4 minute read

Ein nachhaltiges Projekt – für drei Generationen

Next Article
Jacqueline Calame

Jacqueline Calame

WOHNHAUS-ANBAU

Historische Wohnhäuser, denkmalgeschützte Altbauten und das Ziel, sie jedem zugänglich zu machen oder für eine gehbehinderte Person anzupassen, scheinen zwei unvereinbare Gegensätze zu sein. Wenn man sich der Bedeutung des gebauten Kulturerbes bewusst ist und den Dialog mit der Denkmalpflege frühzeitig sucht, finden sich normalerweise aber gangbare Lösungen.

Von Marcel Strasser

Denkmalschutz Wohnhaus von 1531

Irene Büeler-Föhn und ihr Mann Franz führen zusammen einen Bauernhof in RiedMuotathal. Der Hof liegt in der Bergzone 2 und umfasst 8,2 ha Land. Er beherbergt zehn bis elf Kühe und einige Ziegen. Den Sommer verbringen die Kühe auf einer Alp am Wasserberg. Auf der Alp wird noch auf offenem Feuer gekäst und ein Alpkäse hergestellt. Da der Hof zu klein ist, um den Lebensunterhalt für die ganze Familie zu sichern, gehen sowohl Franz Büeler als auch seine Frau Irene einem Nebenerwerb nach. Franz Büeler arbeitet zu 60% in einer Schreinerei, seine Frau zu 40% als Kauffrau.

Bis vor kurzem wohnten die beiden mit ihrem kleinen Sohn Aldo in einer Mietwohnung in Muotathal, weil auf dem Hof nur eine Wohnung zur Verfügung stand. In dieser Wohnung wohnten die Eltern von Franz Büeler, welche den Hof übergeben haben. Diese Situation war alles andere als ideal für die junge Familie und die gemeinsame grosse Arbeit auf dem Hof. Das wollten sie ändern und deswegen nahm die Familie 2019 Kontakt mit dem ZHB auf.

Der Wunsch war, das Wohnhaus zu erweitern, so dass zwei Wohneinheiten für die Familie und die ältere Generation entstehen. Beide sollten rollstuhlgängig sein, so dass sowohl die junge Familie als auch die Eltern von Franz zukünftig auf dem Hof leben können. Das ZHB hat das Projekt bis zur Baubewilligung geplant. Es konnte auch ein finanzieller Beitrag der IV für die behinderungsbedingten Mehrkosten erreicht werden, was die finanzielle Belastung der Familie etwas verminderte. Ein Bauleitungsbüro und ein lokales Holzbauunternehmen verantworteten anschliessend die Ausführung. Ende 2021 konnte die Familie den Neubau beziehen und ihre Mietwohnung kündigen.

Denkmalschutz und Rollstuhlgängigkeit

Da das Wohnhaus fast 500 Jahre alt ist (Baujahr 1531) und unter Denkmalschutz steht, war klar dass dies keine leichte Aufgabe werden wird. Zumal natürlich für Irene Büeler-Föhn, Paraplegikerin seit ihrer Kindheit, eine gute rollstuhlgängige Lösung gefunden werden musste. Das alte Haus hat sehr niedrige Raumhöhen, die

nicht für den Neubau übernommen werden konnten, und er ist von aussen auch im Erdgeschoss nur über Stufen zugänglich. Die internen Treppen sind zudem schmal und steil.

Beim Projekt wurde darauf geachtet, dass am Altbau möglichst wenig bauliche Eingriffe notwendig waren. Der neue Anbau sollte so platziert werden, dass er den Altbau möglichst wenig konkurrenziert respektive beeinträchtigt und eher in den Hintergrund tritt. Eine Erweiterung des Hauses auf der Rückseite drängte sich daher auf. Durch den realisierten seitlichen Versatz konnte die Berührungsfläche der Baukörper klein gehalten werden. Dies hat den Nebeneffekt, dass auf dem Vorplatz eine Hofsituation entsteht und in der Ansicht vom Ort und von der Hauptstrasse her der Anbau unauffällig ist. Farblich wird sich die neue Holzfassade durch die Verwitterung noch an die gesamte Architektur anpassen. Da sich der Hof in der Landwirtschaftszone befindet, war die Grösse des Anbaus begrenzt. Die für einen Hof mit drei Generationen zulässige Erweiterung der Wohnfläche wurde mit dem Anbau ausgeschöpft.

Der Neubau wurde so organisiert, dass im Erdgeschoss alle unbeheizten Nebenräume wie Keller, Garage und Waschküche untergebracht wurden. Der Zugang wurde vom Vorplatz her ebenerdig ausgeführt. Über einen Lift gelangt man ins Obergeschoss, das auf der gleichen Höhe wie das Obergeschoss des Altbaus erstellt wurde und somit eine rollstuhlgängige Verbindung der beiden Bauteile ermöglicht. Beim Lift wurde eine Zwischenhaltestelle vorgesehen, damit auch die «Stöckliwohnung» im Erdgeschoss des Altbaus rollstuhlgängig erschlossen werden konnte. Irene Büeler-Föhn hat so die Möglichkeit, mit dem Rollstuhl auch die Wohnung der Schwiegereltern zu erreichen und die Wohnung ist auch als Alterswohnung besser geeignet.

Im Altbau wurde die Treppe zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss entfernt, die Türen rollstuhlgängig angepasst und Beläge erneuert. Das Badezimmer im Obergeschoss wurde rollstuhlgängig umgebaut und um eine Dusche im Bereich der Laube

Anbau

grosszügig und rollstuhlgerecht

erweitert. Die ehemalige Küche wurde zu einem Durchgangsraum mit Schränken umgenutzt. Im Neubau wurden im Obergeschoss der Wohnraum, die Küche mit Essplatz und ein zusätzliches WC erstellt.

Von wesentlicher Bedeutung für die Bauherrschaft und die Planer ist die möglichst frühe Kontaktaufnahme mit der Denkmalpflege. So können unangenehme Überraschungen, Fehlplanungen oder auch schlimmstenfalls ein abgewiesenes Baugesuch vermieden werden.

Bei der Gestaltung dieses Anbauprojektes galt es eine Lösung zu finden, die auch für die Denkmalpflege des Kantons akzeptabel war. Kompromisse bei der Rollstuhlgängigkeit konnten jedoch nicht gemacht werden. Die schliesslich gefundene Lösung bedingte aber sowohl seitens der Denkmalpflege als auch von der Bauherrschaft ein paar Kompromisse, die vor allem die Garage und die Terrasse, aber auch die Fassadengestaltung betreffen. So konnte zum Bespiel die Terrasse nicht wie gewünscht auf dem Dach der angebauten Garage realisiert werden. Die Denkmalpflege hätte eine Garage in einem separaten Baukörper lieber gesehen. Da dies jedoch bezüglich Rollstuhlgängigkeit keine gute Lösung gewesen wäre, mussten Garage und Terrasse optisch in den Baukörper integriert werden.

Der Denkmalschutz hat die Aufgabe, das kulturelle Erbe unseres Landes zu schützen und zu erhalten und auch zu vermitteln. In diesem Sinne kommt ihr eine grosse Bedeutung zu, da der wirtschaftliche Druck durch das intensive Bauen in allen Gebieten der Schweiz gross ist. Die kostenlose Beratung durch die Denkmalpflege und deren Erfahrungen im Umgang mit alter Bausubstanz sind für die Bauherren und auch für Architekten ein wichtiger Pfeiler bei der Planung von Umbauten in historischen Bauten. Für die Familie Büeler-Föhn hat sich der Aufwand definitiv gelohnt.

This article is from: