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Fisch aus dem Räucherofen
Aus dem Räucherofen
Jeden Freitagmorgen werden die Schwarzwaldforellen im heißen Rauch über einer Spänemischung aus verschiedenen Hölzern geräuchert
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„I like fish“ – bei Michael Wickert dreht sich seit seiner Kindheit alles um Fisch. Mit seiner Fischräucherei „Glut & Späne“ in Freiamt hat der Fischereiwissenschaftler vom Bodensee nach mehrjährigen Aufenthalten in Berlin-Kreuzberg und der Uckermark nun seinen endgültigen Standort gefunden. Hier veredelt er Forellen und Lachs und bringt das traditionelle Fischräucherhandwerk in den Schwarzwald zurück
Ein feiner Räucherduft liegt im blitzblanken Produktionsraum der ehemaligen Landmetzgerei in Freiamt in der Luft. Doch hier wird kein Schwarzwälder Speck, sondern Fisch geräuchert. Michael Wickert öffnet den großen Räucherschrank aus Edelstahl. Rauchschwaden füllen den Raum. „Meine Goldstücke sind fertig“, sagt er. Goldstücke nennt der Räuchermeister, der sich jedem gleich als Micha vorstellt, seine heißgeräucherten Stremellachsstücke.
Räucherlachs nach Schwarzwälder Art
Am Tag zuvor hatte er die Lachsfilets in Salzlake eingelegt, in Streifen (Stremel) geschnitten und am Vormittag bei 60 bis 80 Grad über Erlenholzglut geräuchert. Im zweiten Räucherofen hängen kaltgeräucherte ganze Lachsseiten. Die hat Wickert am Dienstag frisch von den Färöer-Inseln bekommen und gleich am Abend mit Salz eingerieben, um dem Fisch Wasser zu entziehen. Die nächsten zwei Tage verbrachten die Lachsfilets bei Zimmertemperatur von etwa 20 Grad im kalten Rauch. Lange hat Wickert an der optimalen Zusammensetzung der Holzspäne von Buche, Erle, Weißtanne, Kirsche und Wacholder getüftelt, deren Glut sich – einmal in der Mitte angezündet – ganz langsam verbreitet und für den feinen und typischen Rauchgeschmack des Räucherlachses Schwarzwälder Art sorgt. Damit der am Ende den Namen „Black Forest Salmon“ tragen darf, wird er mit Honigessenz und Gewürzen veredelt und drei Tage lang luftgetrocknet. „Meine wichtigste Zutat ist Zeit. Daneben braucht es jahrelange Erfahrung, Liebe zum Produkt und beste Zutaten“, beschreibt der Fischereiwissenschaftler sein Vorgehen, das sich allein schon wegen des Zeitfaktors vollständig von der industriellen Lachsräucherei unterscheidet. Am Donnerstag und Freitagvormittag wird geräuchert, Freitagnachmittag und Samstagvormittag ist der kleine Laden im „Dörflein nahe am Himmel“, wie sich das Dorf Freiamt nördlich von Freiburg nennt,

FOTOS: Daniela Haug, Gabriele Hennicke
Die wichtigste Zutat bei Michael Wickert ist Zeit: Zwei Tage lang hängen die ganzen Lachsseiten im kalten Rauch, um den typischen Geschmack anzunehmen
Die Lachsfi letstücke werden heißgeräuchert, nachdem sie in Salzlake eingelegt waren
FOTOS: Gabriele Hennicke (5), Daniela Haug

Der Schwarzwaldlachs
Seit 2001 wird im Restrhein zwischen Weil am Rhein und Breisach und in zahlreichen Zufl üssen ein koordiniertes Wiederansiedlungsprogramm für den Lachs umgesetzt. Dafür müssen die stromaufwärts und -abwärts gerichteten Wanderwege in den Flüssen wiederhergestellt werden. Dies erfordert den Bau von Fischaufstiegsanlagen, Abstiegsanlagen, den Umbau von Wehren und die Verbesserung der Gewässerstruktur. Erste Erfolge zeigen sich bereits: Heute kehren Lachse und andere LangdistanzWanderfi sche zurück und legen in Alb, Murg, Kinzig und Elz wieder ihre Laichgruben an. Am weitesten fortgeschritten ist das Programm in der Kinzig und ihren Zufl üssen. Hier werden inzwischen Lachse bis zum Stadtgebiet von Schiltach, 70 Kilometer oberhalb der Kinzigmündung, beobachtet. Seit mehr als zehn Jahren fi ndet hier wieder eine natürliche Fortpfl anzung statt. An der Kontrollstation im Fischpass des Rheinkraftwerks Iffezheim konnten 2020 an die 200 aus dem Atlantik zurückgekehrte Lachse gezählt werden. Mit seiner Lachszuchtanlage „Wolfstal“ trägt der Landesfi schereiverband maßgeblich zum Aufbau neuer Lachsbestände bei.
geöff net. In der Th eke liegen frisch geräucherte Forellen, Filets von Forelle, Saibling und Lachsseiten, die als Ganzes oder scheibenweise verkauft werden. Außerdem Aufstrich vom Räucherfi sch, Meerrettich- und HonigSenf-Dill-Sauce, alles hausgemacht. Samstags gibt es Fischbrötchen zu kaufen, ein Angebot, das auch von Wanderern gerne angenommen wird.
Längst hat sich in Freiamt und Umgebung herumgesprochen, mit welchen Delikatessen Michaels Fischräucherei aufwartet. Schon vor der offi ziellen Öff nungszeit um 15 Uhr kommen die ersten Kunden, schnell hat sich vor dem Laden eine Warteschlange gebildet. Kein Problem. Wer hierher kommt, hat Zeit, der freut sich an der off enen Schwarzwaldlandschaft rund um den Schwarzwaldhof im Ortsteil Mußbach, war vorher womöglich schon in der Bioland-Käserei auf dem Nachbarhof und macht den Wochenendeinkauf anschließend auf dem Freiämter Markt rund um den einstigen Freihof in der Nähe. Im Hof steht ein kleiner Räucherofen, in der nebenstehenden Scheune hat Micha bereits einen Verkostungsraum samt Freisitz eingerichtet, wo er künft ig Gruppenverkostungen anbieten möchte. Nebenan eine kleine Weinhandlung, selbst ein paar Reben gibt es hier. „Nach 20 Jahren bin ich wieder nach Südbaden und in den Schwarzwald zurückgekehrt, und hier will ich bleiben, weil einfach alles passt“, freut sich der 42-Jährige, der am Bodensee bei Radolfzell aufgewachsen ist. Als Sechsjähriger bekam er eine Angel geschenkt, später war er Mitglied im Angelverein, damit war der Grundstein für die Liebe zum Fisch gelegt. Nach dem Abitur ging es zum internationalen Studium Agrar- und Fischerei-
Wenn es um Spezialitäten geht, nehmen die Kunden auch eingeschränkte Öffnungszeiten in Kauf. Viele verbinden den Einkauf mit einem kleinen Ausfl ug
Die genaue Räucher- mischung ist selbstverständlich Betriebsgeheimnis. Lange hat Michael Wickert daran getüftelt


Die frischen Forellen bezieht der Fischräucherer von kleinen Forellenzuchten im Schwarzwald und vom Bodensee

wesen nach Berlin. „Um der ganzen Theorie etwas entgegenzusetzen haben wir einen ,Arbeitskreis Räucherofen‘ gegründet, im Innenhof der Fakultät zwei ordentliche Räucheröfen gebaut und bei Unifesten Räucherfisch angeboten, der supergut ankam“, erinnert sich Wickert. Diese Erfahrung war der Zündfunke für sein Unternehmen „Glut & Späne“.
Nach Praktika in Fischzuchten und Fischräuchereien im In- und Ausland und einer Anstellung als Betriebsleiter bei einer Forellenzucht in der Normandie hatte der Fischenthusiast genug Erfahrung und Kapital für ein eigenes Unternehmen zusammen: Im Oktober 2012 eröffnete er in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg einen Stand, an dem er live Fisch räucherte und verkaufte. „Die Zeit war damals reif für handwerklich hergestellte Lebensmittel bester Qualität, und ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, sagt Micha rückblickend. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, Wickerts traditionelles Fischräucherhandwerk und seine Produkte waren selbst bei der Berlinale gefragt, ebenso er selbst als Experte. Nach einigen Jahren Großstadt zog es den Jungunternehmer aufs Land in die Uckermark, er wollte näher am Produkt sein, wenn möglich sogar eine Forellenzucht übernehmen. Fünf Jahre lang produzierte er dort in seiner Landräucherei mit angeschlossener Gastwirtschaft. Eigentlich wollte er in der Gegend blei-

Vom Bodensee über Berlin und die Uckermark nach Freiamt: In der weitläufigen Schwarzwaldgemeinde nördlich von Freiburg hat sich der Fisch- räucherer jetzt auf Dauer niedergelassen
Fischbrötchen made in Schwarzwald
Stremellachs werden heiß- geräucherte Portionsstücke vom Lachs genannt – die Bezeichnung „Stremel“ stammt aus Ostpreußen, das im 19. Jahrhundert eine Hochburg der Lachsveredelung war, und bedeutet „Streifen“

FOTOS: Daniela Haug, Gabriele Hennicke (3), Ulmer Verlag


STREMELLACHS MIT PASTINAKENSTAMPF & POSTELEIN
ZUTATEN FÜR 2 PORTIONEN
Salat: 150 g Postelein (Winterportulak), 3 EL Olivenöl, 1 EL Apfelessig, 2 EL naturtrüber Apfelsaft, 1TL grober Senf, 1 Prise Salz, 1 Prise frisch gemahlener schwarzer Pfeffer Pastinakenstampf: 500 g Pastinaken, 1 weiße Zwiebel, 50 g Butter, 2 Prisen Salz, 1 Prise frisch gemahlener schwarzer Pfeffer, 50 g Sahne, 50 g Schmand Fisch: 2 Stücke (jeweils ca. 150–200 g) heißgeräuchertes Lachsfi let
ZUBEREITUNG
1. Für den Salat den Postelein waschen, vorsichtig schleudern und auf einem sauberen Geschirrtuch ausgebreitet vollständig trocknen lassen. 2. Für den Pastinakenstampf Pastinaken und Zwiebel schälen und in walnussgroße Stücke schneiden. Die Butter in einem mittelgroßen Topf bei geringer Hitze schmelzen, dann Zwiebeln und Pastinaken hinzugeben und unter gelegentlichem Rühren weich dünsten. 100 ml Wasser in den Topf geben und alles mit Salz und Pfeffer würzen. Bei mittlerer Hitze köcheln lassen, bis die Pastinaken weich sind und das Wasser größtenteils verkocht ist. Sahne und Schmand unterrühren und das Ganze mit einem Pürierstab mehrmals mixen, bis keine großen Stücke mehr zu sehen sind. 3. Für das Salatdressing alle restlichen Zutaten in einer kleinen Schüssel mit einer Gabel verquirlen. Das Dressing unter den Salat heben. 4. Den noch warmen Stremellachs mit dem Pastinakenstampf auf zwei Tellern verteilen und mit dem Salat garnieren. Rezept aus „Das Fischräucherbuch“
ben, nachdem aber ein trockener Sommer nach dem anderen den Fischzüchtern Probleme bereitet hatte, spürte der Unternehmer, dass eine neue Entscheidung anstand. „Meine Partnerin und ich besannen uns auf die Heimat, auf den Schwarzwald mit seiner Räuchertradition und den deutlich kühleren Temperaturen, wo klare Bäche und Flüsse das Wasser für die kleinen Forellenzuchten liefern“, beschreibt er den Entscheidungsprozess. „Die Fische im Schwarzwald sind immer in Bewegung, das schmeckt man am Ende.“
An glorreiche Zeiten anknüpfen
Die Forellen, die Michael Wickert als Wälderforellen vermarktet, kauft er alle bei kleinen Zuchtbetrieben im Schwarzwald oder am Bodensee, gelegentlich auch Felchen und Saiblinge. Er räuchert sie jeweils am Freitagvormittag im heißen Rauch über einer Spänemischung aus verschiedenen Hölzern. „Leider ist der Lachs wegen der schlechten Wasserqualität und Bauhindernissen aus dem Schwarzwald verschwunden, dabei waren der Oberrhein und die Nebenfl üsse wie Kinzig, Murg und Dreisam bis Mitte des 20. Jahrhunderts das größte Lachsrevier Europas. Aber seit den 1990er-Jahren ist man dabei, den Lachs wieder anzusiedeln“, weiß Wickert, der seinen Lachs von Zuchtbetrieben auf den schottischen Hebriden und den Faröer-Inseln bezieht.
Keine Frage, dass er sich bei der Lachszuchtstation des Landesfi schereiverbandes Baden-Württemberg in Wolfach engagiert, auch wenn er weiß, dass erst seine Enkel oder Urenkel erleben werden, dass die Schwarzwaldfl üsse wieder voller Lachse sein werden. „Ich würde so gerne eine Zeitreise machen und miterleben, wie die Lachse von ihrer Reise nach Grönland in den Rhein und die Schwarzwaldfl üsse zum Laichen zurückkommen. Und auch die heimische Lachsfi scherei erleben“, sagt er. Denn letztendlich will Michael Wickert mit seiner Fischräucher-Manufaktur an diese glorreichen Zeiten anknüpfen.

GABRIELE HENNICKE
KONTAKT Glut & Späne, Lachsfi sch-Räucherei und Manufaktur, Mußbach 11, 79348 Freiamt, www.glutundspaene.de


Ein Blick in die Theke: Hier ist alles handgefertigt – mit Liebe, Sachverstand und Grundprodukten von bester Qualität
Buchtipp
In diesem Standardwerk zum Thema Fischräuchern
… trifft traditionelle Handwerkskunst auf innovative Räuchertechniken: Fischereiwissenschaftler und Räuchermeister Michael Wickert zeigt, wie man in einfachen Schritten aus frischem Fisch und Feuer, Holz und Spänen rauchig-würzige Köstlichkeiten zaubert. Ein kompletter Überblick über Räuchertechniken und -geräte, eine umfangreiche Warenkunde und Expertentipps vermitteln aktuelles Wissen für Einsteiger und Räucherprofi s. Über 40 klassische Räucherrezepte und inspirierende Neukreationen begeistern sowohl Hobby- als auch Spitzenköche. Michael Wickert, Daniela Haug, „Das Fischräucherbuch, Wissen & Methoden – Rezepte & Genuss“, 336 Seiten, Eugen Ulmer Verlag, 39,95 €