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Verschoben ist nicht aufgehoben
DIENSTLEISTUNGEN UND PROJEKTE
2020 war für die Reise- und Kulturbranche hart. Auch uns ging es nicht anders: Reisen wurden annulliert, Kurse verschoben und digitale Alternativen ausprobiert.
Von Tanja Müller, Bereichsleiterin KF
Als der Bundesrat am 13. März 2020 beschloss, die Schweizer Skigebiete zu schliessen, begann für das SPV-Reisebüro eine turbulente Zeit. Beide Skiwochen wurden annulliert und die SPV behielt sich vor, über die Durchführung jeder folgenden Gruppenreisen zu befinden. Im Mai kam es anders: das komplette Reisejahr 2020 musste aufgrund der Pandemiesituation abgesagt werden.
Unsicherheit besteht
Auch als sich die Lage in den Sommermonaten spürbar entspannte, blieb die Unsicherheit im Reisebereich gross. Noch immer hiess es Abstand halten, Risikogebiete meiden und gegebenenfalls eine Quarantäne in Kauf nehmen. Unseren Reisegästen mit Tetraplegie unterbreiteten wir ein Ferienangebot im Hotel Sempachersee in Nottwil. Dass dieses auf wenig Interesse stiess und somit nicht durchgeführt wurde, erstaunte unter den gegebenen Umständen kaum.
Wie geht es weiter? Dies ist in der Reisebranche die wohl grösste Frage. Das SPV-Reisebüro hat auf die Situation reagiert. Für die ersten Auslandreisen des Kalenderjahrs 2021 haben wir Alternativferien in der Schweiz vorgesehen, falls eine Reise ins Ausland nicht möglich sein wird. Dieses Angebot haben wir in der neuesten Ausgabe von «ParaReisen» publiziert. Die Tendenz unserer Kundschaft zeigt, dass die Hemmschwelle für Reisen ins In- oder Ausland für das erste Halbjahr hoch ist. Anmeldungen haben wir bislang nur für die zweite Jahreshälfte erhalten.
Alternativen gefragt
Im Kurs- und Anlassbereich sah es in den Sommermonaten besser aus: Unter fachkundiger Leitung und Einhaltung der Schutzvorgaben fanden Ausflüge wie der Handbike-Trail mit Andreas Gautschi im August statt. Die anspruchsvolle Tour führte auf den Creux du Van (NE) und belohnte mit einem prächtigen Panorama. Das Bedürfnis nach Information und Austausch besteht. Dies hat der ausgebuchte Mobilitätskurs im Oktober gezeigt. Mit Schutzmaske ausgerüstet vermittelten der SPZ-Sporttherapeut Carsten Gugel und SPV-Mitarbeiter Martin Wenger Wissenswertes zu schulterschonender Antriebstechnik und zur Überwindung von Hindernissen. Auch für Begleitpersonen ein absolut lehrreicher Kurs.
Die Verschiebung und schliesslich die Annullation des Zentralfests hat eine kleine aber feine Idee zu Tage gefördert: Am 25. September veranstalteten wir den «digitalen Maskenball». Allen, die sich angemeldet hatten, schickten wir eine Hygienemaske mit der Aufforderung, diese zu gestalten. Zahlreiche kreative Variationen wurden eingeschickt und das Publikum hat im Online Voting die Siegerkreation gekürt, welche grosszügig mit einem Brunch-Gutschein vom Hotel Sempachersee belohnt wurde. Eine Prise Humor hilft in angespannten Zeiten.
Bereits im Herbst war wieder Improvisationstalent gefragt. Aufgrund der zweiten Pandemiewelle und den damit einhergehenden Restriktionen gerieten die beliebten Anlässe Fototreff und Weihnachts- respektive Handwerkermarkt ins Wanken. Schliesslich mussten wir auch diese beiden Veranstaltungen absagen. Statt im Rahmen des Fototreffs stellten wir unser Reiseprogamm durch persönliche Beratung vor. Für den Handwerkermarkt fanden wir eine digitale Lösung.
Sieben Austellerinnen und Aussteller entschieden sich dazu, mit uns dieses Experiment zu wagen und über die Webseite der SPV ihre handgefertigten Dekoartikel, Holz-Tiere, Ohrringe und Weihnachtskarten zu verkaufen. Etwas enttäuscht mussten wir feststellen, dass ein Online-Weihnachtsshop nicht den Nerv unserer Kundschaft trifft. War es die gedämpfte Weihnachtsstimmung oder fehlte das persönliche Gespräch am Verkaufstresen? Wir wissen es nicht. Zum Glück lernt man aus Misserfolgen und kann so für das nächste Jahr eine andere Idee entwickeln.

Angebote überarbeitet
Neben der Sensibilisierungsarbeit galt es auch das Kurs- und Veranstaltungsangebot zu optimieren. Die aufgezwungene Flaute während den Lockdown-Wochen bot sich geradezu an, unsere Angebote zu überdenken.
In einer Analyse der möglichen Kundensegmente stellten wir fest, dass sich das Kurs- und Veranstaltungsangebot bislang grösstenteils an Personen mit einem Altersdurchschnitt von 53 Jahren orientierte und der Fokus auf der Deutschschweiz lag.
Mit dieser Erkenntnis und im Hinblick auf die Strategie der nächsten vier Jahre haben wir den Entschluss gefasst, künftig mehr Angebote für die Romandie zu schaffen. Als Neuzugang in unserem Team konnten wir mit Aktivmitglied Claude Siegenthaler einen zweisprachigen Mitarbeiter gewinnen. Er wird sich künftig, zusammen mit den KF-Ressortverantwortlichen der Rollstuhlclubs, dieser Aufgabe widmen.
Der Austausch mit den KF-Verantwortlichen hat zudem gezeigt, dass nicht nur auf dem Papier ein Bedarf an Angeboten für die jüngere Zielgruppe besteht. Schritt für Schritt werden wir diese Ansprüche berücksichtigen und das Portfolio näher an die Bedürfnisse der Clubs und Mitglieder bringen. Bereits im nächsten Kalenderjahr strukturieren wir unser Angebot mittels Rubriken. So erleichtern wir die Orientierung und machen unsere Dienstleistungen besser zugänglich.
Freiwillige on hold
Im Dezember 2019 erschien in «Paraplegie» ein Aufruf zur Freiwilligenarbeit. Daraufhin erhielten wir zahlreiche Anfragen und Anmeldungen von Interessierten, die sich engagieren wollten. Nur dank dem unglaublichen Einsatz von ehrenamtlichen Gruppenleitenden und zahlreichen Laienpflegenden können unsere Gruppenreisen stattfinden. Die Schulungstage für diese Tätigkeiten waren im Frühjahr komplett ausgebucht.
Dass wir hierbei ausschliesslich auf überaus engagierte und motiverte Menschen treffen, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass wir trotz dreimaliger Verschiebung der Schulungen immer noch ausgebucht waren.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle, die uns dieses Jahr mit so viel Verständnis, Solidarität und ungetrübtem Optimismus begegnet sind, obwohl ihre Tätigkeit auf Eis gelegt wurde.
Mobilitätskurs Hindernisse überwinden
Digitales Projekt OK:GO
Eine Plattform hier, eine App da, ein Projektvorschlag dort – die Fülle an Ideen und Angeboten an Plattformen mit Daten zur Barrierefreiheit wurde in den letzten Jahren zunehmend unübersichtlicher. Da keines der bestehenden Angebote wirklich überzeugte, lag es nahe, Ressourcen zu bündeln und Synergien zu nutzen – nur wie? Die Lösung offenbarte sich in Form des Fördervereins «Barrierefreie Schweiz». Vertreter aus Behinderten- und Tourismusorganisationen schlossen sich zusammen und gründeten den Verein im Dezember 2016. Die SPV ist Mitglied.
Die Komplexität der Thematik wurde in vielen Sitzungen und Workshops aufgearbeitet. Daraus entstand das Projekt OK:GO. Ziel ist es, dass alle Organisationen und Betriebe des Schweizer Tourismus Informationen zur Zugänglichkeit ihrer Angebote zentral erfassen. Über die App ginto sind diese Informationen für alle Interessierten einsehbar. Im 2020 wurde vor allem die Erfassung durch Touristikanbieter sowie die Weiterentwicklung und Optimierung der App vorangetrieben. Das Projekt stiess bei den Tourismusbetrieben auf viel positive Resonanz und wird uns auch im kommenden Jahr weiter beschäftigen, gerade hinsichtlich der Zukunft unserer Plattform paramap.ch.