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Feuer & Flamme für die perfekte Kerze

Sobald es draußen ungemütlich und wieder früher dunkel wird, erhellen wir unser Zuhause gerne mit Kerzenschein. Das sanfte Licht sorgt für Behaglichkeit und streichelt die Seele. Kerzen stehen für Romantik, Besinnlichkeit, Ruhe, Entspannung und Gemütlichkeit. So gar nicht in das behagliche Bild passen will da die Tatsache, dass die große Mehrzahl der im Handel erhältlichen Kerzen aus Paraffin besteht. Denn dabei handelt es sich um ein billiges Nebenprodukt der Erdölindustrie, das zudem im Verdacht steht, beim Abbrennen gesundheitsschädliche Substanzen freizusetzen.

Ein Freund hatte die zündende Idee

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Für Chris Johnson sind Kerzen auf Mineralölbasis ein No-Go. Der gebürtige US-Amerikaner betreibt in der Altstadt von Gernsbach im Murgtal eine DuftkerzenManufaktur und beschäftigt sich schon lange mit dem Thema. „Um ehrlich zu sein, bin ich über einen Umweg darauf gekommen“, verrät der 48-Jährige. Denn ursprünglich war er auf der Suche nach einem ausgleichenden Nebenjob, da er vor einigen Jahren in einen Burn-out geschlittert war und nicht wusste, wie er da wieder rauskommen sollte. Seine Tätigkeit als Therapeut für autistische Kinder hatte ihn sehr gefordert, und als Chris einem Freund von seiner angespannten Lage erzählte, meinte der spontan: „Warum probierst du’s nicht mit Kerzengießen?“ „Das hörte sich total verrückt, aber gleichzeitig superinteressant an“, sagt der WahlSchwarzwälder und muss lachen, als er an das Gespräch zurückdenkt, das sein Leben so verändern sollte.

Chris war sofort Feuer und Flamme für die Idee und begann, alles zu lesen und zu hören, was er über Kerzenherstellung auftreiben konnte. Stundenlang wälzte er Bücher, lauschte Podcasts, recherchierte im Internet. Er merkte schnell: „Kerzenleute teilen nützliche Infos nicht gerne. Es war reinste Detektivarbeit.“ Wie wohl die meisten hatte er sich zuvor kaum Gedanken darüber gemacht, woraus herkömmliches Wachs eigentlich besteht. Doch je mehr er in Erfahrung brachte, desto mehr stand für den Umweltfreund fest: „Paraffin kommt für mich auf keinen Fall in Frage. Ich suche nach einer Alternative.“ Außerdem wollte er seinen ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich halten und mit seinem Produkt keinen Müll erzeugen. „Plastik konnte ich noch nie leiden“, sagt er und rümpft dabei die Nase.

Chris’ Laden befindet sich am Stadtbuckel gegenüber dem alten Gernsbacher Rathaus. Eine Tafel mit den Besonderheiten der Sojawachskerzen weckt die Neugier der Passanten

FOTOS: Christina Feser (2), JoCa

Sie bestehen aus ökologischen Materialien, bilden kaum Ruß, brennen lange und duften sehr angenehm. Jeden Tag erschafft Chris Johnson in Gernsbach Kerzen aus besonderem Wachs

Bei Kerzen kann man viel falsch machen

Nach ausgiebiger Recherche entschied sich der Kerzenneuling für Sojawachs. Gewonnen aus dem Öl der Sojabohne, wird es durch hohen Druck und Temperaturen von bis zu 300 Grad zu einer wachsähnlichen Masse. Dieser nachwachsende, rein pflanzliche Rohstoff ist frei von Palmöl und gesundheitsschädlichen Stoffen wie Herbiziden, Pestiziden und Phthalaten (Plastikweich-

Die Duftkerzen sind „Made im Schwarzwald“, aber schon weit darüber hinaus gefragt

Vom InternetShop zum Ladengeschäft für die Sinne: Seit März 2022 bietet Chris Johnson seine Duftkerzen auf Basis von Sojawachs auch in der Gernsbacher Altstadt zum Verkauf an. Hier können sich die Kunden nach Lust und Laune durchschnuppern. Dazu bekommen sie wertvolle Profi Tipps

Ist das Sojawachs geschmolzen, muss es, sobald das Duftöl untergemischt ist, zügig in die vorbereiteten Gläser gegossen werden

FOTOS: Christina Feser (4), JoCa

Der Echtholzdeckel konserviert den Duft und veredelt das Glas

Kerzentipps von Chris Johnson

5Beim Kauf beachten: Hochwertige Duftkerzen riechen auf keinen Fall stechend oder beißend. Außerdem sollte man das Gefäß umdrehen und auf die Warnzeichen achten. Seit 2021 ist die Kennzeichnung mit dem UFICode in der EU verpflichtend. Hinter diesem verbergen sich alle wichtigen Inhaltsstoffe. 5Pflege: Sojawachs produziert 90 Prozent weniger Ruß und brennt bis zu 50 Prozent länger – aber nur, wenn bei der Kerze alles stimmt. Deshalb: Den Baumwolldocht stets auf einer Länge von fünf bis sieben Millimetern halten und gegebenenfalls mit einer Schere zurückschneiden. Ist der Docht länger, „tanzt“ die Flamme, und die Kerze rußt verstärkt. Auch sollte man die Flamme nicht auspusten. Stattdessen den Docht kurz in das flüssige Wachs tauchen und sofort wieder aufrichten. macher). Im Vergleich zu Bienen- und Stearinwachs ist Sojawachs auch noch vegan und damit das Richtige für Tierliebhaber. Außerdem gibt es weitere gute Gründe, Sojawachs zu bevorzugen, erklärt Chris: „Es rußt gute 90 Prozent weniger und hat eine bis zu 50 Prozent längere Brenndauer als Paraffin. Auch trägt es den Duft sehr gut, was für mich wichtig ist, da ich ja Duftkerzen herstelle.“

Was Chris jedoch nie gedacht hätte, ist, wie viele Fehler man bei der Kerzenherstellung machen kann. „Ich hatte anfangs das falsche Sojawachs, den falschen Docht, und der Schmelzvorgang wollte auch nicht richtig klappen“, erzählt er. Trotzdem blieb er stets zuversichtlich und gab nie auf, denn: „Ich liebe es, herumzuexperimentieren und Lösungen für Probleme zu finden.“

Das Duftöl war eine Herausforderung

Im Keller des Hauses seiner Schwiegereltern richtete Chris sich eine erste Werkstatt ein und probierte, was das Zeug hielt. Es war ein langer Prozess, den der US-Amerikaner heute mit einem breiten Grinsen als typisches „Learning by doing“ beschreibt. Eine besondere Herausforderung war die Dosierung des Duftöls. „Am Anfang lag ich bei zwölf Prozent, dann bei zehn, und heute bin ich schließlich bei acht Prozent angelangt. Das ist perfekt! Wenn man zu hoch dosiert, riecht das nicht nur penetrant, sondern es ist auch gefährlich, da die ganze Kerze in Flammen aufgehen kann“, weiß er aus Erfahrung zu berichten. Zum Aromatisieren verwendet Chris ausschließlich Kerzenduftöle aus Deutschland. Überhaupt sind ihm alle zum Einsatz kommenden Materialien wichtig. So werden die Echtholzdeckel für seine in Glas gegossenen Kerzen in einer Reha-Klinik für suchtkranke Männer im benachbarten Gaggenau gefer-

Für die Befestigung des Dochts am Glasboden verwendet Chris eine kleine Metallscheibe. Sie ersetzt den Klebstoff Einer der Kundenlieblinge: Wird die Kerze „Black Forest“ angezündet, entfaltet sich schon kurz darauf ein frischer Tannenduft

tigt. Stolz ist Chris auch darauf, dass seine Produktion zu 100 Prozent plastikfrei ist. Zuletzt hat er den Kleber, mit dem der Docht bisher am Glasboden befestigt wurde, durch einen Metallring ersetzt. Geht die „duft e Ware“ dann zu den Kunden auf Reise, wird sie in Graspapier gewickelt und auf Maisfl ips gebettet. Auch die verwendeten Papierklebebänder sind plastikfrei. Und zu guter Letzt drückt Chris jedem Paket mit dem Brennstempel noch sein Firmenlogo auf. Von Anfang bis zum Ende der Produktion ist alles reine Handarbeit.

Er ist ein Spezialist – und das ist gut so

Als sich all der Aufwand langsam zu rechnen beginnt, macht Chris Nägel mit Köpfen. Er gibt seine auf Teilzeit reduzierte Stelle ganz auf und weitet den Vertrieb aus. Zusätzlich zum Verkauf auf Märkten und im OnlineShop eröff net er im März 2022 in der hübschen Altstadt von Gernsbach eine Manufaktur. „Ich fertige ein sinnliches Produkt, und in meinem kleinen Ladengeschäft können sich die Leute durch das Angebot schnuppern. Lavendelkerzen gibt es beispielsweiße Tausende. Meinen gebe ich jedoch noch etwas Amber dazu, und dadurch bekommen sie eine ganz besondere Note“, erklärt er. Aktuell umfasst sein Sortiment 16 Düft e. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, seine Angebotspalette um weitere Produkte zu erweitern, schüttelt er den Kopf: „Ich bin ein Spezialist. Ich mache nur Kerzen. Aber das ist für mich völlig in Ordnung, denn ich möchte die bestmögliche Kerze herstellen, die ich machen kann.“

CHRISTINA FESER

KONTAKT „JoCa“-Sojakerzen sind erhältlich in der Hauptstraße 14 in 76593 Gernsbach und auf www.joca-kerzen.com

Chris hat ein gutes Näschen und noch viele weitere Duftideen. Er sagt: „Ich muss mich manchmal bremsen“

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