Sudetendeutsche Zeitung 21. Juni 2024 Ausgabe 25 Pay

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Paul Mahrer – der Fußball-Held im Ghetto Theresienstadt (Seite 5)

Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft

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Jahrgang 76 | Folge 25 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 21. Juni 2024

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Vertreibung als Schulprojekt

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„Jeder vierte Bayer hat einen Vertriebenenhintergrund. Ein Schulprojekt dem wichtigen Thema Vertreibung zu widmen, ist deshalb großartig. Ich danke den Lehrern und Schülern am Gymnasium in Bad Tölz für dieses Engagement“, sagt Steffen Hörtler, SL-Landesobmann und Vize-Präsident des Bundes der Vertriebenen.

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Mitteilungsblatt für den früheren Gerichtsbezirk Zuckmantel im Altvatergebirge

Volksgruppensprecher

Lehrer und Schüler des Gymnaisums in Bad Tölz mit Staatsministerin Ulrike Scharf, Beauftragter Dr. Petra Loibl (dritte von links), Steffen Hörtler (rechts), Landesobmann der SL und Vize-Präsident des BdV, sowie BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer (Mitte). Von links: Lehrerin Bettina Brunner, Siri Brunner, Lennart Gertler, Kathrin Eder, Matthias Weinhart, Lenny Achatz, Tobias Gritschneder, Lehrerin Adelinde Singer, Emma Gnegel, Valentin Rinshofer, Luis Nowak, Projektleiter Cornelius Von der Heyden, Paul Aschauer und Hannah Renner. Foto: Torsten Fricke

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er langjährige Europaabgeordnete appellierte an die derzeit in Bildung befindliche neue EU-Kommission, eine weltweite Initiative für ein internationales kodifiziertes und strafbewährtes Vertreibungsverbot zu starten. Die derzeitigen völkerrechtlichen Instrumente seien unzureichend. Es gebe sehr unterschiedliche Ursachen für Flucht und Vertreibung, der Hauptgrund sei aber oft, daß eine Gruppe MerkBernd Posselt, male aufweiSprecher der Su- se, die autoridetendeutschen tären und nationalistischen Volksgruppe. Machthabern mißfallen, wie etwa Sprache oder Religion. Deshalb sei es höchste Zeit, daß die EU-Kommission dem Beschluß des Europaparlamentes und des Bundestages folge, das erfolgreiche Bürgerbegehren für einen verbesserten Volksgruppen- und Minderheitenschutz umzusetzen, statt es wie bisher vom Tisch zu wischen. Der Sprecher der Volksgruppe kündigte an, dieses Anliegen in die Debatte um eine Wiederwahl von Ursula von der Leyen zur Präsidentin der Europäischen Kommission und um das Programm der künftigen EU-Kommission einzubringen. Wichtig, so Posselt, wäre auch, einen EU-Kommissar zu berufen, der sich ressortmäßig um Minderheitenfragen und Maßnahmen gegen Flucht und Vertreibung kümmert.

m Rahmen des Projektseminars Geographie hatte eine 15köpfige Schülergruppe im März das Sudetendeutsche Museum, das Haus des Deutschen Ostens und den Bund der Vertriebenen besucht und unter anderem mit Dr. Raimund Paleczek, Leiter der Abteilung Historische Forschung und Archiv, und dem BdV-Landesvorsitzenden Christian Knau-

er über diesen Teil der deutschen Geschichte gesprochen. „Gerade die junge Generation mit den Wurzeln der Vorfahren aus den deutschen Ostgebieten in Berührung zu bringen und dazu anzuregen, sich selbst auf Spurensuche zu begeben, ist ein wichtiger Auftrag – vor allem gegen das Vergessen“, so deren Lehrer Cornelius Von der Heyden, der das Schulprojekt geleitet und selbst sudetendeutsche Wurzeln hat. Als besondere Wertschätzung für das Interesse wurden die Schüler und Lehrer auf Initiative von BdV-Landeschef Knauer von der Staatskanzlei zum Gedenkakt für die Opfer von Flucht und Vertreibung am Samstag in das Prinz-Carl-Palais eingeladen. Bericht siehe Seite 3.

Nach der Auszeichnung durch das Centrum Bavaria Bohemia reiste der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung nach Israel

Besserer Schutz für Minderheiten In einer Erklärung zum Vertriebenengedenktag (siehe Seite 3) hat der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, betont, daß mit 120 Millionen Menschen derzeit so viele Vertriebene dieses schwere Schicksal erleiden müßten, wie nie zuvor in der Geschichte.

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Gymnasium in Bad Tölz

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Brückenbauer Ludwig Spaenle warnt vor zunehmendem Antisemitismus Seine beiden Lebensthemen liegen keine 24 Stunden auseinander: Am vergangenen Freitag ist Dr. Ludwig Spaenle für sein jahrzehntelanges deutschtschechisches Engagement mit dem Brückenbauerpreis des Centrums Bavaria Bohemia auszeichnet worden. Am Samstag flog der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe erneut nach Israel.

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ür die böhmisch-bayerische Verständigung wünscht sich Spaenle, daß „das Wunder der Normalität weitergeht“. 2010 war der damalige Staatsminister für Unterricht und Kultus gemeinsam mit Volksgruppensprecher Bernd Posselt nach Tschechien gereist. Die beiden hatten damit den Weg bereitet für den ersten offiziellen Besuch eines bayerischen Ministerpräsidenten in Prag, mit dem Landeschef Horst Seehofer Monate später – in Begleitung von Posselt – ein neues Kapitel in den nachbarschaftlichen Beziehungen aufschlug. Spaenle und Posselt besuchten 2010 die Opferorte Kyrillund-Method-Kirche, Theresienstadt, Lidice und Aussig. Insbesondere das Gedenken in Lidice (siehe auch Seite 2) wurde von der tschechischen Öffentlichkeit besonders wahrgenommen. Man verneige sich vor den im Jahr 1942 von den Nationalsozialisten ermordeten Mitbürgern und bitte um Vergebung für „jenen Teil der Schuld, den wir zu tragen haben“, sagte Posselt damals. Gleichzeitig erinnerte der Volksgruppensprecher auch an das Schicksal der nach dem Krieg gewaltsam aus der Tschechoslowakei vertriebenen Sudetendeutschen. Man müsse alles dafür tun, daß Verbrechen wie jenes von Lidice „nie mehr im Namen Deutschlands“ geschähen, und man wolle sich dafür einsetzen,

„Das, was ich dort gesehen habe, werde ich mein Leben lang nicht vergessen“, sagte Dr. Ludwig Spaenle nach dem Besuch des Festivalgeländes, wo die Hamas 364 zum größten Teil junge Menschen ermordet hat. Fotos: Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung

daß „die nachbarschaftlichen Beziehungen und die Freundschaft zwischen dem tschechischen und dem bayerischen Volk so eng wie möglich“ seien, erklärte Spaenle damals und lobt jetzt den Verständigungswillen auf beiden Seiten: „Dieses Händereichen über alles hinweg ist ein Wunder,

das eigentlich mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet gehört.“ Die beiden Reisen der bayerischen Spitzenpolitiker waren der Startschuß für weitere konkrete Schritte, wie die beiden Abkommen über Kultur und Wissenschaft, die Spaenle abschloß. Wichtig ist dem CSUPolitiker heute, den Jugendaustausch weiter voranzubringen. „Persönliche Begegnungen und das Überwinden von Sprachgrenzen sind das Ein und Alles. Wir müssen den jungen Menschen vermitteln, daß es das gemeinsame Haus Europa braucht.“ Zum zweiten Mal nach dem Terroranschlag der palästinensischen Hamas am 7. Oktober 2023 auf israelische Zivilisten flog Spaenle am vergangenen Samstag nach Tel Aviv. Beim ersten

Besuch im Dezember war Spaenle Mitglied der Delegation des Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder gewesen. Bei der jetzigen Arbeitsreise standen unter anderem ein Besuch des Leo-Baeck-Instituts in Jerusalem, das sich mit der Geschichte des deutschsprachigen Judentums beschäftigt, und ein Treffen in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem auf der Tagesordnung, um das Kooperationsabkommen, das Ministerpräsident Söder unterzeichnet hat, weiter umzusetzen. „Wir wollen insbesondere Lehrer weiterbilden, um die Erinnerung an das Menscheitsverbrechen Holocaust aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig ist es wichtig, daß wir als deutsche Zivilgesellschaft Verantwortung im Kampf gegen den Antisemitismus übernehmen“, so Spaenle. In der Bayerischen Vertretung hat Spaenle außerdem im Auftrag der Landeshauptstadt Mün-

chen Familien von Nazi-Opfern Wertgegenstände zurückgegeben, die Hitlers Schergen vor über 80 Jahren geraubt hatten. Tief bewegt hat den Beauftragten der Besuch des Festivalgeländes am Kibbuz Re´im, wo die Hamas 364 Menschen ermordet hat. „Wir haben mit einem Betroffenen gesprochen, der 700 Kinder gerettet hat und jetzt so schwer traumatisiert ist, daß er nur noch zittert und nicht mehr schlafen kann. Das, was ich dort gesehen habe, werde ich mein Leben lang nicht vergessen.“ Mit seiner Israel-Reise will Spaenle deshalb auch eine klare Botschaft aussenden: „Die Verantwortung für die aktuelle Lage in Nahost trägt allein die Hamas, die mit ihrem brutalen Terroranschlag auf Zivilisten mehr als 1200 meist junge Menschen ermordet hat.“ Selbstverständlich dürfe man auch in Deutschland die israelische Politik und die massive Militärintervention kritisieren, aber hierzulande habe diese öffentliche Debatte längst einen Kipppunkt überschritten. „Israel wird ungeprüft und unwidersprochen als das Böse dargestellt. Die Leiden der palästinensischen Bevölkerung werden dabei als Instrument genutzt, um in Deutschland Haß und Antisemitismus zu verbreiten. Wir dürfen nicht vergessen, daß Israel die einzige funktionierende Demokratie im Nahen Osten ist.“ Daß jüdische Studenten und Wissenschaftler an deutschen Universitäten wieder gejagt und angegriffen werden, sei widerwärtig, so Spaenle. Hinzu komme, daß es sich bei den Opfern in der Regel auch noch um deutsche Staatsbürger handle, die mit der israelischen Regierungspolitik schon deshalb nichts zu tun hätten. Spaenle: „Diese Lage ist brandgefährlich. Hier ist der Rubikon überschritten.“ Torsten Fricke


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