RECHT SO!
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Zwischen den Zeilen
Aus 2 mach 1
Cartoon: Harm Bengen
Die einfachste Form des Teilens ist Halbieren. Das klappt bei Brot noch ganz gut, wird bei Verantwortung schon ganz anders. Der Chef zweier Hausmeister wendete dieses Prinzip äußerst dreist an: „Für zwei Vollzeitstellen ist nicht genügend Arbeit da!“ Das war es. Mehr meinte der Arbeitgeber seinem Betriebsrat nicht mitteilen zu müssen. In der Folge erhielt ein Hausmeister die Änderungskündigung. Aus 39 sollten 19 Arbeitsstunden pro Woche werden. Blöd, dass der Hausmeister schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 70 ist, und sich diesen Umgang nicht gefallen ließ. Das Bamberger Büro der DGB Rechtsschutz GmbH begleitete seinen Fall bis vor das Landesarbeitsgericht Nürnberg. Dort fiel die Scheinheiligkeit des Arbeitgebers auf: Die „dringenden betrieblichen Erfordernisse“ hielten keiner Überprüfung stand. Er konnte nicht erklären, warum sich die Arbeit für zwei Hausmeisterposten drastisch geändert hätte – und warum das auch in Zukunft so sei. Angeführte abgeschlossene Renovierungsarbeiten hätten ja noch Sinn ergeben. Aber warum erforderliche Wartungsarbeiten auf einmal um mehr als die Hälfte reduziert sein sollten, brachte die Richter*innen nur zum Kopfschütteln. Und besser noch: Mit der Bekanntgabe, dass er dem Hausmeister kündigen würde, war für den Arbeitgeber auch die Betriebsratsanhörung durch. Ziemlich frech – und letztlich ziemlich wirkungslos. Der Hausmeister darf mit all seinen Stunden bleiben.
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Alles für den Joberhalt Bevor Arbeitgeber betriebsbedingt kündigen, müssen sie Fortbildungsmaßnahmen oder Stellen zur Weiterbeschäftigung anbieten. Das gilt erst recht im Zeitalter der Digitalisierung. Sind die Kenntnisse einer Bürokauffrau weniger wert als die einer Kauffrau für Büromanagement? In den Augen eines Verlagshauses in der Oberpfalz offensichtlich ja. „Dabei sind das nur zwei unterschiedliche Bezeichnungen für ähnliche Ausbildungsberufe. Seit 2014 heißt es nun mal Büromanagement“, sagt Kerstin Bauer. Die Rechtsschutzsekretärin im Büro Weiden erstritt die Weiterbeschäftigung einer Bürokauffrau nach einer betriebsbedingten Kündigung.
Digitalisierung als Kündigungsgrund Ihre Mandantin sollte nach der Einführung einer neuen Finanzbuchhaltungssoftware wegrationalisiert werden. Dabei war dem Verlagshaus egal, dass die Kollegin seit mehr als 23 Jahren im Unternehmen arbeitete. Der Betriebsrat sah Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, bemängelte die Sozialauswahl und widersprach den Absichten des Arbeitgebers während der Betriebsratsanhörung. Dennoch landete der Fall vor Gericht.
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In dieser Ausgabe: Netzwerken im Großformat Die gerechtere Beurteilung Rechtliche Sicherheit
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Eine neue Software ist noch lange kein Grund für eine betriebsbedingte Kündigung.
Soziale Aspekte ignoriert
Das hat nichts mit Sozialauswahl zu tun. Gerade durch die lange Beschäftigungsdauer sei die Gekündigte besonders schützenswert. Das sahen die Richter*innen ebenso. „Ein klarer Fall, der aber einen Zustand beschreibt, der wohl in Zukunft häufiger vor Gericht landet“, meint die Veraltetes Wissen ist kein Grund Rechtsschutzsekretärin. „Neue Software und Dort argumentierte der Arbeitgeber mit verän- neue Arbeitsprozesse bieten in den Augen von derten Anforderungsprofilen im Bereich Rech- Arbeitgebern die perfekte Chance, ältere Benungswesen und Controlling. „Und vor allem schäftigte loszuwerden. Dank des Kündigungsdamit, dass die Kenntnisse unserer Mandantin schutzgesetzes ist das jedoch nicht so leicht, veraltet seien“, so Kerstin Bauer. „Das reicht wie die meisten denken.“ natürlich nicht, um eine betriebsbedingte KündiArbeitsgericht Weiden gung zu rechtfertigen.“ Vor Gericht wurden fünf am 1. Februar 2018, Az.: 2 Ca 440/17 Stellen identifiziert, die eine Weiter„BETRIEBSBEDINGT“ beschäftigung der Bürokauffrau ermöglicht hätten. Dort wurden konkrete Kolleg*innen benannt, die Wo „betriebsbedingt“ argumentiert wird, müssen befristet angestellt oder kurz vor zahlreiche Voraussetzungen erfüllt sein. Das Kündidem Eintritt in die Altersrente gungsschutzgesetz sieht u.a. vor, dass den Betroffewaren. Hiergegen stellte sich das nen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten angeboten Unternehmen mit oberflächlichen werden müssen, beispielsweise freie vergleichbare Aussagen zu den Fähigkeiten der Arbeitsplätze, selbst zu geänderten (schlechteren) jeweiligen Beschäftigten. Zwei Jahre Arbeitsbedingungen. Dazu gehören auch befristete würde die Bürokauffrau wohl brau- Arbeitsverhältnisse, deren Befristungen innerhalb chen, um sich weiterzubilden und der Kündigungsfrist auslaufen. Darüber hinaus soll auf den gleichen Wissensstand zu bei der hier erforderlichen Sozialauswahl die Dauer kommen. Eine echte Begründung der Betriebszugehörigkeit berücksichtigt werden. Zufür diese Ansicht brachte der Arbeit- mutbare Fortbildungsmaßnahmen sind ebenfalls ein geber vor Gericht nicht. Mittel, um eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen.
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