
3 minute read
Medizinischer Alltag in Ghana
Gynäkologe Franz Roithmeier nahm als einer von 15 österreichischen Ärzt*innen und Hebammen an einer Initiative in Afrika teil. Er bildete in Ghana Kolleg*innen in der Vaginalchirurgie aus. Und lernte selbst viel.
Von Claudio Honsal
Für Oberarzt Dr. Franz Roithmeier war es ein Kulturschock. „So ein Equipment habe ich bei uns zuletzt in einem medizinischen Museum gesehen. Aber in Ghana wird es im OP verwendet.“ Doch zwei Wochen musste der stellvertretende Leiter der Abteilung für Gynäkologie und Leiter des Beckenbodenzentrums im Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern damit vorliebnehmen. Der renommierte Gynäkologe tauschte im Februar seinen hochmodernen Arbeitsplatz freiwillig mit dem katholischen Holy Family Hospital in Techiman, dem einzigen Spital der Stadt mit 100.000 Einwohner*innen. Seine Motivation: die Weitergabe von Expertise in der Vaginalchirurgie an afrikanische Ärzt*innen. Eine Initiative im Rahmen des Projektes „Medical Support in Partnership“ – hier nahmen 15 Hebammen und Ärzt*innen aus Österreich teil.

Keine „Out of Africa“-Romantik
Die Einladung zum ersten medizinischen Auslandseinsatz kam von einer Kollegin, Dr.in Nadja Taumberger von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Medizinischen Universität Graz. Roithmeiers erster Gedanke: „Eine Herausforderung, ein Abenteuer und eine nachhaltige Möglichkeit zu helfen.“ Das Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern erteilte seine Freistellung.
Vor Ort erwarteten den Gynäkologen Herausforderungen. 40 Grad Hitze und Wellblechhütten anstelle von Supermärkten und Restaurants. Im Spital liegen Patient*innen in Sälen mit mindestens 40 Personen. Kranke müssen sich ihre Liegeplane aus Plastik für das Bett und die OP selbst mitbringen. So wie das Essen. Die Operationssäle sind mit in Europa ausrangierten und teilweise defekten Geräten ausgestattet.
„Hier wird einem erst bewusst, welcher Mangel in puncto Versorgung, Material, Ausstattung und Hygiene herrscht“, erinnert sich Roithmeier. In Österreich zählen operative Eingriffe bei Scheiden- oder Gebärmuttersenkung zur Routine. „Uns steht das nötige Equipment zur Verfügung, ganz selbstverständlich.“
Instrumente sind entweder nicht vorhanden oder stumpf und die Tische defekt.
Franz Roithmeier, Gynäkologe
In den sechs OP-Sälen in Ghana fehlt es hingegen an allem. „Instrumente sind entweder nicht vorhanden oder stumpf und die Tische defekt. Bei Stromausfall wird mit Taschenlampen weiteroperiert. Auch Standardmedikamente und Verbandszeug sind Mangelware.“ Relativ gut aufgestellt ist jedoch das Gynäkologieund Geburtenteam: Ein Chefarzt, sieben Oberärzt*innen und vier Assistenzärzt*innen verantworten 4.500 Geburten im Jahr. Angesichts der Umstände eine „extrem bemühte, sehr professionelle Arbeit“.

Kraftakt der Dankbarkeit
Um Not zu lindern, reiste Roithmeier mit fünf Koffern an, vollgepackt mit OP-Instrumenten, Medikamenten und Verbandsmaterialien. „Hier sterben Menschen an Komplikationen, die bei uns undenkbar sind. Ich habe einige Kinder gleich nach der Geburt sterben sehen – ganz furchtbar.“
In Ghana konnte der Gynökologe zwei bis drei Operationen pro Tag durchführen. In Linz werden rund fünf absolviert. Statt in steriler OP-Kleidung operierte Roithmeier in Techiman „in einer Art Fleischerschürze unter dem OP-Mantel, weil dieser nicht flüssigkeitsabweisend war. Der Schweiß floss aus jeder einzelnen Pore des Körpers.“ Dennoch ein befriedigender Kraftakt. „Die Dankbarkeit von Patient*innen und Kolleg*innen machte all die Anstrengung wieder wett.“ Die Rückreise nach Linz trat er mit Dankbarkeit im Gepäck an, „dass es uns so gut geht“.
© Oberarzt Dr. Roithmeier