Sudetendeutsche Zeitung 10. September 2021 Ausgabe 36

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Ehrenbrief der Sudetendeutschen Landsmannschaft für Hans Pieke (S. 5)

Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft

Reicenberger Zeitung 160. Jahrgang

HEIMATBOTE

Jahrgang 73 | Folge 36 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 10. September 2021

VOLKSBOTE

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B 6543

Podcast-Serie gestartet

Bayerns Vertriebenenbeauftragte Sylvia Stierstorfer spricht mit Zeitzeugen S. 2

KURSE

1 CZK = 0,0394 EUR 1 EUR = 25,3755 CZK

Erinnerungsarbeit

Interview mit Dr. Nils Köhler vom Dokumentationszentrum in Berlin S. 3

Grabpflege bei Braunau

Arbeitseinsatz von Omnium in Merkelsdorf und Deutsch Wernersdorf S. 8

Kohleabbau

Weiter Ärger zwischen Prag und Warschau Seitdem die Tschechische Republik das Nachbarland Polen vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Erweiterung des Bergwerks Turów verklagt hat, kochen die Emotionen auf beiden Seiten hoch.

I

ch halte das für ein unverhältnismäßiges Mittel. Ich fühle mich getäuscht“, legte jetzt Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki nach und warf Prag vor, „in diesem Fall unverhältnismäßige Schritte unternommen“ zu haben. Obwohl der EU-Gerichtshof bereits im Mai Polen angewiesen hatte, alle Arbeiten unverzüglich einzustellen, weigert sich Polen nach wie vor, dem nachzukommen. Auch die Forderung aus Prag an den EU-Gerichtshof, Polen massive Strafzahlungen aufzuerlegen, blieb folgenlos. Stattdessen hält Polen weiter an seiner Planung fest, in Turów bis 2044 Kohle zu fördern und den Tagebau auf 30 Quadratkilometern Fläche zu erweitern. Die Tiefe von bis zu 330 Metern könnte jedoch dazu führen, daß im gesamten Dreiländereck die Grundwasserspiegel massiv absinken, warnen Umweltschützer vor den Folgen.

Das Videospiel „Svoboda 1945 Liberation“ nutzt verschiedene Darstellungsformen, wie Animationen, Grafiken und Videos, um die Geschichte der Vertreibung zu erzählen. Fotos: Charles Games

Die Macher wollen über „eine einzigartige Perspektive“ Geschichte vermitteln

Vertreibung als Videospiel: Spin-Off der Karls-Universität geht neue Wege Ungewöhnlicher Weg wider das Vergessen: Mit „Svoboda 1945: Liberation“ hat das Prager Unternehmen Charles Games, eine Ausgründung der Karls-Universität, ein Videospiel auf den Markt gebracht, das ein sensibles Thema behandelt: Die Vertreibung und Ermordung der Sudetendeutschen nach Ende des Zweiten Weltkriegs.

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voboda, ein kleiner (fiktiver) Ort im Grenzgebiet zwischen Böhmen und Bayern im Jahr 2001. Der Zweite Weltkrieg ist seit Jahrzehnten Geschichte, als der Spieler in Person eines Denkmalpflegers die Gemeinde besucht, um einen langen Streit zu schlichten. Im alten Schulhaus stolpert der Denkmalpfleger über Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit, über die im Ort nicht gesprochen wird. Immer wieder steht der Denkmalpfleger vor der Entscheidung, Kisten zu öffnen, Dokumente zu sichten oder mit Zeitzeugen zu reden. Dabei werden in dem Spiel professionell gefilmtes Videomaterial, Originaldokumente und spielbaren Sequenzen mit einander verwoben. Stück für Stück offenbart sich so die grausame Vergangenheit: Die brutalen Verbrechen an den deutschen Landsleuten nach Ende des Zweiten Weltkriegs und die jahrzehntelange Unterdrückung durch die kommunistischen Machthaber. „,Svoboda 1945: Liberati-

Wie sein Vorgänger „Attentat 1942“ sorgt das Videospiel „Svoboda 1945 Liberation“ bereits für viel Aufssehen in der Videospiel-Branche. Eine Version mit deutschen Untertiteln soll demnächst erscheinen. on‘ ist das erste Computerspiel weltweit, das sich mit dem Thema Vertreibung und Kollektivierung beschäftigt“, erklärt Vít Šisler. Der Assistant Professor an der Karls-Universität hat als Lead Game Designer das Computerspiel maßgeblich entwickelt. Šisler: „Das Spiel präsentiert beispielhafte Geschichten aus einer Schlüsselperiode der tschechischen Geschichte. Wir wollen eine einzigartige Perspektive auf eine Zeit und Ereignisse bieten, die die tschechische öffentliche Debatte immer noch bewegen. Wir sagen den Spielern

nicht, was sie denken sollen, sondern bieten ihnen verschiedene Sichtweisen an.“ Ein Schwerpunkt Vít Šisler sind dabei kurze Videos, in denen Personen über die einzelnen Themen berichten. Šisler: „Die Interviews haben wir mit Schauspielern aufgenommen. Wenn sie über ihre persönlichen Erinnerungen sprechen, stellen wir diese Geschichtsteile als Comics dar. Zusätzlich ver-

wenden wir seltene, digitalisierte Aufnahmen aus dem Nationalen Filmarchiv der Tschechischen Republik, um neben den Comiclook echte, gefilmte Ereignisse zu stellen.“ Auch wenn die Personen Schauspieler seien, die fiktionale Charaktere darstellen, werde die Geschichte seriös vermittelt, erklärt Šisler: „Die Dialoge sind von professionellen Historikern der Tschechischen Akademie der Wissenschaften geschrieben, wobei das gesamte Spiel zusammen mit der KarlsUniversität Prag entwickelt wurde. Alles, was erzählt wird, ba-

siert auf echten Zeugenaussagen und gut dokumentierten Ereignissen. Es ist somit ein fiktionales Werk, basiert aber auf Zeugnissen. „Svoboda 1945: Liberation“ ist das zweite Geschichte vermittelnde Computerspiel der Prager Game-Entwickler. Bereits 2017 wurde „Attentat 1942“ veröffentlich. Thema ist hier der erfolgreiche Anschlag auf den Reichsprotektor Reinhard Heydrich, einen der Haupttäter des Holocausts, am 27. Mai 1942 durch tschechische Spezialkräfte – das einzige erfolgreiche Attentat auf einen führenden Nazi-Verbrecher während des Zweiten Weltkriegs. Mit „Attentat 1942“ gewannen Šisler und sein Team zahlreiche Preise, wie 2018 den Most Amazing Game Award. Auch „Svoboda 1945: Liberation“ überzeugt offenbar die Kritiker. So schreibt das Nachrichtenmagazin Der Spiegel: „Die Stärke von ,Svoboda 1945: Liberation‘ liegt in der Verknüpfung persönlicher, eindrücklich dargestellter Einzelschicksale mit der ,großen‘ Weltgeschichte; und in der Erkenntnis, daß die Trennlinie zwischen Opfern und Tätern kaum jemals einfach zu ziehen ist.“ Das Spiel ist bislang nur auf Tschechisch mit englischen Untertiteln erhältlich. Geplant ist ein weiteres Spiel, das dann den Prager Frühling und dessen Niederschlagung durch die Kommunisten thematisieren soll. J. Šonka/T. Fricke

Parlamentswahlen in der Tschechischen Republik am 8. und 9. Oktober

Wahlumfragen: Babiš und Ano liegen vorn Am 8. und 9. Oktober wählen die tschechischen Bürger ihr neues Parlament und damit ihre neue Regierung. Premierminister Andrej Babiš hat – allen Skandal zum Trotz – guten Chancen, wieder gewählt zu werden.

B

ei Google Trends führt Babiš mit haushohem Vorsprung. 71 Prozent aller Suchanfragen zu den tschechischen Top-Politikern betreffen den Amtsinhaber. Selbst der bei der Jugend beliebte Oberpirat Ivan Bartoš kommt nur auf 13 Prozent. Auch wenn Interesse nicht automatisch Wahlstimmen bedeutet, kann Babiš auch in den

Eine Auswertung der Google-Suchanfragen zeigt, daß zumindest das Interesse an Informationen über Andrej Babiš weit aus größer ist als bei seinen Mitbewerbern. Foto: Google Trends aktuellen Umfragen punkten, wenn auch nicht mit diesem Vor-

sprung. So veröffentlichte das Magazin Novinky.cz am Diens-

tag eine neue Umfrage, die die Ano-Bewegung von Andrej Babiš

mit 27 Prozent klar auf Platz 1 sieht. SPOLU, das Bündnis aus ODS, KDU-ČSL und TOP 09, käme auf 21 Prozent, Piratenpartei und STAN auf 20,5 Prozent, die rechtsextreme SPD (Okamura-Partei) auf 9 Prozent und die kommunistische KSČM auf 6 Prozent. Für die neue Amtsperiode müßte sich Premierministerr Andrej Babiš aber einen neuen Koalitionspartner suchen, denn die Demoskopen sagen voraus, daß die sozialdemokratische ČSSD, bislang Junior-Partner in der Regierung, mit 4,5 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern wird.

Liegt vorn: Tschechiens Premierminister Andrej Babiš. Foto: Vláda ČR


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