Sudetendeutsche Zeitung 15. Juli 2022 Ausgabe 28

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Bayerns Vertriebenenbeauftragte Sylvia Stierstorfer über ihre Tschechien-Reise (Seite 5)

Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft

Reicenberger Zeitung 161. Jahrgang

HEIMATBOTE

Jahrgang 74 | Folge 28 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 15. Juli 2022

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Samstag, 23. und Sonntag, 24. Juli

Wendlingen freut sich auf das große Vinzenzifest Nach zwei Jahren Pandemie lädt Wendlingen am Neckar, die Patenstadt der Egerländer, am Samstag, 23. und Sonntag, 24. Juli zum 70. Vinzenzifest ein, das mit dem 47. Egerländer Landestreffen verbunden ist.

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Nach zwei Jahren Pandemie-Zwangspause lädt die Egerländer-Patenstadt Wendlingen am Neckar zum 70. Vinzenzifest ein.

Europaparlament

Weg frei für grüne Atomkraft 278 Ja-Stimmen, 328-Nein-Stimmen, 33 Enthaltungen: Der Versuch, Gas und Atomkraft aus der Taxonomie, der Liste der ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten, zu streichen, ist im Europaparlament gescheitert.

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or der Abstimmung gegen den Entwurf der EU-Kommission hatte Tschechiens Premierminister Petr Fiala noch einmal die Bedeutung unterstrichen: „Kernenergie und Gas aus sicheren Ländern sind für viele Mitgliedstaaten die einzige Möglichkeit, unsere gemeinsamen Klimaziele in den kommenden Jahren zu erreichen.“ Mit der Aufnahme von Kernkraft und Gas in die Taxonomie gelten diese als grüne Energieformen in der Europäischen Union, die entsprechend politisch gefördert, finanziell unterstützt und ausgebaut werden sollen. Österreich und Luxemburg hatten bereits vor der Abstimmung erklärt, daß sie im Falle eines Scheiterns Klage einreichen werden. Auch Umweltverbände wollen juristische Schritte einleiten. Insgesamt werden derzeit 105 Kernkraftwerke in der EU betrieben. Gut die Hälfte davon, nämlich 57, stehen in Frankreich, das damit 70 Prozent seines gesamten Strombedarfs produziert. Eine wichtige Rolle im Strom-Mix spielt die Atomenergie auch in der Slowakei. Dort liegt ihr Anteil bei 53 Prozent. In Schweden, Ungarn, Bulgarien, Slowenien und Tschechien ist die Kernkraft mit mehr als 30 Prozent ebenfalls ein unverzichtbarer Energieträger. Anders in Deutschland, wo einst 30 Prozent des Stroms aus Atomkraft gewonnen wurden. Hier werden die letzten drei Kraftwerke Ende des Jahres abgeschaltet. Wie die fehlende Energie ersetzt werden soll, ist unklar. TF

Foto: Egerländer Gmoi

as Vinzenzifest kann auf eine 300-jährige Tradition zurückblicken. Es wurde durch den Magistrat der alten Reichsstadt Eger aus Anlaß der Verleihung der Kopfreliquie des Hl. Vinzenz an die Stadt gestiftet und erstmals im Jahre 1694 als Erntedankfest am letzten Sonntag im August begangen. Die heimatvertriebenen Egerländer, für die die Stadt Wendlingen am Neckar im Jahre 1966 die

Patenschaft übernommen hat, haben dieses Fest in ihre neue Heimat mitgebracht. Seit 1952 wird es mit der Egerländer Gmoi und den Heimat- und Trachtenverbänden als eines der größten Brauchtumsfeste in BadenWürttemberg gefeiert. Wegen seiner langjährigen Geschichte stellt das Fest ein Kulturgut höchsten Ranges dar. Damit noch mehr Menschen die Gelegenheit haben, am Vinzenzifest teilzunehmen, findet es in diesem Jahr erstmals an einem neuen Termin statt– am letzten Wochenende vor dem Beginn der Sommerferien. Das genaue Programm lesen Sie auf Seite 4 unter der Rubrik Veranstaltungskalender.

Tschechiens Premierminister hat die Kernziele seiner Regierung für die EU-Ratspräsidentschaft in Straßburg vorgestellt

Fialas Fünf-Punkte-Plan findet breite Zustimmung im Europaparlament Zu Beginn der tschechischen Ratspräsidentschaft hat Premierminister Petr Fiala den Fünf-Punkte-Plan „Europa als Aufgabe“ (siehe Seite 3) seiner Regierung im Europaparlament vorgestellt. In der anschließenden Debatte kündigten die Vertreter aller Fraktionen ihre Unterstützung an, forderten aber, daß Tschechien den Worten auch Taten folgen läßt.

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as Motto „Europa als Aufgabe“ hatte die tschechische Regierung bewußt für die EU-Ratspräsidentschaft gewählt – eine Reminiszenz an die große Rede des ersten demokratisch gewählten Präsidenten des Landes, Václav Havel, bei der Verleihung des Internationalen Karlspreises im Jahr 1996. „Ich kann mir kein besseres Land für die jetzige EU-Ratspräsidentschaft vorstellen als Tschechien“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Fialas programmatischer Rede und spielte damit auf die historischen Erfahrungen in Tschechien mit dem russischen Imperialismus und der Niederschlagung des Prager Frühlings an. Wie zuvor Fiala thematisierte von der Leyen die Energiesicherheit angesichts des russischen Angriffskriegs, forderte aber, an dem ökologischen Umbau „Fit for 55“ festzuhalten: „Wir dürfen den grünen Wandel nicht bremsen – gerade wegen der aktuellen Lage, denn sonst gehen die Energiepreise durch die Decke. Wir müssen raus aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern.“ „Dieser Ratsvorsitz kommt zum richtigen Zeitpunkt. Ich bin überzeugt, daß die tschechische Regierung für eine proeuropäische, erfolgreiche EU-Ratspräsidentschaft stehen wird“, sagte Manfred Weber, der Fraktionsvorsitzende der EVP. Mit ih-

rem Widerstand gegen die Nazis, dem Aufbegehren gegen die Russen und der führenden Rolle beim Fall des Eisernen Vorhangs hätten die Tschechen in ihrer Geschichte immer wieder mutig und entschieden für Demokratie und Freiheit gekämpft. Weber: „Gegen Putin können wir nur überleben, wenn Europa in der Welt der Anführer für Demokratie ist.“ Weiter sagte der Bayer, er teile die Einschätzung der tschechi-

schen Regierung, die Energiepreise zeitlich zu deckeln, und forderte die Einberufung eines außerordentlichen Europäischen Rats im Herbst, um Strategien gegen eine mögliche Energieknappheit zu beschließen. „Wir unterstützen Ihre Prioritäten“, sicherte auch Iratxe Garcá Pérez von der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten, der tschechischen Regierung Unterstützung zu, ergänzte aber, man müsse auch „über die sozialen Folgen sprechen“ – was Fiala später in seiner Antwort klar bestätigte, indem er darauf verwies, daß alle fünf Punkte darauf abzielen, die Bürger zu schützen. Die Fraktionschefin forderte Tschechien außerdem auf, als Mitglied der Visegrád-Länder Einfluß auf Polen und Ungarn auszuüben. „Autoritärer Populismus ist eine Gefahr für Europa“, so die spanische Sozialistin. „Tschechien muß ein Krisenmanager sein. Es muß sicher-

„Europa als Aufgabe“: Tschechiens Premierminister Petr Fiala hat am Mittwoch, 6. Juli, das Fünf-Punkte-Programm seiner Regierung für die EURatspräsidentschaft im Europaparlament vorgestellt. F: European Union gestellt werden, daß die Bürger und die Unternehmen mit Energie versorgt werden. Die Bürger müssen ganz vorne stehen, nicht hinten, wie in Ihrem Vortrag“, forderte Dita Charanzová von Renew Europe. Die Tschechin ist Mitglied der Ano-Partei von Ex-Premierminister Andrej Babiš, dem nachgesagt wird, im Herbst offiziell seine Präsidentschafts-Kandidatur

bekannt zu geben. „Es sind schwierige Zeiten“, meinte der Katalane Jordi Solé von der Fraktion der Grünen/ Freie Europäische Allianz mit Blick auf den Krieg mitten in Europa, forderte aber trotzdem, beim ökologischen Umbau nicht nachzulassen. „Wir müssen die Abhängigkeit von fossilen Energien beenden und unsere Klimaherausforderungen bewältigen.

Wir müssen nicht nur ehrgeizig, sondern konsequent sein.“ „Wir müssen den Krieg so schnell wie möglich beenden. Die Situtaion ist wirklich dramatisch. Die Bürger leiden unter den Problemen. Die Bürger wünschen konkretes Handeln“, sagte der Italiener Marco Zanni, Chef der rechtsgerichteten Fraktion Identität und Demokratie. „Premierminister Petr Fiala hat die Probleme angesprochen, denen Europa die Stirn bieten muß. Wir brauchen an der Ostgrenze Europas mit der Ukraine wieder ein funktionierendes Land. Für die Zeit nach dem Krieg benötigen wir konkrete Wiederaufpläne“, so die Tschechin Veronika Vrecionová von der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer. Kateřina Konečná, tschechische Abgeordnete der Fraktion Die Linke, warnte vor einem radikalen ökologischen Umbau ohne soziale Abfederung: „Mit dem Verbot von Verbrennungsmotoren werden die tschechischen Bürgerinnen und Bürger auf der Strecke gelassen.“ Und Balázs Hidvéghi, fraktionsloser Abgeordneter aus Ungarn, forderte Fiala auf, sich auf die Kernaufgaben zu fokussieren: „Das ist ein historischer Moment mit beispielslosen Herausforderungen. Konzentrieren Sie sich auf die wirklichen Probleme. Die Schlüsselfrage ist die Energiesicherheit. Die Europäische Union muß an der Seite der Bürgerinnen und Bürger stehen.“ Nur der Grüne Reinhard Bütikofer polterte nach der Sitzung via Twitter gegen Fiala und nannte ihn den „Verlierer der Woche“. Der Grund: Fiala hatte in seiner Rede noch einmal dafür geworben, gerade jetzt Atomkraft als grüne und CO2freie Energie in die EU-Taxonomie aufzunehmen – mit Erfolg (siehe links). Torsten Fricke


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