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We are Family

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Andi all'arrabiata

Andi all'arrabiata

BARBARA JENZER

WE ARE FAMILY

Ein Porträt von Dieter Bopp

Barbara Jenzer hat das Lehrer:innenseminar besucht, als Hauswirtschaftslehrerin gearbeitet und war vegetarisch unterwegs, bis ihr Christoph Jenzer vor über dreiunddreissig Jahren über den Weg lief. Ganz konfliktfrei scheint die erste Begegnung nicht gewesen zu sein. «Wie geht es Deinen Säuli?», war eine der ersten Fragen, die die damalige Vegetarierin an den Metzgersohn in vierter Metzgergeneration richtete. Wir wissen nicht, wie Christoph Jenzer darauf reagierte, verbrieft ist jedoch, dass diese Frage der Grundstein für das nachhaltige und regionale Konzept der Metzgerei aus Arlesheim war.

Wie kommt also eine vegetarisch lebende junge Frau, heute Flexitarierin, mit diesem Widerspruch zurecht? Der Mann ist nun mal Metzger. Die Liebe ist sicher eine Antwort. Eine weitere die Überzeugung, einen 126-jährigen Metzgereibetrieb erfolgreich, nachhaltig, verantwortungsbewusst und für Kund:innen transparent ins 21. Jahrhundert führen zu können.

Mit dem Fleischkonsum im Allgemeinen ist es ja so eine Sache – vor allem heute in moralisch aufgeladenen Zeiten. Hierzulande verkaufen die Grossverteiler siebzig Prozent des an zwei Standorten produzierten Schweizer Fleisches. Das bedeutet, dass die Tiere im Durchschnitt einhundert bis zweihundert Kilometer zum Schlachtort transportiert werden müssen. Die Verteilung in die Filialen der Konzerne packt nochmals bis zu zweihundert Kilometer drauf. Bis Ihr Kotelett aus dem Grossverteiler auf Ihrem Teller liegt, kann es also gut und gerne ein viel gereistes Stück Fleisch sein – und diese Kilometer sind wohlgemerkt golden im Vergleich zur EU. Was ist die Antwort der Metzgerei Jenzer darauf? Sie beginnt bei der Auswahl von Partnern, die eine artgerechte, regionale Tierhaltung garantieren, geht über die Fütterung mit natürlichen Nahrungsmitteln zu kurzen Transportwegen und endet bei der Weiterverarbeitung in der eigenen Metzgerei. Schöne Absichten, denken Sie jetzt vielleicht. Die Gedanken zu unserem Konsum und zu uns als Gesellschaft hören bei Barbara und Christoph Jenzer jedoch nicht beim Tier auf: Die Rinder und Kälber stammen von Bauernhöfen in der Nordwestschweiz, Kälber aus dem Baselbiet, was für kurze Wege und wenig Transportbelastung sorgt. Auf betrieblicher Ebene hat sich in den letzten Jahren der Heizenergieverbrauch der Metzgerei und des Gasthofs auf einen Drittel reduziert, sechzig Prozent der Wärme wird durch Wärmerückgewinnung produziert, fünfundzwanzig Prozent an Strom eingespart und der Wasserverbrauch bei der Produktion der berühmten Goldwurst um fast sechzig Prozent gesenkt. Zusammen mit dem Metzgermeisterverband beider Basel, regionalen landwirtschaftlichen Betrieben und den Metzgereien Andrist, Zimmermann, Henz und Schaad entsteht in Füllinsdorf das energieautarke «Metzgerhuus Stadt & Land». Ein kleiner Schlachthof mit einer Fleischwerkstatt und einem Laden, 365 Tage geöffnet, mit Selbstbedienung und freitags und samstags bedient, an dem die Metzgerei Jenzer Mehrheitsaktionärin ist. Innovativ und risikofreudig waren sie schon immer, die Jenzers. Manchmal sind sie aber auch ihrer Zeit zu weit voraus. Anfang der Neunzigerjahre experimentierte Christoph Jenzer an Gemüseburgern herum. Die Produkte waren damals nicht so erfolgreich. Heute sind sie ein beliebter und fester Bestandteil des Angebotes, zu dem auch vegane Produkte gehören. Eine gute Idee, wenn man davon ausgeht, dass der Fleischkonsum in den nächsten zwanzig Jahren vielleicht um fünfzig Prozent zurückgeht.

Wenn wir schon in die Zukunft schauen: Eine Herzensangelegenheit ist für Barbara Jenzer die Berufs- und Weiterbildung junger Menschen. Dafür brennt sie. Zurzeit werden in der Metzgerei und im Gasthof sechzehn Lernende in fünf verschiedenen Berufen ausgebildet. Sie meint dazu nicht ganz uneigennützig: «Wir bilden unsere Zukunft selber aus, viele Ausgelernte kommen nach ihren Wanderjahren gerne zu uns zurück.» Neben ihren Aufgabengebieten im Metzgerei- und Gastronomiebetrieb wie Personal, Events, Aus- und Weiterbildung bikt sie gerne über die Hügel des Birstals oder streckt sich beim Yoga. Eine weitere Leidenschaft ist das Grillieren. Sie ist begeistert davon, bereitet vom Apéro bis zum Dessert alles auf dem Grill zu, denkt sich in ungezählten Versuchen neue Rezepte aus und gibt dazu Kurse auch nur für Frauen.

Überhaupt experimentieren alle in der fünfköpfigen Familie gern. Zentrum ist dabei die Kochinsel in der Küche der Wohnung über ihrem Gasthof zum Ochsen, der seit über hundert Jahren der Familie gehört. Dort wird kontrovers debattiert, gekocht, Rezepte werden diskutiert und ausprobiert. Insofern ist es naheliegend, dass die Maturarbeit der jüngsten Tochter ein Ratgeber zum Thema Food Waste ist, der Rezepte und Tipps im Umgang mit Abfall und Klimaschutz enthält. Vielleicht liegt es an diesem Austausch und der offenen Atmosphäre in der Familie, dass sich alle drei Kinder für einen Beruf in der Gastro-, Hotel- und Fleischwirtschaft entschieden haben. Ihnen gehört auch die Zukunft der beiden Familienbetriebe, in denen rund die Hälfte weiblich ist. Es sei denn, die Liebe macht einem von ihnen einen Strich durch die Pläne. Könnte ja sein. Für Barbara und Christoph Jenzer wäre das aber kein Weltuntergang, schliesslich kennen sie die Macht der Liebe. Love is the Key.

BARBARA JENZER ist in Muttenz geboren. Sie führt zusammen mit ihrem Mann die Metzgerei Jenzer und den Gasthof Ochsen in Arlesheim. Nebenbei ist sie im Vorstand HotellerieSuisse Basel und Region für Berufsbildung und Nachwuchs verantwortlich und im Gewerbeverein Arlesheim im OK Dorfmärkte.

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