
3 minute read
Zum Rhytmus des Lebens gehen
LA NEFERA
ZUM RHYTHMUS DES LEBENS GEHEN
Umwege zu laufen gehört zu meinem Repertoire. Meiner Intuition folgend hinterlasse ich unauffällig kleine Spuren an Orten, die mehr Geschichte in sich bergen als die bekannten Sehenswürdigkeiten dieser Stadt.
Indem ich mich durch verschiedene kleine Gassen schlängle, gestalte ich meine eigenen Wege. Auf der Suche nach neuen Routen lasse ich mich von unterschiedlichen Reizen leiten, die erst entdeckt werden wollen. Mit neugierigem Blick erkunde ich die Umgebung, bis mich an einer Tramhaltestelle eine Dame nach dem Zweck meiner Suche fragt. Ohne zu zögern erkläre ich, dass ich den pulsierenden Rhythmus der Stadt erkunden möchte – mal in gemächlichem Tempo, dann wieder eilig, mal zögerlich, manchmal sogar tanzend. Diesmal begleitet mich der fröhliche Gesang einer Strassenmusikerin an der Ecke.
Ihr Gesang wird vom wütenden Rufen einer demonstrierenden Menschenmenge übertönt, die sich nähert. An vorderster Linie werden Flugblätter verteilt. Das Lied von JLo erklingt aus den Lautsprechern: «Let’s Get Loud». Die genaue Anzahl der Schritte ist mir entfallen, doch ich erinnere mich an die vielen, die ich auf den Strassen vom Barfi bis zum Dreirosenareal gegangen bin, getrieben von den Themen, die mich bewegen. Ohne die Menschen neben mir persönlich zu kennen, marschierte ich Schulter an Schulter mit Vertreter*innen unterschiedlichster Stimmen, die bisher kein Gehör gefunden haben. Uns vereinte der gemeinsame Wunsch nach Veränderung, obwohl die Furcht davor in uns allen schlummert. Doch so, wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben! Das ist so klar wie das Wasser des Rheins an einem sommerlichen Tag. Ich begleite die Demonstration bis zur Mittleren Brücke und fühle mich dort wie magisch vom glitzernden Wasser angezogen.
Leicht schwebend lasse ich mich im Fluss vom rhythmischen Tanz des Wassers treiben. Meine Ohren verweilen im Lauschen der Unterwassergeräusche. Ich versuche mir vorzustellen, was die anderen Menschen im Wasser bewegt. So viele Lebenswelten auf engstem Raum, die nichts voneinander wissen. Doch sie alle suchen dasselbe – eine erfrischende Abkühlung, die Entspannung nach dem täglichen Kampf. Menschen mit prall gefüllten und eher schmalen Geldbörsen lassen den Tag am Ufer des Rheins ausklingen. Sie alle geniessen gleichermassen den atemberaubenden Sonnenuntergang. Die äusseren Umstände mögen verschieden sein, doch die Emotionen scheinen bei uns allen erstaunlich ähnlich. Worin liegen die Unterschiede, wenn wir das Materielle einmal beiseitelegen?
Eine kleine Gruppe musiziert, und die lateinamerikanischen Klänge üben eine magische Anziehungskraft auf die Menge aus. Die Tanzschritte aus dem Salsakurs werden mit Begeisterung präsentiert, begleitet von fröhlichen Gesichtern. Jedoch scheinen die Mienen der Musiker*innen nicht so strahlend zu sein, wenn sie einen Blick in den Hut werfen. Ein Gefühl, das mir nur allzu bekannt ist, wenn ich die Gagen für meine eigenen Konzerte aushandle. Die Frage drängt sich auf: Inwieweit gelingt es den anwesenden Personen, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten?
Morgen früh wird die Sonne wieder aufgehen. In welchem Rhythmus wirst du dich bewegen?
LA NEFERA bürgerlich Jennifer Perez, leitet ihren Namen von Nefertiti, der ägyptischen Königin, ab. Geboren und aufgewachsen in der Dominikanischen Republik, hat die vielseitig engagierte Musikerin stets ein Stück ihrer Kultur bewahrt. In der Schweizer Musikszene ist sie längst durch ihren EmpowermentRap bekannt. Im Jahr 2020 erhielt sie den Förderpreis Musik des Kantons Basel-Landschaft 2022 den Basler Pop-Preis.