Sudetendeutsche Zeitung 6. September 2024 Ausgabe 36 Pay

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Auf den Spuren sudetendeutscher Sozialdemokraten (Seite 3)

Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft

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Jahrgang 76 | Folge 36 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 6. September 2024

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Sudetendeutsche Zeitung endeutsche Zeitung Von der Leyen: Aufnahme der Ukraine HEIMATBOTE Reicenberger Zeitung tschen Landsmannschaft Neudeker Heimatbrief in die EU ist fundamental für Frieden VOLKSBOTE HEIMATBOTE ng HEIMATAUSGABEN IN DIESER ZEITUNG

In ihrer ersten Rede nach der Wiederwahl kündigt die EU-Kommissionspräsidentin auf der Konferenz Globsec in Prag eine neue Verteidigungsstrategie an

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Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft

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Christian Schmidt

Balkan wartet auf EU-Beitritt „Die Integration in die Europäische Union ist der einzige Weg für eine gute Zukunft mit Wohlstand und Frieden auf dem Balkan“, hat Christian Schmidt, Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, auf dem Globsec-Podium „Bereit oder nicht? Die Wahrheit über die Bereitschaft zur EU-Erweiterung“ klargestellt.

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chmidt, der auch Co-Vorsitzender des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums und Träger des KarlsPreises der Sudetendeutschen Landsmannschaft ist, mahnte, diese Erwartungen nicht zu entChristian täuschen: „Die Schmidt, Hoher jungen MenRepräsentant schen auf dem für Bosnien und Balkan warten Herzegowina. nur darauf, ihren Beitrag zur europäischen Integration zu leisten.“ Diese Ungeduld unterstrich auf der Konferenz auch Serbiens Präsident Aleksandar Vučić: „Immer wenn wir sagen: ‚Ja, wir wollen Teil der EU sein‘, höre ich die Zweifel: ‚Nein, ihr wollt dort ein russisches trojanisches Pferd sein.‘ Das höre ich jeden Tag. Aber wir müssen stattdessen Vertrauen und Zusammenarbeit aufbauen. Wir müssen auf einen gemeinsamen Nenner kommen, der uns näher an die EU heranführt.“ Jakov Milatović, Präsident von Montenegro: „Montenegro ist ein Spitzenkandidat für die Mitgliedschaft. Wir sind es leid, davonzulaufen, und wir wollen in die Endphase eintreten.“ Vjosa Osmani, Präsident der Republik Kosovo: „Wir haben uns die richtigen Freunde ausgesucht, wir teilen die gleichen Werte mit der euroatlantischen Familie.“ Thomas Bagger, Staatssekretär im Auswärtigen Amt: „Wenn wir es mit der Ukraine und Moldawien ernst meinen, dann müssen wir es auch mit dem Westbalkan ernst meinen.“

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„Frieden ist keine Selbstverständlichkeit. Wir hätten besser auf die Mittel- und Osteuropäer hören sollen. Sie haben schon vor Jahren vor Putins wahren Absichten gewarnt“, hat Ursula von der Leyen auf der Konferenz Globsec am Freitag in Prag gesagt. Es war ihre erste öffentliche Rede nach der Wiederwahl zur EU-Kommissionspräsidentin. Von der Leyen nutzte das hochrangige internationale Treffen, um eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa zu fordern.

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ie Konferenz Globsec, die seit 2005 jährlich in Preßburg veranstaltet wurde, hat sich zu einer der wichtigsten Dialogplattformen Europas entwikkelt. Unter der Schirmherrschaft von Tschechiens Staatspräsident Petr Pavel fand das Treffen von führenden Vertretern von Regierungen, Unternehmen, Hochschulen und Nichtregierungsorganisationen erstmals in Prag statt. „Die Ukraine, die sich weiterhin gegen Rußlands zynische Aggression wehrt, steht vor einem langen Konflikt mit ungewissem Ausgang“, stellte Pavel fest. Der ehemalige General und Vorsitzende des Nato-Militärausschusses sieht für den Westen keine Alternative als weiterhin Waffen und Munition in das von Putin angegriffene Land zu liefern. „Um einen gerechten und dauerhaften Frieden zu erreichen, müssen wir weiterhin ausreichende und vorhersehbare Unterstützung für die Ukraine leisten“, so Pavel. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine war auch der

Nach ihrer Wiederwahl als EUKommissionspräsidentin hielt Ursula von der Leyen ihre erste öffentliche Rede auf der Globsec-Konferenz in Prag. Links: Tschechiens Präsident Petr Pavel. Schwerpunkt in der Rede der wiedergewählten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: „Die neue Realität ist, daß Mitteleuropa nicht nur geographisch das Zentrum Europas bildet, sondern auch politisch und strategisch zentral für die Zu-

kunft der Europäischen Union ist.“ Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine vor zweieinhalb Jahren sei Mitteleuropa das schlagende Herz der europäischen Solidarität. Unter anderem mit Blick auf die Niederschlagung des Prager Frühlings

am 21. August 1968 sagte von der Leyen in Prag, der Kreml habe damals illegal und grausam gehandelt und tue es heute wieder. Sie habe deshalb kein Verständnis, wenn einige Politiker in Europa den Grund für den Konflikt in der Ukraine und deren Streben nach Freiheit sehen. In Europa spreche man viele Sprachen, aber in keiner dieser Sprachen sei „Frieden ein Synonym für Kapitulation oder Souveränität ein Synonym für Besatzung“, sagte von der Leyen und stellte klar: „Frieden ist nicht einfach die Abwesenheit von Krieg. Frieden ist eine Regelung, die Krieg unmöglich und unnötig macht. Wir müssen deshalb die Ukraine in die Lage versetzen, einen solchen Frieden auszuhandeln, und des-

halb ist die Integration der Ukraine in unsere Europäische Union für uns das Herzstück aller Friedensbemühungen.“ Gleichzeitig fordert die EU-Kommissionspräsidentin, „die europäische Sicherheitsarchitektur von Grund auf neu zu überdenken“. Der russische Einmarsch in die Ukraine habe der EU deutlich gemacht, daß viele Annahmen bezüglich Moskau falsch seien. Putin habe stattdessen den Wohlstand seines Landes dem eigenen Machtstreben geopfert. Putin habe zudem Europas Energie-Abhängigkeit genutzt, um den Westen zu erpressen. „Wir haben unsere Lektion gelernt. Wir müssen unsere Energie selbst produzieren – mehr erneuerbare Energie, mehr Kernenergie und mehr Effizienz.“ Gleichzeitig müsse Europa militärisch in der Lage sein, „sich zu verteidigen und zu schützen sowie mögliche Gegner abzuschrecken“, sagte von der Leyen und forderte massive Investitionen in die Verteidigung sowie die Umstrukturierung der Rüstungsindustrie. Von der Leyen: „Ich werde deshalb einen Kommissar für Verteidigung ernennen, um Europas strategische Verantwortung zu unterstreichen.“ In der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts seien viele Illusionen zerplatzt. In der zweiten Hälfte könne man es sich nicht erlauben, weiter an Illusionen zu glauben. Neben dem UkraineKrieg drohen auch die Konflikte im Nahen und Fernen Osten zu eskalieren. Von der Leyen: „Wir Europäer müssen auf der Hut sein.“ Torsten Fricke

Wie westliche Militärs die wirkliche Stärke der russischen Armee einschätzen

„Der Bär hat sehr schwache Arme und Beine“

Das Ergebnis dürfte überraschen: Auf die Eingangsfrage an das Publikum, ob die Ukraine in der Lage ist, den Krieg gegen Rußland zu gewinnen, antworten 68 Prozent mit Ja.

U

nter dem Titel „Lessons Learned from Ukraine“ bewerteten vier Top-Militärs auf der Konferenz Globsec in Prag den Kriegsverlauf. Der polnische Generalleutnant Piotr A. Błazeusz, seit April Kommandierender General des Eurocorps in Straßburg, sagte, man habe am Anfang des Krieges damit gerechnet, daß Rußland nur ein paar Wochen benötige, um die Ukraine vollständig zu besetzen. „Was wir jetzt nach über zwei Jahren Krieg sehen ist, daß der Bär sehr schwache Arme und Beine hat. Die Ukraine zeigt uns, daß man gegen den Bären aufstehen kann. Und daß der Bär längst nicht so stark ist, wie wir gedacht hatten.“ Mit der Unterstützung der westlichen Partner habe die Ukraine die Fähigkeit, Rußland zu schlagen, meinte auch General a. D. Denis Mercier, der ehemalige Inspekteur der französischen Luftwaffe. „Rußland zahlt

einen hohen Preis“, ergänzte Karel Řehka, der Chef des Generalstabs der Tschechischen Armee. „Natürlich gewinnt die Ukraine diesen Krieg“, erklärte Generalleutnant a. D. Ben Hodges, der in seiner letzten Verwendung Kommandierender General der US Army Europe war und damit über tiefe Einblicke in die russischen Streitkräfte verfügt. Der Krieg Rußlands dauere, so Hodges mit Verweis auf die völkerrechtswidrige Krim-Annexion im Februar 2014, mittlerweile über ein Jahrzehnt. „In diesen zehneinhalb Jahren hatte Rußland alle Vorteile auf seiner Seite und kontrolliert bislang nur 18 Prozent des ukrainischen Staatsgebietes. In den vergangenen sechs Monaten haben es die Russen gerademal geschafft, 30 Kilometer vorzurücken.“ Während die Russen weiter Richtung Pokrowsk „krabbeln“, hätten die Ukrainer die Region Kursk eingenommen. „Rußland hat große Probleme“, so Hodge. Mit dem Einmarsch auf russisches Staatsgebiet habe die Ukraine die weltweite Aufmerksamkeit wieder auf diesen Krieg gelenkt und die Moral gestärkt, erklärte General Řehka. „Die

Diskutierten über die Lehren aus Rußlands Angriffskrieg gegen die Ukraine (von links): General Piotr A. Błazeusz (Eurocorps), General a. D. Denis Mercier, Karel Řehka (Chef des Generalstabs der Tschechischen Armee), General a. D. Ben Hodges und Moderatorin Kim Dozier von CNN. Fotos: Globsec Ukraine hat uns außerdem gezeigt, daß wir keine Angst vor vermeintlichen roten Linien der Russen haben müssen. Die Ukraine hat erstmals russisches Territorium angegriffen. Und was ist passiert? Nichts.“ Kursk habe für die Russen zudem einen hohen emotionalen Symbolwert. Hier hatte, so erklärte General Blaszeusz, die größte Panzerschlacht im Zweiten Weltkrieg stattgefunden, mit

der die Russen die Niederschlagung des Hitler-Regimes einleiteten. „Bring den Krieg in das Land deines Feindes“ sei, so General Blaszeusz, eine militärische Grundstrategie: „Das ist ein schwerer Schlag gegen Moskau. Die Evakuierung von über 200 000 eigenen Bürgern kann auch Putins Propaganda nicht geheim halten.“ Er hoffe, so Hodges, daß der erfolgreiche Vorstoß der Ukraine

auf russisches Staatsgebiet jetzt auch einige Entscheidungsträger im Pentagon aufwecke. Kursk zeige, daß die weitverbreitete Ansicht, Rußland werde diesen Krieg in jedem Fall gewinnen, falsch ist. „Wir unterschätzen die Ukraine und überschätzen Rußland. Kursk hat das Narrativ dieses Kriegs verändert“, so Hodges. Ziel sei es nicht, die Ukraine in eine bessere Position für Friedensverhandlungen zu bringen („Das ist Unsinn“), sondern Rußland zu besiegen, so der ehemalige US-General: „Wir sollten uns nicht vor einem Zusammenbruch des Putin-Regimes fürchten, sondern ihn vorantreiben und damit planen.“ Er, so Hodges, habe auch keine Angst, daß Putin die Generalmobilmachung ausrufen werde. „Das wäre sogar fantastisch. Dann würden die eigenen Bürger sagen: ,Was zum Teufel machen wir in der Ukraine?‘“ Auch General Řehka forderte auf dem Podium, ein offensiveres Vorgehen gegen Rußland: „Wir müssen der Ukraine die Möglichkeit geben, den Krieg auf das russische Territorium zu bringen. Es gibt keinen anderen Weg.“ Torsten Fricke


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