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Das etwas andere Dorfgasthaus
Eine Schwarzwälder Kirschtorte darf im Kuchenangebot natürlich nicht fehlen

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Unbedingt die "Oxefetze Rößle Spezial“ mit dunkler Zwiebel-Bier-Soße kosten Badisch, vegetarisch, vegan: Hier findet jeder etwas! Im Gasthaus wird echte Dorf-Gemeinschaft vorgelebt 3 Gründe, hier Halt zu machen:
Das etwas andere Dorfgasthaus

Das kleine Geschwend ist ein Schwarzwalddorf wie aus einem Heimatfi lm. Mittendrin ein ebenso hübsches Gasthaus, dessen Geschichte allein reichlich Stoff für ein Drehbuch liefern würde
Ist Not an Servicekräften, hilft „Genossin“ Gerlinde Diesslin spontan beim Getränkeausschank
Die Dor irche schlägt gerade zum zwöl en Mal, als sich die Eingangstür zum Gasthaus rege zu ö nen beginnt. Zügig füllt sich die gemütliche Stube. Einige Gäste kennen einander, werfen sich über die Tische ein fröhliches „Hallo, wie geht’s?!“ zu. Zwei Servicekrä e itzen durch das Lokal. Es ist gut zu tun, die Plätze im Vorderraum sind im Nu belegt. Nur wenig später werden bereits die ersten Speisen aus der Küche in die Gaststube getragen. Es du et nach gebratenen Fleischküchle, würzigen Käsespätzle und Schnitzel. Beobachtet man den Ablauf, ist alles wie in anderen Dorfgasthäusern. Und doch ist „dasrößle“ alles andere als eine gewöhnliche Einkehr.

Ein Gasthaus, das allen gehört
Wer vor dem Eintreten einen Blick auf das Schild über dem Haupteingang wir und genau hinschaut, erahnt mitunter schon etwas. „Genossenscha liches Dorfgasthaus dasrößle“ steht darauf geschrieben. Alle anderen nden spätestens beim Lesen der Speisekarte den Hinweis auf die Besonderheit der Gaststätte. Dort ist auf der ersten Seite zu lesen: „Ein herzliches Willkommen! Wir freuen uns sehr, dass Sie unser historisches und geschütztes Baudenkmal sowie das etwas andere Dorfgasthaus in Todtnau-Geschwend gewählt haben.“ Im weiteren Text erfährt der Besucher, dass das Gasthaus
Auf einen Quadratmeter der Fassade des historischen Baudenkmals kommen sage und schreibe 700 FeldbergSchindeln

FOTOS: Christina Feser



Bodenständig und echt gemütlich: Blick aus dem Nebenraum in die vordere Gaststube mit dem grünen Kachelofen im Eck
Rund um Geschwend gibt es schöne Spazier- und Wanderwege. Hinter der Kirche geht’s zum Beispiel zum Rabenfelsen hinauf
FOTOS: Christina Feser (3), Julian Philipp, Hochschwarzwald Tourismus GmbH
Genau das Richtige für kalte Tage: eine badische Flädlesuppe auf Basis einer kräftigen Rinderbrühe
von einer Gemeinscha betrieben wird, die sich im Oktober 2011 zu einer Genossenscha zusammengeschlossen hat.
Ein Projekt, das von langer Hand geplant und gut durchdacht war – auch wenn die eigentliche Idee dazu einst in weinseliger Runde bei einer privaten Feier ein paar Häuser weiter entstanden war, wie Ewald Diesslin erzählt. Als Gründungsmitglied und heutiger Aufsichtsratsvorsitzender der Genossenscha hat er die Geschichte vom „Rößle“ von Anfang an miterlebt und mitgestaltet. Unzählige ehrenamtliche Arbeitsstunden hat er in das Projekt gesteckt. Der Geschwender, der hauptberu ich als Unternehmensberater tätig ist, erinnert sich: „Nachdem die ehemalige Wirtin und Besitzerin ins Altersheim gekommen war, stand das Gebäude leer und gammelte vor sich hin. Der Zustand des geschützten Baudenkmals war erschütternd und traurig zugleich. Für die fünf örtlichen Vereine gab es keinen ö entlichen Tre punkt mehr. Als das Objekt dann eines Tages zum Verkauf ausgeschrieben war, haben wir Nägel mit Köpfen gemacht. Wir haben die Genossenscha gegründet und den Zuschlag erhalten.“ Der Startschuss für das Abenteuer „Ein Dorf rettet seinen Gasthof“ war gefallen. Die Gesamtplanung konnte beginnen. „Was wir hier zum Teil erlebt haben … das war einfach unglaublich!“, lacht er. Aus einer verrückten Idee wurde harte Arbeit. Aufgeben sei jedoch nie eine Option gewesen. „Zu keiner Zeit!“, schüttelt Ewald Diesslin den Kopf. Das halbe Dorf packte mit an, und gemeinsam haben sie gescha , was einer alleine nie zustande gebracht hätte.
Das Projekt hat Vorbildfunktion
Das Konzept der Genossenscha ist aufgegangen. Aktuell bringen sich 225 Genossen ein. Das Kapital liegt bei stolzen 465 000 Euro. „Davon sind 80 Prozent Eigen- und lediglich 20 Prozent Fremdkapital. Wir stehen auf gesunden Beinen“, beleuchtet Diesslin die beeindruckende Zahl. Und längst stammen die Mitglieder nicht mehr nur aus dem Ort, dem Schwarzwald oder Deutschland. „Wir haben Unterstützer aus der ganzen Welt: Amerika, Australien, Südafrika, Portugal, Spanien sowie vielen weiteren Ländern. An Dividende denkt dabei keiner. Vielmehr sind die Leute von der Idee der Gemeinscha so begeistert und wollen mithelfen“, so Diesslin.
Schon häu g ist es vorgekommen, dass sich Besucher anmelden, die ein ganz ähnliches Projekt in ihrer Gemeinde planen. Gerlinde Diesslin, die heute beim Getränkeausschank aushil , da eine Servicekra aus-
Dunkle Wälder, sanfte Höhen, sonnige Täler, hübsche Orte: Rund um Todtnau präsentiert sich der Hochschwarzwald wie aus dem Bilderbuch

gefallen ist, gesellt sich für einen Augenblick zu uns an den Stammtisch am grünen Kachelofen und sagt: „Es ist einfach toll, was sich alles in der Gemeinscha bewegen lässt.“ Genauso wichtig wie ein gutes Miteinander sei aber auch die Qualität der Speisen.
Auch Veganer werden fündig

Die Zutaten für die regional-badischen Gerichte wie „Suuri Leberli“, also saure Rinder-Leber, mit Brägel, Rinder eischstücke an dunkler Zwiebel-Bier-Soße, die auf der Speisekarte „Oxefetze“ heißen, stammen hauptsächlich von Produzenten und Landwirten aus der Umgebung. Man dürfe sich beim Angebot jedoch nicht nur starr an Traditionen klammern, sondern müsse auch mit der Zeit gehen, betont Ewald Diesslin. So ist es im Gasthaus eine Selbstverständlichkeit, vegetarische und vegane Gerichte auf der Speisekarte anzubieten. Auch an Allergiker mit Glutenunverträglichkeit oder Laktoseintoleranz wird gedacht. „Bei uns ndet wirklich jeder etwas“, sagt das Gründungsmitglied. Das sei in vielen anderen Dorfgasthäusern alles andere als üblich.
Ewald Diesslin lacht und ergänzt: „Wir sind halt das etwas andere Gasthaus. Das sieht man auch an unserem Namen ,dasrößle‘, der nicht dudengetreu ist, dafür echt alemannisch.“ Viele Ideen wurden in den letzten Jahren erfolgreich umgesetzt. Neben sieben Gästezimmern etwa der große Außenbereich mit seinem einladenden Biergarten. Als Nächstes ist die Fertigstellung der Tenne dran. „Ideen gibt’s noch genug!“, sagt Ewald Diesslin. Und so arbeiten alte und junge Geschwender weiter Hand in Hand daran, dass „dasrößle“ in eine rosige Zukun galoppiert.
In einem denkmalgeschützten Schwarzwaldhaus hat „dasrößle“ sein Zuhause
CHRISTINA FESER
INFO Das Genossenschaftliche Dorfgasthaus „dasrößle“liegt in Geschwend, einem Ortsteil von Todtnau im FeldbergBelchen-Gebiet. Im Dorf stehen noch über 14 wunderschöne, originalgetreu erhaltene und bewirtschaftete Schwarzwaldhäuser, die in den 1950er-Jahren Kulisse für die Heimat lme „Schwarzwaldmädel“ und „Schwarzwälder Kirsch“ waren. Das Gasthaus diente auch der SWR-Erfolgsserie „Die Fallers“ als Schauplatz für den gezeigten „Gasthof Löwen“. ADRESSE: Im Dürracker 3, 79674 Todtnau, www.dasroessle.de