ZUM W ER K
ENGELBERT HUMPER DINCK Die Heirat wider Willen
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PIONIER IM SCH ATTEN GROSSER MEISTER
VON M A IK E GR A F
Zum 100. Todestag von Engelbert Humperdinck im vergangenen Jahr 2021 denken wir einmal ganz fest an den deutschen Komponisten, der sein f ünftes Kind nach der Heldin von Wagners Fliegendem Hol länder Senta nennt, wenige Monate nachdem er das Werk zum ersten Mal in Bayreuth erlebt hat. Vielleicht würde Humperdinck auch eher ein ganzes G edenkjahr gerecht werden, ist er doch der Erfinder jener Sprechnotenschrift, für die dann später Arnold Schönberg als revolu tionär gefeiert wird. Für sein «gebundenes Melodram» notiert Humperdinck bereits jene Kreuzchen an
den Notenhälsen, die die Sprechhöhe angeben. Schon zu seinen Lebzeiten kommt die Humperdinck-Rezeption nicht ohne Wagner-Verweise aus. Und natürlich ist diese verbissene Suche nach Parallelen zwischen dem Wagner-Epigonen und seinem Meister nicht nur naheliegend, sondern auch gerechtfertigt. Wer sucht, der findet – beispielsweise die Leitmotivik in Humperdincks Oper Königskinder, einen ausge prägten Hang zum Horn, zu gerne auch als rhythmische Fanfare, oder einen düsteren Solokontrabass, durchsetzt mit unterschwell igen Pauken, wie im Prélude zum 2. Akt seiner Komischen Oper Die Heirat wid er Willen. Dieses könnte auch das Vorspiel zum 2. Aufzug von Wagners Siegfried sein. Um Humperdinck gerecht zu werden, muss noch die Komische Oper einen kleinen Hexenritt unternehmen. Der Komponist will eigentlich mit dieser Art Oper Karriere machen. Die Heirat wider Willen schreibt er 1905 – mit dem Wunsch, ein zweiter Albert Lortzing zu werden und eine Gegenbewegung zum pathetischen Stil des ‹Verismo› zu bilden. Die Sagen und Mythen seien durch Wagner sowieso schon abgearbeitet. Beim Blick auf die Spielpläne aber wird klar, dass ihm die Erfüllung dieses Traums wohl versagt geblieben ist.