Mit 160 Landsleuten zum Versöhnungsmarsch nach Brünn (Seite 5)
Sudetendeutsche Zeitung Neudeker Heimatbrief
Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Reicenberger Zeitung 161. Jahrgang
HEIMATBOTE
Jahrgang 74 | Folge 30 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 29. Juli 2022
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Freistaat Bayern fördert Forschungsstelle am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropa in Regensburgmit 500 000 Euro
Folgen von Flucht und Vertreibung werden wissenschaftlich erforscht
Ex-Premierminister Andrej Babiš. Foto: Wikipedia
EU-Subventionen
Ein emotionsgeschichtlicher Ansatz, eine stärkere Fokussierung auf Frauen, die Bildung von Netzwerken und die nachhaltigen Auswirkungen von Flucht und Integration – diese Blickwinkel will die neue Forschungsstelle „Kultur und Erinnerung. Heimatvertriebene und Aussiedler in Bayern 1945– 2020“ einnehmen.
Babiš wird ie Details dieses ForschungsD projektes wurden bei einer zur Kasse Pressekonferenz im Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropa(IOS) in Regensburg gebeten forschung vorgestellt.
Weiteres Kapitel in der unendlichen Geschichte um Andrej Babiš und die EU-Subventionen. Nach rund drei Jahren Ermittlungsarbeit ist die Europäische Kommission zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Reihe von Subventionen zu Unrecht ausbezahlt wurden. Dem ehemaligen Premierminister drohen jetzt Rückzahlungen in Millionenhöhe.
I
m Kern geht es darum, daß mehrere Tochterunternehmen des Agrofert-Konzerns EU-Hilfen erhalten hatten, obwohl Agrofert-Gründer Babiš als Finanzminister und später als Premierminister Staatsämter innehatte. Während die EU hierin einen Interessenskonflikt sieht, hatte Babis stets behauptet, er habe seine Firmenanteile auf Treuhänder übertragen und keinen Einfluß auf den Konzern gehabt. Die EU-Kommission kam zu einem anderen Ergebnis und hat jetzt entschieden, daß unter anderem das Agrofert-Unternehmen Pekárna Zelená louka 100 Millionen Kronen (4 Millionen Euro) zu Unrecht an Fördergeldern erhalten hat. Der zuständige Minister Ivan Bartoš (Piraten) erklärte jetzt, die tschechischen Behörden würden dieses Geld zurückfordern, man richte sich aber auf eine längere juristische Auseinandersetzung ein. Bartoš wies auch darauf hin, daß die derzeitige Regierung systemische Änderungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten durchgesetzt habe. Die EUKommission habe diese Schritte in einem abschließenden Brief gewürdigt, fügte er hinzu. Zu diesen Maßnahmen gehört zum Beispiel eine Änderung des tschechischen Gesetzes über das Register der tatsächlichen Eigentümer von Unternehmen. Erst Mitte des Monats hatte Babiš einen weiteren Prozeß vor dem Landgericht in Prag verloren. Nach einer Anti-Regierungsdemonstration im Jahr 2018 hatte der Politiker in Interviews behauptet, die Demonstranten seien bezahlt worden. Dagegen hatte ein Demonstrant geklagt. Diese Unterstellungen seien „entwürdigend und beleidigend“, entschieden die Richter und verurteilten Babiš dazu, sich zu entschuldigen.
Einige Rahmendaten waren bereits zuvor bekannt: Der Anstoß kam von der Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, MdL Sylvia Stierstorfer. Die bayerischen Regierungsparteien CSU und Freie Wähler haben dafür – für zunächst drei Jahre – 500 000 Euro aus Mitteln der Fraktionsreserven zur Verfügung gestellt. Mit der wissenschaftlichen Leitung wurde Prof. Dr. Katrin Boeckh vom Leibniz-Institut betraut. Nun ging es um die inhaltlichen Aspekte. Diese Forschungsstelle sei für sie „ein Herzensanliegen“, betonte Sylvia Stierstorfer: „Mit dem Krieg in der Ukraine hat das Thema eine neue Bedeutung gewonnen. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, das öffentliche Bewußtsein für die Folgen von Flucht und Vertreibung seit dem Zweiten Weltkrieg zu sensibilisieren. Die Vertreibung und danach die Eingliederung der Heimatvertriebenen hatten eine gewaltige Umwälzung im Herzen Europas zur Folge.“ Dies detailliert wissenschaftlich zu erforschen, sei jetzt – über 75 Jahre nach den Ereignissen – dringend nötig. Sie wünschte zudem, daß das Projekt mittelfristig mit einem entsprechenden Lehrstuhl fortgeführt werden könne. Bereits jetzt könnten Bachelor- und Masterarbeiten sowie Promotionen angestoßen werden. Für wichtig hält Stierstorfer auch die Kooperation mit den Vertriebenenverbänden und die Vernetzung in die Herkunftsländer. Weder Universität beziehungsweise Fakultät noch das Institut hätten gezögert, das Projekt anzunehmen, erläuterte Prof. Dr. Ulf Brunnbauer, Wissenschaftlicher Direktor des
Rund drei Millionen Sudetendeutsche wurden 1945 und 1946 aus ihrer Heimat vertrieben. Foto: Sudetendeutsches Archiv Leibniz-Instituts und Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte Südost- und Osteuropas an der Universität Regensburg. In vielerlei Hinsicht sei die Uni Regensburg in Sachen Ost- und Südosteuropa aktiv. Besonders verwies er auf die Lehrerausbildung und Lehrplangestaltung. Hier könne das Forschungsprojekt „in die Schulen wirken“, so Brunnbauer. „Die Geschichte der Vertreibung ist ohne die Geschichte der Regionen nicht zu verstehen“, konkretisierte er. Ein Ziel des Projekts sei auch, die Brückenfunktion von Vertriebenenorganisationen näher zu beleuchten – auch mit Blick auf die europäische Dimension. Die inhaltlichen Gesichtspunkte der Forschungsstelle präsentierte Prof. Dr. Katrin Boeckh. Meistens werde die Integration der Heimatvertriebenen in Bayern als Erfolgsgeschichte beschrieben, erklärte die wissenschaftliche Leiterin. Doch der Verlust von Eigentum, von Vertrautem und die zunächst noch existente Hoffnung auf schnelle Rückkehr hätten auch Emotionen und Traumata erzeugt, über
die vielfach nicht gesprochen worden sei. „Es fehlte die Übergabe in die nächste Generation, auch Enkel leiden an den Erfahrungen – aber sie reden darüber. Viele sagen, daß sie in der Aufarbeitung nicht abgeholt und mitgenommen wurden“, erklärte Boeckh. Daher will das Forschungsprojekt den Emotionen und Gefühlen der Betroffenen einen größeren Raum bieten. Zudem den Frauen, die in der ersten Phase der Vertreibung oft allein mit ihren Kindern gekommen sind und von Beginn an Selbständigkeit zeigen mußten. „Die Frauen haben oft nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen. In Sachen Gleichberechtigung waren sie ihrer Zeit voraus, Emanzipation und Selbständigkeit prägten dann auch die Söhne und Töchter“, vertiefte die Leiterin. Solche Aspekte hätten sicher Auswirkungen auf die Nachkriegsgesellschaft gehabt, konkretisierte Boeckh. Neben diesen Inhalten nannte sie „Netzwerke kultureller und konfessioneller Art“, da beispielsweise als Folge von Ver-
Stellten die Forschungsstelle vor (von links): Prof. Dr. Katrin Boeckh, MdL Josef Zellmeier, Prof. Dr. Ulf Brunnbauer, Beauftragte der Staatsregierung, MdL Sylvia Stierstorfer, und Paul Hansel. Foto: Markus Bauer treibung neue Pfarreien und Kirchen entstanden sind – insgesamt durchaus als „nachhaltige Auswirkungen“ zu sehen. Zu berücksichtigen seien ferner der Stand der Wissenschaft in den Herkunftsländern und neue, aktuelle Flüchtlings- und Fluchterfahrungen. Doch Boeckh verwies auf die „limitierten Mittel“. „Wir werden nicht schaffen, alle Vertriebenenorganisationen gleichzeitig und gleichmäßig zu bearbeiten.“ Wichtig sei ungeachtet dessen der Aufbau neuer Netzwerke. Die Bedeutung des Themas betonte auch MdL Josef Zellmeier, Vorsitzender des Haushaltsausschusses und Landesvorsitzender der Landsmannschaft der Karpatendeutschen: „Das Thema wird so stark unterstützt wie schon lange nicht mehr. Das
zeugt auch von einer hohen Übereinstimmung im Landtag und von einem hohen Bekenntnis zu diesem Thema.“ Für den Bund der Vertriebenen nahm Paul Hansel Stellung. Er ist Bezirkschef in Oberbayern, hat schlesische Wurzeln und ist als früherer Gymnasiallehrer, Dozent in der Lehrerfortbildung sowie durch Tätigkeiten in der Staatskanzlei und im Sozialministerium mit der VertriebenenThematik bestens vertraut. Auch er begrüßte, daß mit dem Projekt die kulturelle Identität und Frauenaspekte ins Blickfeld rücken und so Forschungslücken geschlossen werden könnten. Hansel forderte, das Thema Flucht und Vertreibung stärker in den Lehrplänen, Geschichtsbüchern und Lehrerfortbildungen zu verankern. Markus Bauer
Auf dem außerordenlichen Stan-Parteitag wird Vít Rakušan mit 96 Prozent als Parteichef bestätigt
Klares Votum für den Vize-Premierminister Auf einem außerordentlichen Parteitag hat die Regierungspartei Stan ihre Führung neu gewählt und damit die ersten Konsequenzen aus dem Korruptionsskandal gezogen.
E
r wolle eine Professionalisierung seiner Partei einleiten
und das Vertrauen der Wähler zurückgewinnen, versprach zum Auftakt Parteichef Vít Rakušan. Mit 292 von 305 Stimmen wurde der Innenminister und Vizepremier in seinem Amt klar bestätigt. Als erster Stellvertreter wurde der Abgeordnete Lukáš Vlček gewählt.
Vít Rakušan
Lukáš Vlček
Seit Mitte Juni erschüttert ein Korruptionsskandal die Partei (Sudetendeutsche Zeitung berichtete). Es geht um Bestechungsvorwürfe rund um die Prager Verkehrsbetriebe. Im Zuge der Ermittlungen kamen Prags stellvertretende Oberbürgermeister Petr Hlubuček (Stan) sowie der
umstrittene Unternehmer und Lobbyist Michal Redl in Untersuchungshaft. Anschließend mußte Bildungsminister Petr Gazdík (Stan) wegen seiner privaten Kontakte zu Redl zurücktreten. Mittlerweile hat die Partei erste umstrittende Parteispenden zurückgegeben.