Recht So! 1/2018

Page 1

RECHT SO!

G EMEI N SAM. ZIELE. ER R EICH EN.

Zwischen den Zeilen

Sprengstoff Keine Sorge, im Folgenden geht es weder um Gebäudeabrisse noch um Terror. Ein bestimmter Sprengstoff steht in dieser Ausgabe aber dennoch besonders im Mittelpunkt: Sprengstoff, der Gewerkschaften auseinanderreißen soll, der gezielt eingesetzt deutschen Mitbestimmungsrechten in den Weg gestellt wird – auf Englisch: Union Busting (Gewerkschaften sprengen). Neben Informationsangeboten des DGB beschäftigt sich auch die DGB Rechtsschutz GmbH ausführlich mit dem Thema. Immerhin geht es um Auseinandersetzungen, die meist vor Gericht landen. Besonders häufig werden diese Streitigkeiten mit dreisten Arbeitgeber-Anwälten geführt. Ein prominenter Vertreter, der durch eine umfassende Berichterstattung immerhin aktuell etwas verstummt ist, ist der Autor von Büchern wie „Die Kündigung von Unkündbaren“ und „Schwarzbuch Betriebsrat“. Mit Helmut Naujoks und seinen dubiosen Methoden, angehende Betriebsräte oder Beschäftigte einzuschüchtern, haben zahlreiche Rechtsschutzsekretär*innen Erfahrungen gemacht. Meist mit der Erkenntnis, dass viel heiße Luft hinter der Vorgehensweise steckt. Es ist nicht schwer, Gerichte mit Anträgen zu überfluten, mit Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe Menschen einzuschüchtern. Im Sitzungssaal angekommen, zeigt sich dann jedoch das Unsubstanzielle, die Unkenntnis und die Plumpheit dieser Versuche, Mitbestimmung zu verhindern. Auch die DGB Rechtsschutz GmbH ermutigt, sich in Betriebsräten einzusetzen – und steht stets an deren Seite. Hier finden sich ein paar besonders dreiste Fälle aus der Arbeit der Rechtsschutzsekretär*innen zu dem Thema:

www.stopunionbusting.de

Anfechtung vermeiden Eine Betriebsratswahl ist unwirksam, wenn die Stimmauszählung zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt ist, als zuvor angekündigt. Allerdings ist sie nicht nichtig. Nur ein Fall von vielen, wo bei Betriebsratswahlen Vorsicht geboten ist. Das Arbeitsgericht Hagen hatte in einem Wahlanfechtungsverfahren entschieden, dass die Wahl unwirksam sei. Der Wahlvorstand hatte versehentlich eine Stunde früher mit der Stimmauszählung begonnen, als zuvor bekannt gemacht worden war. Darin sah das Gericht einen Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit bei der Stimmauszählung. Da dieses Gebot in § 18 Absatz 3 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vorgegeben sei und es sich dabei auch um einen wesentlichen „Wahlanfechtungen sind vermeidbar, wenn der WahlWahlgrundsatz handele, sei insge- vorstand sorgfältig und geduldig arbeitet.“ Teamleiter samt nicht von einer korrekten Wahl Michael Mey vom DGB Rechtsschutz Büro in Hagen. auszugehen. „Unverzüglich nach Abschluss der Wahl nimmt der Wahlvorstand öffentlich die Auszählung der die Beschwerde zurück, denn es hatte einen Stimmen vor, stellt deren Ergebnis in einer Nie- Rechtsmissbrauch nicht erkannt. Allerdings wurde auch die Beschwerde des derschrift fest und gibt es den Arbeitnehmern des Betriebs bekannt“, so das Gesetz. Gegen die- Arbeitgebers zurückgewiesen, der aufgrund des sen Grundsatz hatte der Wahlvorstand verstoßen. Fehlers sogar die Nichtigkeit der Wahl festgestellt haben wollte, wie Michael Mey, Teamleiter Rechtsmissbrauch des Arbeitgebers? im Büro Hagen, zusammenfasst: „Und das ist ein Der Betriebsrat hatte gegen den Beschluss des wichtiger Punkt: Bei einer rechtskräftigen NichArbeitsgerichts Hagen Beschwerde eingelegt, tigkeit steht fest, dass die Wahl ungültig war. da er in der Wahlanfechtung des Arbeitgebers Dies hat dann jedoch auch rückwirkende Kraft. ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen gesehen Das bedeutet, dass bisherige Aktivitäten des Behat. Der Geschäftsführer hatte nämlich die triebsrats so zu behandeln sind, als ob sie von Wahlanfechtung betrieben, obwohl er von dem Anfang an unLandesarbeitsgericht Hamm, vorgezogenen Auszählungstermin Kenntnis wirksam gewe30. Januar 2015, Az.: 13 TaBV 46/14 hatte. Das Landesarbeitsgericht Hamm wies sen wären.“

Foto: DGB Rechtsschutz GmbH, Frank Ott

In dieser Ausgabe: 10 Jahre auf höchsten Ebenen Recht für Betriebsräte Grundlegende Mitbestimmung

WAHLANFECHTUNG ODER FÜR NICHTIG ERKLÄRT Bestehen Zweifel daran, dass ein Betriebsrat ordnungsgemäß gewählt ist, gibt es zwei Möglichkeiten zur Klärung dieser Frage beim Arbeitsgericht: über eine Anfechtung der Wahl oder über einen Antrag, die Wahl für nichtig zu erklären. Neben einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft und den Arbeitgebern können auch drei wahlberechtigte Arbeitnehmer*innen die Wahl anfechten. Eine Anfechtung ist nur innerhalb einer Frist von zwei Wochen

1_18

Ausgabe 1_18

www.dgbrechtsschutz.de

nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses möglich. Hat die Anfechtung Erfolg, steht fest, dass die Wahl ungültig war. Diese Wirkung besteht aber nur für die Zeit nach der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts. Bis dahin ist der (eigentlich ungültig gewählte) Betriebsrat im Amt. Alles, was er bis dahin macht, bleibt wirksam. Bei einer festgestellten Nichtigkeit der Wahl wird die Ungültigkeit auch rückwirkend festgestellt.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Recht So! 1/2018 by DGB Rechtsschutz GmbH - Issuu