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Begleiten Sie mich auf meiner Reise

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Andi all'arrabiata

Andi all'arrabiata

SONJA SCHÖPFER

BEGLEITEN SIE MICH AUF MEINER REISE

Guten Tag, darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Mira und ich habe grosses Glück, dass ich nicht einfach nach einer Nummer benannt bin, ist es doch viel persönlicher so. Stellen Sie sich vor, ich habe bereits einen weiten Weg hinter mir. Geboren wurde ich im Kopf einer wirklich coolen Designerin – diese Frau hat Stil. Es waren mehr als 200 Arbeitsschritte bis zu meiner Vollendung nötig. Dann der grosse Tag an der Messe in Paris. Ich, aber auch meine Schwestern wurden von vielen Menschen neugierig gemustert, in die Hände genommen, aufgesetzt und auf angenehme Haptik geprüft. Den beiden Einkäuferinnen bin ich sofort ins Auge gestochen – und das, obwohl sie an diesem Tag bestimmt schon über tausend Brillenfassungen angeschaut hatten. Ja, das spricht für mich, ich mache wirklich eine gute Falle! Flott verpackt, reise ich zusammen mit ein paar Freundinnen nach Basel.

Kaum ist der Karton geöffnet, schauen uns neugierige Augen an. Buh, endlich wieder Tageslicht. Was bin ich froh, frische Luft zu schnuppern. Nicht nur das, die freuen sich hier, dass wir nun zum Ramstein-Inventar gehören. Und schwuppdiwupp – ich bin noch nicht mal ausgezeichnet – werde ich zusammen mit zwei Konkurrentinnen auf ein Holztablar gelegt und einer jungen Baslerin präsentiert: «showtime»! Fällt mir leicht, denn meine Designerin hat mir das in die Wiege gelegt. 1356, ein armes Ding mit Nummer statt Name auf dem Brettchen neben mir, tut sich da viel schwerer, besticht jedoch durch schlichte Eleganz. Wir beide sind sogenannte Unisexbrillen, was bedeutet, dass wir sowohl von einer Frau als auch von einem Mann getragen werden können. Wir sind also ganz zeitgemäss und passen in die Gender-fluid-Generation. Die dritte im Bunde ist die hochnäsige Caty mit Cateye-Form, fühlt sich zu Besserem berufen und ist überzeugt, das Rennen zu machen. Die Kundin setzt uns nacheinander auf ihre Nase und ist überrascht, wie gut wir drei ihr stehen. Sie wirkt mit jeder komplett anders. Ich lache mir ins Fäustchen, denn mit der Caty fühlt sie sich zu zickig und sortiert sie aus. Caty lässt beleidigt verlauten, dass sie sich eh lieber mit einer reiferen, eleganteren Frau einlasse. Es gibt noch weitere Casting-Runden und ich lerne andere eigenwillige und attraktive Kolleginnen kennen. Und doch bleiben 1356 und ich bis zum Schluss im Rennen. Erst vor dem grossen Spiegel entscheidet sich die Baslerin dann für mich – Liebe auf den ersten Blick! Natürlich fühle ich mich sehr geehrt, doch es heisst leider auch Abschied nehmen von meinen Liebsten. Mit dem Warenlift geht es hoch ins Atelier, wo ich von einem Computer abgetastet werde. Das kitzelt wie verrückt und ich muss mich beherrschen, dass ich die Contenance nicht verliere. Doch schon bald bin ich dank flinken Händen mit dünnen, leichten Kunststoffgläsern bestückt. Eigentlich bin ich erst jetzt wirklich erwachsen. Genau noch eine Nacht darf ich hier in diesem wunderbaren Geschäft verbringen. Sowas von schade, wir hätten noch etliche prima Partynächte zusammen feiern können. Doch meine Bestimmung ist, dass ich die junge Baslerin so richtig glücklich mache. Ich hoffe fest, dass sie mich mit dem gebührenden Respekt behandelt und wir beste Freundinnen werden, die zusammen durch dick und dünn gehen. Aber jetzt wird erst mal so richtig gefeiert!

SONJA SCHÖPFER gehört der Geschäftsleitung von Ramstein Optik an. Seit Jahren ist sie mit viel Herzblut verantwortlich für den innovativen Einkauf eines exklusiven Brillensortiments.

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