. März 2000 auch mit in die Schaltzentrale von Putins Kampagnenleitern. Der Regisseur stellt aus dem Off das Team vor, zu dem Namen wie Dimitri Medwedew zählten, heute Russlands Ministerpräsident, oder Boris Nemzow, ehemaliger Vize-Ministerpräsident, der bald nach Putins Wahl in die Opposition wechselte und 2015 erschossen wurde. Während man der eingeschworenen Truppe dabei zuschaut, wie sie den Zwischenresultaten aus den einzelnen Bezirken entgegenfiebert und sich nach dem erreichten Erfolg gegenseitig zuprostet, erklärt Mansky mit dem Wissen von heute, wer von den Wahlhelfern welche Funktion hatte, wer bald nach der Wahl zur Gegenseite wechselte – und wie viele von ihnen heute nicht mehr am Leben sind. Zum Beispiel der damalige Medienminister Michail Lessin, der als Inhaber der grössten Werbeagentur des Landes auch alle TV-Kanäle kontrollierte und damit eine zweifelhafte Doppelrolle bekleidete. 2015 wurde der damals 57-Jährige Surprise 436/18


in einem Hotel in Washington tot aufgefunden. Mansky lässt diese Tatsachen so stehen, wodurch die kleine Vorstellungsrunde ihre Wirkung nicht verfehlt. «Macht verändert jeden» Vitaly Manskys meist regimekritische Filme finden seit Jahren grosse Beachtung. In «Pipeline» folgte er 2013 dem Verlauf einer Gasleitung von Sibirien nach Westeuropa. Er dokumentierte darin das entbehrungsreiche Leben der Menschen, die entlang dieser Pipeline wohnen, und gewann dafür eine Reihe von Auszeichnungen, unter anderem in Toronto, Amsterdam und London. «Im Strahl der Sonne» aus dem Jahr 2015 schilderte den Alltag einer nordkoreanischen Familie, wofür er am internationalen Filmfestival «Schwarze Nächte» in Tallinn den Preis für die beste Regie und den Spezialpreis der Jury entgegennehmen durfte. Auch in «Putin’s Witnesses» macht Mansky, der heute im litauischen Exil lebt, seine kritische Haltung gegenüber den Mächtigen und Reichen deutlich. In einem Interview mit der Online-Plattform Cineuropa sagte er: «Macht verändert jeden, der sie erlangt. Russische Macht zerstört die Menschen komplett, sie lässt den Leuten keine Wahl. Der Putin, den ich damals kannte, und die Person, die er heute ist, lassen sich überhaupt nicht miteinander vergleichen.» Die beunruhigende Thematik des Films wird immer wieder von eigenwilligem, leicht absurdem Humor durchbrochen. Zum Beispiel am Esstisch der Jelzins, an der Schwelle zum neuen Jahr-

tausend: Der abtretende Präsident sitzt am Kopfende einer reich gedeckten Tafel. Er hebt zu einer Neujahrsrede an, sucht in der ihm eigenen phlegmatischen Art nach gewichtigen Worten, wird dabei aber dauernd von seinem Enkelkind mit dessen Kauderwelsch unterbrochen, bis er sich schliesslich geschlagen gibt und seinen ungelenken Toast beendet. Mansky lässt die Zuschauer auch daran teilhaben, wie der Geist der Sowjetunion in Gestalt der Hymne der russischen Föderation wieder zum Leben erweckt wird. Gleich in seinem ersten Jahr als Präsident veranlasste Putin, dass der Schriftsteller Sergej Michalkow zur Melodie der alten Hymne der Sowjetunion einen neuen Text schrieb. Er wolle damit einem Bedürfnis seiner Landsleute nach Nostalgie entsprechen, sagt Putin zu Mansky. Der Filmemacher zeigt, wie ein Chor die neu getextete Hymne aufnimmt, während Michalkow den inbrünstigen Gesang via Kopfhörer überwacht und unterbricht, wenn die Betonung der Schlüsselwörter noch nicht zufriedenstellend ist. Die Hymne als vertrauensbildende Massnahme für alle, die im Geheimen Grossmachtgelüste hegen und verklärt an die alten Zeiten zurückdenken, in denen eine geeinte und starke Sowjetunion dem Westen die Stirn bot. Ob diese Interpretation von Nostalgie tatsächlich im Interesse der Bürger war, darf man sich jetzt, fast 20 Jahre später, immer noch fragen. Vitaly Mansky: «Putin’s Witnesses», Lettland/Schweiz/Tschechische Republik 2018, 102 Min. Läuft zurzeit im Kino.

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Internationales LiteraturFestival

9. — 11. November 2018

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BILDER: ZVG

Resonanzraum für Realitäten Literatur Von Bruchstellen und Umbrüchen erzählt die diesjährige

Ausgabe des Buchfestivals «Zürich liest». Oft im politischen Sinn, manchmal im persönlichen. TEXT JOËLLE JOBIN

Ausloten und sichtbar machen: Live-Schreiberin Julia Weber, Matto Kämpf und Sibylle Aeberli, Oksana Sabuschko (im Uhrzeigersinn).

Etwas kann Literatur besonders gut, nämlich Bruchstellen und Umbrüche ausloten und sichtbar machen. Ob sie präzise auf Details fokussiert oder, im Gegenteil, ein Panoptikum ausleuchtet – aus der Distanz erzeugt sie Schärfe in der Darstellung und öffnet den Blick auf die Welt und die Gesellschaft. Die Programmkommission des Literaturfestivals «Zürich liest» orientiert sich dieses Jahr neben Neuerscheinungen und Trends auch daran, was politisch-geschichtlich relevant ist. Programmleiter Martin Walker sagt: «Autorinnen und Autoren nehmen Ereignisse der Geschichte häufig als Impuls auf und leisten so einen Beitrag zur offiziellen Geschichtsschreibung.» Die Realitäten gegenwärtiger Kriege und des Terrors erhalten in der Literatur einen Resonanzraum, der in der alltäglichen medialen Berichterstattung nicht entstehen kann. Die ukrainische Schriftstellerin Oksana Sabuschko etwa beschreibt, wie sie auf ihrer Lesereise nach dem Terroranschlag im Pariser Bataclan im November 2015 einer 24

paralysierten Metropole begegnete. Dem «Publikum einer verwundeten Stadt». In ihrem Essay «Der lange Abschied von der Angst», den sie am Theater Neumarkt vorstellt, reflektiert sie diese prägende Erfahrung. Mit der Veranstaltung «Drei Frauen – sechs Länder: Ruska Jorjoliani, Golnaz Hashemzadeh Bonde und Zanna Sloniowska» werden an einem Abend drei Werke von Autorinnen vorgestellt, deren Biografie von Migration oder Flucht geprägt ist. Ruska Jorjoliani kommt aus Georgien und lebt in Palermo. Golnaz Hashemzadeh Bonde kam als Flüchtlingskind aus dem Iran nach Schweden. Zanna Sloniowska ist eine polnische Ukrainerin, die in Warschau lebt. Was verbindet sie, was trennt sie? «Ein Festival ist immer auch eine Gelegenheit, Künstlerbegegnungen zu initiieren und Verbindungen zu schaffen. Es geht zunächst um die einzelnen Geschichten, aber was schliesslich in der Begegnung entsteht, weist über die individuellen Debüts hinaus», so Programmleiter Martin Walker. Surprise 436/18


Einen genauen Blick auf die Mechanismen von Krisen ermöglicht das Buch «Der Bürgerkrieg» von David Armitage. Der renommierte britische Globalhistoriker zeigt auf, dass allein die Benennung eines innerstaatlichen Konflikts als «Bürgerkrieg» dessen Ausgang beeinflussen kann. Er stellt seine Publikation im Gespräch mit dem Historiker Martin Dusinberre im Festivalzentrum Karl der Grosse vor. Spuren der Kriegsrealität und der Dringlichkeit aktueller Konflikte legt auch Kultautor Philippe Djian in seinen neuen Roman «Marlène». Die zwei Freunde Dan und Richard, heimkehrende Soldaten, finden sich im zivilen Alltag der französischen Provinz nicht mehr zurecht. Verdrängte Traumata torpedieren aufkeimende Liebe und schüren Eifersucht. Das Buch wird im Helsinki gerockt Neben den starken Stimmen der jungen Schweizer Literatur – wie Gianna Molinari, die ihr Debüt «Hier ist noch alles möglich» vorstellt, oder Julia Weber, die mit ihrer Schreibmaschine den Eröffnungsabend live begleiten wird – kann man auch den Urgesteinen der hiesigen Literatur folgen, die persönliche Umbrüche ausloten. Unter dem Titel «Franz spaziert durch sein Gesamtwerk» gibt Franz Hohler Einblick in 50 Jahre literarisches Schaffen. Hansjörg Schneider stellt seine Autobiografie «Kind der Aare» vor und nimmt uns mit auf eine Reise zu sanften Hügeln und Auen. Und zugleich in die karge, autoritäre Atmosphäre seiner Kindheit und Jugend in den Nachkriegsjahren. Die Kulturjournalistin Sieglinde Geisel hat Gespräche mit Peter Bichsel geführt, entstanden ist daraus das Buch «Was wäre, wenn?» Bei der Buchvorstellung im Theater Rigiblick ist das Publikum eingeladen, eigene Fragen an den Autor mitzubringen. Auch die Historikerin und Autorin Nicole Billeter nähert sich in ihrem Roman «Wenn dein starker Arm es will» einem Umbruch an: Sie erzählt, wie in der konfliktreichen Zeit vor und während des Landesstreiks von 1918 die Welten eines Dienstmädchens und eines Firmenpatrons aufeinanderprallen. «Bruchstellen und Umbrüche», sagt Martin Walker, «wurde zum Titel für ein breites Programm mit verschiedensten Formaten: Buchpremieren, politische Diskussionen, Gespräche oder Veranstaltungen mit Musik.» Satiriker Matto Kämpf ist so einer, der für den Inhalt auch die passende Form des Auftritts zu wählen weiss: Sein Buch «Tante Leguan» erzählt von drei Kulturjournalistinnen und -journalisten, die sich bis zur Entdeckung der titelgebenden chinesischen Punk-Band mehr schlecht als recht durch den Alltag schleppen. Vorgestellt wird das Werk unter Begleitung der Musikerin Sibylle Aeberli (Schtärneföifi) im Helsinki Klub. Literatur ist mit «Zürich liest» schon immer auch an ungewöhnliche Orte gelangt: Margrit Schreiber präsentiert ihren Roman «Glänzende Aussichten» passend zum Schauplatz ihrer Geschichte in Zürichs grösster Autowaschstrasse. «Zürich liest», Buchfestival, 24. bis 28. Oktober, verschiedene Veranstaltungsorte in Zürich, Winterthur und Umgebung. www.zuerich-liest.ch

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ILLUSTRATION: SARAH WEISHAUPT

Agglo-Blues

Folge 19

Der Kontaktmann Was bisher geschah: Vera Brandstetter kehrt in den Salon zurück, in dem das Mordopfer gepokert hatte und setzt den Betreiber, dessen Nase sie bei der letzten Begegnung ramponiert hatte, mit einer Videoaufnahme unter Druck. Jackie, der Boss des Happy Valley Salons, blickte finster hinter der Maske hervor, die den Nasenbruch schiente, den ihm Brands­ tetter zugefügt hatte. «Dieser Schwander war im Forum sehr ak­ tiv, hat fast jeden Tag etwas gepostet», erklärte er widerwillig. Dort hat er den Toni kennengelernt, einen aus der Pokerrunde. Mit der Zeit haben sie sich nicht nur über Politik ausgetauscht, sondern auch über Persönliches. Sie stellten fest, dass sie in der­ selben Region wohnten und Schwander hat seine Leidenschaft fürs Pokern erwähnt. Die beiden haben sich getroffen, und Toni fand, dass der Reto in Ordnung sei. So kam er in die Runde.» «Wann war das?» «Vor einem Jahr, schätze ich.» «Wie heisst er richtig, dieser Toni?» «Antonio Delbosco, er wohnt in Werterswil drüben. Die ge­ naue Adresse habe ich nicht.» «Klingt solid eidgenössisch, ein Tessiner, nehme ich an.» «Die Karte», sagte Jackie ungeduldig. Brandstetter schob ihm die Speicherkarte hinüber, er liess sie sofort in der Westentasche seiner Kutte verschwinden. Sie hielt ihm das Handy hin, damit er sehen konnte, wie sie das Video löschte. «Wer garantiert mir, dass es keine weiteren Kopien gibt?» «Ich natürlich! Vertrau mir, würde ich je etwas tun, das dir schaden könnte, Baby?», grinste Brandstetter und ging. Den Namen Delbosco fand sie zusammen mit einer Han­ dynummer bei den Personalien, die sie im Hinterzimmer des Salons aufgenommen hatte. Sie erkannte die Stimme des Bank­ angestellten, den sie für einen Maler gehalten hatte. Sie hatte den Typen im Lacoste­T­Shirt erwartet. Oder den dicken Buben. Die Überlegenheit der weissen Rasse wurde oft von Leuten postuliert, deren Erscheinung die These nicht unbedingt stützte. «Was wollen Sie von mir, ich kannte den Buchhalter nicht», wehrte Delbosco ab, als sie ihn nach seinem Verhältnis zu Schwander fragte. 26

«Sie waren über das Forum der wehrhaften Eidgenossen in­ tensiv miteinander in Kontakt. Das ging so weit, dass sie sich persönlich kennengelernt haben. Sie waren es, der ihn bei Jackies Poker­Runde eingeführt hat.» «Woher wissen Sie das alles?» «Das spielt keine Rolle. Ich muss mich mit Ihnen unterhalten.» «Ich bin bei der Arbeit.» «Wo arbeiten Sie, ich komme vorbei.» «Sind Sie wahnsinnig? Ein Bankangestellter, der am Arbeits­ platz Besuch von der Kriminalpolizei bekommt und nicht sagen kann, worum es dabei geht? Gute Nacht! Da wird nicht lange ge­ fackelt, ich könnte meinen Job verlieren. Hören Sie, ich versuche, um sechs Uhr hier wegzukommen. Wir können uns irgendwo im Freien treffen.» «Warum nicht bei Ihnen zu Hause?» «Das möchte ich nicht.» «Warum nicht? Wegen Ihrer Familie?» «Nein, ich bin geschieden und lebe allein. Ich komme zu we­ nig zum Aufräumen. Sie würden einen falschen Eindruck von mir bekommen.» Brandstetter zögerte. Hatte er etwas zu verbergen? Oder schämte er sich wirklich? Als sie Single war, hatte sie einige trost­ lose und verdreckte Wohnungen gesehen. Offenbar wurden den Männern bei der Scheidung die Möbel zugesprochen, die nicht einmal das Brockenhaus wollte. Sie verabredeten sich auf dem Parkplatz beim Schnabelweiher. Beim Bahnhof Heitersberg liess Brandstetter ihr Auto stehen und fuhr mit der S­Bahn in die Stadt. Auf dem Posten bat sie die Computerspezialisten, Schwanders Aktivitäten im Netz anzu­ schauen und ihr einen Zugang zu diesem Forum einzurichten. Sie bekam wenig später Nickname und Passwort eines Kollegen, der das Forum sporadisch überwachte. Die Mitglieder wurden als radikal eingestuft. Aber obwohl viel von Waffen, Bürgerkrieg und Vernichtung aller Feinde die Rede war, schätzte die zustän­ dige Abteilung die Wahrscheinlichkeit, dass die Mitglieder Straf­ taten begehen würden, als gering ein. Das Anti­Rassismus­Gesetz galt nicht auf Foren, die nicht öffentlich waren. Es war eine Illu­ sion anzunehmen, dass Meinungen, die nicht geäussert werden dürfen, dadurch verschwinden, dachte Brandstetter.

STEPHAN PÖRTNER schreibt und lebt in Zürich. Alle bisher erschienenen Folgen des Fortsetzungskrimis gibt es zum Nachlesen und -hören unter www.surprise.ngo/krimi

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BILD(1): KULTURMARKT, BILD(2): ZVG, BILD(3): NOVARTIS

Veranstaltungen Zürich «VierPunktNull – Eine theatrale Revue zur Zukunft der Arbeit», Mi, 24., Do, 25., Sa, 27., Di, 30., Mi, 31. Oktober, Do, 1., Fr, 2., Sa, 3. November, jeweils 20 Uhr. Am 30. und 31. Oktober bestimmen die Besucher den Eintrittspreis: «Zahle so viel du kannst – aber sichere den Lohn der Kulturschaffenden». kulturmarkt.ch

Betroffenen die Prämienverbilligung, die Sozialhilfe oder die Ergänzungsleistungen gekürzt oder gestrichen werden. Diese Leute fallen durch die Maschen der Institutionen. Die Kirchliche Gassenarbeit Bern ist eine von vielen Organisationen, die diese Lücken im Sozialsystem zu schliessen helfen. Die Gassenarbeit gibt es jetzt seit 30 Jahren, und zum Jubiläum findet eine Tour durch die unterschiedlichsten Kulturlokale und spannenden Winkel Berns statt. So rockt man mit der DeutschpunkBand Feine Sahne Fischfilet den Dachstock der Reitschule Bern, und die Brasserie Lorraine fängt in Zusammenarbeit mit der Gassenküche «Stimmen aus der Brass» ein – Anekdoten und Lebensgefühl der Menschen vor Ort. DIF

Arbeit, im Mittelalter als Strafe und Mühsal angesehen, wurde von den Reformatoren zur Pflicht des Menschen und zum Mittelpunkt des Lebens erhoben. «Arbeit ist etwas Gutes, etwas Göttliches», schrieb Zwingli. Wie wir wissen, haben seither ein paar industrielle Revolutionen stattgefunden. Es kam die Dampflok, es kam das Fliessband, es kam der Computer. Und heute denken Häuser, Autos und elektronische Patientendossiers an unserem menschlichen Hirn vorbei selbst darüber nach, wie sie sich die Arbeit organisieren. Die vierte industrielle Revolution krempelt unsere Arbeitswelt um. Die Freiheit und Selbstbestimmung sind gross, die Unsicherheit der Arbeitsverhältnisse auch. Unter dem Veranstaltungslabel zh-reformation.ch werden zurzeit 500 Jahre Zürcher Reformation gefeiert, die theatrale Revue VierPunktNull nimmt sich der Zukunft der Arbeit in Zusammenhang mit der Industrie 4.0 an und wurde mit professionellen DIF Schauspielern und arbeitssuchenden Künstlern erarbeitet.

Basel/Baselland «Festival de l’Aube», Filmfestival, bis Sa, 27. Oktober, kult.kino Camera Basel, Kino Sputnik Liestal, Marabu Gelterkinden, Fachwerk Allschwil, ref. Kirchgemeindehaus Pratteln, Kulturforum Laufen. aubefilmfestival.ch «L’aube», der Tagesanbruch – arabisch «fajr» – ist das Leitmotiv des Festivals de l’Aube, das Filme einer neuen Generation aus dem Irak, Iran, Libanon, aus Palästina, Syrien, Ägypten, Tunesien, Algerien und Marokko in die Schweiz bringt. Das Festival versteht die Symbolik des Tagesanbruchs als subtile Kraft: der Sonnenaufgang als Auferstehen, als Überwindung von Altem, um Neues zu schaffen. Diesem Gedanken spürt auch das Rahmenprogramm in Gesprächen mit Filmemachern und Workshops nach. Die diesjährige Ausgabe steht unter dem Titel «Rabia – der Frühling», wobei man Surprise 436/18

Bern «LSD. Ein Sorgenkind wird 75», Ausstellung, bis Fr, 11. Januar 2019, Mo bis Fr 9 bis 18 Uhr, Eintritt frei, Schweizerische National­ bibliothek, Hallwylstrasse 15. nb.admin.ch/lsd

Die Ausstellung lässt den gesellschaftlichen und kulturellen Wandel Revue passieren, den LSD verursacht hat. Mit Blicken auf: Künstlerinnen, Hippies, Popkultur und Psychiatrie. Und mit persönlichen Aufzeichnungen von Entdecker Albert Hofmann. DIF

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wissen muss, dass «Rabia» auch ein Frauenname ist. Die Filme stellen denn auch Fragen wie: Wer ist die muslimische Frau? Wie definiert sie sich selbst? Wie wird sie wahrgenommen? Was bewirkt die Verschleierung des Körpers aus ihrer eigenen Sicht: Abgrenzung? Schutz? Unterdrückung? Glaube? Und nicht ganz unwesentlich: Wer führt den Diskurs, und wer entscheidet darüber? DIF

Bern «Kulturtour – 30 Jahre Kirchliche Gassenarbeit Bern», bis Sa, 15. Dezember, verschiedene Orte in Bern. gassenarbeit-bern.ch Seit Jahren betreibt die Stadt Bern im öffentlichen Raum eine Politik der Verdrängung und Repression: Wer nicht ins Stadtbild passt, soll sich nicht im öffentlichen Raum aufhalten. Gleichzeitig schnürt der Kanton Bern ein Sparpaket nach dem anderen, sodass immer mehr SRK000 Inserat_Surprise_1.indd 1

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IND 0.– S AB 50 ABEI! SIE D

Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist. 01

freigutpartners IP Law Firm, Zürich

02

Hervorragend AG, Bern

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Praxis Colibri, Murten

04

Sublevaris GmbH, Brigitte Sacchi, Birsfelden

05

SBB Angebotsgestaltung Langstrasse, Zürich

06

Stoll Immobilientreuhand AG, Winterthur

07

Anyweb AG, Zürich

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Leadership LP3 AG, Biel

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Echtzeit Verlag, Basel

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Maya-Recordings, Oberstammheim

11

Gemeinnütziger Frauenverein, Nidau

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

13

Madlen Blösch, GELD & SO, Basel

14

Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

15

Lotte’s Fussstube, Winterthur

16

Cantienica AG, Zürich

17

Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Zürich

18

Brother (Schweiz) AG, Dättwil

19

Kaiser Software GmbH, Bern

20

Coop Genossenschaft, Basel

21

Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

22

Proitera betriebliche Sozialberatung, Basel

23

Praxis PD Dr. med. Uwe Ebeling, Bern

24

VXL gestaltung und werbung AG, Binningen

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Burckhardt & Partner AG, Basel

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma und Ihr gewünschter Namenseintrag Sie erhalten von uns eine Bestätigung. Kontakt: Nicole Huwyler Team Marketing, Fundraising & Kommunikation T +41 61 564 90 50 I marketing@surprise.ngo

SURPLUS – DAS NOTWENDIGE EXTRA Das Programm

Wie viele Surprise-Hefte müssten Sie verkaufen, um davon in Würde leben zu können? Hätten Sie die Kraft?

Wussten Sie, dass einige unserer Verkaufenden fast ausschliesslich vom Heftverkauf leben und keine Sozialleistungen vom Staat beziehen? Das fordert sehr viel Kraft, Selbstvertrauen sowie konstantes Engagement. Und es verdient besondere Förderung. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkaufenden zusätzliche Unterstützung. Sie sind mit Krankentaggeld und Ferien sozial abgesichert und erhalten ein Nahverkehrsabonnement. Bei Problemen im Alltag begleiten wir sie intensiv.

Eine von vielen Geschichten Der Weg in die Armut führte für Daniel Stutz über die Sucht. Als Jugendlicher rutschte der heute 44-Jährige in die Spielsucht und später in den Konsum harter Drogen. Dank einer Therapie schaffte er vor 7 Jahren den Ausstieg. Geblieben ist dem Zürcher Surprise-Verkäufer und -Stadtführer ein Schuldenberg. «Den Weg aus der Sucht habe ich hinter mir, der Weg aus der Armut liegt noch vor mir», beschreibt Daniel seine Situation. SurPlus gibt ihm dabei Rückenwind: «Es ermöglicht mir hin und wieder Ferien. Ausserdem bedeutet es, auch einmal krank sein zu dürfen – ohne gleich Angst haben zu müssen, die Miete oder Krankenkasse nicht zahlen zu können.»

Die ganze Geschichte lesen Sie unter: surprise.ngo/surplus

Unterstützen Sie das SurPlus-Programm mit einer nachhaltigen Spende Derzeit unterstützt Surprise 14 Verkaufende des Strassenmagazins mit dem SurPlus-Programm. Ihre Geschichten stellen wir Ihnen hier abwechselnd vor. Mit einer Spende von 6000 Franken ermöglichen Sie einer Person, ein Jahr lang am SurPlusProgramm teilzunehmen.

Unterstützungsmöglichkeiten: · 1 Jahr: 6000 Franken · ½ Jahr: 3000 Franken · ¼ Jahr: 1500 Franken · 1 Monat: 500 Franken · oder mit einem Beitrag Ihrer Wahl.

Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 | Vermerk: SurPlus Oder Einzahlungsschein bestellen: T +41 61 564 90 90 info@surprise.ngo | surprise.ngo/spenden Herzlichen Dank!


Wir alle sind Surprise Sozialer Stadtrundgang

Sozialer Stadtrundgang

«Horizonterweiterung»

«Trockener Humor»

Die Tour von Lilian Senn war sehr gut geführt, hat enorm viele persönliche Eindrücke und Einblicke vermittelt und war auch wirklich informativ. Darüber hinaus regt sie sehr zum Nachdenken an. Ein solcher Stadtrundgang bietet eine Horizonterweiterung, die ich nicht missen möchte.

Mit Stadtführerin Lilian Senn sind wir in spannende Geschichten eingetaucht. Ich möchte ihr im Namen des ganzen Teams meinen Dank aussprechen. Es ist überaus wertvoll, diesen Rundgang mit direkt betroffenen Personen miterleben zu dürfen. Lilian hat es uns mit ihrer offenen und direkten Art und ihrem trockenen Humor leicht gemacht, viele interessante und auch persönliche Fragen zu stellen.

TOM TSCHUDIN ROSA, SVA Basel-Landschaft

Sozialer Stadtrundgang

Sozialer Stadtrundgang

«Bleibender Eindruck»

«Neue Welt»

Herzlichen Dank an Lilian Senn für die beeindruckende Führung durch Basel. Bei unseren Schülerinnen und Schülern hat es einen bleibenden Eindruck hinterlassen und regte zum Nachdenken an.

Die Surprise-Tour hat mich und meine Klasse begeistert. Herr Markus Christen hat uns mit seinen Ausführungen eine neue Welt gezeigt. Wir haben dies sehr geschätzt und ich werde den Rundgang gerne weiterempfehlen.

DARIA SKRZ YPCZ AK, Berikon

SONJA OCHSNER, KV Basel

Impressum Herausgeber Surprise, Münzgasse 16 CH-4051 Basel Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T  +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T  +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T  +41 61 564 90 90 M+41 76 325 10 60 anzeigen@surprise.ngo Redaktion Verantwortlich für diese Ausgabe: Diana Frei (dif) Sara Winter Sayilir (win), Amir Ali (ami) Reporter: Andres Eberhard (eba), Simon Jäggi (sim) T +41 61 564 90 70 F +41 61 564 90 99 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch

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Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Marie Baumann, Florian Burkhardt, Rahel Nicole Eisenring, Georg Gindely, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Monika Bettschen, Markus Forte, Tony Inglis, Joëlle Jobin, Susanne Keller, Isabel Mosimann Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt. Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik Druck AVD Goldach Papier Holmen TRND 2.0, 70 g/m2, FSC®, ISO 14001, PEFC, EU Ecolabel, Reach Auflage 27 700 Abonnemente CHF 189, 25 Ex./Jahr Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3

CHRISTIAN MÜLLER, ENIWA AG, Aarau

Ich möchte Surprise abonnieren 25 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.–) Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen Gönner-Abo für CHF 260.– Geschenkabonnement für: Vorname, Name Strasse PLZ, Ort

Rechnungsadresse: Vorname, Name Strasse PLZ, Ort Telefon E-Mail Datum, Unterschrift 436/18

Bitte heraustrennen und schicken an: Surprise, Münzgasse 16, CH-4051 Basel, info@surprise.ngo

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FOTO: SUSANNE KELLER

Surprise-Porträt

«Ein Sprung ins kalte Wasser» «Die erste Strassenzeitung habe ich im August 1996 verkauft, vor mehr als 22 Jahren. Eigentlich wollte ich nach einer längeren Zeit mit Familien- und Hausarbeit wieder ins Gastgewerbe einsteigen, doch als über 50-Jährige und Ungelernte fand ich im Service einfach keine Festanstellung mehr. Schliesslich meldete ich mich beim RAV an und wurde von dort aus in ein Beschäftigungsprogramm vermittelt. Damals finanzierte der Kanton Bern fünf Plätze beim zweisprachigen Westschweizer Strassenmagazin Objectif réussir/ Treffpunkt Boulevard. Wir Stellensuchenden hatten in diesem Programm ein rechtes Pensum zu absolvieren: Wir hielten Ausschau nach Themen und Interviewpartnern für unsere Beiträge, verfassten die Artikel, verkauften am Ende das fertige Heft – und daneben schrieben wir noch Bewerbungen. In der ersten Zeit fühlte ich mich beim Heftverkauf wie eine Exotin. Es gab in jener Zeit zwar noch die Zeitungsverkäufer, die auf der Strasse den Bund, den Blick oder die WOZ verkauften, aber diese sogenannten Arbeitslosenzeitungen waren neu. Ich empfand den Anfang als Sprung ins kalte Wasser. Das Härteste war, exponiert zu sein und der Öffentlichkeit zu zeigen, dass man keinen anderen Job gefunden hatte. Doch für mich wendete sich das Blatt bald: Ich merkte, dass ich mit dem Zeitungsverkauf ungefähr gleich viel einnahm, wie ich Arbeitslosengeld erhielt. So meldete ich mich bei der Arbeitslosenkasse ab, verkaufte die Magazine direkt und nannte mich von diesem Moment an vollamtliche Zeitungsverkäuferin. Ich arbeite seit jeher im Bahnhof Bern, weil man dort bei jedem Wetter stehen kann. Eines Tages im Frühling 1999 kam da ein Mitarbeiter des Strassenmagazins Surprise auf mich zu. Ob ich Interesse hätte, Surprise in Bern zu verkaufen, fragte er mich. Sie wollten das Basler Strassenmagazin nun auch in anderen Deutschschweizer Städten bekannt machen. Seither verkaufe ich beide Magazine. Im Gegensatz zu heute gab es in den ersten Jahren nicht viele Surprise-Verkäufer in Bern. Das Kuchenstück war früher für jeden grösser, und man musste für den Verkauf der gleichen Menge Hefte weniger lange stehen. Schwieriger wurde die Situation für uns Verkäuferinnen und Verkäufer, als all diese Gratiszeitungen aufkamen. Leute, die Surprise und die Idee dahinter nicht kennen, greifen seither lieber zum Gratisangebot. Mich dünkt, die Solidarität in der Bevölkerung hat in den letzten Jahren abgenommen, viele schauen nur noch für sich. Oder wenn sie einen wahrnehmen, kommt etwa noch ein blöder Spruch, wie der von einer Frau, die mir im Vorbeigehen zurief: ‹Haben Sie es eigentlich nötig zu betteln?› Solche Leute frage ich dann: ‹Haben Sie schon mal Bettler gesehen, die Sozialbeiträge bezahlen? 30

Lisbeth Schranz, 75, ist seit mehr als zwei Jahrzehnten Zeitungsverkäuferin im Berner Hauptbahnhof.

Auf der anderen Seite gibt es viel Schönes. Zum Beispiel kommt es immer wieder vor, dass jemand vor mir steht und sagt: ‹So, jetzt bin ich zehn Jahre an Ihnen vorbeigegangen – heute habe ich Zeit und kaufe endlich eine Zeitung bei Ihnen.› Oder im Dezember vor ein paar Jahren kam eine Frau aus Münsingen zu mir und kaufte 40 Hefte, um sie zusammen mit ihren Weihnachtskarten zu verschicken. Sie finde Surprise eine so tolle Sache und wolle auf diesem Weg Werbung dafür machen. Unvergessen bleibt für mich auch die SurpriseAusgabe, in der die Autorin J.K. Rowling den Vorabdruck des ersten Kapitels eines neuen Harry-Potter-Buches genehmigt hatte. So schnell verkauft waren die Hefte wohl vor- und nachher nie wieder! Obwohl ich schon seit vielen Jahren pensioniert bin, mache ich mit dem Verkauf von Surprise und Treffpunkt Boulevard weiter. Abgesehen vom finanziellen Zustupf, den ich gut brauchen kann, bin ich nach wie vor gerne Zeitungsverkäuferin, wenn auch nicht mehr vollamtlich. Ich schätze die vielen guten Kontakte, die sich in den vergangenen 22 Jahren ergeben haben. Man fragt sich gegenseitig, wie’s geht, man merkt, wenn jemand länger nicht da war, fragt nach, ob etwas war – Solidarität eben.» Aufgezeichnet von ISABEL MOSIMANN

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GESCHICHTEN VOM FALLEN UND AUFSTEHEN Kaufen Sie jetzt das Buch «Standort Strasse – Menschen in Not nehmen das Heft in die Hand» und unterstützen Sie einen Verkäufer oder eine Verkäuferin mit 10 CHF. «Standort Strasse» erzählt mit den Lebensgeschichten von zwanzig Menschen, wie unterschiedlich die Gründe für den sozialen Abstieg sind – und wie gross die Schwierigkeiten, wieder auf die Beine zu kommen. Porträts aus früheren Ausgaben des Surprise Strassenmagazins ergänzen die Texte. Der Blick auf Vergangenheit und Gegenwart zeigt selbstbewusste Menschen, die es geschafft haben, trotz sozialer und wirtschaftlicher Not neue Wege zu gehen und ein Leben abseits staatlicher Hilfe aufzubauen. Surprise hat sie mit einer Bandbreite an Angeboten dabei unterstützt: Der Verkauf des Strassenmagazins gehört ebenso dazu wie der Strassenfussball, der Strassenchor, die Sozialen Stadtrundgänge und eine umfassende Beratung und Begleitung. 156 Seiten, 30 farbige Abbildungen, gebunden, CHF 40 inkl. Versand, ISBN 978-3-85616-679-3 Bestellen bei Verkaufenden oder unter: surprise.ngo/shop Weitere Informationen T +41 61 564 90 90 | info@surprise.ngo | surprise.ngo | Facebook: Surprise NGO INS_Kurzportraet_GzD_Layout 1 09.05.17 15:43 Seite 1

Kultur

Solidaritätsgeste

STRASSENCHOR

CAFÉ SURPRISE

Lebensfreude

Entlastung Sozialwerke

BEGLEITUNG UND BERATUNG

Unterstützung

Job

STRASSENMAGAZIN Information

Zugehörigkeitsgefühl Entwicklungsmöglichkeiten

STRASSENFUSSBALL

Expertenrolle

SOZIALE STADTRUNDGÄNGE Perspektivenwechsel

SURPRISE WIRKT Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: 12-551455-3 | IBAN CH11 1 0900 0000 1255 1455 3 INS_Kurzportraet_GzD_Layout 1 PC 09.05.17 15:43 Seite

Erlebnis


Café Surprise – eine Tasse Solidarität Zwei bezahlen, eine spendieren. BETEILIGTE CAFÉS IN BASEL BackwarenOutlet, Güterstr. 120 | Café Bohemia, Dornacherstr. 255 | Café-Bar Elisabethen, Elisabethenstr. 14 | Flore, Klybeckstr. 5 | Café Restaurant Haltestelle, Gempenstr. 5 | Kiosk Amann, Claragraben 101 | Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg | Quartiertreffpunkt Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 Quartiertreffpunkt Lola, Lothringerstr. 63 | Les Gareçons to go, Badischer Bahnhof | Restaurant Manger et Boire, Gerbergasse 81 | Trattoria Bar da Sonny, Vogesenstr. 96 | Didi Offensiv, Erasmusplatz 12 | Radius 39, Wielandplatz 8 IN LUZERN Jazzkantine zum Graben, Grabenstr. 8 | Meyer Kulturbeiz, Bundesplatz 3 | Blend Teehaus, Furrengasse 7 | Quai4-Markt Baselstrasse, Baselstr. 66 | Restaurant Quai4, Alpenquai 4 | Quai4-Markt Alpenquai, Alpenquai 4 Pastarazzi, Hirschengraben 13 | Netzwerk Neubad, Bireggstr. 36 | Sommerbar Volière, Inseli Park IN STEIN AM RHEIN Raum 18, Kaltenbacherstr. 18 IN RAPPERSWIL Café good, Marktgasse 11 IN SCHAFFHAUSEN Kammgarn-Beiz, Baumgartenstr. 19 IN BERN Café Kairo, Dammweg 43 | Café Marta, Kramgasse 8 | Café Tscharni, Waldmannstr. 17a | Café-Bar das Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 | LoLa Lorraineladen, Lorrainestr. 23 | Luna Llena Gelateria Restaurant Bar, Scheibenstr. 39 | Restaurant Genossenschaft Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 | Restaurant Löscher, Viktoriastr. 70 | Restaurant Sous le Pont – Reitschule, Neubrückstr. 8 | Rösterei Kaffee und Bar, Güterstr. 6 | Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 | Zentrum 44, Scheibenstr. 44 | Café Paulus, Freiestrasse 20 IN BIEL Treffpunkt Perron bleu, Bahnhofplatz 2d IN ZÜRICH Café Zähringer, Zähringerplatz 11 | Cevi Zürich, Sihlstr. 33 | Flussbad Unterer Letten, Wasserwerkstr. 141 IN WINTERTHUR Bistro Dimensione, Neustadtgasse 25 IN OBERRIEDEN Strandbad Oberrieden, Seestrasse 47

Weitere Informationen: surprise.ngo/cafesurprise


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