Sudetendeutsche Zeitung 23. August 2024 Ausgabe 33+34 Pay

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Heimatrat: Fortschritt bei der Rettung von Gräbern und Friedhöfen (S. 3)

Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft

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Jahrgang 76 | Folge 33+34 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 23. August 2024

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Wirte klagen über deutlichen Rückgang an Gästen

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Die Gründe sind vielschichtig, aber die Daten eindeutig: Im Bierland Tschechien geht die Zahl der Biertrinker deutlich zurück.

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Mitteilungsblatt für den früheren Gerichtsbezirk Zuckmantel im Altvatergebirge

Im Prager Biermuseum wird Joseph Groll als Genie unter den Brauern gewürdigt. Foto: Torsten Fricke

Joseph Groll

Ein Bayer braute das erste Pilsner Vor 211 Jahren, am 21. August 1813, wurde Joseph Groll als Sohn eines Brauereibesitzers im niederbayerischen Vilshofen geboren, der später, im Alter von 29 Jahren, von Pilsen aus die Bierwelt revolutionierte.

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n Pilsen braute man zu Grolls Zeiten ein obergäriges Bier, dessen Qualität und Haltbarkeit zu wünschen übrig ließen, was 1838 sogar die Pilsner Bierrevolution ausgelöst hat. Da Groll als Braumeister bereits einen guten Ruf genoß und den untergärigen Brauprozeß beherrschte, wurde er 1842 von Pilsen engagiert, ein neues Bier zu brauen. Statt des damals gebräuchlichen dunklen Malzes verwendete Groll in Pilsen neben dem weichen böhmischen Wasser und dem Saazer Hopfen ein leicht gedarrtes, sehr helles Malz, das dem Bier die typisch goldgelbe Farbe verlieh. Am 11. November 1842 wurde das „Pilsner Urquell“ erstmals in den Pilsener Gasthöfen Zum Goldenen Adler, Zur weißen Rose und Hanes ausgeschenkt. Obwohl die Gäste begeistert waren, wurde Grolls Vertrag in Pilsen wegen persönlicher Differenzen nicht verlängert. Groll kehrte 1845 nach Vilshofen zurück, wo sein Bruder die elterliche Brauerei führte, und verstarb am 22. November 1887.

it einem Pro-Kopf-Konsum von 136 Litern Bier pro Jahr waren die Tschechen auch 2022 Europameister im Anstoßen, meldet der Branchenverband Brewers of Europe. Zum Vergleich: Auf den weiteren Plätzen folgen Österreich (102), Polen (93) und Deutschland (92). Doch diese Zahlen trügen, da bei der Berechnung die Gesamtzahl aller Bürger einfließt – unabhängig davon, ob derjenige Bier trinkt oder nicht. Differenziertere Daten zeigen, daß die Zahl der Biertrinker seit Jahren zurückgeht – auch und ausgerechnet im Bierland Tschechien. So ermittelte das tschechische Zentrum für Demoskopie (CVVM) in seinem jährlichen Bier-Bericht, daß 2023 nur noch 79 Prozent der Männer zumindest gelegentlich Bier trinken. 2004 waren es noch 93 Prozent. Bei den Frauen sind die Zahlen noch nüchterner. Die Zahl der Biertrinkerinnen sank von 60 Prozent 2004 auf 42 Prozent 2023. Während die Tschechinnen seit zwei Jahrzehnten gleichbleibend um 2,2 Pints (etwas mehr als eine Halbe) pro Woche konsumieren, trinken die Tschechen immer weniger. Von 8,9 Pints 2004 ging der Bierkonsum auf 7,4 Pints 2023 deutlich zurück. Diesen Trend hat unlängst auch der tschechische Verband der Brauereien und Mälzereien (ČSPS) bestätigt und berichtet, daß der Bierverbrauch allein im vergangenen Jahr um mehr als zwei Prozent geschrumpft sei. „Das vierte Jahr in Folge liegen die jährlichen Bierproduktionszahlen für den heimischen Markt unter dem Niveau von 2010. Leider wurde die erwartete Erholung des Absatzes im vergangenen Jahr direkt und indirekt durch die ungünstige Wirtschaftslage behindert. Gleichzeitig beobachten wir die sich ändernden Gewohnheiten der Verbraucher, die sich zunehmend für alkoholfreies Bier oder Biermischgetränke interessieren“, so Tomáš Slunečko, Exekutivdirektor der ČSPS. Besonders dramatisch ist die Lage für Restaurants und Kneipen. Während vor 15 Jahren noch mehr als die Hälfte des gesamten Bierkonsums aus Zapfhähnen der Gastronomie floß, waren es 2023 nur noch rund 30 Prozent. „Dies ist der niedrigste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen und zeigt, daß die Verbraucher immer mehr dazu übergehen, Bier zu Hause zu trinken“, kommentierte Verbandschef Tomáš Slunečko den Einbruch. Diese Einschätzung wird auch durch Daten des CVVM untermauert. Während 2013 noch 60 Prozent der Männer angaben, Bier immer oder fast immer in der Kneipe zu trinken, waren es 2023 nur noch 46 Prozent. Die neue Mehrheit trinkt Bier daheim. Der Hauptgrund ist die Infla-

Bier ist in Tschechien eigentlich ein Nationalheiligtum, das 1838 in Pilsen sogar eine Revolution ausgelöst hat, woran das neue Biermuseum am Wenzelsplatz in Prag erinnert. Foto: Torsten Fricke tion. Laut den Daten der Registrierkassenfirma Dotykačka sind die Bierpreise in Tschechien allein im Jahr 2023 um etwa zehn Prozent angestiegen. Zwar ist Bier in Tschechien im Europavergleich immer noch günstig – aber nur für auslänAllein in den vergangenen vier Jahren haben mehr als 1300 Dorfkneipen dicht gemacht, hat die Brauerei Pilsner Urquell im vergangenen Jahr gewarnt. 15 Prozent der Dorfkneipen gibt es damit nicht mehr. Umgerechnet schließt in Tschechien demnach jeden Tag eine Dorfkneipe für immer.

zent teurer geworden ist – insbesondere wegen der steigenden Kosten im Zuge der Energiewende. Die Hoffnung, daß die FußballEuropameisterschaft für eine Sonder-Konjunktur in Deutschland sorge, mußte Holger Eiche-

schäft verhagelt, so manche Gartenparty fiel ins Wasser.“ Hinzu kommen zwei weitere Gründe. Erstens, die demographische Entwicklung. Die ausgeh- und trinkfreudige Gruppe zwischen 20 und 40 Jahren schrumpft. Zweitens, das zuneh-

Pilsner Urquell unterstützt Gastronomie auf dem Land

Jeden Tag schließt eine Dorfkneipe für immer

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orfkneipen seien „eindeutig die am stärksten gefährdete Form der modernen Gastronomie, aber sie sind traditionell ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens auf dem Lande“, erklärte die Brauerei, die bereits 2017 ein eigenes Hilfsprogramm unter dem Titel „Vesnice“ (Dorf) initiiert hat, um die Dorfkneipen vor dem Aus zu retten. „Unser Ziel ist es, die Kneipen in so vielen Dörfern wie möglich zu erhalten. Sie sind einer der wenigen Orte, an denen sich die Einheimischen zu Gesprächen treffen können und wo gesellschaftliche und andere Veranstaltungen stattfinden. Zusammen mit der Kirche und dem Dorffußball, den wir ebenfalls unterstützen, sind sie traditionelle Orte, an denen das lokale Zusam-

mengehörigkeitsgefühl seit jeher entsteht“, erklärt Tomáš Mráz, Verkaufsdirektor der Brauerei. Mittlerweile werden 900 Dorfkneipen, also jeder zehnte Gastronomiebetrieb auf dem Land, von der Brauerei unterstützt, die bereits 28 Millionen Kronen (1,1 Millionen Euro) für das Hilfsprogramm bereitgestellt hat.

Mráz: „Wir helfen den Kneipen, ihr Geschäft zu entwickeln. So kofinanzieren wir neue Fassaden oder Außengärten. Gleichzeitig organisieren wir gemeinsam besondere Veranstaltungen, wie ein Erntedankfest, um den Menschen einen weiteren Grund für einen Besuch zu geben.“

dische Gäste und nicht für die Tschechen selbst, deren Durchschnittseinkommen 2023 bei 43 000 Kronen (1700 Euro) lag. Im Vergleich zu 2022 sind die Reallöhne damit um 2,9 Prozent zurückgegangen. 2022 hatte das Minus im Geldbeutel sogar bei 8,5 Prozent gelegen. Ähnlich reagieren die Verbraucher auch in Deutschland, wo nach Zahlen des Statistischen Bundesamts das Bier seit Anfang 2021 im Durchschnitt um 20 Pro-

le, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, angesichts der aktuellen Zahlen revidieren: „Ein Hauptgrund ist neben dem durchwachsenen Wetter die Konsumzurückhaltung der Verbraucher, die nicht nur dem Handel zu schaffen macht, sondern insbesondere der Gastronomie und den Brauereien. Auch während der Fußball-EM haben die Achterbahnfahrt der Temperaturen und die häufigen Unwetter vielen Wirten das Ge-

mende Gesundheitsbewußtsein. Bier macht, wie jede Form von Alkohol, dick und krank. Insbesondere in Deutschland boomt deshalb das alkoholfreie Bier, dessen Produktionsmenge sich seit 2007 auf rund 6,6 Millionen Hektoliter im Jahr 2023 mehr als verdoppelt hat und mittlerweile rund acht Prozent des deutschen Biermarktes ausmacht. „Ich bin sicher, daß wir bald die 10-Prozent-Marke knacken werden“, so Brauerverbandsvertre-

Die weltberühmte Brauerei in Pilsen ist der größte Bierproduzent in Tschechien. Foto: Torsten Fricke

ter Eichele. „Alkoholfreies Bier erfreut sich das elfte Jahr in Folge wachsender Beliebtheit“, meldet auch der tschechische Brauerverband ČSPS. 2023 habe das Plus gegenüber dem Vorjahr 9,3 Prozent betragen. Seit 2019 ist damit der Konsum von alkoholfreiem Bier um 34,5 Prozent gestiegen. „Alkoholfrei ist das neue vegan“, hat das Redaktionsnetzwerk Deutschland vergangene Woche in einer Reportage die Startup-Unternehmerin Isabella Steiner zitiert, die in Berlin den ersten Späti betreibt, der ausschließlich alkoholfreie Alternativen zu Bier, Wein, Gin, Whiskey und Co. verkauft. Und in München, der Hauptstadt des deutschen Bieres, wurde im Sommer der erste alkoholfreie Biergarten eröffnet. Zumindest bei der Jugend scheint Nüchternbleiben ein Trend zu sein. So sank laut einer Erhebung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem Jahr 2021 die Zahl der 18- bis 25jährigen, die regelmäßig Alkohol trinkt, von 43,6 Prozent 2004 auf 32 Prozent. Und das Marktforschungsunternehmen YouGov bestätigte 2022, daß 49 Prozent der 18- bis 24jährigen komplett auf Alkohol verzichten. Über diesen Verzicht, so erklärte Dr. Jana Rückert-John, Professorin für Soziologie des Essens und der Ernährung an der Hochschule Fulda, gegenüber RND, würden insbesondere junge und gut ausgebildete Menschen ihre Identität bestimmen. Dies zeige Selbstkontrolle und Reflexion in Bezug auf gesunde und nachhaltige Ernährung, was auch Startup-Unternehmerin Steiner bestätigt, zumal die Droge Alkohol als Nervengift dem Körper ausschließlich Schaden zufüge. „Man muß die Dinge beim Namen nennen: Einen Kater zu haben, ist krank sein.“ Daß Bier aber gleichzeitig ein hocheffektives und legales Dopingmittel ist, wissen Sportler spätestens nach einem Bericht der New York Times. „German Olympians Drink a Lot of (Nonalcoholic) Beer, and Win a Lot of Gold Medals“ hatte die Zeitung nach den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang (Südkorea) die 14 deutschen Goldmedaillen erklärt – und das alkoholfreie Erdinger Weißbier damit weltberühmt gemacht. Die New York Times zitierte dabei Dr. Johannes Scherr. Der Teamarzt des Deutschen SkiVerbandes hatte in einer Studie an der TU München die gesundheitsfördernde Wirkung des alkoholfreien Erdinger Weißbiers auf seine hohe Konzentration an Polyphenolen zurückgeführt. Diese immunstärkenden Pflanzenstoffe verkürzen bei Sportlern die Regeneration und ermöglichen somit ein effektiveres Training. Außerdem haben Polyphenole eine krebsvorbeugende Wirkung, stärken das Immunsystem und dämmen Entzündungen ein – ganz im Gegensatz zum Alkohol. Torsten Fricke


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