RECHT SO!
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In dieser Ausgabe: Frische Rezepte Gleichbehandlung Konsequent gegen Gewalt
Zwischen den Zeilen
Arbeit in Würde Sehr passend drehte sich in Magdeburg ein Fall einer Sozialarbeiterin um den Begriff „Würde“. Man kann unterstellen, dass Beschäftigte in einem Sozialamt hierzu klare Erfahrungen machen und an einem würdigeren Leben so mancher ihrer „Kunden“ mitarbeiten wollen. Umso erstaunlicher, dass sich die Dienstherren bei dem durch die DGB Rechtsschutz GmbH geführten einstweiligen Verfügungsverfahren nicht einsichtig zeigten und ihre Versetzung auf einen „unterwertigen“ Job durchboxen wollten. Die Sozialarbeiterin machte ca. fünf Hausbesuche pro Monat. Durch eine gesundheitliche Einschränkung musste sie dabei begleitet werden. Aufgrund weiterer Erkrankungen und der ärztlichen Bescheinigung, dass sie auf Hausbesuche verzichten solle, bekam sie die schriftliche Anordnung, eine andere Arbeit im Amt zu übernehmen. Ihr neuer „Job“ war nicht nur tariflich geringerwertig. Die neue Tätigkeit beschränkte sie auch in ihrer Würde als Mensch. Das sahen die Richter*innen ebenso und gaben ihr Recht, zur freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit im Sinne des Grundgesetzes (Artikel 1 und 2).
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1.500 Euro Jahresgehalt Praktikant*innen sind Arbeitnehmer*innen und verdienen den Mindestlohn, wenn keine Ausnahmetatbestände vorliegen. Für einen Praktikanten in Hamm brachten der Mindestlohn und Verzugspauschalen letztlich fast 16.000 Euro. Der Mandant von Andreas Kapeller, Rechtsschutzsekretär im Büro Hamm, hatte im Oktober 2014 ein Praktikum begonnen und startete neun Monate später beim gleichen Unternehmen seine Berufsausbildung zum Mediengestalter für Digital- und Printmedien. In den ersten elf Monaten bekam er 1.500 Euro brutto – als Gesamtsumme. Das macht unter dem Strich weniger als 200 Euro im Monat bei einer 35 Stunden-Woche. Nachdem die Zahlungen für die Ausbildung im Juli 2017 eingestellt wurden, reichte es. Vor Gericht machte er Arbeitsentgelt nach dem Mindestlohn und fehlende Ausbildungsvergütung geltend.
1.296 Stunden „Arbeit“ „Es handelte sich immerhin um 9.516 Euro Nachzahlung für seine Zeit als Praktikant. Das entsprach dem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro für die Monate von Januar bis August 2015, in denen er 1.296 Arbeitsstunden verrichtet hatte“, betont Andreas Kepeller und erklärt: „Der Weg in kreative Berufe ist kein einfacher. Praktikumsverhältnisse sind an der Tagesordnung.“ Auch deshalb ist seit 2015 der Praktikumsbegriff durch das Mindestlohngesetz (MiLoG) genau geregelt. Grundsätzlich sind Praktikant*innen Arbeitnehmer*innen und mit dem Mindestlohn zu vergüten. Das gilt nur dann nicht, wenn Ausnahmetatbestände gemäß § 22 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 MiLoG vorliegen. Hier ist der Arbeitgeber in der Pflicht, dies nachzuweisen.
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nach dem Abschluss des Praktikumsvertrags in Kraft trat, hielt vor Gericht nicht Stand. Das MiLoG wurde durch Artikel 1 des Tarifautonomiestärkungsgesetzes vom 11. August 2014 eingeführt. Das hätte ein Arbeitgeber im Oktober des gleichen Jahres wissen müssen. Somit hatte dieser die Aufgabe, die Ausnahme vom Mindestlohn nachzuweisen. Das gelang vor Gericht in keiner Weise. Weder nach der Dauer, noch nach dem Sinn und Zweck des Praktikums konnte der Arbeitgeber die Ausnahme erklären. Es lag keine ausbildungsrechtliche Verpflichtung zum Praktikum vor; auch zur Vorbereitung auf die Berufsausbildung diente es nicht. § 22 MiLoG erkennt nur ein Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung an, wenn dies nicht länger
Cartoon: Harm Bengen
als drei Monate dauert. Unstrittig hatte der Arbeitgeber gegen das Mindestlohngesetz verstoßen. Schön, wenn Fälle der DGB Rechtsschutz GmbH so eindeutig neuere gesetzliche Errungenschaften auf den Punkt bringen. Für den Praktikanten gab es neben der Zahlung für seine Praktikumszeit auch 5.192,84 Euro Nachzahlung von Ausbildungsvergütung für die Monate von August 2015 bis einschließlich Juli 2017. Und einen weiteren Bonus konnte Andreas Kapeller vor Gericht durchsetzen: die Verzugsschadenpauschale für den gesamten Zeitraum, welcher immerhin in der Summe 30 Monate umfasste. Das führte zur Zahlung von weiteren 1.200 Euro netto. Landesarbeitsgericht Hamm, am 8. August 2018, Az.: 3 Sa 378/18
VERZUGSPAUSCHALEN
Nach § 288 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) haben „Gläubiger einer Entgeltforderung bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro.“ Die Richter*innen am Landesarbeitsgericht Sinn eines Praktikums Hamm sahen diesen Paragraphen auch Die Hauptargumentation des Ar- im Arbeitsrecht als anwendbar an. Webeitgebers, dass das MiLoG erst nig später hat das Bundesarbeitsgericht
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Der gesetzliche Mindestlohn steigt zum 1. Januar 2019 auf 9,19 Euro. Dann ist auch die Übergangsfrist für Tarifverträge, die Löhne unter dem gesetzlichen Mindestlohn vorsehen, ausgelaufen.
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in einer anderen Angelegenheit dieser Ansicht im September 2018 zwar widersprochen (vgl. BAG-Urteil vom 25. September 2018, Az.: 8 AZR 26/18). Einige erstinstanzlichen Gerichte wenden sich jedoch gegen diese Entscheidung und erkennen weiterhin den Anspruch von Beschäftigten auf Zahlung einer Verzugspauschale gegen Arbeitgeber bei verspäteter Entgeltzahlung an.