kmuRUNDSCHAU 02/2021

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AUSGABE 02  / 2 021

ÜBERRASCHEND ANDERS DIGITALISIERUNG UND MARKETING

ERP-LÖSUNGEN | E-LASTWAGEN | ROLLENBILDER | LEADERSHIP | SICHERHEIT IM HOME OFFICE


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LIEBE LESERIN, LIEBER LESER, Die Zahlen und die Sprache sind eindeutig: Die Stiftung Werbestatistik Schweiz verzeichnet für das letzte Jahr in sämtlichen ausgewiesenen Medien­ gattungen einen signifikanten Umsatzrückgang. In der ersten Hälfte dieses Jahres dürfte das nicht viel anders aussehen. Klassische Vertriebler und Marketingexperten haben einen schweren Stand – auch bei uns.

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Digitalisierung Schlag auf Schlag.

Das Ausmass des Umsatzrückgangs hängt unter anderem mit der Nutzung und der Distributionsform einer Mediengattung zusammen. Die gemeldeten Netto-Werbeumsätze betrugen insgesamt 3.73 Milliarden CHF. Dies ent­ spricht einem aussergewöhnlich starken Rückgang gegenüber dem Vorjahr um 724 Millionen CHF beziehungsweise 16.2 Prozent. Diese Entwicklung ist primär auf die Gegebenheiten rund um die Corona-Pandemie zurückzu­ führen. So verbuchten sämtliche ausgewiesenen Mediengattungen Umsatz­ rückgänge. Deren Ausmass war aber unterschiedlich. Hier hat die Pandemie Entwicklungen, die vorher schon sichtbar waren, nur verstärkt. Die stark von den Massnahmen gegen die Corona-Pandemie betroffene Kinobranche verzeichnete einen Werbeumsatzrückgang von 70.6 Prozent. Ebenfalls höhere Rückgänge verbuchten die Mediengattungen Radio (– 26.7 Prozent), Aussen­ werbung (– 22.8 Prozent), Presse (– 21.3 Prozent) sowie Werbe- und Promo­ tionsartikel (– 19.7 Prozent). Die geringsten Umsatzrückgänge wiesen das Fernsehen (– 12.5 Prozent), die Online-Werbung (– 10.9 Prozent) sowie die Direktwerbung (– 6.7 Prozent) auf. Viele Unternehmensverantwortliche flüchten in dieser dramatischen Situa­ tion von einer Sparrunde zur nächsten. Nur leidet dadurch eher früher als später die Qualität und Kundinnen und Kunden wenden sich mit Grausen ab. In unserer Medienbranche kann man dies seit Jahren beobachten. Wir präsentieren in unserem Marketingschwerpunkt demgegenüber Beispiele, wie Akteure in betroffenen Branchen nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern mit innovativen Konzepten punkten. Dabei spielt die zunehmende Digitalisierung eine entscheidende Rolle – ein Game Changer.

Georg Lutz

Chefredaktor kmuRUNDSCHAU

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rhöhen Sie die Schlagzahl bei der Digitalisierung Ihrer Unternehmensprozesse. Die ELO ECM Suite 21 bringt neue Technologien, bessere Zusammenarbeit und die nahtlose Anbindung in Ihre IT-Landschaft mit. Digitalisierung geht jetzt Schlag auf Schlag.

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KOMMENTAR

Alesca – Audio Fidelity alesca.ch

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KOLUMNE

BØRRESEN 02

Ausgabe 2/2021 // Seite 3


INHALT DATEN ALS GRUNDLAGE Daten spielen heute zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort eine zentrale Rolle, ob wir nun als Einzelperson oder als Unternehmen agieren. Daten sind überall beteiligt – die voranschreitende Digitalisierung beschleunigt diesen Prozess. Gleichzeitig sind sie von immensem Wert, sagen sie doch viel über uns aus. Wie werden sie erfasst und vor allem genutzt? Eine Betrachtung der Entwicklungen in Tourismus, Medien und Branding.

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HANDLUNGSDRUCK NIMMT ZU Vorsorge bedeutet, mit bestimmten Massnahmen eine spätere materielle Notlage nach Möglichkeit zu vermeiden. Seit einigen Jahren zeigen Umfragen immer wieder den gleichen Trend. In der Schweiz machen sich jüngere und ältere Personen zunehmend ernsthafte Sorgen um die Erreichbarkeit dieses Ziels. Zu Recht, wie wir meinen. Die Altersvorsorge ist heute keineswegs nachhaltig ausgestaltet – auch wenn dies politisch immer wieder gebetsmühlenartig behauptet wird.

NEUE WEGE GEHEN Wer das Kürzel ERP hört und nicht IT-Expertin oder -Experte ist, denkt oft an eine grosse Software. Vereinfacht gesagt bedeutet Enterprise Resource Planning erst einmal, die im Unternehmen vorhandenen Ressourcen und Prozesse zu steuern. Das hört sich in der Theorie gut an, bietet aber in der Praxis viele Stolpersteine. Im Interview mit Jean-Claude Flury, dem DSAG-Vorstand in der Schweiz, räumen wir diese aus dem Weg.

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SICHERHEIT IM HOME OFFICE Die Covid-19-Pandemie hat unser Leben nachhaltig verändert: New Work ist das Gebot der Stunde und wird uns noch lange begleiten. Die Arbeit von zuhause bietet aber auch neue Hürden. Jede Interaktion, jeder Datenaustausch muss gut gesichert geschehen, ohne die Qualität der Arbeit zu beeinflussen. Hier kommen Herausforderungen auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu.

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INHALT ROLLENVORBILDER IM WANDEL Chancen – für sie und ihn. Doch sind sie gleich? Gesellschaftlich etablierte Erwartungen an das Verhalten, das Tun und Lassen von Mann und Frau sind in der Schweiz in Bewegung. Das ist ein erster Schritt in Richtung Gleichheit, Chancengerechtigkeit und Freiheit. Doch wie liberal ist die Schweiz wirklich? Wo gibt es Aufholbedarf? Und wie gelingt der Dialog auf Augenhöhe?

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MEHR ALS EINE WORTHÜLSE

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RUBRIKEN Editorial 1 Highlight 12 Marcom 28 Business Portrait 30 Die Welt der Finanzen 30 Software & Hardware 42 IT-Sicherheit 62 Menschen in Unternehmen 66 Unternehmen unterwegs 106 Global & Lokal 114 Kommentar 8, 9 Kolumnen 10, 27, 41, 73, 95 Impressum 128

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Inzwischen sehen wir immer mehr E-Autos auf den Strassen. Und die öffentlichen Verkehrsbetriebe schaffen sich in den nächsten Jahren Elektrobusse an. Grosse E-LKW sind aber noch eine Rarität. Die Verantwortlichen von DPD Schweiz haben nun beschlossen, dies zu ändern.

WIR SIND VOR ORT Dies ist eine Corona-Ausgabe und daher sind auch unsere Aussentermine minimiert. Dafür setzen wir vermehrt auf digitale Lösungen, merken aber, dass auch sie an einige Grenzen stossen. Wir freuen uns daher, Sie in naher Zukunft wieder Face to Face begrüssen zu dürfen.

IM WEB Wir halten Sie zwischen den Ausgaben mit aktuellen News, Fotostrecken, Kolumnen und Analysebeiträgen auf dem Laufenden. Sie sind gerne eingeladen, sich crossmedial zu beteiligen. Zum Beispiel mit News: 1 000 Zeichen, Bild und URL. Besuchen Sie www.kmurundschau.ch


DIE REVOLUTION DER DIGITALISIERUNG VON HANDELSREGISTER ÄNDERUNGEN

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KOMMENTAR

LEITMESSEN ODER LEIDMESSEN? von Prof. Dr. Sven Reinecke

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ie derzeitige Situation wirkt als Katalysator für eine tiefgreifende Neuausrichtung der Live Communication. Relevanz und Wirksamkeit von Fachmessen bleiben hoch, aber ihr komparativer Vorteil nimmt ab. Im B2B-Marketing werden bis zu 50 Prozent des Marketingbudgets in Live Communication, insbesondere Fachmessen, investiert. Vor Covid-19 war dieser Anteil zwar stabil, doch wiesen bereits­ vor zwei Jahren andere Kommunikationskanäle deutlich höhere Wachstumsraten auf. Der Grenznutzen des zusätzlichen Messefrankens sinkt somit. Der USP von Messen und Events bezüglich Emotionalität und Human Touch ist unbestritten. Doch diese hohe Wirksamkeit nützt nichts, wenn die Effizienz und somit auch die relative Wirtschaftlich­keit sinkt. Bei Messen und Events geht es um regio­ nale Standortpolitik. Der Markt an Fachund Publikumsmessen ist undurchsichtig und durch viele Me-too-Angebote gekennzeichnet. Bei Fachmessen wird sich dieser Trend verstärken: Echte internationale Leitmessen mit exklusivem Inhalt werden auch in Zukunft überleben, (regio­ nale) Me-too-Messen werden weitgehend durch digitalen Content und multiplizierbare regionale Events und Eigenmessen ersetzt werden. Beim Thema Digitalisierung in der Messelandschaft klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Von Unternehmen (und Agenturen) wird eine umfassende 360-Grad-Digitalisierung der Live Communication mittels hybrider Lösungen gefordert, um sowohl live und zeitversetzt als auch vor Ort und ortsunabhängig ein durchgängiges, einzigartiges und emotionales Erlebnis bieten zu können. Doch nicht wenige Messegesellschaften haben hier erheblichen Nachholbedarf. Auch haben viele bisherige Aussteller in der Corona-Zeit massiv in den Ausbau dieser Kompetenzen und in Eigenveranstaltungen investiert: Es wird nicht einfach, diese Kunden zurückzugewinnen.

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Bei der Kundenorientierung besteht im Messewesen noch viel Potenzial: Warum müssen Messen für viele Beteiligte so unbequem, so träge, so vorhersehbar, so langweilig und repetitiv, so unflexibel – und so teuer sein? Wenn man den Blue Print eines Messeausstellers oder die Customer Journey eines Messebesuchers visualisiert, dann erkennt man schnell, dass es unzählige «Customer Pain Points» gibt, die Anhaltspunkte nicht nur für schrittweise Optimierungen, sondern auch für umfassende Disruption bieten. Der Fokus sollte auf den Geschäftsnutzen gerichtet sein – eine reine «Festivalisierung» ist meist der Abschiedsgesang einer Messe. Erforderlich sind Zahlen, Daten, Fakten. Viele Marketingverantwortliche sind noch nicht in der Lage, die Wirkungen und Geschäftserfolge von Messen und Events nachvollziehbar zu belegen. Ohne eindeutig definierte, sehr differenzierte Wirkungsziele und messbare Ergebnisse werden jedoch die Geschäftsleitungen künftig keine Live-Communication-Budgets mehr bewilligen – und das zu Recht. Die Wirkung von Messen und Events lässt sich belegen – wenn man es wirklich will. Fazit: Messen und Events haben eindeutige USPs: Live Communication ist persönlich, interaktiv, emotional, authentisch und tangibel. Wer diese Stärken künftig nutzenorientiert unterstreicht und mit sinnvoller Digitalisierung multipliziert, für den wird Live Communication auch nach Covid-19 weiterhin das Leit­ instrument sein – insbesondere im B2B-Bereich.

PROF. DR. SVEN REINECKE ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Marketing und Customer Insight an der Universität St. Gallen (HSG). www.imc.unisg.ch


KOMMENTAR

SERVICE IST KEIN PROJEKT. SERVICE IST EINE HALTUNG. von Sabine Hübner

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er Service zukunftssicher machen will, braucht nicht immer mehr Service, sondern mehr Service-Haltung. Doch was heisst Haltung? Unsere Einstellung ist das, was wir von uns glauben. Und jeder glaubt, dass er service­ orientiert, freundlich und super ist. Doch reicht das aus?

Ausgerechnet in Deutschlands erstem Lockdown kam ich spät am Abend und hungrig in einem Businesshotel an. «Hätten Sie vielleicht noch etwas Brot oder ein paar Nüsse für mich?», fragte ich den Rezeptionisten freundlich. Antwort: «Nein, tut mir leid, die Küche ist geschlossen.» Auf dem Weg zu meinem Zimmer sah ich einen jungen Mitarbeiter aus dem Restaurant kommen, bepackt mit einem Rucksack. «Entschuldigen Sie bitte, Sie sind auf Ihrem Weg in den Feierabend», sprach ich ihn höflich an. «Hätten Sie möglicherweise trotzdem noch etwas in der Küche, in das ich hineinbeissen kann?» «Klar!», grinste er mich an und setzte mit einem Schwung seinen Rucksack ab. «Wir haben noch etwas von unserer Mitarbeitersuppe. Vietnamesisch, scharf, lecker. Ich bin Service-Mitarbeiter und kein Koch, aber warmmachen kriege ich hin. Mit Brot?» Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Und wenige Minuten später sass ich mit einem dampfenden Teller Suppe in meinem Zimmer. Rundum serviceglücklich. Das Beispiel belegt den Unterschied zwischen Einstellung und Haltung. Der Rezeptionist bewegte sich auf der Skala der Einstellungen von herzlich, professionell freundlich bis unfreundlich irgendwo im Mittelfeld. Er machte seinen Job – mehr nicht. Anders der junge Mann aus dem Restaurant: Ihm war es ein echtes Anliegen, eine Lösung zu finden. Er wollte das Richtige tun – das Richtige für seinen Gast statt für seine Jobbeschreibung. Genau das verstehe ich unter Haltung. Auf Haltung folgt immer Handlung. Haltung ist die Bereitschaft, sich für die Bedürfnisse des Kunden zu öffnen, statt sich hinter einer Mauer aus Bequemlichkeit, Bürokratie und Vorannahmen zu verstecken. Haltung heisst, auf andere Menschen offen und ohne Ressentiments zuzugehen. Haltung heisst zuhören, heisst verstehen, helfen, freundlich sein, heisst, Resonanz zuzulassen und sich selbst und die eigenen

Routinen immer wieder zu hinterfragen. Haltung heisst leben, lachen, lieben, tun. Das ist der Grund, warum Unternehmen mit Haltung auf Kunden so attraktiv wirken. Und warum Menschen, die in solchen Unternehmen arbeiten, nicht einfach nur von irgendeiner Struktur gehalten werden wollen – sondern Freude daran haben, sich in den Gegenwind zu stellen und ihre Haltung weiterzuentwickeln. Das sind die besten Mitarbeiter, die sich ein Unternehmen wünschen kann, und das sind die ersten Mitarbeiter, die kündigen, wenn das Unternehmen seine Grundwerte über Bord wirft. Haltung schafft Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Verbundenheit. Deshalb gilt: Service ist kein Projekt, Service ist Haltung. Eine Haltung, die in einem Unternehmen alles und alle durchdringt. Sie kann nicht verordnet und nicht delegiert werden. Haltung fängt immer bei uns selbst an. Sie ist eine persönliche Entscheidung. Es bleibt jedem von uns nichts anderes übrig, als darum zu ringen, immer wieder. Ja, Haltung macht Arbeit. Aber Haltung macht eben den entscheidenden Unterschied: Mitarbeiter sind erst dann begeistert, Kunden erst dann glücklich und Unternehmen erst dann erfolgreich, wenn jeder Einzelne sich nicht nur super findet, sondern einen super Job macht. Die Kunst besteht darin, eine Brücke zu schlagen zwischen professionellem Handeln und dem echten Anliegen jedes (!) Mitarbeitenden in der Leistungskette, um für den Kunden im Rahmen seiner Möglichkeiten das Richtige zu tun. Profis mit Herz können das. Sie nutzen ihre Freiräume. Sie machen Kunden zu Fans. Und das ist es, was keine Marketingstrategie allein schafft.

SABINE HÜBNER ist Service-Performance-Beraterin bei Top-Playern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. www.sabinehuebner.de www.forwardservice.de

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KOLUMNE

DAS BESTE HERAUSHOLEN von Artjom Bruch

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er Online-Handel boomt seit Jahren – die Covid-19-­ Pandemie hat diesen Trend nur noch verstärkt. Parallel nimmt die Anzahl an Retouren zu. Nach wie vor besteht Retourenmanagement für viele Online-Händler lediglich darin, Waren zurückzuholen. Ein softwarebasiertes Retourenmanagement sorgt dabei jedoch für mehr Klarheit – sowohl auf Kundenals auch auf Händlerseite. Zudem ist es eine äusserst wertvolle Datenquelle, denn aktuelle Daten lassen sich mittels einer digitalisierten Infrastruktur zuverlässig und automatisiert erheben sowie aus- und bewerten. Mehr Daten sorgen für eine Optimierung des Shops und eine bessere Customer Experience. Grundsätzlich sollte der Retourenprozess als Möglichkeit eines weiteren Touchpoints mit dem Kunden verstanden werden, der die Markenerfahrung nachhaltig prägen kann. Kunden beklagen in den meisten Fällen mangelnde Transparenz während dieser Transaktion. Oft ärgern sie sich darüber, dass sie bei der Auswahl des Rückgabegrundes nur begrenzte Möglichkeiten haben, und fragen sich, ob beziehungsweise wann sie eine Erstattung erhalten. In diesem After-Sales-Cycle sollten Kunden für ihre Zufriedenheit mit dem Service und dem Produkt wesentlich besser betreut werden. Mit einem standardisierten Retourenprozess, bei dem der Verbraucher zusätzliche Touchpoints zum Händler in Form einer Online-Plattform oder eines Call-Centers hat, kann das Kundenerlebnis nachhaltig verbessert werden. In diesem Zuge bieten die Daten, die während der Retourenprozesse erhoben werden, die Möglichkeit zu erkennen, wo Online-Händler nachjustieren können. Stellt sich zum Beispiel heraus, dass Waren aufgrund einer ungenügenden Beschreibung vermehrt zurückgesendet werden, kann an einer verbesserten Produktbeschreibung gearbeitet werden. So werden neben einer höheren Kundenzufriedenheit Kosten eingespart und der Umsatz gesteigert.

zu verlieren. Durch nichtautomatisierte Retourenprozesse gehen wichtige Informationen verloren. Zudem entstehen dabei hohe Kosten. Das Ökosystem von Trusted Returns ermöglicht es Händlern, alle technischen sowie kommerziellen Schnittstellen unter prozessualen und operativen Aspekten im Retourenmanagement ganzheitlich in Daten zusammenzufassen und diese auszuwerten. Dadurch sind es die Händler, die den Retourenprozess aktiv antreiben. Auf diesem Weg können sie leichter Touchpoints zu ihren Kunden schaffen und so mehr über die Konsumenten und die eigenen Waren herausfinden. Im Gegenzug erfahren die Kunden eine höhere Wertschätzung durch bessere Kommunikation und bekommen die Möglichkeit, ihre Anliegen gezielt zu äussern. So wird die schmerzvolle Erfahrung einer Retoure in eine positive Consumer Experience umgewandelt. Geht man aktiv auf die Kunden zu und gibt ihnen Möglichkeiten an die Hand, leichter durch den Dschungel des Retourenprozesses zu navigieren, nimmt man ihnen Stück für Stück die Unsicherheiten bei diesem Prozess und erfüllt so die Erwartungen, die sie an den Händler haben. Eine positive Consumer Experience führt nachweislich zu mehr ­Loyalität und Vertrauen gegenüber dem Händler. Software­ basiertes Retourenmanagement hat für beide Seiten viele Vorteile: Die erhobenen Daten helfen dabei, den Online-Auftritt besser auf die Bedürfnisse der handelnden Parteien abzustimmen. So wird das durchschnittliche Niveau der Kundenzufriedenheit und damit auch der Transaktionen im Online-Shop nachhaltig angehoben.

ARTJOM BRUCH ist CEO bei Trusted Returns.

Durch vermehrte Rücksendungen sinkt das Niveau der Kundenzufriedenheit, und Händler laufen stetig Gefahr, ihre Kunden

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KOMMENTAR


HIGHLIGHT

Marketing Automation gewinnt an Fahrt und löst Debatten aus.

DATEN ALS GRUNDLAGE

DATENSTRATEGIE ALS QUALITÄTSMERKMAL FÜR DAS MARKETING von Tobie Witzig

Daten spielen heute zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort eine zentrale Rolle, ob wir nun als Einzelperson oder als Unternehmen agieren. Daten sind überall beteiligt. Trotzdem fragen wir uns immer wieder, wie diese eigentlich erfasst werden und welchen Wert sie haben. Der folgende Beitrag konzentriert sich auf die Frage nach Datenstrategien und Datenpflege – Themen, mit denen sich vermutlich fast alle KMU-Verantwortlichen theoretisch und operativ beschäftigen.

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chon grundsätzlich sind Daten nicht gleich Daten. Im analogen Zeitalter sprach man von Daten, wenn es um zahlenmässige Informationen oder Werte ging, die durch Messungen gewonnen wurden. In der Informatik sind Daten codierte Informationen. Ihre digitale Grundform ist ein binärer Code. Es geht

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immer um Schwarz und Weiss, genauer hier um 0 oder 1. Das ist immer noch unsere Grundlage.

semi-strukturierten und unstrukturierten Daten. Schauen wir uns diese drei Formen genauer an.

In der Praxis liegen Daten grundsätzlich in drei Erscheinungsformen vor. Es geht dabei immer um den Grad der Strukturiertheit. Wir sprechen von strukturierten,

Strukturierte Daten sind Daten, die in einem vorgegebenen, eindeutigen Format vorliegen. In einer Datenbank haben sie klare Bezeichnungen. Aus diesem Grund


HIGHLIGHT

Unstrukturierte Daten machen einen grossen Teil aller anfallenden Daten in Unternehmen aus. Beispiele hierfür sind Textdaten, Daten, die in E-Mails vorliegen, Kundenbewertungen oder Forenbeiträge, aber auch Bild- und Videodaten, die im Rahmen der Fertigung zur Sicherstellung der Produktionsqualität entstehen können. Der Aufwand, der betrieben wird, um Daten zu erheben, zu speichern und auszuwerten, muss also entsprechend gerechtfertigt sein. Damit sie zu einem wertschöpfenden Bestandteil eines Unternehmens werden können, sind mehrere Aspekte und operative Handlungsfelder zu beachten. Zunächst muss erstens die Verfügbarkeit der Daten gewährleistet sein. Es gilt zweitens, auf die Datenqualität zu achten. Die Data Roles, sprich die Verantwortlichkeiten, gilt es drittens im Auge zu behalten. Daten-Know-how darf im Unternehmen kein Fremdwort sein. Last but not least hat viertens die juristische Ebene, genauer die Rechtskonformität, auf der Agenda zu stehen.

DATEN IM MARKETING Fast schon selbstverständlich ist die These, dass Daten generell wichtig für Handlungsoptionen im Marketing sind. Beispiele gibt es hierzu sehr viele. Es kommt beim Einsatz immer auf die passenden Module an. Hier gibt es einige Wege und Beispiele. Die wichtigsten Marketingwerkzeuge lassen sich wie folgt auffächern. können strukturierte Daten mit einer dementsprechenden Software sehr leicht und sehr schnell gefunden und bearbeitet werden. Semi-strukturierte Daten sind Daten, die eine «versteckte» Struktur mit sich führen. Aus diesem Grund spricht man von einer impliziten, irregulären oder partiellen Struktur. Wenn man unterschiedliche Objekte in einem Softwareprogramm zusammenfügt, ergeben sich zum Beispiel semistrukturierte Datensätze. Unstrukturierte Daten sind Daten, die keine formale Struktur haben. Sie lassen sich darum nicht wie strukturierte Daten einfach in einer relationalen Datenbank – wie einer SQL-Datenbank – speichern. Darum müssen unstrukturierte Daten vor ihrer Auswertung zunächst aufbereitet oder strukturiert werden. Ihr genauer Inhalt ist vor einer Datenanalyse nicht bekannt.

Streuwurf-Marketing ergibt dort Sinn, wo der Ort eine zentrale Rolle spielt. Man will potenzielle Kunden vor Ort im Rahmen ihrer Wohnungen erreichen. Die Stichworte dazu heissen Geo-Marketing und Streuwurf-Optimierung. Beim Marketing per Post-Mailing oder E-Mail ist eine individuelle und der Zielgruppe entsprechende Ansprache unabdingbar. Im Rahmen des Multichannel-Marketings geht es um die Ansprache gleicher Personen, nicht nur Zielgruppen, über mehrere Kommunikationskanäle: per Post, E-Mail und Social-Media-Kanäle wie Facebook, Instagram oder LinkedIn. In den letzten Jahren haben unterschiedliche Formen der Marketing Automation an Bedeutung gewonnen. Es geht hierbei um den Einsatz von Triggern, Scores und Algorithmen. Die Inhalte von Daten werden

in Echtzeit und gestützt auf auslösende Ereignisse an den User ausgespielt. Der Trend ist klar: weg von der MarketingKampagne, hin zum Marketing-Prozess. Das Ziel ist One-to-One-Marketing, das seinen Namen auch verdient – und dank der Industrialisierung von Marketing-Prozessen nun auch möglich ist. Voraussetzung für den Erfolg von Marketing-Kampagnen respektive -Prozessen, so gut sie technisch auch sind, ist der Gesamtblick auf bestehende und potenzielle Kunden. Erst die Verbindung eigener Daten (First Party Data) mit den Daten Dritter (Third Party Data) liefert eine 360-GradSicht auf den Kunden. Die Basis der Zielgruppenbildung ist eine Analyse bestehender Kunden. Im Zusammenspiel mit Daten zum Verhalten und zur Psychografie (wie tickt meine Zielgruppe?) entsteht daraus ein belastbares Gesamtbild, das weit über die reine Sozio­ demografie hinausgeht. Nur so kann man Kunden, die zwar dasselbe Geschlecht, denselben Jahrgang und­dieselbe Einkommensklasse haben, aber im Leben völlig unterschiedlich aufgestellt sind, gezielt ansprechen. Nehmen wir als Beispiel Prince Charles und Ozzy Osbourne. Beide sind männlich, 1948 geboren, gehören einer hohen Einkommensklasse an und leben in gehobenen Wohnverhältnissen. Der eine ist aber Prince of Wales und der andere Prince of Darkness. Ohne verhaltensorientierte und psychografische Daten würden beide genau gleich beworben werden – das Resultat ist abzusehen.

DIGITALISIERUNG UND HERAUSFORDERUNGEN Nicht nur Corona treibt die digitale Transformation auch beim Thema Marketing voran. Zunehmend mehr Unternehmen setzen sich mit Marketing Automation, mit datengetriebenem respektive datengestütztem Marketing auseinander. Allerdings gibt es in diesem Transformationsprozess einige Stolpersteine, deren Wegräumen auf die Agenda gehört. Marketing Automation ist kein Spaziergang. Folgende Stichworte skizzieren diese Herausforderungen: unzureichende Qualität der Daten, fehlende Expertise, fehlendes Budget, fehlende Strategie, zu hohe Komplexität der Systeme, fehlender Content und fehlende Akzeptanz.

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HIGHLIGHT

DATENSTRATEGIE UMSETZEN Kommen wir nochmals auf das grundlegende Thema, die Daten, zurück. Wer Daten für sein Marketing nutzen will – also praktisch jedes Unternehmen –, benötigt eine Datenstrategie. Selbstverständlich hängen Aufwand und Komplexität mit der Grösse des Unternehmens, dem Einsatz von Daten und den anfallenden Datenmengen zusammen. Bei der Datenstrategie gilt es, sich mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen: Wozu benötige ich welche Daten? Was will ich mit meinen Daten erreichen? Welche Daten habe ich bereits in welcher Form – strukturiert oder unstrukturiert? Wie gelange ich an Daten, die ich benötige, aber über die ich bisher nicht verfüge? Über welche Kanäle fliessen die Daten in mein Unternehmen? Wie kann ich die Datenhaltung zentralisieren und die Daten zentral zur Verfügung stellen, um Datensilos zu verhindern? Wie werden die Daten gepflegt? Wer benötigt welchen Zugang zu den Daten – und wozu? Wer ist für die Datenhaltung und -pflege verantwortlich? Welche rechtlichen Voraussetzungen sind zu beachten? Die Umsetzung einer Strategie ist nicht nur das Arbeitsfeld der jeweiligen Expertinnen und Experten, sondern setzt einen Rückhalt über alle Hierarchiestufen hinweg voraus. Selbst kleine Unternehmen profitieren davon, sich mit einer Datenstrategie auseinanderzusetzen. Der Fokus liegt dort vermutlich eher auf Fragen, wo die Daten zentral gesammelt werden können, damit

sie nicht über unzählige Excel-Tabellen verteilt herumliegen, und vor allem auf der Pflege der Daten.

DATENQUALITÄT SICHERSTELLEN Am Punkt der Datenqualität schliesst sich der Kreis. Das Thema Marketing Automation steht und fällt mit der Qualität der Daten. Schlechte Daten verbrennen viel Geld. Weitere Gefahren sind: > Ansprache der falschen Person, > Ansprache über den falschen Kanal, > Retouren wegen veralteter Adressen (Druck, Porto, Aufwand Retourenverarbeitung), > falsche Entscheidungen, weil Datenlage falsch (shit in, shit out), > enorm aufwendige Datenpflege, wenn kein kontinuierlicher Prozess stattfindet. > Wer hier keine Lösungen hat, sieht sich rasch mit genervten Kunden und demotivierten Mitarbeitenden konfrontiert – ein Szenario, das man niemanden an den Hals wünscht. Demgegenüber gilt es, Daten von Anfang an richtig zu pflegen: > Es kostet einen CHF pro Datensatz, um Daten bei oder unmittelbar nach der Eingabe zu verifizieren. > Es kostet zehn CHF pro Datensatz, um diesen irgendwann nachgelagert zu korrigieren. > Es kostet 100 CHF pro Datensatz, wenn dieser nie korrigiert wird. Ein Beispiel: Hat ein Unternehmen 30’000 Adressen, von denen zehn Prozent falsch sind und nie gepflegt werden, beträgt der Schaden 300’000 CHF.

Um Daten gleich bei der Eingabe zu verifizieren, lassen sich beispielsweise Eingabeassistenten wie diejenigen von Google oder AZ Direct nutzen. Sie verhindern Namensdreher, sorgen für die richtige Gross- und Kleinschreibung und strukturieren zum Beispiel Telefonnummern, damit alle gleich geschrieben sind. Und dank der Autovervollständigung kommt es zu weniger Fehlern bei der Adresseingabe. In einem Blog war von einem Online-Shop zu lesen, bei dem 80 Prozent der durch die User eingegebenen Adressen nicht für den Postversand tauglich waren. Einen kontinuierlichen Pflegeprozess aufzubauen und am Laufen zu halten, ist heute ein Muss. Dazu benötigt es einen Anbieter von Referenzdaten, denn nur so lässt sich die Dynamik bei der Veränderung von Adressdaten in den Griff kriegen. Der Grund dafür: Pro Jahr (!) > zieht jeder elfte Haushalt um, > gibt es > 40’000 Eheschliessungen, > 17’000 Scheidungen, > 67’000 Todesfälle, > werden > 40’000 Unternehmen gegründet, > 36’000 Unternehmen geschlossen. Eine Datenbereinigung umfasst mindestens fünf Schritte: Erstens gilt es, die ­Datenbestände zu sichten, zweitens die Validität der Daten zu prüfen, drittens Massnahmen abzuleiten, viertens diese umzusetzen und fünftens eine nachhaltige Datenqualität sicherzustellen.

Prince Charles und Ozzy Osbourne sind beide männlich, 1948 geboren, gehören einer hohen Einkommensklasse an und sind trotzdem völlig unterschiedlich.

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HIGHLIGHT

EIN VORHER-NACHHER-BEISPIEL Wie schlecht Daten sein können, zeigt ein echtes Beispiel aus der Praxis: Links befindet sich der Überblick über angelieferte Daten, die ohne zusätzliche Arbeit vollautomatisch verarbeitet worden sind. Das Resultat: 71’000 von rund 100’000 Adressen sind unbekannt – gerade einmal 25’000 Adressen sind gültig und aktuell. Rechts ist dasselbe Beispiel nach einer eingehenden Datenbereinigung (Datenvereinheitlichung, Strukturierung, Korrektur und Aktualisierung ohne Umzugsbereinigung) dargestellt. Klar, das Resultat ist immer noch nicht voll befriedigend. Trotzdem konnte der Anteil an gültigen und aktuellen Adressen fast verdoppelt werden. Was lässt sich aus diesem Beispiel ableiten? > Es besteht kein klares Konzept und keine Sensibilisierung, wie Daten eingegeben werden müssen. Die Daten wurden durch verschiedene Personen eingegeben. > Niemand hatte die Verantwortung über die Daten. > Die schiere Menge der Daten und ihr Zustand lassen darauf

schliessen, dass über eine lange Zeit niemals eine Datenbereinigung stattgefunden hat. Die Konsequenz: Immer mehr Datenmüll sammelt sich an – Datenmüll, der irgendwann nicht mehr bereinigt, sondern nur noch gelöscht werden kann.

CUSTOMER JOURNEY – BEGLEITEN, NICHT VERFOLGEN Corona beflügelt die Digitalisierung. Zunehmend mehr Unternehmen wenden sich der Marketing Automation zu. Die Datenflut nimmt zu – Big Data ist Realität, Data Analytics verknüpft Daten aus unterschiedlichen Quellen und Kanälen und destilliert daraus diejenigen Datengrundlagen, die für eine sinnvolle Ansprache der Konsumenten notwendig sind. Dies läuft dann unter dem Stichwort Smart Data. Basierend auf dieser Datengrundlage in Verbindung mit gezeigtem Interesse und Verhalten gilt es danach, (potenzielle) Kunden mit individuellen Inhalten (Content Marketing) auf demjenigen Kanal anzusprechen, auf dem sie sich gerade bewegen – und sie so in Echtzeit über die gesamte Customer Journey hinweg zu begleiten.

Am Schluss geht es noch um zwei zentrale Tipps: Datensammeln um des Sammelns willen, aber ohne Strategie ist der falsche Weg. Das ufert rasch aus und führt nicht zum Ziel. Technische Möglichkeiten gilt es mit Bedacht und Cleverness einzusetzen. Jemand, der ein Produkt oder eine Dienstleistung gekauft hat, will nicht von Werbung zum selben Angebot belästigt werden. Bestehende und potenzielle Kunden wollen nicht das Gefühl haben, dauernd auf dem Radar von Anbietern zu sein und von ihnen verfolgt zu werden. Das wirkt sich meist kontraproduktiv aus.

TOBIE WITZIG ist geschäftsführender Partner der Qmart AG. www.qmart.ch

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HIGHLIGHT

Ein Nachrichtenportal für Generationen, die weitgehend ohne Zeitungen aufgewachsen ist.

WACHSTUM BRAUCHT INVESTITIONEN

QUALITÄT IM MARKETING ALS MOTOR FÜR MEDIENPLATTFORMEN von Tarkan Özküp

Ein Nachrichtenportal muss aktuell, flexibel, informativ und vor allem ansprechend sein. Darum hinterfragt und analysiert Watson immer wieder sämtliche Service- und Markenstrategien. Das Ergebnis ist eine Website, die innovativ agiert und dadurch Leserinnen und Leser und auch Marketingkunden anzieht. Das ist in der heutigen Medienlandschaft alles andere als selbstverständlich.

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ualitätsmedien im Nachrichtenbereich haben üblicherweise einen schweren Stand. Das betrifft zunächst die klassischen Printtitel mit ihren Websites. Wer sich früher als konservativjournalistische Nachwuchshoffnung betrachtete, hatte den Traum, einen Redaktionsjob in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) zu bekommen. Linksliberale Journalistinnen und Journalisten liebäugelten mit Die Wochenzeitung (WOZ) und mit dem Tagesanzeiger, um nur die beiden wichtigsten

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Zürcher Medienplayer zu nennen. Diese Zeiten sind vorbei. Verlage hangeln sich von einer Sparrunde zur nächsten. Irgendwann leidet die Qualität. Und auch die Marketing­ angestellten in den Verlagen haben mit sinkenden Werbebudgets zu kämpfen. Die Verluste aus dem Print können von Onlineeinnahmen längst nicht mehr kompensiert werden. Wer früher ein Abo einer Zeitung hatte, bezahlt heute nicht automatisch für Online-Content. Es droht ein Teufelskreis. Die Plattform Watson agiert hier erfolg-

reich gegen den Trend. Schon hier stellt sich die Frage nach den Gründen. Watson arbeitet ganz nah an der Zielgruppe, das heisst heute auf Instagram, Facebook, TikTok und Twitter. Die Themen sind meist die gleichen wie auf klassischen Kanälen, die Ansprache ist jedoch eine andere. Sie ist frecher, aber auch vertraulicher. So entsteht ein Nachrichten­ portal für eine Generation, die überwiegend ohne Zeitung aufgewachsen ist und dafür


HIGHLIGHT

als Digital Native auf Smartphone und Social Media zurückgreift. Watson ist dank eines kleinen Kollegiums mit Chefredaktoren und Chief Product Officer in der Geschäftsleitung immer wieder fähig, die Massnahmen zur Erreichung der Zielgruppe zu hinterfragen und den Marktgegebenheiten schnell anzupassen. So setzt sich das Team durch seine provozierenden Slogans und einnehmende Ansprache in der Werbevermarktung vom Marktführer ab, an welchem es sich stets misst. Sicher helfen hier die kurzen Entscheidungswege. Alle Entscheidungen sind aus Überzeugung für die Sache getroffen worden. Manche haben dazu geführt, auch mal gegen den Strom zu schwimmen. So scheut sich Watson nicht davor, bildlastigen Inhalt und fast trashige Unterhaltung unter News und Wettervorhersage zu mischen – Hauptsache, das Thema passt zur Lebensrealität der Leserschaft. Das braucht Mut, eine langfristige Sichtweise und ein waches Auge für aktuelle Trends.

QUALITÄT MACHT ATTRAKTIV Schaut man auf die Konkurrenz, wird schnell klar, dass sich das Medium Nachrichtenportal im Wandel befindet. Die Websites werden bunter, immersiver und flexibler. Es geht nicht mehr allein um den Informationsgehalt, sondern die passende Aufbereitung. Was zählt, ist Qualität in der Produktion und dem Umfeld zu einem entsprechenden Preis. Die Kunden nehmen das an: Watson.ch ist die Nummer drei im digitalen Nachrichtenmarkt und behauptet sich durch die Qualität der Inhalte. Das Nachrichtenportal hat Erfolg mit Content-MarketingAngeboten genauso wie mit der Programmatic-Strategie. Das sind zentrale Gründe, warum die Plattform Ende 2020 die Gewinnzone erreichen konnte. Das ist ein gegenläufiger Trend zur üblichen Medien­ entwicklung. Das Marketing ist dabei ein wichtiger Baustein des Erfolgs. Die Verkaufsberatung konzentriert sich auf kleine und mittlere Unternehmen in der Schweiz und tut dies mit der gleichen Qualität, wie das die Grössten untereinander erwarten.

INVESTITION ALS WACHSTUMSSTRATEGIE Sprachnationale Angebote sind in der Schweiz ein Muss für ein langfristiges stabiles Geschäft mit Werbung. Dabei war die Entscheidung für eine von der Deutsch-

Die Verkaufsberatung konzentriert sich ebenso auf KMU.

schweiz komplett unabhängige WatsonRedaktion in der Westschweiz massgeblich. Einfach Inhalte kopieren und den Deutschschweizer Humor auf die Westschweiz umlegen – das ist unmöglich. Man gewinnt den Markt in der Westschweiz mit Humor sowie einem Mix aus News und der Verlängerung von Themen in der Diskussion. Im Digitalen nennt sich das «Community Building» und «Social Media Tuning». Hier ist Watson im Gesamtmarkt sehr stark unterwegs und investiert in Fachleute sowie in Aus- und Weiterbildung.

INVESTITION IN DIE KUNDEN Was Watson am Markt differenziert, ist das Wissen um die Userschaft. Bei einem Blick auf die Altersverteilung fällt auf: Nicht mehr nur «Junge» orientieren sich immer stärker an jung gemachten Inhalten. Dies gilt aber nur, wenn diese insgesamt intelligent und, im Fall von Watson, ironisch-witzig daherkommen. Neben vertieften Analysen und journalistischen Reportagen zu Schweizer und internationalen Themen finden sich auch bewusst trashige und bildgesteuerte Inhalte im direkten Umfeld. Dabei nehmen Videos einen immer breiteren Raum ein. Auch bei den über 40-Jährigen ist die Bereitschaft da, Videos in ihr Medienkonsumverhalten zu integrieren. Das Kernpublikum verortet das Nachrichtenportal bei der Auswahl der Plattform­ themen strategisch klar zwischen 20 und 40 Jahren. Für die Jüngeren ist TikTok als rein wissensvermittelnde Plattform erste Wahl. Dann folgen Instagram und schliesslich watson.ch. Hier ist das Wachstum signifikant. Solches Social-Media-Tuning ist für Werbetreibende sehr interessant. Zusätzlich wächst die Aufmerksamkeit seit Jahren auch bei den Lesern über 50 kon-

tinuierlich. Klassisch ist die Zielgruppe also zwischen 15 und 59 Jahren zu verorten. Ältere orientieren sich immer an Jüngeren. Strategisch ausgedrückt sorgt die Plattform täglich dafür, dass die relevantesten News digitalaffinen Menschen attraktiv, sprich kanalgerecht, präsentiert werden.

DER ANALYTISCHE BLICK Die Stärke dieses Nachrichtenportals zieht sich über sämtliche Themen hinweg. Die Verantwortlichen erkennen immer wieder neu, wohin der Meinungsstrom fliesst. Aussagen wie «das haben wir schon immer gemacht» oder gar «das haben wir aber noch nie so gemacht» gibt es an diesem Punkt nicht. Das Geheimnis liegt darin, dass die Materie zuerst einmal analytisch betrachtet wird, bevor eine Auslegeordnung erfolgt. Best- und Worst-Case-Szenarien gilt es zu diskutieren. Ansonsten besteht bei diesem Vorgehen die Gefahr der Unübersichtlichkeit, Entscheidungen aus dem Elfenbeinturm heraus zu fällen. Experimentierfreudigkeit und Teamgeist sind zentral für den Erfolg. Die Geschäftsleitung ist sportlich unterwegs: Sie bleibt Spielertrainer. Das liegt in ihrer Kultur.

TARKAN ÖZKÜP ist Chief Commercial Officer und stellvertretender Geschäftsführer von watson.ch. www.watson.ch

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HIGHLIGHT

Der Pilatus ist ein touristischer Anziehungspunkt, aber aktuell braucht es innovative Ideen.

IM RÜCKWÄRTSGANG DEN BLICK NACH VORNE RICHTEN DIE SITUATION DER SCHWEIZER TOURISMUSBRANCHE Interview mit Tobias Thut von Georg Lutz

Die Tourismusbranche leidet – auch bei der Pilatus Bahnen AG. Noch 2019 hatte man viele Amerikaner, Chinesen und andere Ferntouristen auf den Pilatus transportiert und jetzt kommen Gäste aus der Schweiz und einige Touristen aus dem europäischen Ausland. Innerhalb weniger Wochen musste von internationaler auf lokale Vermarkung umgestellt werden. Wie gehen Marketingverantwortliche mit dieser Situation um und welche Perspektiven gibt es kurz- und mittelfristig?

D

as heisst Krise. Nur, Krise und Marketing gehen auf den ersten Blick überhaupt nicht zusammen. Man ist in der Schockstarre und Gelder werden zusammengestrichen. Wie haben Sie die Entwicklung erlebt? Wir hatten etwas Vorlaufzeit. Bereits Anfang Januar 2020 hatte unser Sales-Verantwortlicher in China Anzeichen einer sich anbahnenden Pandemie gesehen und man wusste da bereits, was dies für Asien bedeutet. So gab es beispielsweise historische Erfahrungen mit SARS. Ende Januar erhielten wir dann reihenweise Absagen von chinesischen Touroperatoren und zu Beginn des Februars kamen keine Gäste mehr aus China in die Schweiz. Und Mitte

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Februar kamen keine Gäste mehr aus Übersee. Der Rest der Geschichte ist bekannt. Das ist ja fast wie das Fallen von Dominosteinen? Ja, dann traf uns eine kurze Schockstarre mit dem Lockdown. Aber bereits in der Woche danach hatten wir mit der Organisation der Mitarbeitenden, Kurzarbeit und vielen anderen bürokratischen Aufgaben alle Hände voll zu tun.

wird. In der Konsequenz fehlen uns 50 Prozent der Gäste, sprich 50 Prozent des Umsatzes. Da der Schweizer Markt aufgrund der Grösse beschränkt ist und wir den Anteil der Schweizer Gäste trotzdem leicht steigern konnten, sind diese Zahlen ein Fakt und es wäre utopisch davon auszugehen, dass wir rasch viele neue Gäste gewinnen können. Somit gehen wir für 2021 von ähnlichen Zahlen wie 2020 aus.

Und wie sind Sie aus der Schocksituation wieder herausgekommen? Fakt ist, dass wir immer noch mitten im Ausnahmezustand stehen. Wir gehen davon aus, dass bis zur Saison 2022 / 23 nur in kleinem Rahmen international gereist

Wie sehen hier die Handlungsszenarien aus? Unter diesen Umständen sind die einzigen Hebel das Einsparen von Kosten und die Möglichkeit der Kurzarbeit. Davon ist natürlich auch das Marketing betroffen. Im


HIGHLIGHT

Schweizer Markt investieren wir beinahe gleich viele Mittel wie vor der Pandemie. Starke Reduktionen haben wir jedoch in den internationalen Märkten vorgenommen. Da geht es im Moment darum, mit den Key-Accounts und den Medien in Kontakt zu bleiben. Welche Marketingwerkzeuge und Kommunikationskanäle setzt man bei internationaler Vermarktung und welche bei lokaler Vermarktung ein? Im internationalen Kontext ist die Partnerschaft mit Luzern Tourismus und Schweiz Tourismus sehr wichtig. Schweiz Tourismus sorgt für die Bekanntheit der Schweiz und der Regionen wie der Zentralschweiz. Damit löst sie im Idealfall ein Bedürfnis nach einer Schweizreise bei den Gästen aus. Wir als Leistungsträger und integrierter Tourismusbetrieb mit Bahnen, Restaurants, Hotels und Freizeitanlagen setzen dann beim Key-Account-Management und Key-Media-Management ein. An Verkaufsanlässen in den jeweiligen Märkten treffen wir uns mit potenziellen Partnern, die in den meisten Fällen Touroperator- oder Online-Vertriebsplattformen sind. Ebenfalls platzieren wir zu Medienanlässen in den Märkten unsere Themen und laden dann Journalisten auf den Pilatus ein. In der Schweiz setzen wir auf OnlineKommunikation, punktuelle integrierte Kampagnen, Events für die Imagestärkung sowie Partnerschaften, beispielsweise für Promotionen. Auf Ihrer Website stehen auch Events wie Astronomie-Abende oder Angebote

Der Ferntourismus ist eingebrochen und guter Rat ist teuer.

wie der Pilatus z’Nacht, die in einen lokalen Rahmen eingebettet werden können. Können Sie diese Beispiele auffächern? Hier gilt es zu unterscheiden zwischen Übernachtungs- und Tagesangeboten. Da wir Hotels auf dem Berg haben und diese gerade in der jetzigen Situation ausgesprochen gut funktionieren, schaffen wir Anreize, um den Pilatus kennenzulernen. Dazu gehören die Astronomie-Abende, die von Profis begleitet werden, und die Steinbocksafari, die mit lokalen Guides angeboten wird. Im Sommer bieten wir zudem den «Pilatus z’Nacht» an, der mit Abendfahrten mit der steilsten Zahnradbahn der Welt unsere Gäste zum Dinner in unser Gipfel-Restaurant bringt.

«Nachhaltigkeit, Convenience und qualitativ sehr gute Angebote setzen sich weiterhin durch.» All diese Angebote helfen uns, nicht nur als Ausflugsberg wahrgenommen zu werden, sondern auch Anreize zu bieten, um mehr Zeit am Berg zu verbringen. Auch unsere Seminarinfrastruktur verkaufen wir nicht nur für reine Seminarangebote. Die Rahmenprogramme und Angebote, die das Teambuilding stärken, sind zentral. Für ein «normales» Seminar reicht auch der Meeting Room in der Firma. Im Spätsommer, so ein positives Szenario, werden wir die Pandemie besser im Griff haben. Die Mehrheit der Bevölkerung soll bis dahin geimpft sein. Wie stellen Sie sich aus der Sicht des Marketings darauf ein? Wie sieht das «New Normal» aus? Im Sommer werden wir definitiv noch keine Normalität haben. Die Lage ist zu fragil und Impfungen, Zertifikate und Öffnungen verzögern sich laufend. Sie dürfen die Situation in der Schweiz oder Europa nicht auf den Rest der Welt übertragen. Die globale

Pandemie ist weiter massiv präsent. Das gesamte Jahr 2021 steht meiner Meinung nach wiederum im Zeichen der Schweizer und einiger europäischer Gäste. Im Moment scheint sich auch die Lage in den USA zu entspannen und allenfalls können wir einige Gäste ab Spätsommer – eher Herbst / Winter – begrüssen. Die rasche Erholung wird jedoch nicht eintreffen. Vor allem aus Asien werden wir mittelfristig nicht annähernd die Zahlen wie 2019 erreichen. Das wird bis 2024 / 25 dauern. Mittel- bis langfristig werden wir aber wieder auf Vor-Krisenniveau kommen. Die Gruppen werden eher kleiner, die Aufenthaltszeit wird eher länger und das Reiseverhalten wird sich eher zu unseren Gunsten entwickeln – Nachhaltigkeit, Convenience und qualitativ sehr gute Angebote setzen sich weiterhin durch. Da sind wir, da ist die Schweiz gut aufgestellt. Welche Marketingstrategien für die unterschiedlichen Zielgruppen und Szenarien haben Sie da im Auge? Wir setzen weiterhin auf Diversifikation. Neben unserem wichtigsten Markt, der Schweiz, ist der richtige Mix aus Europa, USA und Asien für uns zentral. Zudem arbeiten wir an unserer Qualitätsstrategie konsequent weiter. Mit der neuen Zahnradbahn ab 2023 führt die Fahrt mit der steilsten Zahnradbahn der Welt in eine neue und spektakuläre Qualitätsstufe. Auch die Gästerückmeldungen aus unseren Hotels und Restaurants sind ein positiver Stimmungsbarometer für uns. Unser Geschäftsmodell funktioniert nur mit dem internationalen Tourismus zusammen. Nur darum können die Schweizerinnen und Schweizer im eigenen Land eine solche Vielfalt entdecken. Alleine mit Schweizer Gästen gäbe es in der hiesigen Tourismuslandschaft nicht diese immense Vielfalt. Wir freuen uns auf die Zeit, wenn die Welt wieder auf dem Pilatus zu Gast sein wird.

TOBIAS THUT ist Leiter Marketing & Verkauf der Pilatus Bahnen AG. www.pilatus.ch

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HIGHLIGHT

Die Komplexität der Markenführung erhöht sich.

NEUE ANSÄTZE

MARKENELEMENTE IM DIGITALEN ZEITALTER von Andreas Kistler, Rudolf Letko und Michal Pastier

Die Digitalisierung hat durch die globale Pandemie einen zusätzlichen Schub erhalten. Daher ist es umso wichtiger, dass die kennzeichnenden Elemente eines Unternehmens und ihrer Marken mit einer digitalen Denkweise entwickelt werden.

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elbst elementare Erkennungszeichen wie Logo, Farbe und Typografie werden hinterfragt und oft grundlegend verändert. In der Vergangen-

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heit standen genau diese Elemente sinnbildlich für Stabilität und Kontinuität. Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die gestalterische Manifestation einer Marke –

das Brand Design – aus? Welches sind die effektivsten Markenelemente gemäss einer aktuellen Marktstudie, die über 2 000 Kampagnen-Videos analysierte?


HIGHLIGHT

Es gilt nun, die verschiedenen Marken­ aspekte zu analysieren, wobei diese keinesfalls losgelöst voneinander betrachtet werden sollen. Sie sind Bestandteil einer Marke. Die Kernidentität befasst sich mit den Markeneigenschaften, welche über einen längeren Zeithorizont konsistent sind. Im Idealfall werden folgende Fragen beantwortet: > Was ist die Mission des Unternehmens hinter der Marke? > Woran glaubt die Marke und was sind ihre zugrundeliegenden Werte? > Wie arbeitet die Marke, um ihr Versprechen gegenüber den Kunden zu erfüllen?

Die Markenelemente sind die Erweiterung der Kernidentität. Sie überführen ein abstraktes Konstrukt in ein fassbares Markenbild und zeigen auf, wofür die Marke steht. Die Elemente sollen nicht nur alle Sinne der Kunden ansprechen, sondern auch die Wiedererkennbarkeit auf dem Markt erhöhen. Die Markenelemente können einzeln oder kombiniert angewendet werden. Je nach Kanal beziehungsweise Kundenkontaktpunkt – den sogenannten Touchpoints – kann die Anwendung der Elemente variieren. Daher ist eine gewisse Flexibilität notwendig. Um diese zu erreichen, ist es sinnvoll, konstante und variable Marken-

elemente nach einem Gestaltungsprinzip auszuarbeiten.

KONSTANTE UND VARIABLE MARKENELEMENTE In der digitalen Welt bekommt das gestalterische Prinzip, wonach die Form der Funktion folgt, eine neue Dringlichkeit. Auf der Homepage oder anderen unternehmenseigenen Kanälen können die Design­ vorgaben ohne Kompromisse umgesetzt werden. Dies steht ganz im Gegensatz zu den sozialen Medien und anderen digitalen Plattformen. Dort wird das Unternehmensdesign durch deren Funktionen und Algorithmen bestimmt, wobei meist der Inhalt im Vordergrund steht. Dieser hat in den

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HIGHLIGHT

letzten Jahren – unter anderem auch durch das Aufkommen von Content-Marketing – zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die daraus entstehenden Herausforderungen spiegeln sich ebenso in anderen Touchpoints wider. Auf kleinen Bildschirmen wie Smartwatches oder bei nichtvisuellen Interaktionen wie der Sprachsteuerung müssen Markenelemente ganz andere Anforderungen erfüllen. Starre Design­ regeln kommen hier an ihre Grenzen und sollten hinterfragt werden. Eine Möglichkeit, diese Herausforderung zu meistern, ist das Definieren von gestalterischen Prinzipien, wonach die formgebenden und kennzeichnenden Elemente erstellt werden. Im Gegensatz zu Designregeln verlangt ein Prinzip nach Interpretation und bedingt eine Kontextbetrachtung zur jeweiligen Situation. Ein mögliches Prinzip ist beispielsweise, dass die Wortmarke für verschiedene Layout-Varianten und -Grössen flexibel positionierbar sein muss. Der Input für die Festlegung der Prinzipien stammt aus der Kernidentität des Unternehmens. Deren Output kann in eine konstante und eine variable Markenumsetzung unterteilt werden. Der konstante Teil spiegelt die Autorität der Marke wider und ist unabhängig vom Touchpoint. Dadurch wird die Markenidentität wahrnehmbar und greifbar. Die variablen Elemente werden dagegen bei spezifischen Touchpoints verwendet und sind nur dort relevant. Sie

verkörpern den Dialog der Marke und erhöhen die Flexibilität des Markenauftritts. Ein höherer Anteil an Variabilität im Designsystem ermöglicht eine schnelle Adaption auf sich wandelnde Umgebungen, deren Taktzeiten sich durch die zunehmende Digitalisierung laufend verkürzt haben.

EFFEKTIVITÄT VON MARKENELEMENTEN Die Digitalisierung verändert auch die Medienlandschaft. Die Menschen werden mit einer Vielzahl von Inhalten konfrontiert. Dabei haben sie die Möglichkeit, uninteressante Inhalte zu überspringen oder wegzudrücken. Eine im Jahr 2020 durchgeführte Marktstudie1 analysierte über 2 000 Kampagnen-Videos, um die Beziehung zwischen der Effektivität und dem Vorhandensein von Markenelementen zu verstehen. Die Videos wurden vor dem offiziellen Kampagnenstart der Zielgruppe (potenziellen Kunden) präsentiert. Parallel dazu wurde konkurrierender Inhalt inklusive Ton eingespielt, um realitätsnahe Bedingungen zu simulieren. Die Personen wurden später mithilfe neutraler Bilder gebeten, zu bestätigen, ob sie die Werbung wiedererkennen und wenn ja, um welche Marke es sich handelt. In der Ausgangssituation wurden die verwendeten Markenelemente in den Videos ausgewertet. 91 Prozent der über 2 000 Videos verwenden das Logo als Markenelement, gefolgt von firmenspezifischer Farbe mit 69 Prozent. Die akustischen Marken-

elemente wurden weitaus weniger eingesetzt als die visuellen Markenelemente. Die Resultate der Untersuchung zeigen deutlich, dass ein Fluent Device (Markenfigur) oder eine akustische Marke (Sonic Branding) die Wahrscheinlichkeit der Wiedererkennung einer Marke deutlich erhöht. Das Potenzial einer akustischen Marke ist gross. Unternehmen wie Netflix, Intel oder T-Mobile zeigen in diesem Bereich eine vorbildliche Verwendung einer akustischen Marke. Gleichwohl wird dieses Element bisher nur von wenigen Unternehmen konsequent und erfolgreich umgesetzt. Grund dafür ist insbesondere die von Unternehmen gelebte hohe unternehmerische Prio­ rität, welche dem visuellen Erscheinungsbild zugeschrieben wird. Allerdings führt das langfristig zu einem brachliegenden Potenzial, denn akustische Elemente können das Erlebnis sensorisch erweitern. Fluent Devices sind mehr als nur ein Markenmaskottchen und flexibler als ein unverwechselbares Element wie das Logo oder die Schriftart. In der Kommunikation einer Marke ist damit ein sich wiederholendes Element gemeint. Dabei schafft ein Fluent Device Bekanntheit und erstellt Speicherstrukturen im Gehirn, die einfacher abgerufen werden können. Das wiederum führt zu einer besseren Wiedererkennung und positiveren Emotionen. Es ist jedoch mehr als nur ein «Erscheinen» – es treibt die Kreativität der Marke an, denn Fluent

Links: Verwendung von Markenelementen in Werbeanzeigen (in Prozent) Rechts: Durchschnittliche Wahrscheinlichkeit, dass eine Werbeanzeige eine hohe oder eine niedrige Markenaufmerksamkeit erzielt

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HIGHLIGHT

Devices bieten das Potenzial, sich mit dem Stil und der Geschichte einer Marke weiterzuentwickeln.

RETURN ON INVESTMENT Wie bei jeder anderen Investition stellt sich auch bei den immateriellen Werten die Frage nach dem Return on Investment. Immaterielle Werte beziehen sich im Allgemeinen auf Vermögenswerte des geistigen Eigentums wie Patente, Marken und Urheberrechte. Diese sind im Gegensatz zu materiellen Werten wie Grundkapital, Liegenschaften oder anderen Sachanlagen schwierig zu bewerten und lassen sich besser beschreiben. Eine Investition in die Weiterentwicklung der Markenelemente stiftet einen langfristigen Nutzen, da diese die Werte des Unter­ nehmens nach Aussen wiedergeben. Dabei werden die folgenden vier Funktionen in ihren Grundzügen verstärkt. > Erkennbarkeit: Der Kunde kann die Marke von Wettbewerbern differenzieren und eindeutig zuordnen. > Erlebnisqualität: Die Marken­ elemente und der Inhalt bilden eine Einheit und führen zu einer positiven Erfahrung. > Bedeutungsaufladung: Die Markenelemente sind für den Kunden bedeutsam und interpretierbar. > Akzeptanz: Der Kunde kann sich mit der Marke identifizieren. Die Festigung dieser Werte kann sich auch auf die ökonomische Zielerreichung auswirken. Das Vertrauen der Kunden in die Unternehmung wird weiter gestärkt und wirkt als Vertrauensvorschuss in Krisenzeiten. Lieferanten, Banken, Medien, Mitarbeiter und andere Gruppen, mit denen eine Unternehmung interagiert, werden durch die Marke wesentlich beeinflusst. Der vor zwei Jahren eingeführte ISO-Standard 20671:2019 gibt eine Empfehlung für die isolierte Berechnung der Markenwerte. Dennoch werden oft andere Methoden angewendet, weshalb die Ergebnisse zwischen verschiedenen Studien zum Teil stark divergieren. In einer 2019 durchgeführten Studie2 wurden 2 818 Chief Marketing Officers befragt, um die Markenwerte anhand des ISO-Standards isoliert betrachten zu können. Dabei wurde festgestellt, dass der Markenwert durchschnittlich 19.5 Prozent zum Unternehmenswert beiträgt. Bei Kon-

Beispiele von Markenfiguren – Fluent Devices.

sum- und Luxusmarken kann sich dieser Wert auf mehr als 50 Prozent erhöhen.

FAZIT UND TAKEAWAYS Die Digitalisierung erhöht die Komplexität in der Markenführung, da es nicht mehr ausreicht, nur den analogen Verkaufskanal zum Kunden zu kontrollieren. Heute sind die Unternehmen mit einer fast unkontrollierbaren Anzahl an Touchpoints konfrontiert und müssen den Markenauftritt entsprechend anpassen. Umso wichtiger ist es, die Besonderheiten der Marke herauszufiltern, die für eine Resonanz mit der Kundschaft sorgt. Dabei sollte der Fokus auf die Kernleistung, also die Gründe, warum Menschen ihr Geld investieren, gelegt werden. Die Takeaways können wie folgt zusammengefasst werden: > Variable Markenelemente ermöglichen gestalterischen Interpretationsspielraum für die Adaption an neue Plattformen, Medien und Kanäle. > Die Effektivität der Markenelemente in der Kommunikation unterscheidet sich stark. Für zukünftige Projekte und deren Kostenrahmen ist somit eine Entscheidungshilfe vorhanden, sofern eine solide visuelle Grundbasis besteht. > Markenelemente können als Werkzeug der Wertschöpfung betrachtet werden, denn ohne gestalterischen Ausdruck ist auch die beste Positionierung wirkungslos.

ANMERKUNG 1.) www.ipsos.com/sites/default/files/ct/publication/ documents/2020-02/power-of-you-ipsos.pdf 2.) https://blogs.forbes.com/forbesinsights/files/2019/06/ Proving-the-Value-of-the-Brand-Report-6.20.19.pdf

ANDREAS KISTLER ist Account and Business Development Manager bei GoBigname.

RUDOLF LETKO ist Partner, Head of Visual Communication bei GoBigname.

MICHAL PASTIER ist Co-Founder und Creative Director bei GoBigname. www.gobigname.com

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HIGHLIGHT

WAS DER KUNDE SUCHT, DAS KAUFT ER AUCH DATENMANAGEMENT UND KONSUMGÜTER Interview mit Sebastian Johnston von Georg Lutz

Wie vertreibt man Schnecken ohne Gift? Aus Suchanfragen wie dieser entwickelt, produziert und vertreibt das Hamburger Start-up Vivere völlig neue Konsumgüter – und das in Windeseile in nur wenigen Wochen. Mit Sebastian Johnston, dem CEO von Vivere, führten wir ein Interview über dieses durchaus ungewöhnliche Geschäftsmodell. Im Zeichen der digitalen Transformation geht es um ein neues Verständnis von Markenführung.

Die Datenauswertung steht im Mittelpunkt des Geschäftsmodells.

H

err Johnston, wie kann man die Gründe für Ihr Geschäftsmodell kurz skizzieren? Neuproduktzyklen wie etwa für Pflegeprodukte von Nivea betragen rund drei Jahre. Mein Haus braucht dafür nur acht bis zehn Wochen. Wir analysieren das Suchverhalten der Kunden, etwa bei Amazon, und entwickelt aufgrund dessen neue Produkte. Daraus sind mittlerweile über 800 Produkte entstanden – vom Heimtier-

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bedarf bis zu Beauty. Ganz nach dem Motto «was der Kunde sucht, das kauft er auch» erobern so völlig neue Produkte den Markt. Normalerweise entwickelt man zuerst ein Produkt, das man dann auf den Markt bringt. Sie verfolgen genau den umgekehrten Weg. Warum? Wir sind ein datengetriebenes Unternehmen. Unsere Produktideen entstehen, indem wir Suchanfragen bei Google und bei

Marktplätzen wie Amazon auswerten. Dabei merkt man sehr schnell: Viele Produktideen sind total naheliegend, es bietet aber niemand etwas Passendes an. Ein Beispiel: Sehr viele Menschen suchen online nach einem Mittel, um Schnecken zu vertreiben. Auf dem Markt gibt es aber fast nur Gift oder Fallen zum Töten. Daraus entstand die Idee: Lasst uns ein Mittel entwickeln, das Schnecken abschreckt und vertreibt, ohne sie zu töten. Und zehn Wo-


HIGHLIGHT

Aus Daten wird eine konkrete Produktidee entwickelt.

chen später begannen wir mit dem Vertrieb des fertigen Produktes über die jeweils passenden digitalen Plattformen und Marktplätze unter einer von uns ebenfalls neu entwickelten Marke. Sie entwickeln also Konsumgüter, die aus einem Datenturbo entstehen Wie funktioniert das? Um die Suchdaten richtig zu interpretieren, haben wir spezielle Algorithmen entwickelt. Weist der Algorithmus auf eine interessante Idee hin, setzen wir uns zusammen und analysieren die Daten: Wie gross ist der Markt für diese Idee tatsächlich? Und: Passt das Produkt zu einer unserer vorhandenen Marken oder brauchen wir eine neue Marke mit einem eigenständigen Sortiment? Zudem muss das Produkt auch zu unseren Werten passen: Alle unsere Produkte sind cruelty-free, nachhaltig produziert, recycelbar, vegan, ohne Mikroplastik. Und wir müssen alle Entwicklungsschritte bis hin zur Vermarktung selbst machen können. Dazu haben wir hoch­ automatisierte und flexible Produktionsanlagen an unserem Unternehmensstandort in Hamburg aufgebaut. Wichtig ist, dass alles schnell geht: Aus den ersten Hinweisen in den Daten muss so schnell wie möglich eine konkrete Produktidee werden, die so schnell wie möglich in die agile Entwicklung und Testung geht, damit ein marktreifes Produkt entsteht.

SCHWEIZER MARKENKONGRESS

Wie Markenführung in turbulenten Zeiten funktioniert, das ist Thema beim Schweizer Markenkongress. Sebastian Johnston wird beim grössten Branchentreff der Schweiz am 17. August in Zürich ebenfalls zu Gast sein. Informationen zum Schweizer Markenkongress gibt es unter: www.marken-kongress.ch

Wenn Sie einen Trend identifizieren: Welche Schritte folgen darauf? Sobald die Analyse der Kundenwünsche bei Suchmaschinen und Online-Marktplätzen ein Muster aufdeckt, setzt Vivere ein Entwicklungsteam darauf an. Pro Team arbeiten Researcher, Produktdesigner, Projekt- und Produktmanager gemeinsam mit Supply-Chain-Experten und MarketingSpezialisten systematisch einen Fragenkatalog ab: Was steckt hinter dem Such­ trend, den die Daten zeigen? Ist es ein kurzfristiger Mode- oder Beauty-Hype, wie er etwa rund um ein Event wie das Coachella-Festival entstehen kann? Ist das, was die Suchdaten zeigen, ein nachhaltiger Trend, der gerade erst beginnt, oder flacht er schon wieder ab? Wenn man alle Schnittstellen aufeinander abstimmt und die Prozesse von Anfang an digital aufstellt, funktioniert das sehr gut und dauert nur wenige Tage oder Wochen.

«Wichtig ist, dass alles schnell geht.» Vivere bringt Konsumgüter sechsmal schneller auf den Markt als andere Hersteller. Warum? Wir sind so schnell, weil wir es können – und weil das die Zukunft der Fast Moving Consumer Goods (FMCG) ist. Neue Kundenbedürfnisse entstehen, wir sind die ersten, die sie erkennen und dann auch direkt bedienen. Geschwindigkeit ist für uns total entscheidend. Anders als klassische Konsumgüterhersteller oder Händler haben wir die Gnade der späten Geburt. Wir müssen keine alten Prozesse und Gewohnheiten mitschleppen oder ändern. Wir haben alle Prozesse und Workflows von Grund auf neu designt, vieles automa-

tisiert und die Schnittstellen zwischen den einzelnen Entwicklungsschritten so gestaltet, dass alles flutscht. Wir haben keine Silos aufgebaut, sondern setzen von Anfang an kleine, crossfunktionale Teams auf neue Marken und Produkte an. Wir müssen nicht auf Produktionszyklen und Entscheidungsgremien von Partnern Rücksicht nehmen, weil wir alles selbst vor Ort haben: die Expertise, die Ressourcen. Wir bringen alle zusammen und dann läuft es von Sprint zu Sprint. Sie erweitern stetig Ihr Produktport­ folio. Wie viele Produkte kommen pro Monat hinzu? Und wo liegen die Grenzen – also welche Produkte würden Sie nicht ins Portfolio aufnehmen? Die Konsumgüterbranche arbeitet langsam und wenig digital. Vivere schöpft dieses Innovationspotenzial aus, indem wir ohne Zwischenhändler arbeiten, Produkte radikal datengetrieben entwickeln und uns kompromisslos zu Nachhaltigkeit verpflichten. Wir bringen jeden Monat ein bis zwei neue Marken mit bis zu 50 Produkten auf den Markt, jedes Quartal wollen wir einen neuen Absatzmarkt erschliessen. Damit planen wir, unseren Umsatz im nächsten Jahr zu verdoppeln. Kurz noch zu ein paar Zahlen: Wie gross ist das Team von Vivere mittlerweile und wo sehen Sie das Unternehmen in naher Zukunft? Unser Team besteht aus 80 Menschen aus über 15 Nationen, die Spass daran haben, mit viel Kreativität und Freiheit neue Marken und Produkte zu entwickeln und auch sofort umzusetzen. Dafür setzt das Führungsteam sein ganzes Erfahrungswissen aus der Konsumgüterbranche, E-Commerce, Produktentwicklung und Marketing ein. Uns alle treibt das Ziel an, mit neuen nachhaltigen Produkten die traditionelle Konsumgüterbranche umzukrempeln.

SEBASTIAN JOHNSTON ist CEO von Vivere. www.vivere.io

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HIGHLIGHT

Der automatische Abgleich mit Datenbanken vereinfacht die Produktion.

INDUSTRIE 4.0

DIGITALISIERUNG IN DER BESCHAFFUNG BESCHLEUNIGEN von Christian Iten

Die Digitalisierung betrifft heute alle Unternehmensbereiche sowie die gesamte Wertschöpfungskette einer Unternehmung – angefangen bei Beschaffung und Logistik hin zur Produktion sowie zu Marketing und Vertrieb. Dass in der Wertschöpfungskette die Prozesse optimiert werden, ist an sich nichts Neues, die Trendwende bringt allerdings die Anknüpfung ans Internet oder sogar an das Internet der Dinge.

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eute führen Unternehmen für ihr Supply-Chain-Management eigene Datenbanken mit Lieferanten und Produkten. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung dürfte sich das Daten­ mana­gement stark vereinfachen. Es ist zum Beispiel denkbar, dass Informationen automatisch mit den Datenbanken von Online-B2B-Plattformen abgeglichen werden. In so mancher Firma erkennen bereits die Produktionsmaschinen selbst die Auftragslage, Produktionskapazitäten und aktuellen Lagerbestände. Sie ermitteln selbstständig, wann ein Rohstoff zur Neige geht, und bestellen diesen autark nach.

DETAILLIERTE PRODUKTINFORMATIONEN Auf den Online-B2B-Plattformen wlw und EUROPAGES werden seit einiger Zeit nicht nur Produkte, Produktkategorien und Kontaktdaten der Firmen, sondern auch detaillierte Angaben sowie vielfach Abbildungen und Videos zu den einzelnen Produkten erfasst. Der Datenbestand wächst rasant. Schon heute suchen täglich vier Millionen professionelle Einkaufsentschei-

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der die Plattformen auf. «Was im Beschaffungsprozess zählt, sind Effizienz, Schnelligkeit und relevante Details. Entscheider finden auf den Plattformen relevante Produktinformationen, die nicht nur einen schnellen Marktüberblick zulassen, sondern oftmals die entscheidenden Kriterien für den Geschäftsabschluss sind», sagt Peter F. Schmid, CEO von Visable, dem Anbieter von wlw und EUROPAGES. «B2BMarktplätze und -Plattformen sind kostengünstige Lösungen, die dazu beitragen, den Beschaffungsprozess effektiv zu digitalisieren. Die dort verfügbaren Datenbanken liefern umfangreiche Informationen und erleichtern so die Lieferantensuche und Entscheidungsfindung erheblich.»

Auswahl qualifizierter Unternehmen. Experten werten dafür die Anfrage aus, indem sie die Suchparameter mit einer Datenbank aus 620’000 B2B-Anbietern abgleichen. wlw Connect trifft anhand der Ergebnisse eine Vorselektion, kontaktiert die passenden Lieferanten und klärt, ob die Anfrage für sie interessant ist. Das kürzt den gesamten Prozess von der Recherche bis zur Auftragsvergabe ab. «Von solch niedrigschwelligen, aber effektiven Lösungen hin zu umfassenden datengestützten Modellen liefert die Digitalisierung schier endlose Möglichkeiten für den Einkauf», resümiert Peter F. Schmid.

PLATTFORMANGEBOTE Dass es nicht immer gleich elaborierte Cloud-Umgebungen oder das Internet der Dinge sein müssen, zeigt wlw: Neben der KI-gestützten «klassischen» Lieferantensuche findet sich auf der Plattform auch der Service wlw Connect: Einkäufer geben hier ihren konkreten Bedarf in ein OnlineFormular ein und erhalten binnen kürzester Zeit, oft schon am nächsten Tag, eine

CHRISTIAN ITEN ist Projektleiter bei PULSCOM! www.pulscom.ch


KOLUMNE

CHANCEN DER MEHRSPRACHIGKEIT von Philipp Meier

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ind Sie schon einmal südlich des Gotthards aus dem Auto gestiegen und haben bemerkt, wie Sie plötzlich die Ohren spitzen? Auf dem Parkplatz neben Ihnen wird italienisch gesprochen und einen Moment lang hören Sie einfach zu. Ein paar wenige Worte genügen. Diese wirken wie ein akustisches Signal, das die Sonne des Südens ankündigt – oder gar ein paar genussreiche Ferientage.

Gut geplante Mehrsprachigkeit bietet die Chance, mit dem eigenen Produkt oder der eigenen Dienstleistung noch mehr Menschen zu erreichen – also neue Kundinnen und Kunden anzusprechen und für sich zu gewinnen und schweizweit erfolgreich zu sein. Darum ist Mehrsprachigkeit keinesfalls als blosser Kostenfaktor oder «lästiges Übel» zu betrachten, sondern als riesiges Potenzial, das Sie unbedingt nutzen sollten.

Unsere Schweiz ist so gesehen etwas ganz Besonderes, ein «Juwel», wenn man so will. Wir alle sind schnell im Tessin, in der Romandie – oder eben in der Deutschschweiz – und geniessen diese grosse Nähe und Vielfalt. Mehrsprachigkeit ist in der Schweiz tief verankert und wird zum Beispiel im politischen Alltag in Bern / Berne / Berna jeden Tag gelebt. Doch wir alle wissen: Mit dem vielzitierten «Röstigraben» etwa geht weit mehr einher als «nur» ein Sprachenwechsel. Die Mentalität der Menschen in den verschiedenen Regionen der Schweiz unterscheidet sich. Für Marketing und Werbung kann das eine Herausforderung sein. Denn ein Slogan, der für Aarauer Ohren gut tönt und funktioniert, muss in Neuchâtel oder Bellinzona deshalb nicht zwingend von Bedeutung sein. Das hat schon so manch einer erfahren, der eine Kampagne auf Deutsch entwickelt und sie dann zum Schluss noch schnell wortwörtlich ins Französische und Italienische übersetzt hat. Kam das tatsächlich an? Kampagnen und Co. gelingen (und lohnen sich!), wenn man die Mehrsprachigkeit konsequent mitdenkt und von Anfang an einplant. Dies betrifft zum Beispiel die Marketing-Planung, die Content-Strategie oder auch die Suchmaschinenoptimierung (SEO). Es ist ein Trugschluss, dass die Menschen in den verschiedenen Sprachregionen der Schweiz dann schon dieselben Begriffe googeln werden. Noch dazu kommt, dass das digitale Marketing, das für viele Unternehmen heute immer wichtiger wird, eine interaktive Angelegenheit ist. In welchen Sprachen möchte man interagieren? Wie soll meine Marke auf Französisch tönen?

In der Umsetzung muss Mehrsprachigkeit nicht kompliziert sein, denn gute Übersetzerinnen und Übersetzer kennen die lokalen Gegebenheiten und beziehen interkulturelle Aspekte mit ein. Funktioniert dieses Wortspiel in meiner Muttersprache? Passt es in den lokalen Kontext? Diese Fragen beantworten Ihnen professionelle Übersetzerinnen und Übersetzer. Und sie erarbeiten passende Vorschläge für Sie. Auch die Technik ist auf Ihrer Seite: Heute gibt es verschiedene Arten von Schnittstellen, die den Workflow automatisieren und die Abwicklung von Übersetzungsaufträgen und anderen Sprachdienstleistungen optimieren. Mit der entsprechenden Anbindung können Sie heute beispielsweise Übersetzungen direkt aus dem CMS Ihrer Webseite oder aus Ihrem firmeneigenen Intranet heraus in Auftrag geben. Mühsames «Copy-Paste» und zahlreiche Fehlerquellen gehören damit der Vergangenheit an. Alle Beteiligten sparen auf diese Weise Zeit, Nerven und letztendlich Geld. So können Sie sich aufs Wesentliche konzentrieren: dass eine Geschäftsbeziehung entsteht, weil Ihre Kundinnen und Kunden Sie verstehen.

PHILIPP MEIER ist CEO der Apostroph Group. www.apostrophgroup.ch

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MARCOM

Kunden haben heute vielfältige Ansprüche.

GLEICHZEITIG STEIGERN UND SPAREN

SPARSAME KUNDENPORTALE UND OPTIMALES KUNDENERLEBNIS von Dr. Stefan Sambol, Peter Makovitzky und Lorenz Moser

In den letzten Jahren sind die Anforderungen an den Kundenservice von Unternehmen stark gestiegen. Kunden erwarten, dass sie Unternehmen nicht nur über die klassischen Wege, sondern auch über digitale Kanäle erreichen können. Die anhaltende Coronakrise verstärkt den Trend hin zur Digitalisierung zusätzlich. Wie schaffen es auch KMU-Verantwortliche, mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten und eine effektive, kundenzentrierte Digitalstrategie auf- und umzusetzen?

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ie Antwort auf diese Frage liegt in Kundenportalen: Sie dienen als zentrale Einstiegspunkte zu den Dienstleistungen und Produkten eines Unternehmens. Dort können sich Kunden selbstständig informieren oder beispielsweise ihre Bestellungen verwalten. Häufig auftretende Fragestellungen lassen sich so automatisieren.

DIE BEDEUTUNG WÄCHST Stark wachsende Kundenerwartungen zwingen Unternehmen dazu, ihren Kundenservice-Ansatz zu überdenken. Während früher schon eine E-Mail zur modernen Kundenansprache zählte, spielt heute der

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Gebrauch einer Vielfalt an digitalen Kanälen eine immer grössere Rolle. Covid-19 hat diesen Trend verstärkt. Er wird aber nach der Pandemie weiter Wirkung entfalten. Der Grund dafür liegt in den technischen Entwicklungen: Automatisierung, vernetzte Geräte und künstliche Intelligenz erlauben es den Firmen, ihre Kunden immer besser zu verstehen und so stärker auf ihre individuellen Bedürfnisse einzugehen. Bereits heute haben sich die meisten Interaktionen im B2B-Verkaufsprozess auf Ferndienstleistungen oder B2B-SelfService-Systeme verlagert. Das entspricht auch den Kundenwünschen, denn 70 bis 80 Prozent der Entscheidungsträger be-

vorzugen digitale Interaktionen in allen Phasen eines Kaufprozesses. Guter Kundenservice spielt darüber hinaus eine entscheidende Rolle für die Markentreue. Das bestätigten 96 Prozent der Befragten in einer Umfrage von Microsoft. Hierfür ist ein positives Kundenerlebnis massgeblich, das durch personalisierte und kontextbezogene Interaktionen mit dem Service-Team während der gesamten Customer Journey entsteht. Eine solch vollumfassende Begleitung der Kunden an digitalen Touchpoints nennt man kundenzentrierte Strategie, die auch


MARCOM

NUTZEN UND VORTEILE VON KUNDENPORTALEN

Digitales Nutzererlebnis: Stimmige Online-Services und ein individuelles Design verbessern die Nutzererfahrung. Im Idealfall können die Nutzer ein Kundenportal nach ihren Bedürfnissen einstellen und die Portalansicht entsprechend anpassen. Die Kosten für den Kundenservice sinken: Der Kundenservice wird von standardisierten Anfragen und häufig gestellten Fragen entlastet. Darüber hinaus können Kunden notwendige Informationen und Daten wie Rechnungen eigenständig herunterladen. Höhere Produktivität der ServiceMitarbeiter: Kundenbetreuer oder Servicemitarbeiter können die gesparte Zeit nutzen, um eingehende Anfragen noch besser zu bearbeiten. So lassen sich ihre Produktivität und Qualität steigern. 24 / 7-Zugriff auf Informationen: Kunden erhalten Zugang zu relevanten Informationen rund um die Uhr. Moderner Kundenservice sichert so eine dauerhafte Kundenzufriedenheit. Zugang auf jedem Gerät: Mit den entsprechenden Benutzeroberflächen ist ein Portal über Mobilgeräte oder den Rechner erreichbar. Kundenempfehlungen: Ein erfolgreiches Portal stärkt nicht nur die Kundenzufriedenheit, es führt auch zu besserem Kundenfeedback oder Rezensionen und somit einer erhöhten Reputation der Marke.

mit dem englischen Begriff «Customer Centricity» erfasst wird. Während sie bis vor einigen Jahren noch B2C-Unternehmen vorbehalten war, wird sie heute auch von vielen B2B-Vertretern in den Mittelpunkt der gesamten Geschäftsstrategie gestellt.

KUNDENZENTRIERTE STRATEGIE 90 Prozent der Verbraucher weltweit erwarten, dass Unternehmen Online-Portale anbieten, auf denen sie sich selbst mit Informationen und Produkten versorgen können. Dazu passend möchten sie ihre Probleme möglichst schnell lösen – gerne

auch selbstständig. Kundenportale beinhalten diese Funktionen und sind somit sehr gut geeignet für den modernen Kundenservice. In Zeiten von Covid-19 schaffen sie zudem als digitale Touchpoints die Möglichkeit, den ständigen Austausch und Kontakt mit den Kunden zu pflegen.

EIGENSCHAFTEN EINES GUTEN KUNDENPORTALS Ein Kunden- oder Self-Service-Portal ist der zentrale Einstiegspunkt für Kunden in die Dienstleistungen oder Produkte eines Unternehmens. Dort haben sie Zugang zu sogenannten Self-Services, das heisst, sie können zum Beispiel Produkte nachbestellen, bestehende Bestellungen ändern oder Informationen anfordern. Je nachdem, welchen Schwerpunkt das Portal haben soll, kann die Lösung einfach oder komplex ausfallen. Reine Informationsangebote, zum Beispiel ein Newsoder FAQ-Center für häufig gestellte Fragen mit Suchoption, erfordern in der Regel keine Anmeldung und sind somit unkompliziert zu realisieren. Solche Wissensdatenbanken haben noch einen anderen Vorteil: Sie wirken sich positiv auf die Suchmaschinenrankings einer Website aus. Die Möglichkeit, Anfragen einzureichen oder Produkte zu bestellen, erfordert eine Authentifizierung. Diese macht ein System komplexer. Die Benutzeroberfläche des Portals kann für den Browser oder eine App gestaltet werden. Können Kunden von überall auf die Informationen zugreifen und Produktund Serviceanfragen selbstständig lösen, ist die Unterstützung eines Kundendienstmitarbeiters oft nicht mehr notwendig. Dies gilt insbesondere für Standardfragen oder -probleme. Digitale Kundenportal-Lösungen können aber auch als nächste Evolutionsstufe von B2B-Onlineshops gesehen werden: Sie bilden den Kaufprozess von B2B-Käufern ab, digitalisieren Verkaufsprozesse und unterstützen Unternehmen bei After-SalesAktivitäten. Damit decken solche Portale grosse Teile des Kundenlebenszyklus ab, inklusive aller Serviceangebote in verschiedenen Phasen einer Kundenbeziehung. Darüber hinaus ermöglichen sie eine zielgruppenspezifische Ansprache durch den Vertrieb, die auf die individuellen Rollen und Anforderungen des Kunden zugeschnitten ist.

Dabei sollten Portale für Innovationen und sich ändernde Anforderungen offenbleiben. Das heisst, sie sollten sich leicht auf verschiedene Kanäle und Umgebungen anpassen lassen, zum Beispiel auf Sprachassistenten oder Wearables (intelligente, elektronische Geräte, die nahe oder auf der Hautoberfläche getragen werden). Gleichzeitig ist ein konsistentes Nutzererlebnis auf allen verfügbaren Geräten notwendig, um Frust bei den Anwendern zu vermeiden. Portale bieten nicht nur Kunden wertvolle Einblicke in die Unternehmensprozesse, auch die Firmen erfahren mehr über die Vorlieben und das Verhalten ihrer Auftraggeber. Analysetools helfen dabei, diese Datensätze auszuwerten, um datenbasierte Entscheidungen zu Verbesserungen und Veränderungen zu treffen. Doch Vorsicht: Datenschutz und IT-Verwaltung sind hier kritische Punkte, deren gesetzliche Vorgaben sich häufig ändern.

DR. STEFAN SAMBOL ist Managing Partner bei OMMAX – Digital Solutions.

PETER MAKOVITZKY ist Vice President Digital Transformation bei OMMAX – Digital Solutions.

LORENZ MOSER ist Project Leader bei OMMAX – Digital Solutions. www.ommax-digital.com

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BUSINESS PORTRAIT

© the prosperity company

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Kundenberatung im Rahmen eines digitalen Ökosystems.

DER WANDEL IST DA

DIGITALE WOHLSTANDSPLANUNG UND ALTERSVORSORGE Interview mit Reto Näscher von Georg Lutz

Versicherungen und ihre Produkte gelten als konservativ. Jetzt sind sie aber mitten in einem Umbruchprozess angekommen. Zentrales Stichwort ist hier die digitale Transformation. Wie bekommt man die konservative Grundlage mit dem innovativen Zeitgeist zusammen? Wir führten nicht nur dazu ein Interview mit Reto Näscher, dem CEO der prosperity company, unter dessen Dach sich auch die Liechtenstein Life Assurance AG befindet.

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iele, auch ich, kennen Ihr Haus als Liechtenstein Life Assurance AG. Das ist ein Anbieter für fondsgebundene Produkte wie Lebensversicherungen zur Altersvorsorge und Risikoabsicherung. Sie sind dort mit Partnern als Investor eingestiegen. Für mich haben Lebensver-

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sicherungen eine sehr konservative Tönung. Sie haben trotzdem eine innovative Chance gesehen. Warum? Als wir vor fünf Jahren eingestiegen sind, haben wir uns diese Frage auch gestellt. Lebensversicherungen hatten in der Vergangenheit immer wieder mit einer teilweise negativen Wahrnehmung bezüglich

Transparenz, Kosten und Komplexität zu kämpfen. Wir haben aber in der Situation eher die Chancen gesehen. Aus welchem Grund? Das Thema Altersvorsorge ist eines der wichtigsten Themen, dem sich die Gesellschaft der Schweiz stellen muss. Und das


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Thema wird in den kommenden Jahren, unter anderem durch den demografischen Wandel, noch stärker an Brisanz gewinnen. Wir bieten unter anderem in der Schweiz 3a- und 3b-Altersvorsorgeprodukte an und haben dadurch die Möglichkeit, mit unseren Produkten Teil der Lösung dieser Herausforderungen zu sein. Gleichzeitig zielen unser Ansatz und unsere Philosophie darauf ab, Lebensversicherungen und andere Altersvorsorgeprodukte in ein positives Licht zu stellen. Es geht beispielsweise um hohe Transparenz, Kundennähe und klare Gebührenstrukturen. Jetzt kann man diskutieren, ob das innovativ oder selbstverständlich ist. Bei Lebensversicherungen zählt leider das erste Stichwort. Aus diesen Gründen haben wir mit einem anderen Ansatz eine Chance gesehen. Daher sind wir 2016 eingestiegen. Wir wollten und wollen ein Anbieter mit einfachen, klaren und fairen Produkten sein. Dabei ist für uns das Thema Digitalisierung ein Schlüsselelement.

«Nur wenn man hier erfolgreich agiert und die Mitarbeiter von der digitalen Transformation überzeugt, kommt man weiter …»

Können Sie uns, was die Verknüpfungen angeht, ein Beispiel aufzeigen? Wenn der Kunde bei uns eine Adressänderung tätigt, dann ist der Broker über das Brokerportal auch mit an Bord. Der Kunde kann jederzeit mit seinem Broker kommunizieren und beide sind auf gleicher Augenhöhe informiert. Im Zusammenhang mit Ihrem Hause fällt ein weiterer Begriff, den es zu erklären gilt: «Reversed Start-up». Lichtenstein Life ist kein Start-up, sondern seit Jahren auf dem Versicherungsmarkt tätig. Aber das Unternehmen, welches die App sowie das Brokerportal entwickelt hat und betreibt, schon. Es gibt in unserer Dachkonstruktion mit verschiedenen Unternehmen einige Start-ups, aber auch etablierte Player. Daher kommt der Begriff «Reversed Start-up». Das heisst, wir haben uns zuerst an einem etablierten regulierten Unternehmen beteiligt und danach um das Unternehmen Start-ups gegründet. Es geht dabei aber nicht nur um den Zeitpunkt der Gründung, sondern – viel wichtiger – um ein Mindset. Als Versicherung sind wir eher konservativ aufgestellt. Im Rahmen der digitalen Transformation mit unseren Start-ups kommt es aber auf Innovation und Kreativität an. Es geht hier, um es mal auf den Punkt zu bringen,

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Jetzt haben Sie sich zu einer Plattform entwickelt und sprechen von einem «digitalen Ökosystem». Das gilt es zu erklären. Das Ökosystem besteht bei uns aus mehreren Komponenten. Wir haben eine Beziehung zum Broker und zum Endkunden.

Operativ haben wir eine Plattform für den Endkunden geschaffen. Dort kann er mithilfe einer App seine Police verwalten und weitere Aktionen, beispielsweise Zuzahlungen in seine Altersvorsorge, tätigen. Gleichzeitig haben wir eine Plattform für den Broker erstellt. Über diese erhält er vertriebsunterstützende Services sowie Datenanalysen – selbstverständlich digital. Zudem gibt es Beratungsbereiche und Verknüpfungen zur Kundenplattform. Das ist für uns ein digitales Ökosystem.

Die Räumlichkeiten passen zu den Produkten. Transparenz hat Vorfahrt.

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Die Erfahrung von etablierten Unternehmen mit innovativen Start-ups kommen zusammen.

auch um «thinking out oft the box». Da brauchen wir andere Teams mit anderen Fähigkeiten als bei klassischen Versicherungsfragen. Die Kunst ist nun, beides unter einem Dach produktiv zu versammeln. Nochmals zum Thema «Reversed Startup». Kennen Sie Unternehmen aus der Finanzbranche wie N26 oder wefox? Sind das Fintechs? Das sind Beispiele für die neuen digitalen Marktteilnehmer unserer Branche. Bei N26 geht es um Kontoführung via Smartphone. Zuvor haben die Verantwortlichen eine Plattform und Apps erstellt und dann erst ein reguliertes Unternehmen erworben. Bei uns war es umgekehrt. Wir hatten zunächst ein klassisches reguliertes Unternehmen übernommen und sind dann in die digitale Welt vorgedrungen. Sie sprechen in diesem Zusammenhang auf Ihrer Webseite von einem kulturellen Wandel. Beinhaltet dieser nicht Fliehkräfte, die die Statik des Unternehmens ins Wanken bringen können? Ich habe in Ihrer Branche immer noch den jungen konservativen Mann im

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Kopf, der jetzt plötzlich ganz anders ticken muss. Zudem ist ja der Homo sapiens ein Gewohnheitstier. Jetzt steht er aus meiner Sicht nicht nur vor einem kulturellen Wandel, sondern einer Kulturrevolution. Wie gehen Sie damit um? Dieser Wandel ist tatsächlich nicht nur unsere grösste Herausforderung. Da geht es um Menschen. Über die letzten Jahre haben wir unterschiedlichste Mittel und Tools eingesetzt. Das reicht von Schulungen bis zur Darstellung von Prozessen. Dabei stand der Mehrwert für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vordergrund. Nur wenn man hier erfolgreich agiert und die Mitarbeiter von der digitalen Transformation überzeugt, kommt man weiter, sonst sind Misserfolge vorprogrammiert. Gleichzeitig gilt es auch, den Kunden und Brokern den Mehrwert der digitalen Transformation klar aufzuzeigen. Das ist die Grundlage für den Erfolg. Sie mindern dann bei den meisten Beteiligten die Angst und die Vorurteile und wecken in der Folge die innovativen Potenziale. Es gibt eine Minderheit, die erkennt, dass es nicht ihr Weg ist. Das ist leider so, trägt

BUSINESS PORTRAIT

aber auch zur Klarheit bei. Bei den Neueinstellungen achten wir auf die Kompatibilität mit dem Mindset und die Offenheit gegenüber dem Wandel. Welche Auswirkungen hatte die Pandemie? Die Pandemie hat ja der Arbeitswelt nochmals einen Stoss in Richtung digitalen Change verpasst. Da können wir uns nur bestätigt fühlen. Lassen Sie mich dazu nur noch ein Beispiel erwähnen. Mittlerweise beschäftigen sich rund 30 Prozent unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Datenanalyse und IT. An solch einem Punkt erkennt man den Weg, den wir schon vorangekommen sind. Das Wettbewerbsumfeld Ihrer Branche ist anspruchsvoll. Da sind einige Player mit grossen Kriegskassen unterwegs. Auch dort steht Digitalisierung auf der Agenda. Was macht Sie zuversichtlich? In der Tat gibt es viele sehr grosse Tanker in unserem Marktumfeld, die auch finanziell gut aufgestellt sind. Aber wenn man auf so einem Tanker ein IT-Projekt umsetzen will, braucht das Aufwendungen, die alle viel Zeit kosten. Da sind wir, um im Bild


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zu bleiben, lieber auf einem Schnellboot unterwegs, welches flexibler und schneller manövrieren kann. Auch die Datenqualität spielt hier eine Rolle. Das hat sich gerade im Zeichen der Pandemie gezeigt. Wir konnten Partnern, die stark von den Lockdowns betroffen waren, schnelle Lösungen und Massnahmen anbieten. Es geht hier also nicht nur um das Reagieren, sondern auch um das Agieren? Exakt, es geht darum, unseren Partnern proaktiv Lösungen für ihre Herausforderungen anzubieten. In Ihrer Branche liest man immer mehr von Nachhaltigkeit und grünen Produkten. Sie haben hier sicher auch Angebote? Ja, wir haben im Frühjahr 2021 unsere erste grüne Police an den Start gebracht. Es geht dabei um nachhaltige und ESGkonforme Produkte (Environment, Social und Corporate Governance). Uns ist es aber wichtig, nicht nur grüne Produkte im Angebot zu haben, sondern auch hier das Mindset selbst zu leben.

Sie wollen nicht in die GreenwashingFalle treten? Ja, denn es geht um Umwelt- und Sozialstandards bei uns selbst. So kompensieren wir unseren CO2-Ausstoss. Wir vermeiden Plastikflaschen und kaufen Früchte mit Fair-Trade-Siegel. Auch die Geschäftsreisetätigkeit nimmt bei uns ab. Das sind einzeln betrachtet Peanuts. In der Summe verändern wir aber etwas in den Köpfen. Von Kundenseite gibt es beide Sichtweisen. Es gibt einige, die auf einen Trend setzen, und andere, die sich wirklich mit dem Thema auseinandersetzen. Bei einem Vorsorgeprodukt habe ich ja einen Horizont, der über mehrere Jahrzehnte reicht. Da habe ich eigentlich ein Interesse daran, dass diese Welt auch in der Zukunft lebenswert ist. Der Markt für grüne Produkte wird drastisch steigen. Das Bewusstsein ändert sich und dadurch auch die Handlungsoptionen. Ökologie ist heute kein Thema mehr für wenige Bürgertöchter und -söhne. Die Auswirkungen des Klimawandels sind ja jetzt schon sichtbar.

Kommen wir zum Thema Zukunft. Wohin wird sich der Markt Ihres Hauses verändern? Altersvorsorge und Versicherungsfragen beziehen sich auf komplexe und sehr private Fragestellungen. Daher wird es in absehbarer Zukunft auch noch den Broker mit seinen ganzen Kompetenzen geben. Allerdings wird die digitale Transformation weiter an Fahrt gewinnen. Der Beratungs- und Abschlussprozess bekommt viel mehr digitale Komponenten. Der Broker kann sich auf die komplexen Sachverhalte konzentrieren.

RETO NÄSCHER ist CEO von the prosperity company (TPC). www.theprosperity.company

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Bereit.

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Bei der Statutenänderung einer GmbH werden durchschnittlich zwei Arbeitsstunden eingespart.

ES GEHT EINFACHER, SICHERER UND SCHNELLER INNOVATION FÜR DIE TREUHANDPRAXIS Interview mit Lars Donner von Georg Lutz

Die operative Umsetzung von Änderungen im Rahmen von Kapitalgesellschaften ist üblicherweise eine mühsame Handarbeit. Aus verschiedensten Dokumenten gilt es, Daten manuell einzutragen. Das muss nicht mehr sein. Vier Stichworte fassen die neue Lösung zusammen: innovativ, einfach, sicher und anonym. Wir führten dazu ein Interview mit Lars Donner, dem Geschäftsführer der Navis Swiss Enterprises GmbH.

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ie sieht das klassische Vorgehen eines Treuhänders aus, wenn er Veränderungen von Kapitalgesellschaften vornehmen will? Da gibt es verschiedene Vorgehensweisen: Der eine Treuhänder schreibt seinem Notar eine Mail mit dem Auftrag und bittet um einen Termin für die Beurkundung – dies kann gerade jetzt in Corona-Zeiten bis zu zwei Wochen dauern. Der Notar bereitet dann alle notwendigen Dokumente für die Beurkundung vor. Der andere Treuhänder bereitet die notwendigen Dokumente in mühseliger Handarbeit selbst vor und geht damit dann zu seinem Notar. Diese Vorbereitung der Dokumente ist zeitaufwendig, benötigt viel Know-how und es erge-

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ben sich bei der manuellen Übertragung viele Fehlerquellen. Wo gibt es hier aus heutiger Sicht Verbesserungspotenziale? Der Prozess verlangsamt sich, da der Treuhänder für die Statutenänderung immer noch auf den Notar angewiesen ist. Aus meiner Sicht könnte man darauf verzichten – der Vorgang sollte in Zukunft vom Treuhänder alleine durchgeführt werden können. Das Thema Transformation und mehr Effizienz durch Digitalisierung ist auch in Ihrer Branche angekommen? Ja, wir haben versucht, den Prozess der Handelsregistermutation zu automatisie-

ren und zu vereinfachen. Im Moment ist der Prozess noch nicht komplett digitalisiert – Unterschriften werden immer noch im Original benötigt. Wir arbeiten aber daran, auch diesen letzten Schritt zu digitalisieren. Aktuell sind auch in der Politik gesetzliche Vorstösse in Planung, die in diese Richtung zielen. Ihr Haus hat jetzt mit «SmartMod» eine digitale Alternative auf den Markt gebracht. Können Sie auch hier die operativen Schritte verdeutlichen, damit wir diese mit der klassischen Lösung vergleichen können? Wenn wir wieder den Fall aufgreifen, bei dem ein Kunde zum Treuhänder geht, um den Namen seiner AG zu wechseln, dann


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sieht das nun mit SmartMod wesentlich effizienter und einfacher aus: Der Treuhänder erstellt die notwendigen Dokumente wie Statuten, Vollmachten, Handelsregisteranmeldung oder Urkunde in Echtzeit direkt mit dem Kunden innerhalb von circa sieben Minuten. Direkt beim Erstellen der Dokumente geht auch schon per Mail der Auftrag an unseren Notar. Im nächsten Schritt müssen die Papiere nur noch unterschrieben und im Original an den Notar geschickt werden. Spätestens 48 Stunden nach Eintreffen der Originalunterlagen beim Notar geht die Beurkundung an das entsprechende Handelsregisteramt zur Eintragung. Es geht folglich um die Kombination aus mehr Innovation und gleichzeitig einfacherem, schnellerem Vorgehen? Sie bringen es auf den Punkt. Wie läuft die Installation beziehungsweise Einrichtung der Software ab und habe ich eine Testmöglichkeit? SmartMod ist eine Online-Lösung. Sie brauchen nichts runterzuladen – wir sind system- und ortsunabhängig. Man kann sich als Treuhänder einfach auf der Website www.navis.gmbh für eine 14-tägige kostenlose Testversion registrieren und direkt loslegen. Wir sprechen hier von einer CloudLösung? Ja, wir haben uns für eine Cloud-Lösung entschieden. Es war uns wichtig, dass ich als Treuhänder, gerade jetzt in der CoronaZeit via Home Office, von überall auf SmartMod zugreifen und damit meine Arbeit verrichten kann. Aktuell muss ich immer noch viele Daten von Hand in die Dokumente eingeben. Das ist ein Zeitfresser. Wie sieht die Lösung bei Ihnen aus? Hier kommen wir zu einem zentralen Pluspunkt von SmartMod: Die meisten Firmenund Personendaten werden direkt aus dem Onlineregister zefix.ch eingelesen. Das erspart mir einerseits enorm viel Zeit, andererseits reduziere ich die Fehlerquellen um ein Vielfaches. Die einmal eingelesenen Daten werden zur Erstellung sämtlicher Dokumente verwendet. Sicherheit und Datenschutz sind in Ihrer Branche ein besonders heikler Punkt. Fast alle digitalen Lösungen haben hier

Die heiklen Daten sind für den Anbieter nicht einsehbar.

Herausforderungen zu bewältigen. Wie sind diese bei Ihnen gelöst? Das ist ein wichtiges Thema, auf welches wir bei der Programmierung besonderen Fokus gelegt haben: Alle Daten werden verschlüsselt auf sicheren Servern gespeichert. Selbst uns ist es nicht möglich, die Daten unserer Treuhänder einzusehen. Selbstverständlich werden auch täglich Backups des ganzen Systems erzeugt und sicher aufbewahrt.

«Das erspart mir einerseits enorm viel Zeit, andererseits reduziere ich die Fehlerquellen um ein Vielfaches.» Wird die Software von den Notaren, die es ja weiter braucht, akzeptiert? Wir arbeiten mit verschiedenen Notaren zusammen. SmartMod wurde nun über ein Jahr von einigen ausgewählten Treuhändern auf Herz und Nieren getestet – die

angeschlossenen Notare sind sehr glücklich über die Zusammenarbeit mit Navis Aurelis Swiss Enterprises GmbH und freuen sich über die professionelle Kooperation. Wird «SmartMod» auf lange Sicht Notare ersetzen? Es wäre zu wünschen, dass in naher Zukunft der Notar für eine Statutenänderung nicht mehr involviert werden muss. Wenn dann noch eine einvernehmliche Lösung mit den Handelsregisterämtern in Bezug auf digitale Unterschriften zustande käme, dann wäre SmartMod bestimmt für die meisten Treuhänder eine unverzichtbare Lösung. Welche Produkte / Leistungen bietet die Navis Swiss Enterprises GmbH zudem an? Wir haben uns tatsächlich auf Handelsregisteränderungen spezialisiert und konzentrieren uns darauf. Im Rahmen dieser Arbeit haben wir SmartMod entwickelt.

LARS DONNER ist der Geschäftsführer der Navis Swiss Enterprises GmbH. www.navis.gmbh

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Das Drei-Säulen-System ist vorbildlich und hat trotzdem Konstruktionsfehler.

HANDLUNGSDRUCK NIMMT ZU OHNE RENTENREFORM VERLIEREN WIR ALLE von Erich Meier und Andreas Schneider

Vorsorge bedeutet, mit bestimmten Massnahmen eine spätere materielle Notlage nach Möglichkeit zu vermeiden. Seit einigen Jahren zeigen Umfragen immer wieder den gleichen Trend. In der Schweiz machen sich jüngere und ältere Personen zunehmend ernsthafte Sorgen um die Erreichbarkeit dieses Ziels. Zu Recht, wie wir meinen. Die Altersvorsorge ist heute keineswegs nachhaltig ausgestaltet – auch wenn dies politisch immer wieder gebetsmühlenartig behauptet wird. Im Gegenteil, wir hinterlassen zukünftigen Generationen riesige Hypotheken. Zur Wahrung der Generationenfairness müssen mutige Entscheidungen gefällt werden. Seite 36 // kmuRUNDSCHAU


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Solidarität aus der AHV tatsächlich ist. Die Pensionskassen haben seit der Einführung des BVG im Jahre 1985 mehr Leistungen ausbezahlt, als ursprünglich geplant war. Die dritte Säule bietet attraktive (steuerliche) Anreize, um auf privater Basis zusätzlich für das Alter zu sparen und dadurch noch autonomer zu werden. Rund 60 Prozent der Erwerbstätigen verfügen über eine dritte Säule. Wer trotzdem durch dieses soziale Netz fällt, kann Ergänzungsleistungen beantragen. Bewegen wir uns folglich in ruhigem Fahrwasser? Die Antwort muss leider negativ ausfallen.

DIE KONSTRUKTIONSFEHLER UND IHRE FOLGEN So gut die Ausgangslage auch sein mag, das heutige Drei-Säulen-System hat erhebliche Konstruktionsfehler, die seine Zukunft zumindest infrage stellen. Die dritte Säule ist die einzige Säule, die heute nachhaltig ausgestaltet ist. Deren Ziel ist eben gerade, dass jede Person individuell für sich selbst spart. Es gibt keine Solidaritäten zu anderen Personen, die zu einem finanziellen Ungleichgewicht führen könnten. In der ersten und zweiten Säule sieht es deutlich anders aus. Die vorhandenen Konstruktionsfehler führen Jahr für Jahr zu erheblichen finanziellen Defiziten, die das System über kurz oder lang in die Bredouille führen, wenn keine genügenden Reformen umgesetzt werden. Diese Situation hat in den letzten Jahren in der Schweiz zu heftigen Debatten und Abstimmungen geführt. Trotzdem ist die Situation weiter unbefriedigend, wie die folgenden Zahlen belegen.

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ie Schweiz hat mit ihrem Drei-SäulenSystem eine ideale Grundlage für die Altersvorsorge geschaffen. Dafür beneiden uns andere Gesellschaften in der ganzen Welt. Die verschiedenen Säulen ergänzen sich in idealer Form. Die heutige Leistung der Altersvorsorge ist beträchtlich. Die durchschnittliche Jahresrente aus der ersten (AHV) und der zweiten Säule (PK) betragen rund 22’000 CHF beziehungsweise 29’000 CHF. Aus der AHV bekommen 92 Prozent der Personen mehr Rentenzahlungen, als sie jemals eingezahlt haben. Damit wird deutlich, wie hoch die gewollte Umverteilung beziehungsweise

Gemäss unseren Schätzungen könnten das jährliche Umlagedefizit der AHV bis ins Jahr 2050 auf bis zu 20 Milliarden CHF ansteigen. Dies ist kein Schreibfehler; es handelt sich um das jährliche Defizit und nicht um den bis dahin aufgelaufenen Verlust, der gegen 400 Milliarden CHF tendieren könnte! Es gilt, diese Zahlen durch Vergleiche einzuordnen. Im Jahre 2019 hat der Bund acht Milliarden CHF für Bildung und Forschung, vier Milliarden CHF für die Landwirtschaft und sechs Milliarden CHF für das Militär ausgegeben. Die gesamten Einnahmen der Mehrwertsteuer beliefen sich auf 23 Milliarden CHF und die Staatsverschuldung hat 97 Milliarden CHF betragen. Bereits hier sollten die Alarmglocken läuten. Gemäss der Oberaufsichtskommission für berufliche Vorsorge hat die ungewollte Um-

verteilung in der zweiten Säule im Jahre 2020 vier Milliarden CHF betragen (Vorjahr sieben Milliarden CHF). Dieses Defizit kommt vor allem dadurch zustande, dass die Altersrenten ein deutlich höheres Zinsversprechen enthalten, als aufgrund des aktuellen Anlagemarktes gerechtfertigt wäre. Wenn beispielsweise eine Rentnerin oder ein Rentner mit dem gesetzlichen Umwandlungssatz von 6.8 Prozent (erwarteter Anlageertrag: 4.8 Prozent) pensioniert wird, versicherungstechnisch aber lediglich ein Umwandlungssatz von 4.9 Prozent (erwarteter Anlageertrag: zwei Prozent) gerechtfertigt wäre, bekommt diese Person bei der Pensionierung ohne Gegenleistung ein zusätzliches Kapital von 42 Prozent gutgeschrieben. Diese Gutschrift ist durch die aktivversicherten Personen mittels tieferer Verzinsung oder überhöhter Risikobeiträge zu finanzieren. Es gibt keine «anonymen» Gönner, die Geschenke verteilen. Eine solche Umverteilung ist im Konzept der zweiten Säule nicht vorgesehen und führt dazu, dass die aktivversicherten Personen bei ihrer Pensionierung niedrigere Leistungen haben werden.

GRÜNDE FÜR DEN REFORMBEDARF Die erste Säule hat wiederum sehr stark mit der Demografie zu kämpfen. Während 1990 noch rund vier Personen für einen Rentner bezahlt haben, werden 2030 nur noch 2.5 Personen für einen Rentner arbeiten – und diese Quote wird sich noch deutlich verschlechtern. Ein Grund dafür ist, dass die geburtenstarken Jahrgänge pensioniert werden. Ein anderer Grund ist die signifikante Erhöhung der Lebenserwartung. Diese hat sich bei einem 65-jährigen Mann beziehungsweise einer 65-jährigen Frau seit 1985 um fünf beziehungsweise vier Jahre erhöht. Die zweite Säule wird ebenfalls mit der steigenden Lebenserwartung konfrontiert. Viel schwerer wiegen hier aber die Entwicklungen an den Finanzmärkten. Der für Pensionskassen essenzielle Zinssatz der zehnjährigen Bundesobligationen hat 1985 bei der Einführung des BVG 4.8 Prozent betragen. Seit 2015 bewegt er sich grossmehrheitlich im negativen Bereich. In den letzten Jahren konnten wohl immer wieder sehr gute Ergebnisse mit der Vermögensanlage erzielt werden. Diese sind jedoch vor allem der teilweise sprunghaften Erhöhung der Preise der Vermögensanlagen infolge der grossen Geldschwemme der

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Nationalbanken und dem damit zusammenhängenden sinkenden Zinsniveau geschuldet. Eher weniger dafür verantwortlich ist die Realwirtschaft. Die fehlende Bereitschaft und Fähigkeit der Staaten und der Wirtschaft zur Bezahlung von Zinsen wird sich in Zukunft mehr und mehr im Anlageerfolg niederschlagen. Die grosse Unbekannte ist vor allem die Teuerung, die sich plötzlich und sprunghaft einstellen und ungewollte Auswirkungen auf die Preise der Vermögensanlagen haben könnte.

UNANGENEHME LÖSUNGSANSÄTZE Noch immer ist die Erwartung einer breiten Bevölkerungsschicht, dass Reformen gratis zu haben sind und sich nicht auf die individuellen Ansprüche auswirken dürfen. Dies ist illusorisch. Für die Reform der Altersvorsorge stehen im Wesentlichen drei Stellschrauben zur Verfügung: höhere Beiträge, niedrigere Renten oder höheres Rentenalter. In der zweiten Säule könnte zusätzlich noch das Anlagerisiko erhöht

werden, was im Erwartungswert zu höheren Renditen führen würde. Mehr Anlagerisiken erhöhen aber auch das Risiko für Unterdeckungen, was ebenfalls mit Kosten verbunden wäre. Die bisherigen Reformvorschläge haben sowohl in der ersten als auch in der zweiten Säule vor allem auf höhere Beiträge gezielt. Zumindest eine weitere Dimension sollte hinzukommen: die Erhöhung des Rentenalters. Noch immer leisten wir uns ein Vorsorgesystem, bei dem die Rentenbezugsdauer laufend erhöht wird. Dies ergibt sich daraus, dass die Lebenserwartung ständig zunimmt, das Pensionierungsalter jedoch statisch bei 65 beziehungsweise 64 Jahren stehen bleibt. Konkret nimmt die Lebenserwartung jedes Jahr um mehr als einen Monat zu. Einer Senkung der Renten ist in der ersten sowie in der obligatorischen zweiten Säule mit Skepsis zu begegnen, da die Renten aus einer vollen Erwerbskarriere genügend

Partikularinteressen dürfen nicht mehr im Vordergrund stehen.

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hoch sein sollten. In der überobligatorischen zweiten Säule sinken die Renten demgegenüber seit Jahren laufend, und die Senkungen werden in der Regel nicht oder nicht vollständig kompensiert. Viele Pensionskassen haben im Überobligatorium die notwendigen Hausaufgaben bereits gemacht oder sind dabei, diese zu erledigen, was positiv für die Altersvorsorge ist.

SCHEINARGUMENTE ZUR ABLENKUNG Gerne wird immer wieder versucht, mit Scheinargumenten von dieser harten Realität abzulenken: > In der ersten Säule soll beispielsweise das Bevölkerungswachstum die erhoffte Lösung bringen. Um die für die erste Säule wichtige Alterspyramide intakt zu halten, müsste das Bevölkerungswachstum durch Geburten und / oder Zuwanderung in den nächsten 30 Jahren 2.5-mal so hoch sein,


DIE WELT DER FINANZEN

Reformen sind nicht gratis zu haben. Diese Erkenntnis ist noch nicht überall angekommen.

wie es in den letzten 30 Jahren war. Das ist illusorisch und politisch kaum gewollt. Zudem würde es die Probleme der AHV nur aufschieben. > Für die Probleme der zweiten Säule werden immer wieder die Verwaltungskosten verantwortlich gemacht. Diese betragen jährlich durchschnittlich 306 CHF pro versicherte Person. Wie viel zusätzliche Rente würde eine Person erhalten, wenn in 40 Erwerbsjahren keine Verwaltungskosten anfallen würden (was per se unrealistisch ist)? Dies würde die Jahresaltersrente um rund 1 000 CHF erhöhen, was rund 3.5 Prozent der durchschnittlichen Altersrente entspricht. Es ist offensichtlich, dass damit die zweite Säule respektive das gewünschte Rentenniveau nicht gerettet wird.

DIE FRAGE NACH DEN HANDLUNGSOPTIONEN Es ist unvermeidbar, dass in einer ausgewogenen Lösung alle Personen Opfer bringen müssen. So wie der Bedarf an höheren Beiträgen unbestritten ist, so sollte ebenso die Notwendigkeit nach einer Erhöhung des Rentenalters anerkannt wer-

den. Beispielsweise könnte der Pensionierungszeitpunkt an die Lebenserwartung gekoppelt werden. So könnten wir uns als Gesellschaft an der steigenden Lebenserwartung erfreuen und müssten keine Angst vor den finanziellen Konsequenzen für die Altersvorsorge haben. In der zweiten Säule würde zudem sehr stark helfen, wenn die Renten flexibilisiert werden könnten. Dies würde ermöglichen, die Anlagerisiken zu erhöhen und damit im Erwartungswert höhere Renten zu zahlen, als wenn diese fix sind. Zudem sollten generell Automatismen im Gesetz verankert werden, sodass nicht alle paar Jahre bereits jetzt schon absehbare Anpassungen diskutiert werden müssen. Seit Jahren versucht die Politik, eine Vorlage zur Rentenreform zusammenzustellen, und scheitert immer wieder an der «Betroffenheits-Demokratie». In jeder Vorlage hat es genügend Elemente, die gegen Partikularinteressen verstossen, und das reicht immer aus, um die Vorlage zu Fall zu bringen. Was wir dringend brauchen, ist die Einsicht, dass wir gemeinsam mutige Entscheidungen zugunsten der gesamten Gesellschaft fällen und persönliche Interessen zurückstellen müssen. Wir sind in einer ernsten Lage, die sich mit keinem Parteibüchlein lösen lässt.

ERICH MEIER ist Partner und Leiter des KPMG Kompetenzzentrum Vorsorge. Er hat sich auf die Prüfung und Beratung von Vorsorgeeinrichtungen spezialisiert und ist Mitglied des Stiftungsrats der KPMG Personalvorsorgestiftung.

ANDREAS SCHNEIDER ist Direktor der Wirtschaftsprüfung Bern und bei KPMG Bern als leitender Revisor verantwortlich für alle Stiftungen mit oder ohne Vorsorgezweck. Er hat sich auf die Prüfung und Betreuung von Pensionskassen und gemeinnützigen Organisationen spezialisiert. www.home.kpmg/ch

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BEI UNS DREHT SICH ALLES UM IHR WOHNEIGENTUM IM HAUSEIGENTÜMERVERBAND IMMER GUT BERATEN von Markus Meier

Seit über 100 Jahren setzt sich der Hauseigentümerverband nachhaltig für die Anliegen der Wohn- und Grundeigentümer ein. Mit unseren 340’000 Mitgliedern in über 100 kantonalen und regionalen Sektionen zählen wir zu den grössten Verbänden der Schweiz. Danke, dass auch Sie auf uns vertrauen.

D

er Hauseigentümerverband Schweiz ist die Dachorganisation der Wohneigentümer und Vermieter in der Schweiz. Der Verband setzt sich aus rund 340’000 Mitgliedern zusammen. Mit unseren über 100 Regionalsektionen und Kantonalverbänden sind wir überall nahe bei unseren Mitgliedern – auch bei Ihnen. Als sich Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Vermieter zu Hausbesitzervereinen zusammenschlossen, konnten sie wohl nicht ahnen, wie gross der Stein sein würde, den sie damit ins Rollen brachten. Die beharrliche Aufbauarbeit früherer Generationen hat

sich gelohnt. Aus den lokalen Vereinen von Hausbesitzern und Vermietern ist mit der Zeit einer der mitgliederstärksten Verbände des Landes entstanden.

«Starker Partner auch für KMU.» Seit mehr als 100 Jahren setzt sich der HEV konsequent und erfolgreich für die Förderung und Erhaltung des Immobilien-

eigentums ein. Dazu gehören die Eigentumsgarantie, nur so viel Bürokratie wie nötig, wirtschaftlich tragbare Vorschriften sowie auch massvolle Steuern, Gebühren und Abgaben.

WERDEN SIE JETZT MITGLIED! Der Hauseigentümerverband engagiert sich als Dienstleistungs- und Kompetenzzentrum für seine Mitglieder. «Ihren» HEV bzw. Ihren Regionalverband finden Sie ganz in der Nähe. Damit Ihr Wohneigentum noch mehr Freude macht – HEV, die Nr. 1 für Wohn­eigentum!

IHRE VORTEILE BEIM HEV > Telefonische Rechtsauskunft in Sachen Wohn- und Grund­eigentum > Fachzeitung «Der Schweizerische Hauseigentümer» (2 x monatlich) > Vergünstigte Mitgliederpreise auf Bücher, Ratgeber und Formulare > HEV-Mitglieder-Vergünstigungen www.hev-shop.ch > Prämienrabatte mit bis zu: 10 Prozent auf Zurich Versicherungen, 25 Prozent bei Swica Krankenkasse, 5 Prozent Erdbeben­versicherung, uvm. > HEV-Hypotheken zu Vorteilskonditionen > Vergünstigungen auf hilfreiche Praxiskurse rund ums Wohneigentum > Attraktive HEV-Reisen > Spannende Freizeitangebote und vieles mehr!

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MARKUS MEIER ist Direktor HEV Schweiz. www.hev-schweiz.ch/mitgliedschaft www.hev-schweiz.ch


KOLUMNE

IT – UND WO BLEIBEN DIE FRAUEN? von Lea Hasler

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pätestens mit der Coronakrise wird auch den kritischsten Geistern in der Schweiz klar: Die Digitalisierung ist da. Um ihre Vorteile voll nutzen zu können, braucht es natürlich aufgeschlossene Benutzerinnen und Benutzer, fortschrittliche Unternehmen und sicher auch eine Modernisierung vieler Branchen. Damit ist es jedoch noch lange nicht getan: In erster Linie braucht es kreative, motivierte und fähige Informatikerinnen und Informatiker, welche die gesamte digitale Infrastruktur, die Dienstleistungen und Programme entwerfen, bauen, weiterentwickeln, warten und den Benutzerinnen und Benutzern effiziente und leistungsstarke Instrumente zur Verfügung stellen. Das wissen wir eigentlich schon lange und der Wirtschaft ist klar, dass sich der bereits vorhandene Fachkräftemangel noch verstärken wird. ICT-Berufsbildung prognostizierte im September 2020, dass die Schweiz bis 2028 insgesamt rund 120’000 zusätzliche ICT-Fachkräfte benötigt. 70 Prozent davon können wir gemäss Studie mit Arbeitsmarkteintritten von Neuabsolventinnen und -absolventen sowie zugewanderten ICT-Fachkräften decken. Knapp 36’000 müssten jedoch noch vom Himmel fallen, was leider selten geschieht. Und 2028 ist bald. «Und jetzt?» Genau diese Frage wird meiner Meinung nach zwar oft gestellt, tatsächlich sind jedoch viele ratlos und warten lieber mal ab. Natürlich ist es richtig und wichtig, die Aus- und Weiterbildung stetig auszubauen. Insbesondere im Hinblick auf den weiblichen Nachwuchs ist das von grösster Bedeutung, denn der Schweizer ICT fehlen die Frauen: Weltweit liegt der Durchschnitt der IT-Absolventinnen laut UNESCO bei 40 Prozent, die Schweiz liegt mit knapp 15 Prozent Frauen in allen Bereichen der ICT weit dahinter. Bei der Suche nach Gründen scheiden sich die Geister. Ich bin überzeugt, dass es wenig bis gar nichts mit mangelnden Fähigkeiten von Frauen zu tun hat, dafür sehr viel mit falschen Vorstellungen, fehlenden Vorbildern und Unternehmenskulturen, die von Männern geprägt wurden. Und ja, es lohnt sich bestimmt, sich für ausgeglichenere Geschlechterverhältnisse einzusetzen: Gemischte Teams sind nachweislich erfolgreicher. Und wer möchte denn, dass unsere zukünftige Welt fast ausschliesslich von 25- bis 40-jährigen weissen Män-

nern geprägt wird? Wir feiern dieses Jahr 50 Jahre Frauenstimmrecht und da wird es Zeit, dass Frauen auch in der ICT vermehrt mitgestalten. In der Schweiz engagieren sich zahlreiche Institutionen mit grosser Ausdauer, viel Engagement und begrenzten Budgets für die Nachwuchsförderung in der Informatik und haben fast immer auch ein besonderes Auge auf Mädchen und junge Frauen: die ETH Zürich und Lausanne, Fachhochschulen, ICT-Berufsbildung, digitalswitzerland und viele weitere grössere und kleinere Organisationen. Im Rahmen der Initiative «IT-Feuer» haben sich zahlreiche Organisationen zusammengeschlossen und eine gemeinsame Initiative gestartet. Für Lehrpersonen und Schüler*innen steht vom 10. Mai bis 11. Juni ein attraktives Angebot mit spannenden Online- und Offline-Workshops, Infoveranstaltungen und Referaten zur Verfügung. Die Informatik erhält in dieser Zeit ein weibliches Gesicht, denn im Zentrum stehen Frauen, die in der IT tätig sind. Ganz im Sinne meiner Aussage, dass Vorbilder oft fehlen, schliesse ich mit einigen Zitaten von Frauen aus der IT ab, die mich in Bezug auf die Schweizer IT sehr positiv stimmen. «Ich möchte die Welt von morgen prägen.» – «Meine produktivsten Arbeiten habe ich in Teams erlebt, die gemischt waren.» – «Ich hätte mir gewünscht, dass einem früher gesagt worden wäre, dass die Informatik so kreativ ist.» – «Meinem jüngeren Ich würde ich auf jeden Fall mit auf den Weg geben, Vertrauen in sich selbst zu haben.» – «Die Informatik schafft eine Verbindung zwischen Mensch und Mathematik.»

LEA HASLER ist Projektleiterin des «IT-Feuers» und Mitglied der Geschäftsleitung bei Senarclens, Leu + Partner AG. www.it-feuer.ch

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Es braucht gerade jetzt den Mut zur Veränderung.

NEUE WEGE GEHEN DIE EINFÜHRUNG EINER ERP-LÖSUNG Interview mit Jean-Claude Flury von Georg Lutz

Wer das Kürzel ERP hört und nicht IT-Expertin oder -Experte ist, denkt oft an eine grosse Software. Dieses Bild führt aber auf ein falsches Gleis. Vereinfacht gesagt bedeutet Enterprise Resource Planning erst einmal, die im Unternehmen vorhandenen Ressourcen und Prozesse zu steuern. Das hört sich in der Theorie gut an, bietet aber in der Praxis viele Stolpersteine. Im folgenden Interview mit Jean-Claude Flury, dem Fachvorstand Schweiz der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG), räumen wir diese aus dem Weg.

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ann man eine ERP-Software in einem Bild zusammenfassen? Ist es ein Dach oder eine Königin? Was fällt Ihnen dazu ein? Ein ERP sehe ich eher als starkes Fundament, in dem alles Wesentliche für das restliche Haus untergebracht ist, also Heizung, Strom oder Wasserversorgung. Auf ein Unternehmen übertragen lässt sich das mit dem Einkauf, den Finanzströmen und dem Materialfluss gleichsetzen. Erst wenn diese Grundkomponenten reibungslos funktionieren, kann das Haus ausgebaut werden, zum Beispiel mit einem Webshop und weiteren Dienstleistungen. Es braucht diese solide Basis, auf der alle weiteren Services aufsetzen können und mit der sie integriert sind. Eine der Grundmauern ist die Rechnungslegung, die ja in der Regel auf Langfristigkeit ausgelegt ist. Um bei diesem Bild zu bleiben: Man verlegt in einem Haus ja auch nicht ständig die Heizungsrohre oder Stromleitungen. Und wenn dann mit neuen Produkten

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neue Wände in das Haus eingezogen werden, ändert sich die Rechnungsstellung oder die Ergebnisrechnung ja nicht von Grund auf, sondern folgt nur gewissen Gesetzmässigkeiten. In einem ERP wären das dann konsistente Organisationsstrukturen, Prozesse und Stammdaten? Richtig. In der Regel existiert eine Firmenstruktur sowie eine Organisationsstruktur mit Ländern, Buchungskreisen, Werken und Vertriebsgesellschaften. Es braucht wie gesagt auch eine sehr starke Basis mit klaren Strukturen und Regeln, zum Beispiel einer Preisstruktur oder einer Kontierungslogik. Das sind die Themen, die sich im Fundament eines jeden ERPSystems abspielen. Aber es gibt mehrere Fundamente? Ja, heute ist beispielsweise die integrierte intelligente Suite von SAP eine Basis unter mehreren, wie eben einem ERP-on-

Premise, oft flankiert von mehreren CloudAnbindungen. Ein ERP-System dient dann operativ zur Optimierung von Prozessen. Kann man das so zusammenfassen? Prozessoptimierung hat zunächst nichts mit einem Tool zu tun, sondern mit der Bereitschaft, die Art und Weise zu überdenken, wie ein Unternehmen arbeitet. In einer idealen Welt sollte ein ERP-System optimiert sein, aber in der Realität ist das meist leider nicht so. Darum kommt es hier und da zu missglückten Einführungsprojekten, wenn Unternehmen versuchen, sich die Prozesse zurechtzubiegen. Hier geht es nicht um die letzten 20 Prozent der Prozesse, mit denen sich ein Unternehmen von einem anderen unterscheidet. Es geht vielmehr um die zu 80 Prozent abgebildeten, standardisierten betriebswirtschaftlichen Prozesse. Im Normalfall wächst ein Unternehmen über die Zeit mit seinen Prozessen und


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Enterprise Resource Planning (ERP) braucht wie beim Hausbau eine gute Basis.

dem darunterliegenden IT-System. Das macht es schwierig, in einer bestehenden IT-Landschaft einfach Optimierungen durchzuführen, ohne dafür ein grösseres Projekt zu starten. Das sind demnach häufig nur Teiloptimierungen. Solche Erfahrungen wollen Sie DSAGMitgliedern ersparen? Ja, denn anders sieht es bei S/4HANAProjekten aus. Das sind grosse Vorhaben, die alle Prozesse betreffen und die Gelegenheit bieten, grössere Optimierungen zu starten. Beim Projektvorgehen spricht man meistens von Brownfield, Greenfield oder Bluefield. Das sind keine Küstenstädte in England, sondern? Es sind zusammengefasst unterschiedliche Migrationsmethoden. Im Grunde genommen geht es nur darum, ob bei einem Wechsel des ERP-Systems bestehende Prozesse angefasst werden sollen oder nicht. Für eine tatsächliche Prozessoptimierung führt kein Weg am Greenfield-Ansatz vorbei. Dabei ist es zum Beispiel wichtig zu schauen, wie eigentlich ein idealer Einkaufsprozess aussieht, wie das Unternehmen davon abweicht und warum. Und ob die Abweichung notwendig ist oder aus reiner Gewohnheit so agiert wird. Sind diese Fragen beantwortet, kann entschieden werden, wie das Projekt umgesetzt werden soll. Sehr oft werden bei einem Releasewechsel mit einem alteingesessenen System oder bei einer Neueinführung viel zu viele

«Prozess-Altlasten» übernommen. Zielführender wäre es, sämtliche relevanten Prozesse zu überdenken. Das sind zunächst organisatorische Verbesserungen oder Veränderungen, die nichts mit der IT-Technik zu tun haben. Und sie müssen konsequent umgesetzt werden. Denn wenn zum Beispiel Planung und Einkauf auf eingeschwungenen Prozessen bestehen, wird ein entsprechendes Projekt wahrscheinlich Schiffbruch erleiden. Die Bereitschaft und das Verständnis, Prozesse wirklich optimieren zu wollen, sind absolut zentrale Punkte. Aber eigentlich geht es um die Struktur eines ganzen Unternehmens, um Unternehmensabläufe, die end-to-end – so der Fachbegriff – angelegt sind. Das ist nicht ein kleines Stück vom Kuchen, sondern die ganze Bäckerei. Ist das nicht zunächst eine Überforderung für alle Beteiligte? Ja, das ist vermutlich häufig so. Deshalb ist der Wechsel eines ERP-Systems oder eine Neueinführung sehr gut vorzubereiten: Alle Stakeholder mit ihren Hierarchieebenen – von der Geschäftsleitung bis zu den Mitarbeitern – müssen einbezogen werden. Das sind grosse Change-Projekte, die nur erfolgreich sein können, wenn die betroffenen Mitarbeiter abgeholt werden. Da wird einiges vom Kopf auf die Füsse gestellt? Richtig. Es geht in der Regel um die komplette Struktur des Unternehmens. Dementsprechend darf eine Neueinführung im Big Bang auf keinen Fall unterschätzt wer-

den. Oftmals geschieht aber genau das. Der menschliche Faktor wird zum Beispiel häufig vergessen. Wer heute als Einkäufer jeden Tag seine Bestellungen in gewohnter Weise anlegt und ab morgen alles verändert haben will, tut sich mitunter schwer. Das braucht einen guten Vorlauf mit Schulungen und Detailarbeit: Wie läuft der Prozess in Zukunft, was bedeutet das für den Mitarbeitenden am Arbeitsplatz, braucht es jetzt nur noch einen Mausklick statt zwei. Die gesamte Organisation einer Neueinführung, das Change Management, die Arbeit mit den Mitarbeitenden, all das kann bei einer Neueinführung unglaublich aufwendig sein und wird gerne unterschätzt. Geht es auch etwas einfacher? Als weiteres Szenario ist auch denkbar, sich zuerst einmal den Einkaufs- oder Planungsprozess anzuschauen. Dann wird das ganze etwas einfacher. Mit Teiloptimierungen sind derartige Projekte in einem bestehenden ERP-System besser zu steuern. Die Komplexität lässt sich deutlich verringern, wenn man sich erst einmal auf den Plan-to-produce- oder den Procureto-pay-Prozess konzentriert. Dann schaut man zum Beispiel in der Planungsoptimierung erst einmal an, wie die Produkte bislang geplant werden, wie der Planungsprozess aussieht, woher die Bedarfe kommen, mit welchem Vorlauf was eingekauft werden muss. Generell sind weniger Komplexität und Optimierungen immer möglich und ein zeitlich gut kalkuliertes Change Management das A und O für ein erfolgreiches Projekt.

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Change-Projekte sind nur erfolgreich, wenn alle Hierarchiestufen mit an Bord sind.

Das zeigt sich doch auch in der Praxis. Folgendes Bild ist in KMU immer wieder anzutreffen: Ein ERP-System ist im Einsatz, oftmals aber zu gross und / oder falsch dimensioniert. Zusätzlich gibt es Nebensysteme oder Papierprozesse, die für Unterbrechungen sorgen und die Effizienzsteigerungen infrage stellen. Oft sind solche Prozesse historisch gewachsen, aus der Not geboren oder nicht genügend bei der Implementierung eines ERP-Systems hinterfragt worden. Welche Strategien helfen hier? Als erstes muss man sich darüber im Klaren sein, dass eine ERP-Einführung nach dem Go-Live nicht abgeschlossen ist. Einerseits gibt es vermutlich eine lange Liste mit Pendenzen, andererseits entwickelt sich das Umfeld weiter und dadurch entstehen neue Anforderungen. Wenn ein ERP-System nicht passt, weil gewisse End-to-end-Prozesse vielleicht nicht optimal laufen, muss man sich Gedanken über die richtige Lösung machen. Soll ein Webshop automatisiert werden, ist es zentral, auch Konditionen hinterlegen zu können. Sind diese in einem Textfeld abgelegt, kann ja keine Logik entwickelt werden. Dann muss bei jeder Bestellung manuell eingegriffen werden. Oder es werden noch Ausdrucke erzeugt und per Post verschickt. Das sind Themen, die man entweder sozusagen mit einem Heftpflaster lösen kann oder man hinterfragt die historisch gewachsenen Abläufe und bringt sie

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idealerweise mit Best-Practice-Lösungen auf Vordermann. Auch hier kommt neben der rein technischen Seite wieder die Abstimmung mit der Fachabteilung zum Tragen, um die grössten Baustellen zu identifizieren und festzulegen, in welcher Reihenfolge diese beseitigt werden sollen. Für alles gilt das mittlerweile geflügelte Wort: «Wenn man einen schlechten Prozess digitalisiert, ist es immer noch ein schlechter Prozess.» So macht Robotic Process Automation an sich noch lange keinen besseren Prozess, sondern vielleicht nur einen schnelleren. Was hat sich durch die massive Ausweitung durch Home Office in Pandemiezeiten, aber vermutlich auch darüber hinaus an ERP-Anwendungen verändert? Wer noch Bestellungen ausgedruckt und abgelegt hat, musste natürlich auf eine digitale Ablage umstellen. Bei Fileservern könnte es bei dem einen oder anderen vielleicht etwas schwieriger gewesen sein, den Büroarbeitsplätzen den Fernzugriff zu ermöglichen. Das papierlose Büro wird seit Jahrzehnten diskutiert und ist immer noch nicht überall State of the Art. Unternehmen, die bereits Cloud-Lösungen einsetzen, hatten sicher weniger Umstellungsprobleme. Die grösste Herausforderung besteht darin, die Applikationen mobil zu machen. Wer bereits viele Laptops einsetzt, mit denen Mitarbeitende weltweit auf die Applikationen zugreifen können, für

den ist auch das Home Office kein grosses Problem. Aber das ist sicher nicht in allen Unternehmen gegeben.

«Wenn man einen schlechten Prozess digitalisiert, ist es immer noch ein schlechter Prozess.» Gerne wird ERP auch mit dem Stichwort Industrie 4.0 in Verbindung gebracht. Darüber ist in den letzten Jahren viel geschrieben worden. Was hat sich in der Realität verändert? Die Unternehmen sind unterschiedlich weit. In einigen Industriezweigen wurde sicher schon viel automatisiert, in anderen fehlen noch die Beispiele, die dann auch wirklich über die Instandhaltung hinausgehen. Natürlich spielt auch der Investitionszyklus von Produktionsanlagen eine Rolle. Dieser wird ja nicht unterbrochen, nur um automatisieren zu können. Aber beim Neubau einer Fabrik wird sicher ver-


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sucht, mehr zu automatisieren und die Integration ins ERP zu verbessern. Das geht aber nicht von heute auf morgen, denn auch bei Industrie 4.0 müssen sich die Anwendungsfälle erst einmal rechnen. So sehe ich eine gewisse Ernüchterung in der Industrie, denn überall geht es um folgendes Thema: Was bringt die Investition am Ende des Tages an Einsparungen oder an Geschwindigkeit? Ich glaube, der erste Hype ist vorüber, die Technologie ist in der produktiven Realität angekommen und muss sich jetzt bewähren. Zweifellos kann für das eine oder andere Unternehmen ein gewaltiges Potenzial dahinterstehen. Das gilt es jetzt auszuschöpfen. Im September 2021 führen Sie Ihren Jahreskongress als virtuelle DSAGLIVE unter dem Motto «Mut und Intelligenz – Jetzt» durch. Man könnte es wie folgt interpretieren: Mut und Intelligenz ist bei Unternehmensverantwortlichen zu wenig zu finden. Was wollen Sie ansprechen und mit welchem Ziel? Covid-19 hat die aktuellen Defizite der Digitalisierung aufgezeigt und wurde anfangs

als Impulsgeber, als Wecksignal für die digitale Transformation gesehen – um Prozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen, Redundanzen zu beseitigen und Methodologien anzupassen oder neu zu denken. Die von SAP propagierte Simplifizierung ist nicht so einfach zu bekommen. Die damit verbundenen Veränderungen sind oft nicht agil und einfach, sondern anstrengend, aufwands- und kostenintensiv. Das ist in Zeiten von teilweise eingefrorenen Budgets kein Mutmacher. Aber genau das braucht es jetzt. Den Mut einfach anzufangen, zu «machen». Den Mut zur Veränderung müssen die Unternehmen aufbringen, um eine tatsächliche Geschäftsmodell-Transformation anzugehen. Dazu gehören Mut und Vertrauen in Netzwerke sowie in das Teilen von Datenmodellen. Zudem ist die Nutzung intelligenter Technologien ein Muss, auch um interne und verbundene Abläufe vom Analogen hin zum Digitalen zu vernetzen. Dabei darf die Sicht auf die Hyperscaler nicht fehlen. Denn auf den «schnellen Vorlauf» zur Digitalisierung, der als Keyvisual das Motto der DSAGLIVE ergänzt, drückt nur, wer

sich über seine derzeitige Situation bewusst ist und die Chancen im gesamten hybriden Umfeld sieht. RISE with SAP ist für den Weg zu S/4HANA und in die Cloud ein erster Schritt aus der klassischen OnPremise-Sicht. Aber SAP und ihre Partner sind jetzt gefordert, Wege aufzuzeigen, wie hochgradig angepasste Systeme und Prozesse in S/4HANA-Cloud-Umgebungen überführt werden können und was von Kundenseite dafür getan werden muss.

JEAN-CLAUDE FLURY ist Fachvorstand Schweiz der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) und CIO der V-ZUG AG. www.dsag.de/dsag-der-schweiz

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Innovation und Spass an der Arbeit – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Karakun AG.

MEHR ALS NUR BITS UND BYTES DIE ETWAS ANDERE SOFTWARESCHMIEDE von Dr. Elisabeth Maier

«Bei der Gründung unseres Unternehmens am 1. April 2018 hätten wir solch eine rasante Entwicklung nicht vorauszusagen gewagt.» Mit diesen Worten wird Karakun-CEO Dr. Elisabeth Maier in der Pressemitteilung anlässlich des dritten Firmenjubiläums zitiert. Aber Moment, wer oder was ist Karakun überhaupt? Diese Frage beantwortet die Firmenchefin im folgenden Beitrag höchstpersönlich.

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ugegeben: Die Karakun AG kennt nicht jeder. Als ein junges, auf die Entwicklung von Individualsoftware im B2B-Umfeld spezialisiertes Unternehmen ist das aber auch kein Wunder. Wir unterstützen Unternehmen und Organisationen bei deren Digitalisierungsstrategien. Nun kann man einwenden: Das machen viele andere auch. In den folgenden Abschnitten möchte ich Ihnen erklären, warum wir anders sind. Dabei geht es nicht nur um Technik und Tools, sondern vor allem um eine Philosophie, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt.

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INNOVATIVE SOFTWARE IN DER PRAXIS Wir entwickeln anwenderfreundliche Softwarelösungen auf Basis von Java- und Web-Technologien. Dabei arbeiten wir mit Unternehmen aller Grössen aus unterschiedlichsten Branchen zusammen, wie die folgenden drei Beispiele zeigen.

wicklungspartner haben wir dem innovativen Jungunternehmen dabei geholfen, eine vertrauenswürdige, auf Sicherheit und Nachvollziehbarkeit fokussierte Plattform zum Kauf von Anteilen an Kohlenstoff­ senken zu schaffen. Durch diese kommen Treibhausgase wieder zurück in die Erde anstatt in die Atmosphäre.

Für viele von uns wird Klimaneutralität immer wichtiger. Einige vielversprechende Start-ups haben sich diesem Thema mit frischen Ideen angenommen – so auch die deutsche Carbonfuture GmbH. Als Ent-

Wir alle nutzen mehrmals täglich Google für Internetrecherchen jeder Art. Mit Covalo – ehemals Chemberry by Clariant – haben wir eine Suchmaschine für chemische Inhaltsstoffe entwickelt. Wobei: Der Begriff


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Suchmaschine ist hier im Grunde unzureichend. Vielmehr ist eine Vermarktungsplattform entstanden, die Hersteller von Konsumgütern mit passenden Anbietern von Inhaltsstoffen in Kontakt bringt. Käufer finden Stoffe schneller und Verkäufer haben einen zusätzlichen virtuellen Verkaufskanal – gerade in Zeiten der Pandemie, aber auch danach ein entscheidender Vorteil. Auch bei Grossunternehmen der Versicherungsbranche fühlen wir uns zu Hause. So haben wir die Helvetia Versicherung bei der Umsetzung ihrer zentralen, digitalen Vertriebsstrukturverwaltung unterstützt. Neben dem fachlichen Mehrwert der zentralen Steuerung und der Einbindung wichtiger IT-Systeme ist eine in hohem Masse wartbare und zuverlässige Softwarelösung entstanden. Die Helvetia profitiert von eliminierten Redundanzen und Ungereimtheiten in ihren Daten sowie von klaren Auswertungen. Die Kunden erhalten dadurch eine noch individuellere Betreuung.

DER MENSCH IM MITTELPUNKT Tatsächlich gibt es viele Softwarehäuser. Was uns jedoch anders und vielleicht auch einzigartig macht, sind unsere Mitarbeitenden. Diese sind nicht nur Angestellte, sondern halten auch 100 Prozent der Firmenanteile. Das Recht auf Mitbestimmung paart sich also mit einem hohen Mass an Eigenverantwortung. Bei uns ist «Diversität» nicht nur eine Wort­ hülse. Wir sind überzeugt, dass wir persönlich und als Unternehmen von den vielen unterschiedlichen Charakteren, Kenntnissen und Erfahrungen aller Mitarbeitenden profitieren. Deshalb fördern wir aktiv den Austausch von Fachwissen und Informationen. Daraus resultiert eine Umgebung, die durch Ehrlichkeit und Offenheit charakterisiert ist.

Speaker und Organisatoren aktiv an internationalen Konferenzen und sind Committer bei einer Vielzahl an Open-SourceProjekten beziehungsweise leiten diese. Ein Beispiel: OpenWebStart (OWS). Mit OWS bieten wir Anwendern einen kostenlosen Ersatz für das ab Java 11 weggefallene Java Web Start. Mit diesem können Java-Anwendungen über das Internet übertragen und mit nur einem Klick gestartet werden. Seit der Veröffentlichung im Jahr 2019 wurde OpenWebStart bereits über 100’000-mal heruntergeladen und wird auf geschätzten 750’000 Rechnern betrieben.

MITARBEITERZAHL VERDOPPELT Wie eingangs erwähnt, wurde die Karakun AG 2018 gegründet. Auf dem Papier sind wir also ein junges Unternehmen. Die 30 Gründungspartner arbeiten jedoch schon weitaus länger zusammen – teilweise über 20 Jahre. In den letzten drei Jahren hat sich die Mitarbeiterzahl auf aktuell über 60 mehr als verdoppelt. Dabei sind knapp 20 Prozent der Belegschaft weiblich – ein für die ICT-Branche durchaus hoher Anteil. Dies ermöglicht uns nicht selten einen etwas anderen Blick auf unseren Geschäftsalltag und den unserer Kunden. Die Anzahl der Mitarbeitenden verlief parallel zur wachsenden Kundenbasis. Dank zahlreicher spannender Projekte konnten wir bereits in unserem ersten Jahr den Break-even erreichen. Und nicht nur das: Mit den neu gegründeten Niederlassungen

in Dortmund und Mumbai profitieren unsere Kunden weltweit von bestmöglichem Service – vom Consulting bis hin zur Wartung bestehender Softwarelösungen.

SOFTWARE-PLATTFORMEN FÜR MEHR EFFIZIENZ Unser Angebot ist nicht mehr nur auf Services beschränkt. Mit HIBU stellen wir eine Plattform für die Entwicklung von Kundenlösungen in den Bereichen intelligente Suche und Textanalyse zur Verfügung. Durch diese werden wir als innovativer Player in der wachsenden Schweizer KILandschaft wahrgenommen. Auch in der Automobilindustrie hinterlassen wir deutliche Spuren. Mit Lyzium, unserer BigData-Plattform für Mess- und Simulationsdaten, sowie den Produkten der Anfang 2021 übernommenen Stuttgarter EXOKNOX GmbH haben wir auch für diese Branche die richtigen Pfeile im Köcher. Und last, but not least können wir auch Schweizer Elektroinstallationsunternehmen mit unserer Branchenlösung VOLTA den Alltag erleichtern.

DR. ELISABETH MAIER ist CEO der Karakun AG. www.karakun.com

Diesen Respekt und diese Wertschätzung übertragen wir auf unsere Kunden. Wir verstehen uns als Problemlöser und Sparringspartner, der Ideen hinterfragt und gemeinsam mit dem Kunden die bestmögliche Lösung entwickelt. Dabei setzen wir, wo immer möglich und sinnvoll, auf OpenSource-Software.

OPEN SOURCE IN DER DNA Wir konsumieren jedoch nicht nur, sondern geben auch viel an die Community zurück. Unsere Mitarbeitenden beteiligen sich als

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PROZESSE AUTOMATISIEREN UND BESCHLEUNIGEN BUSINESS-SOFTWARE FÜR START-UPS UND KMU von Walter Regli

Für Schweizer Start-ups und Kleinunternehmen ist seit November 2018 eine kostenlose Komplettlösung für die Büroadministration erhältlich. Swiss21 hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Digitalisierung von Schweizer KMU voranzutreiben und sie – wie der Name schon sagt – ins digitale 21. Jahrhundert zu begleiten.

Buchhaltung muss nicht mehr analog gemacht werden.

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as Software-Paket umfasst die Bereiche Finanzen und Administration, Personal, Customer-RelationshipManagement (CRM) und Kontaktmanagement sowie Commerce für Online-Shops und Bezahllösungen.

DAS BESTE AUS ZWEI WELTEN Die zugrundeliegende Philosophie ist es, eine flexible, kostengünstige Cloud-Lösung für die wichtigsten unternehmerischen Prozesse anzubieten und dabei gleichzeitig auf bewährte Lösungen von Software-

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Anbietern zu setzen, die es auch problemlos erlauben, zu wachsen. Swiss21 ist modular skalierbar und wächst je nach Bedarf mit Kleinunternehmen oder Start-ups mit. Braucht ein Unternehmen beispielsweise einen komplett individualisierbaren OnlineShop, kann es diesen upgraden und bleibt ansonsten bei den kostenlosen Lösungen. Dies funktioniert bei allen Applikationen.

und Commerce mit dem Peppershop / ­ Online Shop und der Online Kasse von Glarotech. Seither sind 21.CRM, der Bereich Personal mit weiteren Elementen aus dem Abacus-Baukasten wie 21.AbaSalary und AbaClik sowie weitere Bezahllösungen dazugekommen und haben aus Swiss21 das umfassendste Paket an BusinessSoftware für KMU gemacht.

Gestartet ist Swiss21 mit zwei Applikationen: Finanzen bestehend aus der Buchhaltungssoftware 21.AbaNinja von Abacus

Mit 21.AbaNinja ist durch die Bankanbindung zu über 70 regionalen und nationalen Finanzdienstleistern der automatische Ab-


Cyber Security Weiterbildungen

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Gerade im Home Office sind Cloud-Lösungen unverzichtbar.

gleich von Banktransaktionen möglich. Im Dezember 2019 wurde mit dem Partnerprojekt A.L.A. von Abacus, Arcanite und Cornèrcard auch die Buchhaltung von Swiss21 weiter automatisiert. Künstliche Intelligenz hielt dabei Einzug in Kaufund Verkaufsprozesse und vereinfacht administrative Prozesse weiter. Ebenfalls im Dezember erweiterte SmartWe von CAS Software das Ökosystem der Cloud-Lösung um eine sehr wichtige Applikation: Seither ermöglicht 21.CRM ein umfassendes Kunden- und Kontaktmanagement mit intuitiven, automatisierten Marketingund Verkaufsaktivitäten. Seit Mai 2020 lässt sich die Mehrwertsteuer neben der Brutto- und Pauschalmethode auch nach der Nettomethode abrechnen. Nur wenig später wurde die Zeiterfassung um viele Funktionen erweitert. So lassen sich unter anderem auch Leistungen direkt verrechnen und coronabedingt spezielle Auswertungen für die Abrechnung von Kurzarbeit generieren. Im Juli 2020 kamen kostenlose Debit- und Kreditkarten inklusive intelligenter Spesenverarbeitung dazu. Partner ist mit Cornèrcard einer der führenden Schweizer Herausgeber von Bezahlkarten.

NACHHALTIG KOSTENLOS Für bis zu 2100 Belege / Jahr, 2100 Artikel im Shop und 2100 Kontakte ist das Angebot für das Unternehmen kostenlos. Damit ist sichergestellt, dass in einer Startphase und bei kleineren Organisationen auch längerfristig keine Kosten anfallen. Die beteiligten Software-Unternehmen haben sich verpflichtet, an der kostenlosen Nutzung auch längerfristig festzuhalten. Übersteigt ein Nutzer diese Grenzen, so werden bis zu 5000 Belege / Jahr, 5000 Artikel oder 5000 Kontakte mit 21.– CHF / Monat verrechnet. Ein Wechsel auf ein anderes System ist jederzeit möglich und die Daten können exportiert werden. Eine modulare

Erweiterung der Applikationen ist ebenfalls möglich und erlaubt so mit überschaubaren Kosten ein skalier- und individualisierbares System.

STARKE PARTNERSCHAFTEN Swiss21 setzt auf den Ökosystem-Gedanken und starke Partner. Hinter den Applikationen für Finanzen, Personal, Commerce und CRM stehen Unternehmen wie die Abacus Research AG, Glarotech GmbH und CAS Software AG. Dieses Ökosystem wird laufend mit weiteren Applikationen, mobilen Apps und Special Deals erweitert. So kann diese Lösung geräteunabhängig am Desktop und auch mobil genutzt werden. Die Nutzung von APIs ermöglicht es, Swiss21 flexibel weiterzuentwickeln.

DIGITALISIERUNG UND WACHSTUM Die Corona-Pandemie ist eine grosse Herausforderung für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft und hat den ohnehin starken Trend zu digitalen Prozessen weiter verstärkt. Mit Swiss21 haben auch kleinere Unternehmen Zugang zu State-of-the-Art-Softwarelösungen und können ihre Unternehmensprozesse automatisieren und beschleunigen, ohne Investitionen tätigen zu müssen.

WALTER REGLI

Mit Sicherheit Ihr Vorteil:

Bilden Sie Ihre ICT-Mitarbeitenden weiter. Cyber Security Specialist eidgenössischer Fachausweis Cyber Security Specialists sind Spezialist/innen in allen Fragen rund um die Cyber Sicherheit in Unternehmen und öffentlichen Institutionen. Sie analysieren Bedrohungslagen, decken Schwachstellen auf, leiten Schutzmassnahmen ein und wehren Angriffe ab. ICT Security Expert eidgenössisches Diplom ICT Security Experts mit eidgenössischem Diplom sind die absoluten Vertrauenspersonen in Sachen IT-Sicherheit. Ihre Firewalls sind unüberwindbar und jede Lücke wird im Handumdrehen ausgemerzt.

Weitere Infos auf www.ict-weiterbildung.ch

ist Geschäftsführer von Swiss21.org AG. www.swiss21.org

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Die Nutzbarmachung von unstrukturiertem Wissen steht im Fokus.

GEMEINSAM STARK ECM UND ERP PASSEN ZUSAMMEN von Roland Benguerel

Um sich zukunftsfähig aufzustellen, empfiehlt sich für KMU der Einsatz einer leistungsfähigen Software für Enterprise-Resource-Planning (ERP). In enger Verknüpfung mit einem System für Enterprise-Content-Management (ECM) lässt sich der Mehrwert noch toppen: Er winkt in Form von geringeren Kosten, höherer Effizienz und Transparenz sowie einer Entlastung der Mitarbeiter.

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ie bedarfsgerechte Planung und Steuerung von Unternehmensressourcen ist ein komplexer Vorgang. Mithilfe eines ERP-Systems lassen sich Geschäftsprozesse deutlich schlanker gestalten, Mitarbeiter können somit für wertschöpfendere Tätigkeiten eingesetzt werden – ob in Buchhaltung, Einkauf, Personalabteilung, Produktion oder Vertrieb. Soll dazu die Effizienz maximiert werden, gilt es, Medienbrüche und damit fehlerträchtige Dateneingaben zu minimieren. Hierfür bedarf es der Verknüpfung des ERP- und ECM-Systems, um einen reibungslosen Austausch der Daten sicherzustellen. So müssen diese nur im Kernsystem gepflegt und geführt werden,

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stehen aber dennoch für Angebote, Geschäftsbriefe, Rechnungen oder Verträge im ECM-System bereit. Letzteres dient der Verwaltung, Steuerung und Nutzbarmachung von unstrukturiertem Wissen, das sich in (gescannten) Dokumenten, E-Mails, Websites oder Bildern verbergen kann. ECM-Systeme fungieren in der Regel als unternehmensweites Repository (Entwurfsmuster als Schnittstelle), welches die vorgehaltenen Informationen verschiedenen Services und Applikationswelten verfügbar macht. Im Sinne einer zentralen Content- und Archivplattform stellen sie somit eine Schlüsseltechnologie dar, um eine durchgängige Prozesssicht

zu verwirklichen. Durch das nahtlose Zusammenspiel profitieren beide Systeme: Insellösungen, die oftmals durchgängige Prozesse sowie einen konsistenten Datenbestand verhindern, werden so zu einem Relikt aus der Vergangenheit. Zudem resultiert der einfachere Zugriff auf Informationen in höherer Produktivität sowie besserem Kundenservice.

SCHLANKE ODER MÄCHTIGERE INTEGRATION Der ECM-Hersteller ELO Digital Office schreibt daher Integration seit Langem gross und bietet auch für kleine und mittlere Unternehmen – je nach Use Case – zwei Lösungsansätze:


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> So ermöglichen die Integration Services eine einfache Anbindung an verschiedene ERP- und CRMSysteme wie Abacus, Blue Office, Microsoft Dynamics 365 Business Central, Sage, Salesforce und SAP. Der in diesen Szenarien eingesetzte «schlanke» ELO Integration Client eignet sich, um Informationen aus dem ELO-ECM-Archiv vorgangsbezogen im führenden ERP- oder CRM-System zu nutzen. Anwender haben direkten Zugriff auf die ECM-Basisfunktionen. Auf Grundlage der ELO-Apps-Technologie entwickelt, kann der Client zum einen als Single-Page-Webanwendung betrieben werden. Zum anderen kann er über einfach und schnell zu implementierende zertifizierte Standardanbindungen direkt in Microsoft Dynamics 365 Business Central, SAP Business One oder Salesforce eingebettet werden. Für andere ERP-Systeme bedarf es einer individuellen Schnittstellenprogrammierung. > Der Vorteil: Die User können von ihrer gewohnten ERP-Umgebung aus direkt die gewünschten ECMFunktionen aufrufen. Diese reichen von einer vorgangsbezogenen Dokumentenanzeige sowie -ablage per Drag & Drop über die Versio­ nierung und Referenzierung bis hin zu einer komfortablen Suche. Weitere Features beinhalten die Möglichkeit, Ordner zu erstellen, Dateien einzufügen und zu speichern, Einträge zu löschen, Workflows zu starten sowie Dokumente über externe Links zur Verfügung zu stellen. Zudem lässt sich zu einem neuen Vorgang im ERP-System automatisiert die passende Ablagestruktur im ECMSystem anlegen, um dort die Dokumente zu speichern. > Alternativ gewährleistet der ELO Business Logic Provider (BLP) – eine intelligente Middleware – die nahtlose Anbindung an ERP-, CRM- sowie andere Anwendungen. Die etwas «mächtigere» Integrations­ plattform verarbeitet beispielsweise ERP-Belege und -Reports, E-Mails, Office- und Scandokumente automatisch. Zentrale Regelwerke sorgen dabei für die Einhaltung von Organisationsrichtlinien sowie

für die Klassifizierung, Indexierung, Versionierung und Ablaufsteuerung. Sie sind dabei optimal mit allen relevanten Geschäftsvorgängen verknüpft. Für Microsoft Dynamics 365 Business Central, Microsoft Dynamics 365 for Finance and Operations BC, SAP Business One, ABAS und Salesforce bietet der BLP individuell vorkonfigurierte Datenzugriffsdefinitionen und Konnektoren. In den führenden Anwendungen sind dabei nur minimale Anpassungen notwendig – so bleiben diese jederzeit updatefähig.

DAS BEISPIEL DER RECHNUNGSBEARBEITUNG Das Zusammenspiel von ECM- und ERPSystem bringt unter anderem bei der Verwaltung von Eingangsrechnungen einen erheblichen Mehrwert. Wurden papiergebundene Belege früher von Hand durch die Abteilungen getragen, steuern nun Workflows deren Bearbeitung: Zunächst werden sie eingescannt und durchlaufen dann den Klassifizierungsprozess. Im Zuge dessen liest das selbstlernende Klassifizierungstool die Daten aus und gleicht sie mit den Lieferanten- und Bestelldaten aus dem ERP-System ab. Anhand der ausgelesenen Daten erfolgt die automatische Übergabe an das ECMSystem, bevor ein Workflow zur Rechnungsbearbeitung und -freigabe startet. Dank

der bereits im System vorhandenen Informationen gelangen die Rechnungen automatisch zum Prüfer. Nach erfolgreicher Freigabe werden sie nach individuellen Regeln dem dazugehörigen Ordner im ECMSystem zugeordnet und dort automatisch archiviert. Die zuvor extrahierten Daten werden an die ERP-Software übergeben und stehen dort für die Verbuchung der Rechnung bereit. So entfällt deren manuelle Erfassung. Zudem stehen die ERP-Datensätze auch weiteren Anwendungen zur Verfügung und alle neu generierten ERP-Belege werden automatisch im ECM-System archiviert. So profitieren Unternehmen dank kürzerer Durchlaufzeiten von beschleunigten Abläufen und können zum Beispiel Skontofristen besser einhalten. Gewährleistet ist damit auch die Transparenz und Rechtssicherheit bei der Ablage geschäftsrelevanter Dokumente.

ROLAND BENGUEREL ist Head of Sales bei der ELO Digital Office CH AG. www.elo.ch

Es geht um eine einfache Anbindung an verschiedene ERP- und CRM-Systeme.

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SOFTWARE & HARDWARE

Die Einführung einer neuen Software bietet mehrere Hürden.

STOLPERSTEINE AUF DEM WEG ZUR NEUEN BUSINESS-IT NEUE SOFTWARE ERFOLGREICH EINFÜHREN von Cyrill Schmid

Wenn Ihre Business-Software die Anforderungen des Geschäftsalltags nicht mehr erfüllen kann oder Sie sich ganz neu für eine IT-Lösung für Ihr KMU entscheiden, dann dürfen Sie sich mit der Evaluation und Implementierung einer neuen Business-Software auseinandersetzen. Hier nennen wir Ihnen die neun wichtigsten Stolpersteine, die Sie aus dem Weg räumen müssen, damit die Einführung einer neuen Business-Software in Ihrem Unternehmen gelingt.

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achen wir uns nichts vor: Die Einführung einer neuen Business-IT ist keine alltägliche Angelegenheit und definitiv auch kein Spaziergang. Das Vorhaben bedeutet nicht nur finanziell eine grosse Investition, auch viele Arbeitsstunden müssen aufgewendet werden. Zudem darf auf keinen Fall unterschätzt werden, wie lange eine Umstellung wie diese dauern kann. Bereits bei der Evaluation sollten Sie besonders sorgfältig vorgehen. Entscheiden Sie sich überstürzt für eine nicht perfekt passende IT-Lösung, ist der Ärger schon vorprogrammiert – und das meist auf Jahre hinaus.

HIER HEISST ES AUFPASSEN Aus der langjährigen Erfahrung von unabhängigen Beratern für die Evaluation und Implementierung von Business-Softwares ist bekannt, welche hausgemachten Hindernisse oft bei der Einführung von Business-IT im Weg stehen. Wir haben die wichtigsten Stolpersteine zusammengestellt: 1. Nicht genügend Personal einplanen: Die Einführung einer neuen Business-Software ist kein Nebenjob. Intern müssen genügend

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personelle Kapazitäten geschaffen werden, denn eine Einzelperson vermag das meist nicht zu stemmen. Ein kleines, bevorzugt interdis­ ziplinäres Team hat sich hier schon oft bewährt. 2. Einen zu ambitionierten Zeitplan verfolgen: Schon Arbeiten wie die Prozessaufnahme und Anforderungsanalyse in den einzelnen Geschäftsbereichen, das Zusammenstellen der Ausschreibungsunterlagen und das Einholen sowie Vergleichen der verschiedenen Offerten brauchen bereits Monate. Darin sind aber weder Referenz­ besuche und Vertragsverhandlungen noch die Implementierung oder Schulungen eingerechnet. Die Einführung einer neuer BusinessSoftware kann je nach Komplexität vom ersten Entscheid bis zur Fertigstellung auch mehr als ein Jahr dauern. 3. Zu wenig finanzielle Mittel bereitstellen: Die Einführung eines IT-Systems ist nicht billig, das ist bekannt. Aber ist sich die Geschäftsleitung der Kosten auch

wirklich bewusst? Neben der eigentlichen Software fallen auch Investitionen für allfällige Hardware, die Schulung, den Support oder auch immer wiederkehrende Lizenzgebühren an. Ein zu knappes Budget führt sehr oft zu einem unbefriedigenden Ergebnis, da meist Kompromisse eingegangen werden. Hier sollte also im Vorfeld ein realistisches Budget erstellt werden, das auch Eventualitäten abdeckt. 4. Mangelnde Priorität gegenüber dem Tagesgeschäft einräumen: Soll das Projektteam das Ziel fristgerecht erreichen, muss es sich auch voll darauf konzentrieren können. Den beteiligten Personen muss deshalb der Rücken freigehalten werden, ihre anderen Aufgaben müssen entsprechend delegiert werden. Dies heisst aber auch, dass auch die anderen Mitarbeitenden das Projekt mittragen müssen. 5. Management identifiziert sich nicht mit dem Projekt: Oftmals müssen für die neue Business-Software etablierte Prozesse geändert wer-


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den. Das führt erfahrungsgemäss zu heftigen Reaktionen in einzelnen Abteilungen, besonders von langjährigen Mitarbeitenden. Hier müssen deshalb auch als unantastbar geltende Abläufe benannt und kritisch hinterfragt werden. Das Management muss dabei absolut hinter dem Vorhaben stehen und notfalls auch bestimmend eingreifen. Geschieht dies nicht, ist das Projekt von Beginn an zum Scheitern verurteilt. 6. Fehlende Kompetenzen für das Projektteam: Ohne klare Kompetenzen geht nichts bei einem so einschneidenden Projekt. Dem Projektteam müssen zwingend die entsprechenden Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse ein­ geräumt werden. Schwierig kann es hier besonders bei inhabergeführten Unternehmen werden, wenn der Besitzer ganz spontan die Strukturen aushebelt – und sich aus Respekt niemand traut, dem Patron die Konsequenzen aufzuzeigen. 7. Betroffene erkennen keinen Handlungsbedarf: «Wir haben das aber immer so gemacht» ist eine Aussage, welche die Bemühungen des Projektteams offen torpediert. Besonders bei langjährigen Mit­ arbeitenden stellt sich oft eine Abwehrhaltung ein – statt aktiv mitzuarbeiten wird geblockt. Die Geschäftsleitung muss nun deutlich kommunizieren, dass für den Geschäftserfolg klarer Handlungsbedarf besteht. Es lohnt sich zudem, hier die Erfahrung der «alten Hasen» von Anfang an aktiv einfliessen zu lassen, diese so in das Projekt einzubinden und deren Einfluss und Energie positiv zu nutzen. 8. Denken, es ohne Hilfe schaffen zu können: Der Markt für BusinessSoftware ist vielschichtig und entsprechend intransparent. Allein in der Schweiz gibt es mehr als 300 Anbieter, dazu kommen zahlreiche weitere aus dem Ausland. Manche IT-Lösungen können vieles, aber nicht alle können dasselbe. Je nach Branche, Struktur der Unternehmung und Art der Prozesse eignet sich die eine oder die andere Software besser. Da kann es sich für die Firma durchaus

lohnen, sich zum Beispiel für die Evaluation an ein unabhängiges externes Beratungsunternehmen mit fundierter Marktkenntnis zu wenden. 9. Den persönlichen Draht unterschätzen: Enorm wichtig für den Erfolg sind aber auch die direkt beteiligten Personen des SoftwareAnbieters, mit denen für das Projekt­ team oder die IT-Verantwortlichen eine langfristige und intensive Zusammenarbeit beginnt. Wenn die Chemie zwischen den Teammitgliedern und den Verantwortlichen beim Anbieter nicht stimmt, kann es zu verhängnisvollen Missver­ ständnissen und heftigen Meinungs­ verschiedenheiten kommen. Gerade der letzte Punkt wird erstaunlich oft unterschätzt. Es menschelt überall und gerade bei einem Projekt, bei dem so lange eng miteinander gearbeitet wird, sind Sympathie und Wertschätzung sehr wichtig. Denn die Beziehung zwischen Anbietern und Anwendern ist auf Dauer angelegt. Wenn es auf der persönlichen Ebene zu irreversiblen Problemen kommt, kann ein Software-Projekt auch mal gehörig in Schieflage geraten, ja abgebrochen werden – mit allen teuren Konsequenzen. Es lohnt sich in diesem Fall definitiv, ein erfahrenes und neutrales Beratungsunternehmen einzuschalten, bevor die Situation eskaliert. Diese Fachleute können zwischen Anbieter und Kunden vermitteln und oftmals das Projekt inklusive der aufgelaufenen Arbeitsstunden retten und doch noch zum Erfolg führen. Wenn Sie diese neun Punkte bei der Planung ihres SoftwareProjekts beachten, dann haben Sie bereits die grössten Hürden auf dem Weg zu einer neuen Business-IT beseitigt. Viel Erfolg!

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CYRILL SCHMID ist CEO der schmid + siegenthaler consulting gmbh und Leiter von topsoft Consulting. www.topsoft.ch/consulting

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Das Arbeiten mit dem Smartphone wird alltäglicher.

DIGITALISIERTE SPESEN

AUTOMATISIERTE SPESENERFASSUNG UND RECHNUNGSVERARBEITUNG von Thomas Köberl

Wer möchte sich nicht gerne den Aufwand ersparen, die Spesenabrechnung akribisch dokumentieren zu müssen – die ganzen Papierbelege zuerst bei der Finanzabteilung einzureichen und dann letztlich erst beim nächsten Zahltag das Geld wieder ausbezahlt zu bekommen? Dieses Vorgehen bindet zahlreiche Ressourcen und kostet zudem viel Zeit.

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ie Rückerstattung von Spesen ist oft mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden. Demgegenüber kann die Smartphone-App AbaClik 3 von Abacus Research die internen Prozesse verschlanken und dabei helfen, Zeit zu sparen. Von der Aufnahme eines Rechnungsbelegs über seine Bezahlung bis zur Verbuchung des gesamten Spesen- und Rechnungsprozesses sind die Abläufe digitalisiert und komplett automatisiert. Der SoftwareEntwickler kommt somit dem Ziel einer automatisierten Buchhaltung einen grossen Schritt näher. Mithilfe von Künstlicher

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Intelligenz (KI) und Maschinellem Lernen (ML) automatisiert das St. Gallener Unternehmen den Spesenprozess.

SPESEN ERFASSEN UND VERBUCHEN Werden die Spesen in einem kleinen oder mittleren Unternehmen (KMU) erfasst, genügt es, mithilfe eines Smartphones einen Spesenbeleg abzufotografieren, um automatisch alle darauffolgenden Prozesse umzusetzen und abschliessend zu verbuchen. Relevante Informationen auf dem Beleg werden selbstständig erkannt und mit Techniken der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens strukturiert

aufbereitet und ergänzt, sodass sie für die anschliessende Verbuchung in der Abacus-Business-Software oder in der Cloud-Fakturasoftware AbaNinja zur Verfügung stehen. Werden Spesen mit einer Firmenkreditkarte beglichen, wie sie etwa vom Partnerunternehmen Cornèrcard angeboten wird, übernimmt AbaClik die Zahlungstransaktionen in Echtzeit in die Smartphone-App und verknüpft die Zahlung mit dem entsprechenden Beleg. Nach der Synchronisation der Daten in der Finanzsoftware respektive der Cloud-Lösung AbaNinja erfolgt die Verbuchung automatisch und der Originalbeleg ist auf der Aufwandbuchung hinterlegt.


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BETRAG IN ECHTZEIT GUTGESCHRIEBEN Auch für Betriebszugehörige, die über keine Firmenkreditkarten verfügen, ist Abhilfe in Sicht. Denn AbaClik ist auch in der Lage, Zahlungsdaten vom FintechUnternehmen Yapeal zu verarbeiten. Fünf Minuten genügen, um hier ein persönliches Konto zu eröffnen. Werden anschliessend anfallende Spesen mit der Debit-Karte von Yapeal beglichen und wird ein Beleg mit AbaClik fotografiert, lässt sich auch in diesem Fall der gesamte Spesenprozess vollständig automatisieren. Denn nach der Übertragung des Originalbelegs und der Zahlungsdaten von Yapeal in die Abacus-Finanzsoftware des Arbeitgebers wird der entsprechende Betrag in Echtzeit auf das Konto des Karteninhabers gutgeschrieben. Auf Wunsch kann zuerst noch eine Validierung durch den Vorgesetzten des Karteninhabers erfolgen. Die Vorteile dieser neuartigen Lösung bestehen darin, dass sich sämtliche Buchungen zur gleichen Zeit wie die entsprechenden Transaktionen automatisch

buch­halterisch erfassen und abschliessen lassen. Damit werden auch bisher aufwendige Arbeiten wie die manuelle Einreichung und Erfassung von Spesenbelegen am Ende des Monats sowie Falsch­erfassungen von Daten wie Belegbetrag und Mehrwertsteuer vermieden. Der händische Abgleich der Kreditkartenabrechnung mit den Spesenbelegen entfällt und Auslagen werden in Echtzeit auf das betreffende Konto gutgeschrieben, sodass sich die Mitarbeitenden nicht mehr bis zur nächsten Lohnzahlung gedulden müssen.

dige manuelle Erfassung von Belegen oder Rechnungen entfällt dank der auto­ matisierten Prozesse, sodass markant Zeit eingespart werden kann. Selbst wenn ein Unternehmen seine Buchhaltung nicht selbst führt, sondern durch einen Treuhänder erledigen lässt, kann es die Scan-Funktion von AbaClik nutzen und die Lieferantenrechnungen automatisch in die Kreditoren- oder direkt in die Finanzbuchhaltung beim Treuhänder einfliessen lassen.

AUTOMATISIERTE PROZESSE Auf die gleiche Weise, wie die Spesenbelege behandelt werden, lassen sich auch Lieferantenrechnungen erfassen. Der Prozess läuft identisch ab: Sie müssen zuerst mit AbaClik gescannt, dann kontrolliert und anschliessend den entsprechenden Kostenstellen zugeordnet werden. Zum Schluss validiert die Buchhaltung die Rechnungen und terminiert die Zahlungen. Die bisher meist aufwen-

THOMAS KÖBERL ist Verwaltungsrat bei Abacus Research. www.abaclik3.ch

Es gilt, das Spesenmanagement einfacher zu gestalten.

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Ein Massanzug macht was her, ist aber teuer.

ES GEHT BESSER, SCHNELLER UND BILLIGER DIE POTENZIALE VON LOW-CODE-PLATTFORMEN Interview mit Michael Stanscheck und Stefan Heer von Georg Lutz

Normalerweise kaufen Unternehmensverantwortliche eine Software von der Stange und brauchen davon nur einen kleineren Teil oder ein IT-Mensch programmiert mühsam und unbezahlbar, beispielsweise in Java, eine individuelle Lösung. Jetzt gewinnt auch in der Schweiz ein dritter Weg an Bedeutung. Das Stichwort dazu heisst Low-Code. In der Praxis geht es um Plattformen für Applikationsentwicklung und -betrieb. Innerhalb viel kürzerer Zeiträume können jetzt Mobile- und Web-Applikationen, Chatbots und Reactive Web Apps entwickelt und betrieben werden. Zudem geht es um die Veredelung und spezifische Verknüpfungen von bestehenden Systemen. Wir führten dazu ein Interview mit Michael Stanscheck von OutSystems und Stefan Heer von Datalynx.

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angen wir mit den Grundlagen an. Im Rahmen der digitalen Transformation geht es um Prozessoptimierung und damit um mehr Effizienz. Aus meiner Sicht steht aber oft nur der technische Aspekt im Vordergrund. Es geht um Software und Tools. Das ist aber ein Missverständnis. Es geht um eine viel grössere Herausforderung – die Form, die Art und Weise des geschäftlichen Alltags. Welche Erfahrungen machen Sie mit potenziellen Kunden von KMU-Verantwortungsträgern? Stefan Heer: Aus unserer Sicht, der Sicht des Dienstleisters, spüren Kunden einen konkreten Handlungsdruck. Ihr Schuh ist zu klein geworden. Sie wollen aber meist nicht das ganze Unternehmen vom Kopf

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auf die Füsse stellen, sondern haben eine sehr konkrete Herausforderung, mit der sie zu uns kommen. Es geht beispielsweise um die Digitalisierung des Rechnungseingangs. Der basiert bislang weitgehend auf Papier. Das ist aber umständlich und Informationen verschwinden auf unerklärliche Weise. Es geht aus meiner Sicht fast immer um sehr spezifische Prozesse, die optimiert werden sollen. Michael Stanscheck: Lassen Sie mich das mit einem Bild zusammenfassen. Es geht um einen letzten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Bei den ITlern hat sich schon vorher Handlungsdruck aufgebaut, aber jetzt reagiert auch die Geschäftsleitung und will mit an Bord. Und das ist gut so. In der Praxis

nimmt man einen Anwendungsfall, geht auf unterschiedliche Dienstleister zu und fragt: «Wie bekommt denn Ihr das gelöst?» Aber IT-Landschaften sind doch oft historisch gewachsen. Oft stellt sich die Frage: Bastle ich an alten Systemen weiter oder setzte ich ganz neue auf? Stefan Heer: Da sind Sie an dem Punkt der Standardlösung angelangt. Wenn ich eine Standardlösung kaufe, muss ich mich anpassen und brauche bekanntlich einige Module gar nicht. Bei einer Low-CodePlattform – und das ist der zentrale Vorteil – können Sie genau das umsetzen, was Sie auch wirklich benötigen. Es geht um Ihre Funktionen und Ihre Masken. Das ist der diametral andere Ansatz im Vergleich zur Standardlösung.


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Dort bekomme ich ein Paket über den Tresen geschoben? Ja, und zwar ist das ein sehr grosses Paket. Ich brauche meist nur 20 oder 30 Prozent des Pakets in meinem Unternehmensalltag. Michael Stanscheck: Solche Situationen, die professionelle Entscheidungen verlangen, sind ein zentraler Grund, warum wir als Hersteller mit Vertriebspartnern vor Ort zusammenarbeiten. Wir haben eine überzeugende Plattform, die wir verkaufen wollen, haben aber nicht die vertiefte Kundeneinsicht wie unsere Partner. Optimal ist ein Partner, der mit den Kunden schon seit Jahren zusammenarbeitet. Sie können die Frage am besten beantworten, an welcher Prozessschraube ich mit dem Low-Code-Ansatz drehen muss, um zu optimalen Lösungen zu kommen. In der Vergangenheit hatte der Kunde meist nur zwei Möglichkeiten: Kaufe ich meine Software von der Stange oder lasse ich sie selbst programmieren? Das ist wie beim Anzugkauf. Ich begebe mich, um die Unterschiede der drei Möglichkeiten zu skizzieren, in die Schneiderbranche. Von der Stange heisst, dass ich mit Einschränkungen leben muss, und vielleicht gibt es Taschen, die ich gar nicht brauche. Bei einem Massanzug sitzt alles perfekt, er ist aber teuer und es dauert Zeit, bis das Produkt da und implementiert ist. LowCode bedeutet dagegen «made to mea-

sure». Ich setze viele vorgefertigte Teile ein, aber sie passen am Schluss ebenso perfekt und sind sehr viel schneller beim Kunden vor Ort. Wir kommen zum zentralen Punkt. Können Sie den aus IT-Sicht nochmals schildern? Das klassische Vorgehen bei der Erstellung einer Software sieht seit Ende der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts wie folgt aus: Ich setze einen Entwickler an eine Tastatur, der die Code-Zeilen programmiert. Am Anfang der Automobil­ geschichte, vor Henry Ford und seinem Fliessband, war dies ähnlich. Sie haben einigen Menschen sehr individuelle Teile zur Verfügung gestellt und die haben daraus eine Achse entwickelt, Bleche gebogen und ein Lenkrad zusammengeschraubt.

«Ich setze viele vorgefertigte Teile ein, aber sie passen am Schluss ebenso perfekt.»

Ein Anzug von der Stange gekauft ist oft mit Defiziten verbunden.

Das war das Arbeiten in einer handwerklichen Manufaktur. Henry Ford wollte viel effizienter Autos bauen und stellte Fliessbänder mit tayloristischen Arbeitsteilungen auf. Genau. Und was machen wir bei OutSystems heute? Wir packen die Code-Schnipsel zusammen und entwickeln daraus eine grafische, objektorientierte Oberfläche. Der Mitarbeiter muss jetzt nicht mehr selbst schreiben und entwickeln, sondern zieht sich die Funktionen, die er benötigt, per Drag-and-Drop in seine Applikation hinein. Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen? Es geht zum Beispiel darum, eine mobile Applikation zu entwickeln, die einen QRCode scannen soll. Normalerweise muss ich da viel Code schreiben. Wir haben nun eine Funktion, die ich einfach aus unserem Angebot in die betreffende Applikation hinüberziehen kann. Wenn ich nun auf den Button klicke, scanne ich den Code und kann dann die Bestimmung festlegen. Ich habe so im Rahmen der Applikationsentwicklung eine wesentlich einfachere und schönere Übersicht. Jetzt habe ich ja in meinem Unternehmen eine CRM-Lösung oder als Grundlage eine ERP-Lösung. Wie kommt das mit dem Low-Code-Ansatz zusammen? Stefan Heer: Hier sprechen wir von Kernsystemen. Mit dem Low-Code-Ansatz kann ich Verbindungen schaffen. Aus meiner CRM-Lösung und der Software in der Produktion kann ich Daten verknüpfen und sie zum Beispiel in einer mobilen Lösung abbilden. Dort sind nur die Funktionen vorhanden und sichtbar, die bestimmte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen. Hierbei geht es um Kundenlösungen, die ergänzend zu meinem bisherigem CRM funktionieren. Ich kann aber auch neue Applikationen bauen und beispielsweise eine neue CRM-Lösung entwickeln. Wenn ich jetzt mit einer SAP- oder Microsoft-Lösung arbeite, ist das doch erst einmal eine geschlossene Welt? Michael Stanscheck: Nicht ganz. Diese Lösungen haben Schnittstellen, auf die wir aufsetzen können. Systeme oder Welten von Salesforce, um noch eine dritte grosse Lösung ins Spiel zu bringen, haben eine wichtige Daseinsberechtigung. Die Lösungen sind hier aber üblicherweise für alle Abteilungen im Unternehmen geschrieben. Der Vertriebsmitarbeiter hat die

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Eine Lösung aus vorgefertigten Teilen – Low Code – kann die bessere Wahl sein.

gleichen Oberflächen wie die Expertin aus der Buchhaltung. Für den Vertriebler ist das aber alles viel zu komplex. Er braucht von den 95 Handlungsfeldern nur fünf. Jetzt kommen wir zum Zug, da wir eine zusätzliche Oberfläche für ihn obendrauf setzen können. Er sieht dann nur seine fünf Felder, die ihn betreffen. Kann man das zusammenfassen? Wir veredeln die vorhandenen wichtigen Softwaregrundlagen. Dann wird es auch effizienter. Das hört sich gut an. Aber wo liegen bei einer neuen Softwarelösung die zentralen Stolpersteine? Stefan Heer: Oft stehen wir nicht vor einer IT-Herausforderung, sondern es geht in erster Linie um die Unternehmensprozesse. Wenn diese im Rahmen der Beratung analysiert werden, braucht es viel Vertrauen. Dies muss auf beiden Seiten vorhanden sein. Nur so kommt man zu einer optimalen Lösung. Diese können dann sehr unterschiedlich sein. Warum ist Ihre Lösung in der Schweiz noch nicht verbreiteter? Der DACH-Markt ist von Haus aus konservativ aufgestellt. Wir nehmen jetzt aber Steigerungswellen wahr. Gartner geht davon aus, dass in den nächsten Jahren 65 Prozent der IT-Projekte mit Low-Code realisiert werden. Aber es gibt immer noch viel Beharrungskräfte. In Deutschland sind wir beim Thema Digitalisierung ja ganz weit oben… … wie bitte? … … auf der unteren Liste. Aber es gibt Hoffnung und die kommt von Unternehmensseite. Lassen Sie mich dazu ein Beispiel anführen. Als die Hermes-

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Gruppe einen neuen Lieferservice für internationale Kunden einführte, brachte «BorderGuru» alle Voraussetzungen für grenzüberschreitenden E-Commerce mit: Logistik, Zahlungssysteme, Zollabfertigung. Aber es gab ein Problem: Es fehlte ein «Puzzlestück» zwischen den internationalen Systemen und dem europäischen Liefersystem. Das heisst, die Pakete konnten vom Versandland bis zur Paketzustellung im Empfangsland nicht vollständig nachverfolgt werden. Man brauchte eine Lösung – und zwar innerhalb von Wochen statt Monaten. An erster Stelle stand dabei die Anpassbarkeit, denn es ist eine junge Geschäftseinheit. Das heisst, dass sich Prozesse weiterentwickeln werden. Hier sieht man, wie schnell und gut – und flexibel – man mit Low-Code arbeiten kann. Für viele Kunden, und da stimme ich Ihren kritischen Fragen zu, hört sich das alles viel zu smart und gut an. Ja, jeder sucht nach dem kritischen Haken … … den es aber nicht gibt. Stefan Heer: Wir dürfen auch die operative Ebene nicht vergessen. Es geht nicht nur um Entwicklungsplattformen, sondern auch um eine praktische Lösung. Die Applikation, die mithilfe der Plattform entwickelt wird, kann dort auch betrieben werden, beispielsweise auch direkt in der Cloud. Der Kunde muss sich dabei nicht mehr um technische Details kümmern. Michael Stanscheck: Hier haben sich die Bedürfnisse von grossen Unternehmen und KMU angenähert. Früher musste BMW «always on» sein. KMU konnten auch mal einen Tag offline gehen. Heute haben durch die Digitalisierung, nehmen Sie nur als

Beispiel die Webshops, kleine Player die gleichen Anforderungen wie die grossen Konzerne. Dies kann ich aber mit den üblichen Finanzaufwendungen nicht mit einem Server vor Ort leisten und abbilden. In der Cloud habe ich meine komplette Umgebung verfügbar. Nun ist es interessant, die jeweiligen Applikationen über die OutSystems-Plattform zu betreiben. ANMERKUNG 1.) Die Low-Code-Entwicklung stellt das Erzeugen von Anwendungen nahezu ohne Programmieren durch einfaches Zusammenstellen vorgefertigter Softwarebausteine in den Vordergrund. Historisch handelt es sich um Programmierumgebungen, mit denen zunächst die grafische Oberfläche einer Desktop-Anwendung erzeugt und erst im Anschluss eine entsprechende Geschäftslogik implementiert wurde. «Konfigurieren statt programmieren» lautet die zugrundeliegende Idee. Die praktische Umsetzung erfolgt durch Low-Code und Low-Code-Plattformen.

STEFAN HEER ist Leiter Digitale Lösungen bei der Datalynx AG.

MICHAEL STANSCHECK ist Regional Channel Manager bei OutSystems. www.datalynx.ch www.outsystems.com


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Szenarien sind notwendig und sollten professionell aufgestellt sein.

AUF ZUR DIGITALISIERUNGSREISE STRATEGISCHE UND NACHHALTIGE ENTSCHEIDUNGEN TREFFEN von Stefan Heer

Die Fülle an Technologien, die heutzutage eingesetzt wird, nimmt stetig zu. Eine Herausforderung für Unternehmen ist es, zu entscheiden, welche Technologie für welchen Anwendungsfall geeignet ist – ohne ein finanzielles Risiko einzugehen.

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ie Digitalisierungsstrategie eines Unternehmens muss mehr können, als IT-Anforderungen zu erfüllen. Sie muss Mitarbeiter befähigen, eine innovative, digitale Denkweise zu entwickeln, um Geschäftsprozesse und Dienstleistungen in die digitale Arbeitswelt zu überführen. Mithilfe von Low-Code-Entwicklung können Innovationen schnell und einfach in einer Applikation umgesetzt werden. Aber wie kann ein Unternehmen am besten beurteilen, ob Low-Code die richtige Wahl ist? Als erfahrener Dienstleister begleitet Datalynx die gesamte Digitalisierungsreise und hilft, geeignete Anwendungsfälle für die Digitalisierung zu identifizieren und mit der passenden Technologie abzubilden.

FUNDIERTE GRUNDLAGE Eine strukturierte Vorgehensweise führt zu einem messbaren, bewertbaren Ergebnis und entlastet den Entscheidungsträger im Evaluierungsprozess. Wie diese bei der Einführung einer Low-Code-Plattform aussehen kann, wird im Folgenden erläutert. Zunächst gilt es, die Geschäftsprozesse des Unternehmens zu analysieren und potenzielle Anwendungsfälle zu identifizieren. Anschliessend steht die Bewertung des

digitalen Reifegrades der Prozesse auf der Agenda. Dabei wird ermittelt, welche Technologie den Geschäftsprozess am besten unterstützt. Dabei muss es sich nicht um eine einzelne Technologie handeln, sondern es kann auch eine mit Low-Code programmierte Applikation sein, in die andere Technologien wie Chatbots, Robotic Process Automation oder Machine Learning integriert sind. Diese Low-Code-Entwicklungsmöglichkeiten werden gesammelt und im Einklang mit der Geschäftsstrategie priorisiert.

MACHBARKEIT PRÜFEN Um zunächst ein Gefühl für die Entwicklungsplattform zu bekommen, wählen die Verantwortlichen einen der einfacheren identifizierten Anwendungsfälle aus. Es schliesst sich ein Pilotprojekt an. Der Pilot dient als Machbarkeitsstudie und bildet die Entscheidungsgrundlage für die eingesetzte Technologie. Im Durchschnitt dauert dessen Implementierung zwei bis drei Wochen und nach dieser kurzen Zeit steht dem Unternehmen bereits die erste Applikation zur Verfügung. Wenn die Erstellung des Piloten erfolgreich war, muss sichergestellt werden, dass die Plattform nicht nur die funktionalen, sondern auch

die finanziellen Anforderungen erfüllt. Aus diesem Grund erstellen die Beteiligten ein Geschäftsszenario und bewerten im Anschluss die wirtschaftliche Trag­fähigkeit. Anhand der Ergebnisse kann eine nachhaltige Entscheidung über das weitere Vorgehen getroffen werden – ohne vorher ein finanzielles Risiko eingegangen zu sein.

STRATEGISCHER PARTNER Ein Partner wie Datalynx begleitet Unternehmen von der Ideenfindung bis zur Implementierung innovativer digitaler Lösungen, die Geschäftsprozesse reibungslos unterstützen, um die Erreichung der Unter­ nehmensziele voranzutreiben.

STEFAN HEER ist Leiter Digitale Lösungen bei der Datalynx AG. www.datalynx.ch

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Es muss nicht jede Zeile selbst programmiert werden.

ES GEHT AUCH ANDERS SOFTWARE-ENTWICKLUNG LEICHT GEMACHT von Michael Stanscheck

Mit der OutSystems-Plattform können Unternehmen die Dauer der Anwendungsentwicklung deutlich verkürzen – und so ihre digitale Transformation beschleunigen.

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erade in der heutigen Zeit steigt die Nachfrage nach Software kontinuierlich an: Der wachsende Digitalisierungsdruck erhöht den Bedarf an neuen Anwendungen, während es gleichzeitig zu massiven Verzögerungen in den Entwicklungsprozessen kommt. Der Grund ist einfach benannt, aber schwer zu lösen. Professionelle Software-Entwickler sind Mangelware. Vor dieser Herausforderung stehen kleine und mittlere Unternehmen genauso wie grosse Konzerne – sie haben im Kampf um die begehrten Fachkräfte jedoch oft das Nachsehen gegenüber der Enterprise-Konkurrenz.

LOW-CODE ALS LÖSUNG Gerade für KMU-Verantwortliche gilt es aus diesem Grund, die Effizienz der bestehenden Kapazitäten zu erhöhen, um dem gestiegenen Bedarf an neuer Software mit den vorhandenen Entwicklerteams gerecht zu werden. Dafür kann die OutSystemsPlattform die zentrale Grundlage schaffen. Mit ihr können Software-Entwickler und Geschäftsanwender Applikationen über eine intuitive, visuelle Benutzeroberfläche erstellen – anstatt über die herkömmliche Kodierung. Auf diese Weise entsteht echter, auf Standards basierender SoftwareCode, der bei Bedarf von den Entwicklern auf Codezeilen-Ebene angepasst werden kann. Die Plattform unterstützt eine breite Palette an Unternehmensanwendungen:

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von geschäftskritischen Lösungen, die ERP- und CRM-Systeme ersetzen, über mobile und Web-Apps für interne Prozesse bis hin zu vorausschauender Wartung im Industrieumfeld.

DIE PLATTFORM STELLT SICH VOR Mit OutSystems werden Anwendungen auf Basis visueller Modellierung erstellt: Ihre einzelnen Benutzeroberflächen lassen sich direkt am Bildschirm zusammenstellen, indem erforderliche Bedienelemente wie Anzeigen, Listen, Checkboxen, Pop-ups oder Drop-down-Menüs per Drag-anddrop an ihre jeweilige Position gezogen werden. Miteinander verbunden werden die Ansichten über Links – wie die einzelnen Seiten einer Website. Die dahinterstehende Funktionalität und Prozesslogik wird im Anschluss ebenfalls in visueller Weise definiert und mit den Bedienelementen verbunden. So lässt sich für ein Element beispielsweise per Rechtsklick definieren, aus welcher Quelle die zu verarbeitenden Daten eingespielt werden sollen. Auf diese Weise lassen sich beliebige, voll funktionsfähige Anwendungen deutlich effizienter erstellen als mithilfe manueller Entwicklung. Entsprechend ist es bis zu einem gewissen Grad auch möglich, Mitarbeiter ausserhalb der IT-Abteilung in die Entwick-

lungsprozesse zu involvieren. Für diese ergibt sich hier eine schnelle Lernkurve – und dadurch entstehen nur geringe Schulungskosten: Selbst IT-Mitarbeiter ohne jegliche Programmierkenntnisse können innerhalb einer Woche lernen, eine elementare Applikation zu entwickeln.

FÜR DIE ZUKUNFT Aufgrund von Vorteilen wie diesen wird Low-Code-Entwicklung in naher Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnen: So prognostizieren Analysten, dass bis 2024 die Applikationsentwicklung mit Low-Code 65 Prozent der gesamten Applikationsentwicklung ausmachen wird (Gartner, 2019) und dass bis 2025 der weltweite Markt für Low-Code-Entwicklungsplattformen auf 45.5 Milliarden US-Dollar wachsen wird (MarketsandMarkets, 2020). Der Trend ist eindeutig.

MICHAEL STANSCHECK ist Regional Channel Manager bei OutSystems. www.outsystems.com


SOFTWARE & HARDWARE

INNOVATION

PUR

www.baurundschau.ch

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IT-SICHERHEIT

SICHERHEIT IM HOME OFFICE ANFORDERUNGEN WÄHREND UND NACH DER PANDEMIE von Max Klaus

Die Covid-19-Pandemie hat unser Leben nachhaltig verändert: Lange Zeit waren Restaurants und Läden geschlossen, wir mussten und müssen immer noch strenge Hygienevorschriften beachten und über viele Wochen mussten wir auf den Besuch bei unseren Eltern und Grosseltern verzichten. Aber auch der Arbeitsalltag wurde durch die Pandemie einem schnellen Wandel unterzogen.

Im Home Office muss jedes Gerät geschützt werden.

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ährend Home Office vor dem Lockdown 2020 vielerorts kaum eine Rolle spielte, mussten zahlreiche Unternehmen von einem Tag auf den anderen auf diese Arbeitsform umstellen. Dementsprechend wurden viele KMU von den Herausforderungen überrumpelt, die sich beim Home Office stellen: Innert kürzester Frist mussten VPN-Zugänge, Software für Telefon- und Videokonferenzen sowie Laptops für die Mitarbeitenden beschafft werden.

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Dass unter diesem gewaltigen Zeitdruck mancherorts Sicherheitsaspekte ausser Acht gelassen oder übersehen worden sind, ist verständlich. Das Nationale Zentrum für Cybersicherheit (NCSC) ist die zentrale Anlaufstelle für alle Unternehmen, Organisationen und Privatpersonen, die sich in Zusammenhang mit einem Cyberangriff mit den Bundesbehörden in Verbindung setzen wollen. Auf der Website finden sich zahlreiche Anleitungen, Checklisten und mehr, wie man sich vor

den verschiedensten Formen von Cyberangriffen schützen kann.

SCHUTZ DER GESCHÄFTSINFRASTRUKTUR Stellen Sie sicher, dass der Zugriff auf Ihr Firmennetzwerk ausschliesslich über eine geschützte VPN-Verbindung erfolgen kann. Ausserdem sollten alle aus dem ­Internet erreichbaren Systeme in Ihrem Unternehmen mit einer sogenannten «Zwei-Faktoren-Authentisierung» geschützt sein. Der Login auf diese Systeme erfolgt


IT-SICHERHEIT

Die Zahl der Cyberangriffe ist gestiegen.

somit nicht nur mit Benutzername und Passwort, sondern mit einem zusätzlichen Faktor (zum Beispiel SMS-Code, Google Authenticator). Unverzichtbar sind in jedem Fall die gängigen technischen Massnahmen wie Virenschutz, Firewall, regelmässige Datensicherung, zeitnahes Einspielen von Updates für alle verwendeten Programme und vieles mehr. All diese Massnahmen sind nicht sehr kostenintensiv und können überall implementiert werden.

UMGANG MIT VERTRAULICHEN GESCHÄFTSDATEN Im Home Office werden unter Umständen vertrauliche Daten auf privaten Geräten bearbeitet oder ausgedruckt. Unautorisierte Personen können allenfalls auf den Bildschirm schauen. Daher kommt dem Informationsschutz in Zeiten von Home Office erhöhte Bedeutung zu. Legen Sie ein Klassifizierungssystem für die Geschäftsdaten fest. In der Bundesverwaltung gibt es die Stufen «intern», «vertraulich» und «geheim». Legen Sie für alle Stufen fest, wie mit diesen Informationen umgegangen werden muss. Beispielsweise dürfen vertrauliche Informationen in der Bundesverwaltung nur verschlüsselt per E-Mail verschickt werden.

Wird ein privater Computer weiterverkauft oder stillgelegt, muss sichergestellt sein, dass darauf keine geschäftlichen Informationen zu finden sind. Legen Sie in einem Prozess fest, wie geschäftliche Daten dauerhaft entfernt werden können. Im gleichen Prozess ist der Umgang mit ausgedruckten geschäftlichen Informationen zu regeln. Dürfen diese ins Altpapier wandern oder müssen sie sonst irgendwie entsorgt werden?

SENSIBILISIERUNG IST DAS A UND O In den letzten Jahren hat eine deutliche Professionalisierung von Cyberangriffen stattgefunden. Bösartige E-Mails werden oft mit persönlicher Anrede versehen oder enthalten so glaubwürdige Informationen, dass für Mitarbeitende immer schwieriger erkennbar ist, ob die entsprechende Nachricht gut- oder bösartig ist. Sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeitenden nach dem Motto «Steter Tropfen höhlt den Stein» immer wieder für die im Internet lauernden Gefahren. Weisen Sie insbesondere darauf hin, welche Gefahren beim Anklicken eines Links oder beim Öffnen eines E-MailAnhangs lauern. Pflegen Sie eine offene Fehlerkultur. Diese führt dazu, dass Mitarbeitende sich bei

den zuständigen Personen melden, wenn sie allenfalls einen schadhaften E-MailAnhang geöffnet haben.

WAS IST IM EREIGNISFALL ZU TUN? Sollten die notwendigen Fachkenntnisse intern nicht vorhanden sein, informieren Sie umgehend ein spezialisiertes Unternehmen. Kommen Sie keinesfalls einer allfälligen Lösegeldforderung nach und erstatten Sie bei der zuständigen Kantonspolizei Anzeige gegen unbekannt, wenn Sie finanziellen Schaden erlitten haben. Informieren Sie das NCSC über den Vorfall. Meldungen können auch anonym erstattet werden.

MAX KLAUS ist stellvertretender Leiter Operative Cybersicherheit NCSC. www.ncsc.ch

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IT-SICHERHEIT

Die Angriffsflut der neuen Generation von Cyberkriminellen überrascht immer wieder.

MIT VORAUSSICHT

EFFEKTIVE CYBERSECURITY IN DER PRAXIS von Thorsten Urbanski

Sicherheitslücken wie zuletzt in Microsoft-Exchange-Umgebungen zeigen, dass auch vermeintlich gut geschützte Systeme schnell zum Ziel von Angreifern werden können. Vor wenigen Monaten waren Tausende von Servern und damit viele Unternehmen, staatliche Institutionen und Krankenhäuser von solch einem Angriff betroffen. Und die Gefahr ist nach wie vor nicht gebannt, denn die Angreifer sind längst im System und haben die Netzwerke umfassend infiltriert.

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ie Angriffswelle auf Microsoft Exchange wurde von mindestens zehn Advanced-Persistent-Threats-(APT)Hackergruppen verübt, wie Analysen von ESET – dem slowakischen Unternehmen für Sicherheitssoftware – beweisen konnten. Für Kriminelle ist gerade Exchange ein attraktives Ziel, ist es doch in zahlreichen Unternehmen die erste Wahl für E-MailDienste. Die Absicherung von ExchangeServern ist daher von grösster Bedeutung. Keine einfache Aufgabe, ist es doch selbst für IT-Mitarbeiter mitunter nicht ganz leicht, eine On-Site-Version von Exchange zu betreiben, da es sich um eine komplexe Anwendung handelt. Wie die massenhafte Ausnutzung von Exchange-Servern belegt, kann es sehr schwierig sein, rechtzeitig Patches zu installieren, um eine Gefährdung wie diese zu vermeiden. Die Cyberkriminellen sind oft schon lange vor dem offiziellen Bekanntwerden eines Sicherheitslecks in den Systemen und nisten sich dort ein. Unternehmen sollten es Eindringlingen daher so schwer wie möglich machen, indem sie ein virtuelles privates Netzwerk

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(VPN) und eine Multifaktor-Authentifizierung implementieren, um Internetzugriffe auf E-Mail-Server besser abzusichern.

den Angriffen betroffen zu sein, und über 5 000 befallene E-Mail-Server wurden weltweit identifiziert.

GIGANTISCHE ANGRIFFSWELLE

NUR PROAKTIV IST SICHER

Anfang März 2021, als die Schwachstellen in Exchange noch weitgehend unbekannt waren, missbrauchten bereits mindestens sechs APT-Gruppen diese Sicherheitslücken für gezielte Angriffe. Kurz nachdem Microsoft Patches veröffentlicht hatte, entdeckte ESET noch vier weitere AngreiferGruppen. Die Analysen verzeichneten einen massiven Anstieg von Attacken auf E-MailServer mittels Webshells. Alle diese Attacken dienten dem Ziel, sich Zugang zu ungepatchten E-Mail-Servern zu verschaffen und sich dort einzunisten, bevor die betroffenen Unternehmen die Sicherheitslücken durch das Aufspielen der Patches schliessen konnten. Einmal im System können Angreifer dort nahezu unbemerkt ausharren und zu einem späteren Zeitpunkt angreifen. Die Europäische Bankaufsichtsbehörde und das norwegische Parlament erklärten beide öffentlich, von

Angriffe wie die Exchange-Attacken sind keine Einzelfälle. Das zeigte beispielsweise eine Sicherheitslücke in einer CitrixSoftware, über die das Universitätsklinikum Düsseldorf lahmgelegt wurde. Das Brisante war, dass in Deutschland das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) schon Monate zuvor vor der Lücke gewarnt hatte. Allerdings waren die Schadprogramme längst in den Systemen, bevor die Lücke gepatcht war, und konnten so «von innen heraus» angreifen. Die Lehre aus den Vorfällen ist bitter, aber durchaus hilfreich. Wer Software und Anwendungen mit all ihren nützlichen Funktionen für sein Unternehmen nutzen will, kann die Augen nicht vor den immer grösser werdenden Gefahren verschliessen, sondern muss umdenken. Es reicht nicht mehr aus, dass Admins möglichst schnell auf neue Bedrohungen reagieren. Sie müssen zusätzlich


IT-SICHERHEIT

agieren, um der Angriffsflut der neuen Generation von Cyberkriminellen etwas entgegensetzen zu können. Hierbei geht es nicht nur darum, einen fachkundigen Exchange-Administrator und ein Sicherheitsteam zu haben – egal ob intern oder extern betrieben von einem Managed Service Provider. Es geht auch um die Einsicht, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ein Angriff kommt. Aus diesem Grund ist es essenziell, in Threat Hunting Tools wie Endpoint-Detection-and-Response(EDR)-Lösungen zu investieren, um Angreifern einen Schritt voraus zu sein. Zusätzlich bedarf es eines professionellen Sicherheitsteams oder eines Managed Service Providers, der diese EDR-Lösungen optimal zum Schutz Ihres Unternehmens einsetzen kann. Durch dieses vorausschauende Denken und Handeln erhalten Unternehmen tatsächlich die Flexibilität und Benutzerfreundlichkeit, die sie sich für ihre Anwendungen wünschen. Denn sie können sicher sein, dass alle Anwendungen und Server auch auf unbekannte Schwachstellen untersucht werden. Dann ist schnelles Handeln tatsächlich möglich und Gefahren lassen sich rechtzeitig abwenden. Die nächste Warnung vom Nationalen Zentrum für Cybersicherheit (NCSC) ist in dem Fall keine unternehmensbedrohliche Nachricht mehr, sondern lediglich eine nützliche Meldung. Die bei den Angriffen genutzten Zero Days sind als Pre-Authentication-Remote-Code-Execution-(RCE)Schwachstellen bekannt. Darüber können Angreifer verheerende Schäden anrichten: Sie können jeden Exchange-Server in Reichweite infiltrieren, insbesondere über das Internet, ohne dazu irgendwelche Anmeldedaten zu benötigen. Wenn ITVerantwortliche in Deutschland proaktiv handeln wollen, sollten sie in ihrer Organisation daher einen konsequenten ZeroTrust-Security-Ansatz verfolgen.

DER NEUE SICHERHEITSANSATZ Für viele IT-Administratoren und Geschäftsführer stellt sich die Frage: Mit welcher Strategie kann ich mein Unternehmen optimal schützen? Der von ESET entwickelte IT-Security-Ansatz gibt genau hierauf eine Antwort. ESET Protect basiert auf dem von der Harvard Universität konzipierten «Zero Trust»-Konzept zur IT-Sicherheit. Diese konzeptionelle Basis wurde hier weiterentwickelt und auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Organisationsgrössen zugeschnitten. Kurz gesagt geht es darum, alle internen und externen Geräte,

Es gilt, Flexibilität und Benutzerfreundlichkeit für alle Anwendungen herzustellen.

Prozesse und Personen grundsätzlich als potenziell gefährlich einzustufen. In Zeiten von Corona und Homeoffice hat sich das als zwingend erforderlich erwiesen. Der «Zero Trust Security»-Ansatz besteht aus einem dreistufigen, aufeinander aufbauenden Reifegradmodell. Je höher die Stufe ist, desto sicherer ist die Schutzwirkung. Das Modell startet mit der Basisstufe «Grundschutz plus», die dem Prinzip des «Multi Secured Endpoints» folgt. Diese eignet sich unabhängig vom individuellen Schutzbedarf für jede Organisation. Daran schliessen sich zwei Zero-Trust-Stufen mit weiter steigenden Security-Massnahmen und -Diensten an.

SINGLE VENDOR MADE IN EU Eine der grossen Herausforderungen stellen Insellösungen dar, die nicht verzahnt ineinandergreifen. Mit dem «Multi Secured Endpoint»-Ansatz wird ein einmaliges Lösungsportfolio angeboten, das technologisch ausgereift ist und umfassend das nötige Schutzniveau gewährleistet. Der europäische Hersteller setzt dabei konsequent auf eigene Technologien – und das über alle gängigen Betriebssysteme hinweg, cloudbasiert oder On-Premises. Von der Endpoint Protection über die MultiFaktor-Authentifizierung bis hin zur Verschlüsselung können Kunden im HealthCare-Sektor darauf vertrauen. Das sogenannte «Single-Vendor-Prinzip» vereinfacht es den Administratoren und reduziert zugleich den Kostenaufwand. Alle Lösungen des Unternehmens lassen sich über die Management-Konsole «ESET Protect» kom-

plett administrieren. Sicherheit aus einem Guss basiert auf dem Bekenntnis zu «Zero Trust Security», also dem vollumfänglichen Schutz aller Geräte, sowohl intern als auch extern. Gerade im IT-Sicherheitsbereich müssen sich Entscheider auf die «inneren Werte» der eingesetzten Lösung verlassen und den Herstellerangaben vertrauen können. Transparenz sollte gerade bei ITSicherheit selbstverständlich sein, denn es geht schliesslich um den Schutz wertvoller Unternehmensdaten, Kundeninformationen oder Patientendaten. Wenn beispielsweise «Made in Germany» oder «Made in Europe» versprochen wird, sollten die elementaren Sicherheitstechnologien, wie zum Beispiel Anti-MalwareSchutz, aus den angegebenen Ländern stammen. Was für ESET als europäischer Hersteller selbstverständlich ist, ist am Markt leider nicht die Regel.

THORSTEN URBANSKI ist Head of Communication DACH beim europäischen IT-Sicherheitshersteller ESET und Leiter der Arbeitsgruppe «IT-Security made in EU» (TeleTrusT) www.eset.com

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MENSCHEN IN UNTERNEHMEN

Die Generationenvielfalt ist eine der Stärken von Essence Relations.

ROLLENVORBILDER IM WANDEL STRUKTUREN AUFBRECHEN UND EINSTELLUNGEN VERÄNDERN Interview mit Nathaly Bachmann von Elisa Beck

Chancen – für sie und ihn. Doch sind sie gleich? Gesellschaftlich etablierte Erwartungen an das Verhalten, das Tun und Lassen von Mann und Frau sind in der Schweiz in Bewegung. Ein erster Schritt in Richtung Gleichheit, Chancengerechtigkeit und Freiheit. Doch wie liberal ist die Schweiz wirklich? Wo gibt es Aufholbedarf? Und wie gelingt der Dialog auf Augenhöhe? Ein Gespräch mit Nathaly Bachmann, engagierte Unternehmerin und Mutter.

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ormale Gleichheit zwischen Frauen und Männern ist in der Schweiz seit einigen Jahrzehnten vorhanden. Mädchen und Frauen spüren aber immer noch die gläsernen Decken, die schwer zu durchstossen sind. Ist das Glas in Ihren Augen halb leer oder halb voll? Das Glas ist halb voll, davon bin ich überzeugt. Gerade auf der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ebene – auch in der Politik – sind die Rolle der Frau und ihre Wahrnehmung in der Schweiz im Wandel. Es ist ganz entscheidend, dass wir hier aktiv an-

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knüpfen – und zwar jetzt. Denn wollen wir eben diesen Wandel vorantreiben, müssen Erwartungen an das vermeintlich typische Verhalten von Mann und Frau aufgebrochen werden. Die Veränderungen müssen auch greifbar werden. Rollenvorbilder, die gelebt werden, sind hierbei ein wichtiger Treiber. So sieht man zum Beispiel mehr und mehr Männer, die in Vollzeit oder Teilzeit zu Hause bleiben. Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Wenn eine Frau mit Kind 100 Prozent arbeitet, ist die Reaktion oft: «Was, so viel?» Aber wenn

ein Mann wegen des Kindes 80 Prozent arbeitet, lautet die Frage voller Erstaunen: «Was, so wenig?» Diese traditionellen Denkfiguren bekommen zunehmend Risse, ich spüre einen Wandel und genau da sind wir auf einem guten Weg. Wir sollten den Fortschritt, aber auch die weiterhin bestehenden Stolpersteine klarer benennen. Die Generation Ihrer Mutter konnte seit 1973 wählen gehen. Sie musste in der Schule nicht in die «Handsgi-Gruppe», sondern konnte auch «Werken» wählen. Heute


MENSCHEN IN UNTERNEHMEN

Ein Schritt in die richtige Richtung: Informatik als Pflichtfach.

kann ein Mädchen Fussball im Verein spielen. Gleichzeitig verdienen Frauen im gleichen Job und mit gleicher Qualifikation immer noch viel weniger. Sie können sicher noch einige Beispiele für Fort- und Rückschritte skizzieren. In der Tat haben wir schon viel erreicht: Wir haben gesetzliche Rahmenbedingungen, die sich parallel zur gesellschaftlichen Emanzipation über die Jahre zum Positiven verändert haben. Zudem ist der Frauen­ anteil im Parlament stark gewachsen. Und wir haben drei Frauen im Bundesrat. Gleichzeitig ist aber Stagnation, gar Rückschritt zu beobachten. Denn betrachten wir die Karrierelaufbahnen von Frauen, die Kinder haben, eröffnen sich uns grosse Lücken – und zwar genau dann, sobald Familienzuwachs kommt. Das ist aber nicht individuellem Verhalten geschuldet, sondern liegt an etablierten Vorstellungen in unserer Arbeitswelt. Von uns wird erwartet, dass wir in unserer ganzen Karrierelaufbahn durchgehend 100 Prozent anwesend sind, uns bloss keine langen Unterbrechungen leisten und immer direkt weiterarbeiten. An dieser Stelle haben wir noch massiven Aufholbedarf.

Darum braucht es hier, bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, definitiv noch viel Arbeit. Ebenso braucht es – wenn man Kinder und Beruf gleichzeitig und gleichwertig ausfüllen will – eine Partnerschaft und ein Umfeld, in denen Verständnis entgegengebracht wird und der Dialog auf Augenhöhe gelingt. Sie sprachen vorhin von Rollenvorbildern. Es braucht ohne Frage für jede Generation Vorbilder. Welche waren dies für Sie und welche sind das heute für eine junge Start-up-Frau? Zugegeben: Frauen zu finden, die für mich ein Vorbild verkörpern, fiel mir früher nicht leicht. Das sind Frauen, die Kinder haben und auch im Beruf vorankommen. Es gab damals wie heute viele erfolgreiche Frauen, allerdings ohne Kinder. Das bestätigt sich auch bei einem Blick in den aktuellen Bundesrat. Wir haben – und das ist wie erwähnt ein grosser Fortschritt – drei erfolgreiche Frauen im Bundesrat. Alle drei Frauen haben jedoch keine Kinder. Da fehlen also noch die Vorbilder. Wichtig ist, dass Vorbilder greifbar sind. Für die heutige Generation können Vor-

bilder Personen sein wie zum Beispiel Melanie Winiger oder die Slam-Poetin Hazel Brugger. Beide nehmen auf unterschiedliche Weise kein Blatt vor den Mund und zeugen von starken Persönlichkeiten. Oder nehmen wir die Unternehmerin Sandra Pinto, Gründerin des Modelabels Lamarel. Sie verkörpert Reduktion und Fokus auf das Wichtige. Der Trend heute ist: Es geht nicht mehr nur darum, wie Vorbilder performen oder die ihnen zugeschriebenen Rollen ausfüllen, sondern vielmehr, ob sie etwas Nachhaltiges mit gesellschaftlichem Impact realisieren. Es gibt immer noch die klassischen Frauen- und Männerberufe. Wie bekommen wir mehr Frauen in die ICTBranche? Dies ist eine wichtige und zugleich schwierige Frage. Mit Essence Relations begleiten wir Führungskräfte, die sich sehr stark für Mädchen in den ICT-Berufen einsetzen. Wir merken, hier findet ein Umdenken statt. Es gibt bereits diverse Ansätze, die die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik für Frauen attraktiver gestalten. Dennoch ist der Frauenanteil in MINT-Berufen sehr gering. Es

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MENSCHEN IN UNTERNEHMEN

muss uns gelingen, Frauen für diese Berufe zu begeistern. Hier gilt es, bereits in den Primarschulen oder im Kindergarten anzusetzen. Ein erster Schritt kann sein, Informatik als Pflichtfach einzuführen. Eine weitere mögliche Massnahme wäre, die Ausbildungs- und Berufsbezeichnungen zu reformieren. Die heute sehr technischen Begriffe beschreiben oft nicht, was der Beruf an sich beinhaltet und erfordert. Die Bezeichnungen sind stark auf eine männliche Zielgruppe ausgerichtet und schrecken Frauen ab. Dabei haben ICT-Berufe eigentlich sehr viel mit typisch weiblichen Kompetenzen zu tun: mit Sprache, Vermittlung und Kundennähe. Sie bieten auch kreativen und gestalterischen Raum. Stehen Frauen untereinander eher in Konkurrenz als Männer? Auf jeden Fall sollten wir uns auch hier von Stereotypen fernhalten. Viele Männer sind untereinander ebenfalls im Wettbewerb. Vielleicht nehmen sie diesen sportlicher oder gehen ihn gelassener an. Doch schauen wir in das Segment des Leistungssports: Die Schweizer Curlerinnen haben erst kürzlich die Weltmeisterschaft gewonnen – und das zum zweiten Mal. Das zeigt: Frauen können durchaus sehr gut zusammenarbeiten und als Team funktionieren. Der Wettbewerb, die Konkurrenz und der Umgang damit sind doch stark abhängig vom Umfeld. Und wie funktioniert das in Ihrem eigenen Unternehmen? Bei Ihnen sehe ich nur Frauen. Ist das Zufall? Das ist absoluter Zufall. Vor meinem Start ins Unternehmertum vor acht Jahren arbeitete ich meist in reinen Männer-Teams und auch viele unserer Kunden sind Männer. Bei offenen Positionen sind wir genauso offen dafür, einen Mann einzustellen, und führen meist auch Gespräche mit männlichen Kandidaten. Entscheidend sind für uns die individuelle Leistung und die Leistungsbereitschaft. Schliesslich entscheidet der beste Match. Für uns sind Werte wie Freiheit, Authentizität, Verlässlichkeit und Neugier wichtig. Aktuell sind wir bezüglich der Geschlechter vielleicht nicht diversifiziert unterwegs, dafür zeichnet uns unsere Generationenvielfalt von Mitte zwanzig bis Mitte fünfzig aus. Was uns stark macht, ist unsere sehr ausgeprägte Diskussionskultur. Wir haben viele Meetings, wir beleuchten uns immer wieder

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selbst. Jede Einzelne ist sehr leistungsbereit und zeigt Sportsgeist. Jede kann sich richtig einbringen und jede Perspektive wird respektiert. Was zeichnet in Zeiten der Pandemie eine Führungspersönlichkeit aus? Die Krise hat uns gezeigt, dass wir mit Schönwetterkapitänen nicht weiterkommen, das geht nicht mehr. Eine Krise kann nur gut gemeistert werden, wenn auch vorher schon gut geführt wurde. Das ist entscheidend. Eine gute Führungspersönlichkeit zeichnet sich durch Empathie aus, sie will selbst auch immer wieder lernen und hört anderen zu. Eine gute Führungspersönlichkeit muss Herausforderungen als Chancen sehen, ihre Mitarbeitenden befähigen, authentisch und vor allem ständig kommunizieren – gerade in unserer heutigen vernetzten Welt. Und was wir in einer Krisensituation auch sehen können, ist, dass einfach kollaborativ vorgegangen werden muss, damit alle engagiert bleiben.

«Chancenorientiertes Denken konzentriert sich auf Lösungen, anstatt auf das Problem …» Kommen wir zu einer Studie, an der Sie beteiligt waren. Sie trägt den Titel «Chancenbarometer». Wie lautet die Kernaussage der aktuellen Ergebnisse? Chancenorientiertes Denken konzentriert sich auf Lösungen statt auf das Problem, es sucht Wege und keine Schuldigen, es motiviert und fordert zum Handeln auf. In unserer Wohlstandsgesellschaft ist man schnell dazu verleitet, sich auf Sorgen zu fokussieren und auf dem Status quo zu verharren. Viele Bürgerinnen und Bürger verknüpfen mit grossen Herausforderungen aber auch noch grössere Chancen. Chancenorientiertes Denken aktiviert und fördert dabei die Eigeninitiative.

Das Chancenbarometer ist eine Aufforderung an alle politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, diese Energie zu nutzen und mutig nach vorne gerichtet zu gestalten. Denn chancenorientiertes Denken erleichtert die konstruktiven Debatten über politische Lager hinweg, mit dem Ziel, Lösungen zu erarbeiten und Fortschritt zu schaffen – das vermittelt das Chancenbarometer. Unsere Publikation vom Herbst 2020 hebt hervor, dass die Bürgerinnen und Bürger Herausforderungen wie den Klimawandel wahrnehmen, darin aber auch Chancen für eine positive Veränderung sehen. Viele möchten sich zudem politisch engagieren und mitgestalten. Sie schätzen die Partizipationsmöglichkeiten der direkten Demokratie, aber nicht alle erleben diese als politisch wirksam. Und auch wenn nicht immer jede Erwartung erfüllt wird, haben die Bürgerinnen und Bürger Vertrauen in die politischen Institutionen in der Schweiz. Die Sonderpublikation vom Frühling 2021 widmete sich dann spezifisch den Schweizerinnen. Sie zeigt auf, dass es bedeutend mehr Frauen als Männer sind, die sehr grosse Chancen für politische Gestaltung sehen. Man kann sagen: Schweizerinnen sind im Grunde Optimistinnen, denn sie erkennen sowohl den Handlungsbedarf als auch das Potenzial für Wandel selbst in kontroversen Fragen. Diese Frauen tragen ihre politischen Ansichten oft auch direkt nach aussen. Was bei der Umfrage erstaunt, ist, dass Frauen ihre politische Wirksamkeit noch immer unterschätzen. Und genau deshalb rufe ich dazu auf: Frauen, nutzt eure Gestaltungskraft. Nutzt eure Kreativität. Und beweist eure Wirkung. Sie sind einem liberalen Weltbild verpflichtet. Gibt es aber nicht auch Strukturen, gerade männlich dominierte Strukturen, die nicht individuell, sondern schlicht staatlich verändert werden müssen? Hier sprechen wir die Chancengerechtigkeit an. Es ist zentral, dass jene Mitglieder der Gesellschaft gefördert werden, die nicht von Grund auf dieselben Chancen haben wie andere. Es soll in der Schweiz jede und jeder die Möglichkeit haben, eine gute Ausbildung zu geniessen, und auch die soziale Mobilität muss gewährleistet sein. Aus diesem Grund braucht es an diesen Stellen eine spezielle Lösung, ein Mitdenken der Gesellschaft, zum Beispiel die Förderung von Frauen in Führungspositionen.


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Das Wunsch-Schloss findet in Thun statt.

Oder aber auch, dass Männer akzeptiert werden, die zu Hause sind. Die Institutionen müssen Rahmenbedingungen für diese Chancengerechtigkeit setzen. Ich glaube aber auch, dass Verantwortung für sich selbst die Wurzel aller Verantwortung ist. Soll Wachstum nachhaltig zu Wohlstand führen, fängt auch dies beim Verantwortlichen selbst an. Voraussetzung ist, dass die Eigenverantwortung und die individuelle Gestaltungsfreiheit in der Schweiz erhalten bleiben. Und wie kann der Liberalismus in der Schweiz wieder Fahrt aufnehmen? In der Schweiz geniesst Wachstumskritik hohe Aufmerksamkeit und Ideen für eine wachstumslose Gesellschaft finden hier seit einiger Zeit grossen Zuspruch. Der Liberalismus entstand aus dem Glauben, dass die Welt nicht sein muss, wie sie ist, dass es Alternativen gibt. Eben darum soll sich in meinen Augen die neue Wachstumsdebatte drehen. Wie wollen wir leben, welche Werte im Wachstum sind entscheidend? Für mich ist der offene Umgang, die ehrliche Debatte rund um Wachstum für unseren Wohlstand in der Zukunft und gerade für die nächste Generation zentral. Und genau dieser Weitblick fehlt mir grundlegend. Wichtig ist, dass wir jetzt wieder näher am Menschen sind, dass man wieder emotionaler kommuniziert, einander zuhört und dass man Lösungen anbietet, die parteiübergreifend funktionieren. Die

Pandemie hat uns gezeigt, dass wir als Gemeinschaft lösungsorientiert arbeiten müssen. Und trotzdem muss man insbesondere auch nach einer Krise wie der COVID-19-Pandemie das System erneut in Frage stellen können und schauen, ob wir unsere Rechte als Bürgerinnen und Bürger zurückhaben. Es gilt, den Liberalismus in der Schweiz neu zu evaluieren. Was kann die Initiative StrategieDialog21 als Thinktank dazu beitragen, damit Innovationen in der Schweiz geschlechterübergreifend vorankommen? Der StrategieDialog21 eröffnet als Denkfabrik neue Möglichkeiten für Debatten, Dialoge und Netzwerke. Die Stiftung setzt sich gesellschafts- und parteiübergreifend für eine offene, innovative, mutige und freiheitliche Schweiz ein. Durch ehrlichen und offenen Dialog vermittelt der StrategieDialog21 neue Impulse quer durch die Gesellschaft in verschiedenen Bereichen und schafft einen Austausch zwischen Kultur, Medien, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Die Umsetzung zeigt sich einerseits mit dem Chancenbarometer, das lösungsorientiertes Denken fördert und nach vorne schaut. Die Initiative bietet aber auch Ideen­ wettbewerbe wie das Wunsch-Schloss und 5vor12, mit welchen wir bei Jung und Alt wieder Freude an der politischen Beteiligung wecken wollen. Wir zeigen auf, dass jede und jeder ein «Change Maker» sein kann. An

diesen Events verknüpfen wir National- und Ständeräte mit Personen, mit Ideen, mit Lösungen und Innovationen. Der StrategieDialog21 ermöglicht so einen Dialog zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Für den StrategieDialog21 arbeiten wir mit neuartigen Kanälen, mit Rollenvorbildern, mit Denkern und Machern. Wir versuchen, alle Alternativen aufzuzeigen. Das ist der Sinn des Liberalismus: Dinge infrage stellen, sich weiterentwickeln und mit Widersprüchen umgehen. Das ist ähnlich wie in einer guten Partnerschaft: Wenn beide gleichberechtigt sind, gibt es einen Dialog mit zwei unterschiedlichen Sichtweisen, die einander aber auch Raum geben und gemeinsames Fortschreiten ermöglichen.

NATHALY BACHMANN ist Founder und CEO der strategischen Unternehmens- und Kommunikations­ beratung ESSENCE RELATIONS GmbH sowie Co-Geschäftsführerin der Stiftung StrategieDialog21. www.essence-relations.ch www.strategiedialog21.ch

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Das Weibliche rückt den Entstehungsprozess in den Fokus.

DAS FEHLENDE PUZZLESTÜCK WEIBLICHE QUALITÄTEN IM BUSINESS von Romina Döhlemann

Während Business früher fast ausschliesslich eine Männerdomäne war, werden heute viele Unternehmen und Teams von Frauen «regiert». Das weibliche Potenzial ist enorm! Aber nutzen Frauen ihre natürlichen Stärken im Arbeitsalltag? Und können Unternehmen wirklich darauf verzichten, wenn sie auch in Zukunft ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Kundinnen und Kunden begeistern wollen?

I

n einer Zeit, in der Sinnhaftigkeit und persönliche Erfüllung am Arbeitsplatz für die Menschen immer wichtiger werden, ist es notwendig, auch die weiblichen Qualitäten im Unternehmen zu integrieren und zu fördern. Geschieht dies nach wie vor zu wenig und fragen wir uns warum, hilft ein Blick in die Geschichte.

WEIBLICHE ENERGIEN NUTZEN Weibliche Qualität – repräsentiert durch die Frauen – wurde über lange Zeit unterdrückt. Das einzige Mittel, um sich «Macht» zu verschaffen, war Schönheit. Durch ihren starken Sexualtrieb konnten Männer so abhängig gemacht werden und wurden «lenkbar». Wofür wir die Männer heute verurteilen, nämlich dass sie Frauen auf ihren Körper reduzieren, war somit eine aus der Not geborene Idee von uns Frauen selbst – und ein Stück weit natürlich auch Mittel der Evolution.

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Die Freiheit, die sich viele unserer Vorfahrinnen damals wünschten, wurde mit dem «Mannsein» assoziiert. Männer durften entscheiden, waren frei und unabhängig. Da Weiblichkeit also über viele Generationen eher zu Unmündigkeit und Unglück als zu Erfüllung geführt hat, hat sich eine kollektive Ablehnung ihr gegenüber eingeprägt. Als unsere mutigen Vorfahrinnen sich irgendwann aus der Unterdrückung befreien wollten, kämpften sie eher dafür, wie ein «freier Mann» und nicht wie eine «freie Frau» leben zu dürfen. Anstatt den Wert der Weiblichkeit «gesellschaftstauglich» zu machen und dessen Wertschätzung und Anerkennung zu stärken, kämpften die Frauen also auf männliche Weise für männliche Rechte. Diese Strategie wird übrigens bis heute verfolgt: Noch immer kämpfen Frauen teilweise mit harten Mitteln gegen «Ungerech-

tigkeiten», die faktisch vielleicht gar nicht mehr bestehen. Denn in Bezug auf die Rechte und das Gehör in der Gesellschaft sind Frauen heutzutage viel «mächtiger» als Männer. Wir haben uns so viele Vorrechte erkämpft, dass wir womöglich schon kurz vor der Unterdrückung der Männer stehen.

WEIBLICHE QUALITÄTEN EINSETZEN Vorab sei gesagt, dass Männer und Frauen beide jeweils über männliche und weibliche Energien verfügen und somit – unabhängig vom Geschlecht – männliche und weibliche Stärken besitzen. Männliche Energien und Qualitäten wie Logik, Ziel­ orientierung oder aktives Handeln sind meist nach aussen gerichtet, messbar und greifbar. Weibliche Energien sind nach innen gerichtet, subtiler und eher fühl- als sichtbar – beispielsweise folgende:


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1. Intuition: Wirklich starke Visionen und Innovationen kommen nie aus dem logischen Verstand, der ja nur neu zusammenfügen kann, was er schon von irgendwoher kennt, sondern zeigen sich in Geistesblitzen und Eingebungen. Diese können nicht erzwungen oder erarbeitet werden, der Mensch kann sich lediglich dafür öffnen und sie «empfangen». Die Intuition ist also eine typisch weibliche Qualität. Nutzen für das Unternehmen: Durch eine starke Intuition bleiben Unternehmen mit dem Zeitgeist verbunden. Nur so können sie für ihre Kunden sinnvolle Zukunftslösungen entwickeln und sich vorausschauend am Markt platzieren, anstatt lediglich schon bestehenden Trends hinterherzujagen. 2. Emotional ausgleichen und versorgen: Bis heute ist diese Qualität verbunden mit «Dienen» oder gar «Kochen», weshalb sie gerade von Frauen besonders

stark abgelehnt wird. Die wirkliche Stärke, andere «erfüllen zu können», liegt jedoch auf der emotionalen Ebene. Weibliche Energie ist in der Lage, negative Gefühle zu transformieren und ihr Umfeld emotional zu ernähren. Das hat nichts mit Aufopferung zu tun! Oder mit Essen! Geschieht das emotionale Versorgen als ganz bewusster Prozess, gewinnt auch die Frau Energie dabei, ohne von der Anerkennung und Bestätigung der «Ernährten» abhängig zu sein. Nutzen für das Unternehmen: Den Ängsten und Sorgen der Mitarbeiter werden in Unternehmen oft gar keine Beachtung geschenkt. Dabei ist genau das der Punkt, der einer Organisation wertvolle Lebensenergie raubt und das Team ausbremst. Die bewusste Wahrnehmung und Transformation dieser Gefühle in Freude und Zuversicht kann dem Unternehmen zu deutlich mehr Strahlkraft und Leistungsfähigkeit verhelfen. Dafür

ist es nicht notwendig, sich am Arbeitsplatz stundenlang über Gefühle zu unterhalten. Was es braucht, ist lediglich die Beachtung und Wertschätzung dieser Aspekte und ein liebevolles, weibliches Herz, das bereit ist, diese Aufgabe im Team zu übernehmen. 3. Prozessorientierung und Umsichtigkeit: Während sich die männliche Qualität zielorientiert und impulsiv ausdrückt, liegt die weibliche Stärke in der Hingabe an den Prozess, das Entstehenlassen. Dabei ist das Weibliche umsichtig, weitsichtig und einbeziehend. Nutzen für das Unternehmen: Es herrscht Ruhe statt Hektik. Die Kollateralschäden bei der schnellen Jagd nach Erfolgen werden minimiert. Ein ganzheitliches Arbeiten fördert die Zufriedenheit von Mitarbeitern, Lieferanten und Kunden. Durch den Genuss bei der Arbeit steigt die Motivation dauerhaft.

VERBORGENE POTENZIALE IM MANAGEMENT

Intuition und Umsichtigkeit gelten als weibliche Qualitäten.

Mit dem QUANT-Modell Veränderungen meistern und das Unternehmen zum Erfolg führen Von Christoph Döhlemann und Jacqueline Romina Döhlemann 227 Seiten, 34.95 Euro ISBN 978-3-648-08091-7 Haufe Verlag

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MENSCHEN IN UNTERNEHMEN

4. Empfangen und annehmen können: Im Geschäftsleben herrscht nach wie vor das Glaubensmuster «Nur wer leistet, wird geliebt». So machen wir es uns oft (unbewusst) absichtlich schwer, damit wir abends stolz davon erzählen können, was wir alles bewältigt haben. Indem wir das weibliche «Empfangen» wieder gesellschaftstauglich machen, können wir lernen, Erfolg und Fülle ganz leicht und natürlich zu erleben, ohne uns dafür schämen zu müssen. Diese Qualität ist das «Gegengift» für den Stress unserer Leistungsgesellschaft. Nutzen für das Unternehmen: Die Erfolge des Unternehmens entstehen nicht mehr durch harte Arbeit, sondern aus inspiriertschöpferischen Prozessen. So bleiben die Mitarbeiter auch in dynamischen Zeiten «in ihrer Kraft». Fluktuation und Krankheitsausfälle werden minimiert. 5. Sinn für Ästhetik und Schönheit: Während das männliche Prinzip eher Praktisches, Funktionales bevorzugt, ist die weibliche Qualität auf Ästhetik und Schönheit ausgerichtet. Nutzen für das Unternehmen: Eine angenehme Atmosphäre liefert mehr Energie. Mitarbeiter, Partner und Kunden fühlen sich automatisch wohl(er). Ist diese Qualität im Produktdesign, Marketing und Vertrieb vorhanden, erfreut dies die Herzen und macht natürlich Lust darauf, zu (ver-)kaufen. Welche Voraussetzungen braucht es, damit die weibliche Energie im Unternehmen wirken kann? Zunächst braucht es im Unternehmen die generelle Bereitschaft, den weiblichen Qualitäten Raum und Wertschätzung entgegenzubringen. Dann können meist auch Menschen im Team gefunden werden, die die weiblichen Skills bewusst einbringen und den anderen als Vorbild dienen. Natürlich können weibliche Qualitäten auch von Männern eingebracht werden. Aber so, wie eine Frau das starke Männliche zwar leben, ihr gefühlvolles Herz und weib-

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Emotional auf die Mitarbeiter einzugehen stärkt das gesamte Unternehmen.

liche Instinkte jedoch nie ganz ablegen kann, kann auch ein Mann die weibliche Rolle nur bis zu einem gewissen Grad einnehmen oder gar erfüllen. So wie ein Mann, so viel weibliche Energie er auch haben mag, niemals ein Kind austragen und stillen wird, kann auch die Gesellschaft nie so von Männern mit weiblichen Qualitäten versorgt werden wie von Frauen.

KOMMUNIKATION STATT KONKURRENZ Anstatt uns also mit den Männern «gleich zu machen» und zu versuchen, sie in der Disziplin «Männlichkeit» zu besiegen, sollten wir unsere natürlichen Stärken als Frauen wiederentdecken und der Gesellschaft zur Verfügung stellen. Das erfordert drei Dinge: 1. Wir Frauen selbst müssen den Wert der Weiblichkeit wieder vollständig anerkennen. Wir müssen den vererbten und kollektiv weitergegebenen Konkurrenzkampf mit den Männern aufgeben und ihnen ihre Männlichkeit wieder erlauben. Wir müssen den Gedanken loslassen, uns als männlich stark beweisen zu müssen. 2. Auch das männliche Konzept des «Einzelkämpfers» müssen wir hinter uns lassen. Stattdessen sollten wir die natürlich weibliche Gabe nutzen, liebevolle, vertrauensvolle Verbindungen aufzubauen, um in der Gemeinschaft stark und stabil zu sein. Nur durch diese innere Sicherheit und Stabilität können wir die Kraft und den Mut gewinnen, der Weiblichkeit auf weibliche Weise ihren Wert zurückzugeben. 3. Wir brauchen Stärke. Nicht eine männliche Stärke des Durchhaltens und Kämpfens, sondern die weibliche Stärke, die aus dem

Urvertrauen und der Verbundenheit mit dem Leben entsteht. Eine Weisheit, zu der insbesondere Frauen den allerbesten Zugang haben. Anstatt weiter gegen die Männer zu kämpfen, könnten wir diese Position intelligenter nutzen, um wieder unsere weiblichen Qualitäten zu integrieren. Denn genau diese sind beim eingangs beschriebenen «Befreiungsschlag» der Frauen auf der Strecke geblieben – und werden bis heute gesellschaftlich abgelehnt. Obwohl wir dafür nach wie vor gerne den Männern die Schuld geben, sind es faktisch vor allem wir Frauen selbst, die die Weiblichkeit ablehnen. Und das ist nicht verwunderlich. Neben der Karriere stemmen viele ein dynamisches Familienleben. Bei der Fülle an Aufgaben sind erneut die «männlichen» Qualitäten gefragt: Planung und Organisation, schnelles Erledigen und konsequentes Entscheiden. Wir beweisen täglich, dass wir die Männer sogar im Bereich «männliche Qualitäten» abhängen können. Für uns selbst, für die Unternehmen und für unsere Gesellschaft.

ROMINA DÖHLEMANN ist Entwicklerin des QUANT-Modells® und der QUANT-Modell®-Software, Expertin für Bewusstseinsarbeit und Mentorin für persönliche Weiterentwicklung. www.quant-online.de


KOLUMNE

DEIN WICHTIGSTES PROJEKT … BIST DU! von Stefan Dudas

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rojekte sind ein zentrales Stichwort in der Geschäftswelt. Was vielen Menschen nicht bewusst wird, ist, dass sie selbst das wichtigste Projekt sind – leider ein Projekt, auf das wir selten den Fokus legen. Dabei gibt es kein wertvolleres Projekt mit grösseren Chancen und besseren Ergebnissen. Ein Projekt, das uns ein Leben voller Sinn ermöglicht – wenn wir genau hinsehen und daran arbeiten. Die meisten Menschen schauen aber nicht genauer hin – zumindest nicht bei sich selbst. Sie schauen auf andere Projekte. Sie schauen auf andere Menschen. Sie schauen auf Projekte von anderen Menschen. Das haben wir schliesslich gelernt. Im besten Fall, um für andere da zu sein, anderen zu helfen. Schlimmstenfalls, um uns mit anderen zu vergleichen, uns irgendjemandem gegenüber immer kleiner, schwächer, unzulänglicher zu fühlen. Oder gar voller Neid darauf zu schauen, was andere erreichen, statt unser bestmögliches Ergebnis anzustreben. All dies bremst unser Projekt aus! Schade, dabei leben wir grundsätzlich in grossartigen Zeiten (die aktuelle Krise ausgenommen) und haben alle Möglichkeiten. Technisch ist heute mit wenigen Mitteln so unglaublich viel machbar. Wir können kommunizieren, uns austauschen (wenn auch gerade zum Grossteil nur virtuell). Genau das müssen wir aber tun. Oft steht uns dabei nur eine einzige Person im Weg – wir selbst. Weil unsere Denkhaltung so vieles nicht zulässt. Weil wir es aus Angst oder aus Bequemlichkeit nicht zulassen. Weil wir uns zu viele Gedanken machen, was andere meinen, sagen oder denken könnten. Und weisst du was? Es ist egal! Überall gibt es immer wieder schlaue Köpfe, die ungefragt zu allem ihren «Denksenf» dazugeben müssen. Da hört man dann «das kann man nicht», «das darf man nicht», «das geht doch nicht» oder was auch immer. Lasst uns noch einmal gedanklich festhalten: Wir selbst sind für uns das wichtigste Projekt – mit den grössten Chancen! Diese Entscheidung betrifft unser ganzes Leben. Vielleicht entsteht der Eindruck, dass dies eine egoistische Haltung ist. Ist es sicher nicht! Ganz im Gegenteil: Es ist eine sehr selbstverantwortliche Haltung. Schliesslich gebe ich das, was ich bin, was ich fühle, wie ich mich im Beruf, in der Beziehung, in meinem Leben gebe und wie ich über mich denke, an mein Umfeld weiter. Ich präge

mit meiner Einstellung beispielsweise meine Kinder. Und genau da fängt alles an. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir für uns selbst die Pflicht haben, unser Projekt – uns selbst – prioritär zu behandeln. Eines steht uns dabei oft im Weg: Erfolg wird meist eindimensional verstanden. Dabei ist Erfolg, vor allem unser Lebenserfolg, sehr individuell. Wir müssen zuerst verstehen, was wir im Leben wirklich wollen, worin wir wirklich Erfüllung finden. Es geht um den Sinn und die Bereitschaft, sich zu verändern. Es geht darum, Wirkung zu erzielen – im eigenen Leben, im Leben unserer Familie und im beruflichen Umfeld. Beispielsweise in der Kommunikation mit Mitarbeitern, mit Kunden, mit dem Chef oder als Unternehmen. Also: Was ist dein wichtigstes Projekt? Plane dein Projekt. Bleib dran und hab den Mut, deine Meinung kundzutun, deine Ideen nach aussen zu tragen, egal, was all die Leute da draussen sagen. Es gibt immer Menschen, die es besser wissen, die das oder jenes blöd finden. Und es gibt Menschen, die alle anderen, die Spass am Leben haben, für unheimlich, gefährlich oder einfältig halten. Diese Menschen investieren richtig viel Zeit und Energie, um negative Kommentare, nega­ tive Rezessionen oder was auch immer zu schreiben. Unvorstellbar, aber das Leben muss richtig Spass machen, wenn die einzige Befriedigung darin besteht, andere Menschen klein zu machen, damit man selbst ein bisschen grösser wirkt. Vielleicht kommt diese Anregung für dich zur richtigen Zeit. Vielleicht verpufft mein Appell gerade auch. Allen, die ihr wichtigstes Projekt – sich selbst – aber genau jetzt anpacken, wünsche ich viel Spass, viel Sinn und viel Umsetzungsenergie.

STEFAN DUDAS ist Leadership-Experte für Sinngebung. www.stefandudas.com

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MENSCHEN IN UNTERNEHMEN

Öffnungszeiten sind während der Pandemie schwer planbar.

INNOVATIONSVERHALTEN UNTER DER LUPE AUSWIRKUNG DER CORONA-KRISE AUF SCHWEIZER KMU von Prof. Dr. Sebastian Gurtner

Die Corona-Krise trifft Schweizer KMU weiterhin stark, aber wie wirkt sie sich auf deren Innovationstätigkeit aus? Währen einige KMU auf die neuen Umstände mit viel Innovation reagieren, fokussieren sich andere nur auf ihre laufenden Kerntätigkeiten.

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as Institut Innovation & Strategic Entrepreneurship der Berner Fachhochschule Wirtschaft hat in einer Studie die Betroffenheit und das Innovationsverhalten der Schweizer KMU genauer untersucht. Die im März und April 2021 erhobene Studie zeigt, dass 92 Prozent der insgesamt 254 befragten Unternehmen von der Krise betroffen sind – fünf

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Prozent gar in einem existenzbedrohenden Ausmass. In der ersten Befragung im März und April 2020 wurde die Betroffenheit mit 99 Prozent beziehungsweise zwölf Prozent im existenzbedrohenden Bereich noch etwas höher eingeschätzt. Knapp die Hälfte der befragten KMU gaben an, im Jahr 2020 einen Umsatzrück-

gang erlitten zu haben. Neun Prozent der Unternehmen verloren im vergangenen Jahr gar über 50 Prozent ihres Umsatzes. Als Folge davon mussten 18 Prozent der Unternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. Auch die in den Vorjahren angesparten Reserven schrumpften im Jahr 2020: Durchschnittlich mussten die betroffenen Unternehmen 40 Prozent ihrer


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sowohl Geld als auch Zeit, um sich vermehrt mit nachhaltigen Innovationen zu beschäftigen. Der Hauptfokus lag auf der Weiterführung der operativen Geschäftstätigkeit. Des Weiteren könnte der kurzfristige Planungshorizont der KMU die fehlende nachhaltige Innovationstätigkeit erklären. 2020 war geprägt von Unsicherheit: Eine langfristige Planung war kaum möglich; Rahmenbedingungen wie Personenbeschränkungen und Ladenschliessungen änderten sich oft kurzfristig und auch die Kundenbedürfnisse wandelten sich. In dieser Situation war es für die Unternehmerinnen und Unternehmer schwierig, Innovationen längerfristig zu planen und umzusetzen. Zuletzt könnten nachhaltige Innovationen aber auch einfach einen geringen Stellenwert für KMU haben. Das Bewusstsein, welchen Beitrag das eigene Unternehmen leisten kann, um eine nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft zu gewährleisten, ist bei vielen Unternehmen noch zu wenig ausgeprägt. In einer Pandemie wird zudem die Relevanz oft auch kurzfristig und mit einer Innensicht bewertet. Ein Grossteil der befragten Unternehmen war im Jahr 2020 mit der Aufrechterhaltung des operativen Geschäfts unter den neuen Bedingungen ausgelastet. Nachhaltige Innovationen, die keinen direkten Einfluss auf die Geschäftstätigkeit haben, rückten damit in den Hintergrund.

betrieblichen Reserven aufbrauchen. Auch die persönlichen Ressourcen der Unter­ nehmerinnen und Unternehmer wurden bei rund jedem fünften Unternehmen angezapft. Nicht alle Unternehmen mussten aber Verluste hinnehmen: Immerhin 33 Prozent der Befragten konnten ihren Umsatz im Jahr 2020 sogar steigern.

NEUE GESCHÄFTSMODELLE ALS CHANCE Aufgrund der Corona-Krise waren bei jedem fünften KMU Änderungen im Geschäftsmodell notwendig. Dafür brauchte es in vielen Fällen Innovationen, die sich vor allem auf die Hauptgeschäftstätigkeit der Unternehmen bezogen: 18 Prozent der Investitionen flossen im Jahr 2020 in technologieorientierte Innovationen. Für die Prozessoptimierung wurden 13 Prozent der Investitionsgelder verwendet. Falls Unternehmen 2020 Innovationen realisiert haben, dann adressierten diese in erster Linie die sich verändernden Kundenbedürfnisse. Aufgrund der Corona-

Krise mussten so beispielsweise neue, digitale Vertriebswege erschlossen werden. Als zweitwichtigster Grund folgte die Haltung oder Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition. Nachhaltige Innovationen wurden dagegen weniger stark vorangetrieben: Lediglich fünf Prozent des verfügbaren Innovationsbudgets flossen in Entwicklungsprojekte mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit. Es zeigt sich somit klar, dass die Corona-Krise kein Treiber nachhaltiger Innovationen zu sein scheint. Obwohl sie also Innovationsbestrebungen bei den befragten Unternehmen ausgelöst hat, wurden kaum Projekte realisiert, die die soziale oder ökologische Nachhaltigkeit fördern.

VERSCHIEDENE ERKLÄRUNGSMÖGLICHKEITEN Die Ergebnisse der Studien liefern drei mögliche Erklärungsansätze. Eine erste Erklärung könnten fehlende Ressourcen sein. In der Corona-Krise fehlten den KMU

Nachhaltige Innovationen in Schweizer KMU sind also keine Selbstläufer und benötigen nach wie vor gezielte Förderung. Das Schaffen von Bewusstsein für deren Relevanz, eine langfristige Innovations­ strategie und wieder mehr Ressourcen sind hier die wichtigsten Stellschrauben, um diese wieder mehr in den Vordergrund bei den Schweizer KMU zu stellen.

PROF. DR. SEBASTIAN GURTNER ist Leiter des Instituts Innovation & Strategic Entrepreneurship am Departement Wirtschaft der Berner Fachhochschule. www.bfh.ch

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Die Kurse profitieren von der Zusammenarbeit.

KEI CHRAMPF

MIT WORKSHOPS OPTIMAL AUF ABSCHLUSSARBEITEN VORBEREITET SEIN von Joshua Lötscher

Wer bereits einmal eine Abschlussarbeit verfasst hat, weiss um die vielen Herausforderungen, die sich im Laufe des Arbeitsprozesses stellen. Sie münden in Fragen wie: Woraus besteht eine wissenschaftliche Arbeit und wie gehe ich an sie heran? Wo ergeben Zitate Sinn und wie pflege ich sie in den Text ein? Und überhaupt: Besteht die Sprache dieser wissenschaftlichen Arbeiten wirklich aus Fachchinesisch, das niemand so wirklich versteht?

A

uf diese und viele weitere Fragen suchen Teilnehmende von Studiengängen in der Erwachsenenbildung Antworten. Es sind Fragen, die immer häufiger gestellt werden, da Master- und Di­ plomstudiengänge in den letzten Jahren an Popularität gewonnen haben und nun von zentraler Bedeutung in der beruflichen Weiterbildung sind. Weil die jeweiligen Weiterbildungsstätten qualitativ hochwertige Studiengänge anbieten, sind die Absolventinnen und Absolventen in thematischer Hinsicht mehrheitlich gut auf ihre Abschlussarbeiten vorbereitet. Allerdings werden im Rahmen der Weiterbildung selten einführende Kurse und begleitete Tutorien angeboten, die sich den Grundlagen des wissenschaftlichen Schreibens widmen. Ausreichende Kenntnisse darü-

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ber entscheiden aber gerade über Erfolg oder Misserfolg der Arbeit. Weil die wenigsten Teilnehmenden vor der Weiterbildung je eine wissenschaftliche Arbeit geschrieben haben, betreten sie mit ihr nicht nur Neuland, sondern erleben das Verfassen ihrer Abschlussarbeit aufgrund des Kompetenzmangels zugleich als wahren «Chrampf».

WISSENSCHAFTLICH SCHREIBEN IST LERNBAR Müssen diese Qualifikationsarbeiten wirklich in schlechter Erinnerung bleiben oder sich gar negativ auf die Abschlussnote auswirken? Das Team von abschlussarbeit­digital ist der festen Überzeugung, dass erfolgreiches wissenschaftliches Schreiben keine angeborene Fähigkeit darstellt, sondern

spielerisch erlernt werden kann. Die erklärte Mission ist es, dass alle Teilnehmenden dazu befähigt werden, mithilfe von digitalen und kollaborativen Workshops eine erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit zu schreiben. Denn eine Qualifikationsarbeit soll keinen «Chrampf» mehr darstellen. Wie gelingt das? Durch die Synthese von Theorie und Praxis! Ganz ohne den traditionellen Frontalunterricht und unter Anwendung zeitgemässer und effektiver Didaktik. Das bedeutet ganz einfach: Mit praktischen Beispielen und raffinierten Aufgaben erlernen die Teilnehmenden spielerisch die Basics wissenschaftlichen Arbeitens und wenden diese gleich selbst an. Zusätzlich wird das theoretische Fundament zur Verfügung gestellt


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und erläutert. Jeder Workshop arbeitet vom Allgemeinen zum Spezifischen – oder umgekehrt von der Spitze zur Basis hin. Statt ausufernder Theorieblöcke warten die wesentlichen Inhalte auf die Teilnehmenden. Dies erlaubt, das Erlernte bestmöglich auf die eigene Abschlussoder Qualifikationsarbeit zu übertragen und zu erkennen, was wirklich von Bedeutung ist.

COMMUNICATION IS KEY In den Workshops agiert man allerdings nicht allein. Vielmehr leben die Kurse davon, dass die Teilnehmenden mit ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern auf einem Collaboration Board in Echtzeit zusammenarbeiten und sich austauschen – stets unterstützt durch die Moderation. Diese Zusammenarbeit lässt die Lernkurve zusätzlich steiler ansteigen. Alle Lernenden sind über einen Videocall verbunden und lassen sich buchstäblich nicht aus den Augen. Gegenseitige Unterstützung und Begleitung durch die Moderation sind so noch besser möglich. Darüber hinaus erhalten alle Teilnehmenden eine umfas-

Eine Weiterbildung eröffnet viele Möglichkeiten.

sende Dokumentation im Anschluss, um für zukünftige wissenschaftliche Herausforderungen gewappnet zu sein. Die Online-Workshops decken alle relevanten Bereiche des wissenschaftlichen Schreibens ab, sie können einzeln gebucht und ohne grossen zeitlichen sowie finanziellen Aufwand von zu Hause aus absolviert werden. Und natürlich: Die Ansprechpartner moderieren leidenschaftlich und mit Know-how die Workshops.

JOSHUA LÖTSCHER konzipiert und moderiert als Co-Owner Workshops von abschlussarbeitdigital. www.abschlussarbeit.digital

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Neue Geschäftsmodelle sichern unsere Zukunft.

INNOVATION BRAUCHT KAPITAL NEUE GESCHÄFTSMODELLE FÜR UNSERE ZUKUNFT von Elisa Beck

«Verschwende niemals eine gute Krise» – diese Worte Winston Churchills nehmen sich die drei Autoren zu Herzen, indem sie die von der Corona-Pandemie offengelegten Schwachstellen des Wirtschaftsstandorts Deutschland beleuchten. Ihr Buch «Deutschland, Startup!» stellt gleichsam einen Weckruf dar, der neuartige Ansätze und ein gründerfreundlicheres Klima in Wirtschaft und Gesellschaft fordert. Auch für die Schweiz sind sie wichtig und zukunftsweisend.

D

urch seine Schlüsselindustrien ist Deutschland erschreckend abhängig vom Export, statt sich auf die eigene Innovationskraft zu konzentrieren. Bei Zukunftstechnologien wie Künstlicher Intelligenz oder eHealth bleibt das Land hinter den Big Playern zurück. Die Zukunftsgestaltung muss daher auf das Nutzen von Chancen und Ausschöpfen von Gründergeist ausgelegt werden. Das Buch zeigt Gründer, die für diese Vision bereits mit glänzendem Beispiel und frischen Ideen vorangehen. Bei ihrer Betrachtung im Laufe

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der Lektüre kristallisiert sich ein eigenständiger, europäischer Gründertypus heraus, der sich im globalen Wettbewerb durchaus behaupten kann. In der Schweiz gehen besonders viele Start-ups aus Projekten von und mit Universitäten hervor – ein Beispiel sei hier die ETH Zürich. Diese enge Kooperation mit Universitäten ist ein wichtiger Aspekt. Daneben ist jedoch ein Netz aus Investoren und erfahrenen Gründern nötig, die sowohl die technische Produktentwicklung

als auch die kommerzielle Seite begleiten. Insofern ist die enge Zusammenarbeit mit Universitäten ein wichtiger Faktor, aber führt nicht allein zum Erfolg. Es darf daher nicht vergessen werden, dass das Verhältnis von gescheiterten zu wirklich erfolgreichen Start-ups weit über 100 : 1 liegt. Die einzelnen Kapitel stellen unterschiedliche Unternehmer vor, die definitiv zu den Gewinnern gezählt werden können. Darunter sind Tarek Müller (About You), Simon Brunke (Exporo), Tim Sievers (Deposit


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finanzieller Hilfe den Junggründern auch jahrelange Expertise zu bieten und können weitere Kooperationspartner vermitteln. Für den Erfolg ist eine Zusammenarbeit unverzichtbar – eine gute Idee allein kann nicht durchstarten. Das letzte Kapitel schliesslich verspricht, den «digitalen Turbolader zu zünden». Hier werden die Autoren selbst aktiv, präsentieren eine Ideensammlung für die Zukunft und nehmen den Leser an die Hand. Aufgrund der vorherigen Kapitel und Vorstellung der Gründer hat dieser nun ausreichend Beispiele und Denkanstösse, um selbst aktiv zu werden.

DEUTSCHLAND, STARTUP! Von Andreas Haug, Christian Leybold, Andreas Nölting, 2021, Murmann Verlag ISBN 978-3-86774-678-6 229 Seiten

Solutions), Chris Bartz (Elinvar), Max Michels (Caspar Health), Mareike Wächter und Michael Dreimann (Banovo), Christian Gaiser (COSI) und Tobias Lütke (Shopify). Obwohl sie sich alle unter der Bezeichnung «die neuen digitalen Angreifer» zusammenfassen lassen, sind ihre Ideen und deren Umsetzung doch grundverschieden, ihre Geschichten vielfältig und inspirierend. Zu Beginn jedes Kapitels werden das jeweilige Unternehmen und seine Ziele knapp vorgestellt, bevor eine prägnante Überschrift zu den Personen hinter dem Konzept überleitet. So bekommt der Leser einen konkreten Eindruck vom Menschen und seinem Mindset, das durchaus nicht nur auf Deutschland festgelegt ist. Die letzte Seite des Kapitels stellt immer die Frage «Was lernen wir von diesem Gründer?» und regt damit zum Mitdenken und Reflektieren an. Zwei abschliessende Kapitel behandeln eine ganz neue Sichtweise auf die Arbeit, die nötig ist, um guten Ideen auf den Weg zu helfen: Die Rede ist von Investoren und Förderern, deren Image als Zocker und Opportunisten gründlich revidiert wird. Vielmehr haben Venture-Investoren neben

So schliesst sich am Ende nicht nur ein Kreis, sondern es wird auch deutlich, dass trotz der angespannten Lage neu gesetzte Prioritäten den Wirtschaftsstandort Deutschland aus der Krise heben können. Gleiches gilt für die Schweiz: Mit Blick auf den weltweit grössten Erfolg sind Firmen im Software-Bereich besonders erfolgreich, da sie den Kern der Digitalisierungswelle darstellen. Davon gibt es auch viele Beispiele in der Schweiz, so etwa das Fintech Apiax in Zürich. Statt zu Hause zu sitzen und zu warten, bis es wieder zurück zur durchschnittlichen Normalität geht, gilt es jetzt, den Blick nach vorn zu richten und diese Chance zum Neuanfang engagiert zu nutzen. Diese beiden letzten Kapitel strahlen zusätzlich Allgemeingültigkeit aus: Start-ups, Investoren und Förderer sind schliesslich nicht nur in Deutschland vertreten, vielmehr noch, die aktuelle Pandemie ist ein globales Problem. So lassen sich die Tipps und Hinweise auch auf die Schweiz anwenden, auch hier bestimmen Technologie und Innovationskraft den Unternehmenswert und die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft. China und Amerika werden zum kollektiven Gegenüber, das teilweise als Vorbild fungieren kann. Obwohl der Grundton des Buches ernst und bisweilen scharf ist, schaffen es die Verfasser auf diese Weise, dem Werk die nötige positive Note zu verleihen. Die zahlreichen und namhaften Beispiele vermögen es zu inspirieren und spornen dazu an, die eigenen Chancen ebenfalls zu nutzen. Wichtig ist das Kapitel über die Rolle von Investoren, in dem mit vielen Vorurteilen aufgeräumt wird. Viel zu oft bleiben

Investoren und ihr Beitrag jenseits des finanziellen Aspekts im Hintergrund, obwohl sie ein entscheidender Faktor zum Gelingen eines Projekts sind. Das Autorentrio ergänzt sich daher in diesem Werk, indem sie nicht nur aus eigener Erfahrung als Investoren erzählen, sondern auch auf Eindrücke aus internationalen Tätigkeiten, Firmengründungen und Management zurückgreifen können. Mehr Inhalt wie dieser wäre wünschenswert, da er momentan neben den Präsentationen der Gründer in den Hintergrund tritt. Nicht nötig gewesen wäre die Wahl des eigenwilligen Formats für dieses Buch, das in der Breite deutlich schmaler ausfällt als die bekannten Masse für Bücher. Leicht entsteht der Eindruck, dass durch diese Reduzierung der Inhalt gestreckt werden sollte – dabei hat es dieses Werk gar nicht nötig, durch aussergewöhnliche Abmessungen aufzufallen. Idee, Inhalt und Umsetzung sind bereits fortschrittlich und benötigen keiner zusätzlichen äusserlichen Hervorhebung.

Christian Leybold ist Co-Autor von «Deutschland, Startup!».

ELISA BECK ist Redaktorin bei kmuRUNDSCHAU. www.kmurundschau.ch

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Simultandolmetschen ist auch remote möglich.

SPRACHE ALS VERBINDENDES ELEMENT

REMOTEBASIERTES SIMULTANDOLMETSCHEN AUF DEM VORMARSCH Interview mit Yvan Zimmermann von Elisa Beck

Die remotebasierte Simultanübersetzung war bereits vor Covid-19 eine Alternative, die Syntax vermehrt eingesetzt und als zukunftsweisend betrachtet hat. Die Dolmetscherinnen und Dolmetscher befinden sich dabei an ihren jeweiligen Standorten irgendwo auf der Welt und sind über Internet live mit der Veranstaltung verbunden. Im Interview sprechen wir mit Yvan Zimmermann über das Potenzial von Digitalisierung und Dezentralisierung für Syntax Übersetzungen AG.

K

Subtitling: Videobotschaften erreichen ein breiteres Publikum durch Untertitelung. Syntax unterstützt dabei von der Transkription bis hin zur Erstellung der Untertiteldateien, die im Video oder der Präsentation eingebettet werden können (normalerweise ohne Ton- / nichtsprachliche Elemente). Moderne Hilfsmittel wie Speech-to-text und KI-gesteuerte automatische Untertitelerzeugung, die dann professionell nachbearbeitet werden, machen diese Dienstleistung besonders effizient.

önnen Sie uns kurz den Werdegang von Syntax skizzieren? Mit welchen Dienstleistungen haben Sie begonnen, welche sind ganz neu? Vor 37 Jahren wurde die Firma gegründet, damals ging es vor allem darum, fachlich korrekte Übersetzungen zu erstellen. Es ging insbesondere um die Texterstellung, Übersetzung und dann das Gut zum Druck. Früher musste alles analog geschehen, die Arbeit musste zu Papier gebracht werden, dann wurde geprüft und gedruckt.

Live Captions: Im Unterschied zu Subtitling stellt die Untertitelung durch Live Captioning den gesamten Ton dar, einschliesslich nichtsprachlicher Elemente wie Geräusche und Musik. Mit Live Captions, die quasi in Echtzeit (mit möglichst wenig Verzögerung) erstellt werden, sind Veranstaltungen für Teilnehmer aus verschiedenen Sprachregionen auf fast jedem Bildschirm zugänglich. Erfahrene Re-Speaker wiederholen das Gesprochene in der Ausgangssprache oder der Verdolmetschung, wobei eine Spracherkennungssoftware daraus Live Captions erstellt, die vom Re-Speaker on-the-fly korrigiert werden.

Seit den 2000er-Jahren – vor allem in den letzten zehn Jahren – war die Arbeitsweise der meisten Übersetzerinnen und Übersetzer einem starken Wandel unterworfen. Der Einsatz von Übersetzungsspeichern und seit relativ kurzer Zeit auch die maschinelle Übersetzung für bestimmte Textsorten haben den Berufsalltag stark

TECHNOLOGIEASPEKTE IN DIESEM THEMENBEREICH: Voiceover: Professionelle Voiceovers lassen Videos und Imagefilme in allen Sprachen gut klingen. Die Übersetzung der gesprochenen Inhalte wird von einem Speaker in Studioqualität direkt in eine Audio-Datei aufgenommen.

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verändert. Die Übersetzerin beziehungsweise der Übersetzer arbeitet heute mehr denn je mit verschiedenen technischen Hilfsmitteln, gleichzeitig bleiben aber fundierte Kenntnisse der übersetzenden Person unerlässlich. Wo Prozesse digitalisiert werden, müssen aber auch Schnittstellen mit den Kundinnen und Kunden definiert werden, damit die Übersetzung einfacher funktioniert. Wir arbeiten daher auch in den gängigen Redaktionssystemen als Schnittstelle, um direkt auf die jeweiligen Inhalte zugreifen zu können. Ebenso gehen wir bei Übersetzungen von Websites und ERP-Systemen vor, um schneller und kostengünstiger zu arbeiten. Auf diese Weise entstehen weniger Fehler, denn beim klassischen Kopieren und Einfügen kann es zu Flüchtigkeitsfehlern kommen. Syntax ist im Bereich der Übersetzungen gross geworden, hat mit den Jahren das Spektrum mit Dienstleistungen im Bereich der Kommunikation und dem Dolmetschen erweitert. Gehen wir recht in der Annahme, dass eine grosse Nachfrage nach digitalen Prozessen bei Übersetzungen besteht? Die Nachfrage ist auf jeden Fall da. Gerade im Bereich Terminologie haben wir viele neue Produkte, welche die Kundin oder den Kunden unterstützen können. Kundenspezifische Begriffe können beispielsweise definiert und auf deren einheitliche Anwendung überprüft werden, indem im System festgelegt wird, dass ein falsch verwendeter Glossarbegriff erkannt werden soll. Es gibt natürlich auch die maschinelle Übersetzung, die viele Nutzerinnen und Nutzer bereits kennen. Wir beraten unsere Kundinnen und Kunden transparent, ob dies eine Lösung sein kann. Ob ein Text besser maschinell vorübersetzt und nachbearbeitet oder gleich komplett «von Hand» übersetzt wird, hängt von der Textsorte, dem Verwendungszweck und dem Zielpublikum ab. Eine maschinelle Übersetzung birgt auch Fehlerquellen. Die Maschine erkennt unterschiedliche Stile kaum und übersetzt sie in der Regel in eine nüchterne und sachliche Ausdrucksweise. Bei der maschinellen Übersetzung handelt es sich um eine Satz-für-Satz-Übersetzung, bei welcher der Gesamtkontext nicht erkannt und berücksichtigt wird.

Das remotebasierte Simultandolmetschen ist besonders gefragt. Wie genau funktioniert dieser Prozess und welche technischen Voraussetzungen sind nötig? Beim Simultandolmetschen ist es so, dass die Dolmetscherinnen und Dolmetscher an der Veranstaltung in Kabinen sitzen und live übersetzen. Das ist der traditionelle und konventionelle Ansatz, der sicher bis 2019 hauptsächlich im Einsatz war.

«Gerade das Fehlen physischer Treffen hat die Wichtigkeit der Sprache nochmals verstärkt.» Wir haben uns dann folgende Fragen gestellt: Warum muss die Dolmetscherin oder der Dolmetscher eigentlich vor Ort sein? Gibt es auch eine andere Lösung? Was können wir dazu beitragen, dass mehrsprachige Kommunikation flexibler wird? Einige Kundinnen und Kunden haben teils auf Simultanverdolmetschung verzichtet, weil es zu teuer oder aufwendig wurde.

Beim remotebasierten Dolmetschen handelt es sich dagegen kurz gesagt um Dolmetschen aus der Ferne, das kostengünstiger funktioniert. Vor Ort wird die Veranstaltung in Bild und Ton aufgenommen und über unsere Plattform den Dolmetscherinnen und Dolmetschern zur Verfügung gestellt. Er oder sie ist demzufolge mit der Veranstaltung verbunden und sieht in Echtzeit vom eigenen Arbeitsort, was passiert und was gesprochen wird. Das Signal der Dolmetscherin beziehungsweise des Dolmetschers geht zurück zum Event, wo die Teilnehmer zum Beispiel auf ihrem Smartphone die Syntax App öffnen und die Übersetzung in der gewünschten Sprache erhalten. Remotebasiertes Simultandolmetschen ist bereits seit Anfang 2018 bei Ihnen im Programm. Wie hat sich das Interesse daran vor und während der Pandemie verändert? Durch die Covid-Situation mussten einerseits Veranstaltungen in sogenannte HybridVeranstaltungen oder ausschliesslich digitale Events transferiert und andererseits auch kleinere Meetings und K ­ onferenzen digital organisiert werden. Unternehmen und Organisatoren mussten innerhalb kürzester Zeit einen Wandel durchmachen. Für die Kundinnen und Kunden ist es praktisch, dass sie sich weder um die Organisation der Dolmetscherinnen und Dolmetscher noch um die Technik kümmern müssen. Sie bestellen einfach unsere Dienstleistung und können sich darauf verlassen, dass alles funktioniert.

Per Syntax App die Simultanübersetzung erhalten.

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gung gezogen haben. Da verzeichnen wir einen deutlichen Wandel. Zudem ist die extrem tiefe Reklamationsquote, die seit mehreren Jahren bei rund 0.5 Prozent liegt, ein eindrücklicher Beweis, dass unser Bestreben, Qualität zu einem moderaten Preis anbieten zu wollen, greift. Sie haben die maschinelle Übersetzung bereits angesprochen. Wird KI den menschlichen Dolmetscher ablösen? Es kann sein, dass die Simultanübersetzung der Zukunft teilweise auch durch eine Maschine ausgeführt werden kann, wie es bereits bei maschinellen Übersetzungshilfen der Fall ist. Hoffen wir, dass das nicht so schnell passiert. Ich gehe davon aus, dass Dolmetscherinnen und Dolmetscher in absehbarer Zukunft nicht ersetzt werden, sondern eher die Technologie stärker ergänzen.

Syntax erleichtert die mehrsprachige Kommunikation.

Das Interesse an mehrsprachigen OnlineMeetings und Veranstaltungen mit remotebasierter Technologie via Livestreaming auf Smartphone, Tablet oder Konferenzplattform ist hoch. Gerade das Fehlen physischer Treffen hat die Wichtigkeit der Sprache nochmals verstärkt. Welchen Einfluss hat die Pandemie auf Ihr Dienstleistungsangebot? Mit Blick auf die Kommunikation hat uns die Pandemie in der Digitalisierung vorangebracht. Die Nachfrage nach unseren Dienstleistungen, insbesondere das Interesse an Dolmetscherdiensten, steigt immer mehr und ganz besonders, weil der Austausch nicht mehr wie gewohnt stattfinden kann. Es braucht jetzt mehr Kommunikation, um die verschiedenen Zielgruppen zu erreichen. Gleichzeitig gewinnen auch unsere Dolmetscherinnen und Dolmetscher durch die Remote-Arbeit neue Freiheiten, was zum Beispiel die zeitliche Einteilung ihrer Arbeit angeht. In welchem Bereich ist die multilinguale Kommunikation beziehungsweise das Dolmetschen besonders schwierig? In akademischen Berufen der Forschung, Entwicklung und Medizin ist es aufgrund der Thematik schwieriger, Fachpersonen zu finden. Wichtig in diesen Bereichen ist, dass die Dolmetscherinnen und Dolmetscher im Voraus möglichst viel Referenz-

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material erhalten, um sich einarbeiten zu können. Wir arbeiten mit einem FreelancerPool von 400 Personen, darunter sind nebst Dolmetscherinnen und Dolmetscher auch Fachspezialisten für Übersetzungen, Text­ erstellung usw. Wir verfügen also praktisch in jedem Bereich über Kompetenz, mit der wir unsere Kundinnen und Kunden optimal unterstützen können. Die Vorteile des remotebasierten Simultandolmetschens für die Nutzerinnen und Nutzer liegen auf der Hand: Kosten und Aufwand werden reduziert, die Umwelt wird geschont. Werden so auch neue Zielgruppen erreicht? Wir erreichen auf jeden Fall neue Zielgruppen, weil Kundinnen und Kunden wissen, dass wir kostengünstig und trotzdem professionell arbeiten. Wir haben den obengenannten Ansatz schon vor der Pandemie verfolgt, weil wir damit kostenbewusst agieren und CO2Emissionen verringern können. Pro Event können wir somit den Ausstoss der Emissionen um bis zu 80 Prozent reduzieren. Wir können heute mehr Online-Events durchführen, weil wir günstiger produzieren. Eine Veranstaltung oder ein Meeting mehrsprachig anzubieten, wird dadurch wieder attraktiver und umsetzbarer – auch für Kundinnen und Kunden, die eine Simultanübersetzung früher nicht in Erwä-

Denn beim Dolmetschen braucht es viel mehr, als der erste Blick zu fassen vermag: Es geht darum, «zwischen den Zeilen zu lesen» und ein gewisses Sprachgefühl zu entwickeln. Maschinen können Nuancen in der Sprache bislang nicht korrekt interpretieren. Bei der Verdolmetschung sind die Art und Weise, wie sich die Rednerinnen und Redner ausdrücken, ihr Akzent und die Tatsache, dass sie auf der Basis der ihnen vorliegenden Stichworte oft selbst nicht genau wissen, wie sie ihren Text vortragen werden, stets grosse Herausforderungen. Die Dolmetscherin oder der Dolmetscher muss improvisieren können. Sie oder er muss auch erahnen können, was gesagt wird und welche Logik dahinterstecken könnte. Da der mündliche Ausdruck stark mit Emotionen verbunden ist, muss sie oder er diese sofort aufgreifen, für die Rednerin oder den Redner mitdenken und den Sinn erfassen können. Eine Maschine kann das nicht. Das Zwischenmenschliche muss eben auch stimmen.

YVAN ZIMMERMANN ist CEO und Mitinhaber der Syntax Übersetzungen AG. www.syntax.ch


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EIN WEITERER SCHRITT ANALOGE UND ONLINE-ASSESSMENTS IM VERGLEICH von Noah Werder

Die letzten Monate und Wochen haben uns gezeigt, wie wenig wir unsere digitalen Möglichkeiten nutzen und wie gross das Potenzial digitaler Hilfsmittel ist. Doch immer, wenn es um menschliche Interaktion geht, stellen wir uns quer. In der Entscheidungsfindung im Bereich Human Resources setzt man schon längst Assessments ein. Ist die analoge oder die digitalisierte Variante überlegen und effizienter? Der folgende Beitrag bietet einen Vergleich.

Die Frage nach der passenden Lösung und wie man sie findet steht auf der Agenda.

U

m das Thema sachlich abwägen zu können, müssen wir sicherstellen, dass die Begriffe sauber definiert sind. Aus diesem Grund steht am Anfang folgende Frage: Was ist ein Assessment oder ein Assessment-Center? Im grundlegenden Sinne bedeutet Assessment eine Bewertung oder Einschätzung. Ein Assessment untersucht entweder einzelne Personen (Bewerber oder Mitarbeitende) oder

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ganze Gruppen und dauert meistens einen halben bis drei Tage. Mit verschiedenen und unterschiedlichen Analysen, Gesprächen und Simulationen wird ein Kandidat von verschiedenen Assessoren subjektiv beurteilt. Das Ziel des Assessments ist die Einschätzung eines Kandidaten in Bezug auf ein Anforderungsprofil und entsprechende Kriterien beziehungsweise das Erlangen von relevanten Informationen, um

die richtige Personalentscheidung zu treffen. Assessments werden oftmals in einem Assessment-Center durchgeführt.

DIE ONLINE-LÖSUNG Das Online-Assessment ist hinsichtlich des Ziels identisch mit dem des analogen Assessments, allerdings ist der Weg, um an das Ziel zu gelangen, grundlegend verschieden. Ein Online-Assessment ist nicht


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Ein Assessment muss valide und reliabel sein.

einfach ein analoges Assessment, welches per Skype (oder ähnlichem) durchgeführt wird. Online-Assessments arbeiten mit verschiedenen Umfragetools, um Informationen über einen Kandidaten zu erhalten, die in einem zweiten Schritt ausgewertet werden. Die Umfragedauer beträgt hier meistens weniger als eine Stunde und ist unabhängig vom physischen Standort des Kandidaten.

DIE ENTSCHEIDUNG STEHT AN Eine These lässt sich bei der Beantwortung der Frage, welche Lösung besser ist, schon hier vorwegnehmen. Alle Assessments verlangen professionelle Experten, die sie durchführen, und die geeignete Methodik. Jedes Assessment ist nutzlos, wenn es nicht valide und reliabel ist – wenn es also nicht das misst, was es soll, und dies auch nicht zuverlässig und aussagekräftig tut. Im Folgenden gilt es, das jeweilige Assessment unter die Lupe zu nehmen. Die zentralen Kriterien stehen auf der Agenda.

DIE FRAGE NACH DER OBJEKTIVITÄT Der Punkt für die Objektivität geht klar an Online-Assessments, da hier der Experte keinen direkten Kontakt zum Kandidaten hat, keine Empathie aufbauen kann und somit frei von seinem Bauchgefühl und dem persönlichen Eindruck eine Empfehlung an die Rekrutierenden abgeben kann.

DIE FRAGE NACH DEM UMFANG Analoge Assessment-Center sind hier im Vorteil. Sie führen nicht nur Analysen, sondern auch Simulationen durch. Ein guter Assessor kann so in einem Rollenspiel beispielsweise erkennen, wie gut ein Kandidat eine schwierige Führungssituation meistert, Gestik und Mimik einbaut oder wie er oder sie kommuniziert. Den Kandi-

daten ist natürlich bewusst, dass sie beobachtet werden, was ihr Verhalten beeinflussen kann. Allerdings sind kompetente Assessoren sehr gut darin, das richtige Setting aufzubauen und korrekt zu interpretieren. Aus diesem Grund ist eine Verzerrung in dieser Diskussion vernachlässigbar. Allerdings ist anzumerken, dass auch der Auftraggeber des Assessments Informationen dazugewinnen kann, wie ein Kandidat kommuniziert oder wie er insgesamt wirkt – dazu dienen Vorstellunggespräche. Dennoch geht der Punkt für den Umfang an die analogen Assessments.

nen umfangreicher sein (müssen es aber nicht). Es ist aber nicht immer nötig, noch umfangreichere Analysen zu erstellen, und daher ist dies auch kein massgebender Faktor, um die richtige Personalentscheidung zu treffen. Aus diesen Gründen ist das Online-Assessment klarerweise der Sieger in dieser Kategorie: Die Leistung ist vergleichbar und objektiver, obwohl die Kosten geringer sind. Der zusätzliche Umfang eines Assessments im herkömmlichen Sinn wird nicht immer benötigt, weshalb es sich nicht lohnt, in diesem Bereich immer mehr zu investieren.

DIE FRAGE NACH DEN KOSTEN

KLEINES FAZIT

Ein Assessment kostet immer: Es kostet nicht nur viel Geld, sondern auch Zeit für den Kandidaten. Wenn dieser noch angestellt ist, kann es durchaus schwierig sein, ein bis drei Tage im Betrieb zu fehlen, um ein Assessment durchzuführen. Das Online-­ Assessment ist hier der klare Gewinner. Die finanziellen Kosten der digitalisierten Version sind durchs Band geringer und die Kandidaten profitieren von der Flexibilität in höchstem Masse. Die Kandidaten sind frei, wo und wann sie das Assessment durchführen, und brauchen maximal eine freie Stunde.

Insgesamt haben analoge Assessments bzw. Assessment-Center in wenigen Fällen noch Berechtigung: beispielsweise, wenn die umfangreichste Analyse, die möglich ist, verlangt wird oder wenn der Auftraggeber gerne die gesamte Rekrutierung delegieren möchte. Allerdings ist letzteres in meinen Augen niemals wirklich gerechtfertigt, wenn man sich überlegt, welche Ausmasse eine falsche Personalentscheidung haben kann.

DIE FRAGE DER EFFIZIENZ Diese Frage bedeutet, den grösstmöglichen Ertrag mit dem geringsten Aufwand zu erlangen. Der Ertrag bezieht sich im Fall der Assessments auf aussagekräftige Informationen, die man braucht, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es geht um den Aufwand sowie die zeitlichen und finanziellen Kosten, die man tragen muss. Die Kosten für ein Online-Assessment sind um einiges niedriger als jene für analoge. Die Qualität der Analysen ist aber vergleichbar, wobei Online-Assessments objektiver sind. Analoge Assessments kön-

Generell überwiegen die Vorteile von OnlineAssessments die der analogen Variante: Sie sind objektiver, viel kostengünstiger und auch effizienter als herkömmliche, analoge Assessments.

NOAH WERDER ist Mitarbeiter der Outvision GmbH. www.outvision.ch

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Ein Grossteil der Unternehmen räumen der Weiterbildung einen hohen Stellenwert ein.

NEUE ARBEITSWELTEN MIT NEUEN KOMPETENZEN WEITERBILDUNGSSTRATEGIEN BEI KMU von Joël Ch. Wuethrich

Der Digitalisierungsschub stellt hohe, beziehungsweise erhöhte Anforderungen an die Fähigkeiten der Mitarbeitenden. In einer Studie des Schweizerischen Verbandes für Weiterbildung (SVEB) steht, dass man bei rund 60 Prozent der Unternehmen merke, wie die Pandemie Auswirkungen habe auf die Kompetenzen für das agile Arbeiten sowie auf die sozialen und kommunikativen Skills.

D

er Schweizerische Verband für Weiterbildung SVEB hat Anfang des Jahres den Einfluss der CoronaKrise auf die Weiterbildung in den KMU untersucht. Erstes Fazit: Ein Grossteil der Unter­nehmen räumen der Weiterbildung

HIER IST DIE KOMPLETTE STUDIE EINSEHBAR: www.lwo.ch/kmu-studie

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einen hohen Stellenwert ein. Auch um den Auswirkungen der Pandemie zu begegnen. Die vom SVEB zwischen Dezember 2020 und Januar 2021 bei 123 KMU realisierte Online-Befragung bestätigt demnach den hohen Stellenwert der Weiterbildung bei Klein- und Mittelunternehmen. Zwei Drittel der teilnehmenden KMU erachten Weiterbildung (vor allem jene ihrer Mitarbeitenden) als wichtig. Bei der Finanzierung von Weiterbildungen zeigt sich aktuell jedoch noch eine gewisse Vorsicht. Insbesondere

bei Ausgaben für externe Weiterbildungsangebote würde gespart, heisst es in der vom SVEB, vom Schweizerischen Gewerbeverband, von digitalswitzerland und KMU Next durchgeführten Studie. Dies hänge, so sagen die Autorinnen und Autoren der Studie, vermutlich damit zusammen, dass viele KMU infolge der Krise Unterstützung bei der Finanzierung oder der IT-Infrastruktur benötigen. Die Zurückhaltung könnte auch in Zusammenhang damit stehen, dass es der Hälfte der befragten Unter-


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SVEB FEIERT DEN 70IGSTEN Der Schweizerische Verband für Weiterbildung (SVEB) ist der nationale Dachverband für die Interessen der Weiterbildung in der Schweiz. Auf politischer, gesellschaftlicher und fachlicher Ebene vertritt er seit 1951 die Anliegen der Mitglieder. Der Verband wird von Nationalrat Matthias Aebischer präsidiert. Die rund 25 Mitarbeitenden der Geschäftsstelle in Zürich betreuen nationale und internationale Projekte, bauen Netzwerke auf, stellen Dienstleistungen für die Mitglieder bereit und entwickeln Konzepte, Studien oder neue Wege für die Förderung der Weiterbildung. Der Verband gehört auch zur Trägerschaft des AdA-Baukastensystems. Dieses umfasst die Abschlüsse «SVEB-Zertifikat Kursleiter / in», «SVEB-Zertifikat ­Praxisausbilder / in», «Ausbilder / in mit eidg. Fachausweis», «Ausbildungsleiter / in mit eidg Diplom» und «Dipl. Erwachsenenbildner/in HF». 113 anerkannte Institutionen bieten diese Weiterbildungen an. Die grösste Anbieterin mit 30 Standorten ist die Lernwerkstatt Olten.

nehmen gemäss eigenen Angaben an Wissen zu den Kompetenzen der Zukunft fehle. Daniel Herzog, CEO der Lernwerkstatt Olten, spürte die Zurückhaltung der Betriebe vor allem während der ersten Welle der Pandemie: «Fast alle geplanten Inhouse-Schulungen wurden nach hinten geschoben. Jetzt sind aber auch im Inhouse-Geschäft unsere Auftragsbücher wieder voll. Der Ausbildungsstau scheint von den Firmen nun aufgelöst zu werden.» Die Lernwerkstatt Olten bietet neben öffentlichen Lehrgängen im Bereich Erwachsenenbildung, Coaching und Mentoring auch firmeninterne Weiterbildungen an und hatte sich schon 2020 und zuvor antizipierend auf die neue Situation vorbereitet. Daniel Herzog: «Rasch haben wir zusätzlich zu den bestehenden Digital Training-Angeboten unsere Live-Webinare zu 33 Themen rund um das digitale und virtuelle Unterrichten und Coachen entwickelt. Diese werden alle öffentlich angeboten. So kann sich jede Fachperson der Personalentwicklung und des betrieblichen Mentorings und jede Lehrperson die gewünschten Kompetenzen individuell und bedarfsgerecht aneignen.» So

Daniel Herzog, CEO der Lernwerkstatt Olten: «Der Ausbildungsstau scheint von den Firmen nun sukzessive aufgelöst zu werden.»

Die Hybrid-Angebote in der beruflichen Weiterbildung kommen vielen KMU entgegen.

habe man bereits in den ersten Woche der Pandemie eine grosse Nachfrage für die Konzipierung von Online-Angeboten erfahren. Alle mussten auf Online umstellen und nur wenige wussten wie. «Da half es uns, dass wir das Thema Digital Training schon vor Jahren angegangen sind», so Herzog.

HÖHERER BEDARF WIRD NUR TEILWEISE GEDECKT Einer der Hauptgründe für die nach wie vor hohe Bereitschaft, sich in die (berufliche) Weiterbildung zu begeben: Bei einem Grossteil der in der erwähnten Studie befragten KMU stellt die Corona-Situation insgesamt hohe Anforderungen an die Fähigkeiten der Mitarbeitenden. Ein Drittel gibt an, die Belegschaft benötige neue oder andere Kompetenzen. Bei rund 60 Prozent der Unternehmen zeitigt die Pandemie Auswirkungen auf die Kompetenzen für das agile Arbeiten sowie die sozialen und kommunikativen Kompetenzen. 43 Prozent stellen zudem einen starken bis sehr starken Effekt bei den digitalen Kompetenzen fest. Der Weiterbildungsbedarf ist denn auch bei 33 Prozent der KMU in Zeiten

von Corona gestiegen. Als Weiterbildungsbedarf eines Unternehmens wird in der Studie die Notwendigkeit definiert, dass Mitarbeitende neue Kompetenzen erwerben oder bestehendes Wissen erweitern, um den Anforderungen im Unternehmen zu begegnen (Quelle: SVEB). Der offensichtlich erhöhte Weiterbildungsbedarf wird aber nicht von allen KMU gedeckt. Die Studie zeigt, dass fast ein Drittel der KMU mit einem erhöhten Weiterbildungsbedarf ihre Weiterbildungsaktivität nicht verändert oder sogar gesenkt haben.

JOËL CH. WUETHRICH ist CEO einer Marketingagentur, Dozent und Mitarbeiter der Editorial AG. www.live-webinare.ch www.lernwerkstatt.ch

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LEADERSHIP VOM KÜCHENTISCH ANFORDERUNGEN AN DAS MANAGEMENT IM DIGITALZEITALTER von Wiebke Köhler

Corona wirbelt die Arbeitswelt durcheinander. Permanent ändert sich die Lage und die virtuelle Führung aus dem Home Office gestaltet sich schwierig. Führungskräfte merken, dass ihnen die Krise andere Qualitäten abverlangt. Wie Leadership bestmöglich gelingen kann, zeigt das neue Buch «Dreizehn Holzwege guter Führung».

Führung kann auch digital gelingen.

I

n der aktuellen Krise betreten Führungskräfte auf breiter Front Neuland bei folgenden Fragen: Wie führe ich meine Mitarbeiter im Home Office? Wie effizient sind digitale Meetings? Wie kann ich sicher sein, dass meine Leute auch ohne Präsenz

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im Büro ihre Arbeit effizient erledigen? Wer aus der Ferne richtig führen will, muss sich selbst neu aufstellen und viele Qualitäten vom Analogen ins Digitale transferieren. Denn die Team-Dynamik ist im Home Office eine komplett andere als im Büro.

FÜHRUNG AUF DISTANZ Es ist eine wichtige Erkenntnis des neuen Buches «Dreizehn Holzwege guter Führung», dass Führungskräfte sehr viel mehr kommunizieren müssen als sonst. Ebenso muss sich das Tempo verlangsamen, um


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DREIZEHN HOLZWEGE GUTER FÜHRUNG

Die Pandemie hat unseren Arbeitsalltag verändert.

alle Mitarbeitenden mitzunehmen. Auch Fragen wie «Wie kann ich jetzt eine neue Abteilung gründen, wie die Leute einander vorstellen, miteinander vernetzen und Teamwork gestalten?» stellen sich häufig. «In unseren Coachings fragen Manager oft als erstes, wie sie denn ihr Team kontrollieren können», so Hans-Ulrich Cyriax. Der erfahrene Coach, systemische Berater und Trainer von Führungskräften erläutert, wie Virtual Leadership funktionieren kann. Denn nicht erst seit Corona, sondern generell in einer globalisierten Arbeitswelt ist Führung auf Distanz gang und gäbe. «Wir haben beobachtet, dass die meisten Führungskräfte nicht ausreichend auf diese spezielle Art der Führung vorbereitet sind», weiss Hans-Ulrich Cyriax. «Dabei sind perfekte Rahmenbedingungen, richtige Kommunikation und das richtige Verhältnis von Vertrauen und Kontrolle essenziell.» Wiebke Köhler ergänzt: «Der Kontrollverlust ist ein wichtiges Thema. Wie stelle ich sicher, dass die Leute ihre Arbeitsleistung transparent machen? Woher weiss ich, dass sie nicht im Netz surfen? Gerade ältere Führungskräfte haben damit ein Problem.» Die Kontrolle im virtuellen Büro ist das Eine, aber auch die Teamqualität spielt eine entscheidende Rolle. «Das Wir-Gefühl

im Team ist ein wichtiger Aspekt», so Köhler. «Der soziale Kontakt, der kleine Plausch in der Kaffeeküche – all das fällt weg. Auch werden Konflikte innerhalb eines Teams weniger leicht gelöst.» Virtuelle Herabstufung der Führungskraft Ein Aspekt wird von Führungskräften gefürchtet – nämlich, dass sie an Autorität verlieren. Ein Firmenbüro hat eine ganz andere Wirkung als das heimische Wohnzimmer. Mitarbeiter respektieren Chefs spontan und zuverlässig in dieser Umgebung deutlich weniger. Denn die virtuelle Distanz schränkt die Wirksamkeit von Statussymbolen stark ein.

Von Hans-Ulrich Cyriax und Wiebke Köhler 328 Seiten BoD – Books on Demand, Norderstedt ISBN: 9783752670783

Gruppendynamik und agile Arbeitsweisen, Konfliktmanagement sowie Resilienz und Achtsamkeit. Mit zahlreichen Praxisbeispielen und einem praktischen Blick auf die Forschung bieten die Autoren einen umfassenden Ratgeber. Fazit: Auch nach der Pandemie wird das virtuelle Arbeiten eine wichtige Option für Firmen bleiben. Chefs müssen daher stärker in ihre digitalen Kompetenzen investieren, um Leadership vom Küchentisch perfekt umzusetzen. Und Elemente guter Führung sind immer gefragt, in Krisen wie auch im Normalzustand.

VIELSEITIGER RATGEBER Das praxisnahe Buch deckt auf, woran es im Home Office hakt – und was die 14 Erfolgsfaktoren virtueller Führung sind. Wie gelingt gute Führung? Dafür beleuchtet es neben der virtuellen Führung zwölf weitere Aspekte in eigenen Kapiteln, die für die moderne Führungskraft elementar sind – angefangen bei einer richtig verstandenen Unternehmensstrategie und einer Sinnerfüllung in der täglichen Arbeit bis hin zu weiteren wichtigen Facetten wie wirksamer Kommunikation, Kenntnissen über

WIEBKE KÖHLER ist Top-Management-Strategieberaterin, Gründerin, Key-Note-Speakerin und mehrfache Buchautorin. www.impactwunder.com

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Reflektierte Führungskräfte stellen sich selbst infrage.

WIRKUNGSMÄCHTIG SEIN SICH ZUM LEADER ENTWICKELN von Hans Peter Machwürth

Echte Leader erachten Stillstand als Rückschritt. Sie sind zudem überzeugt: Alles kann man optimieren – auch das eigene Führungsverhalten. Dieses Mindset vermitteln sie auch ihren Mitarbeitern.

B

eim Coaching begegnet man zwei Archetypen von Führungskräften: Der erste Typ schildert in den Sitzungen immer wieder die Zwänge, unter denen er steht, und klagt darüber, was in der Organisation alles nicht läuft und was das Top-Management versäumt hat. Zudem beschreibt er die Mitarbeiter als eher unwillig und uninspiriert. Der zweite Typ berichtet bevorzugt darüber, was er sich vorgenommen hat und wo er mit seinem

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Team in ein, zwei Jahren stehen möchte. Dabei malt die Führungskraft die Situation keineswegs rosarot. Sie akzeptiert ihr Handlungsumfeld jedoch als eine Herausforderung, der sie sich stellt, und ist überzeugt: Mein Team und ich haben die Kraft, die gesetzten Ziele zu erreichen.

VERWALTER ODER GESTALTER Hinter diesen beiden Typen stecken unterschiedliche Persönlichkeitskonzepte.

Sie stehen dafür, wie die Führungskräfte sich selbst führen und ihre Rolle definieren. Führungskräfte des ersten Typs verwalten primär ihren Verantwortungsbereich. Sie setzen um, was von ihnen gefordert wird. Sie kontrollieren, ob die Mitarbeiter mitziehen, und berichten pflichtgemäss nach oben. Führungskräfte des zweiten Typs hingegen verstehen ihren Verantwortungsbereich als Gestaltungsraum. Sie suchen nach Wegen, Dinge zu optimieren und er-


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muntern auch ihre Mitarbeiter, aus sich heraus aktiv zu werden. Sie suchen nach Lösungen und sind dabei offen für den Diskurs über unterschiedliche Handlungsoptionen. Sie sind also keine Verwalter, sondern Leader und Gestalter. Im Managementdiskurs wird oft jede Art der Mitarbeiterführung mit dem Begriff «Leadership» belegt. Dabei handelt es sich hierbei um einen speziellen Führungsstil, der hohe Ansprüche an das Führungshandeln stellt. Dieser Stil ist geprägt durch ein optimistisches Menschenbild und eine werteorientierte Grundhaltung, die auch die Einstellungen und Verhaltensweisen sowie den Kommunikationsstil der betreffenden Führungskraft prägen.

DAS CREDO DER LEADER Zudem kennzeichnet der Begriff «Leadership» einen Führungsstil, der zunächst Anforderungen an die Führungskraft selbst stellt. Denn er beinhaltet das Denken: Stillstand ist Rückschritt. Und: Alles kann man optimieren – auch das Führungsverhalten. Deshalb reflektieren Führungskräfte, die als Leader agieren, regelmässig ihr Verhalten. Sie fragen sich unter anderem: > Schöpfe ich meine Potenziale aus? > Sehe ich die Dinge, die ich angehen sollte? > Weiss ich, wo ich hinmöchte, ohne dogmatisch nur einen Weg zu verfolgen? > Erkenne ich Handlungsprioritäten? > Handle ich konsequent und verfolge ich Dinge? Und: > Überprüfe ich selbstkritisch mein Vorgehen sowie das Erreichte und orientiert sich mein Handeln an ethischen Handlungsmaximen? Und erkennen die Führungskräfte bei sich Verhaltensmuster, die ihre Wirksamkeit schmälern? Dann streben sie danach, ihr Verhalten zu verändern, weil sie als Führungskraft eine möglichst hohe Wirkung erzielen möchten. Diese Grundhaltung prägt auch den Umgang mit den Mitarbeitern. Eine als Leader agierende Führungskraft verzichtet als Vorgesetzter weitgehend darauf, das Verhalten der Mitarbeiter durch Anweisungen zu beeinflussen oder diese ausschliesslich über Zielvereinbarungen zu führen. Ihr Handeln zielt vielmehr darauf ab, die Einstellungen und das Bewusstsein der Mitarbeiter zu beeinflussen. Das heisst: Die Mitarbeiter erhalten zum Erfüllen ihrer Auf-

gaben und zum Erreichen ihrer Ziele einen grösstmöglichen Handlungs- und Entscheidungsfreiraum. Und ihre Führungskraft fordert von ihnen nicht nur, dass sie diesen verantwortlich wahrnehmen, sondern fördert sie hierbei auch. Denn dieser Führungsstil zielt auf Selbstführung ab, und das spüren auch die Mitarbeiter.

pektiert mich als Person. Denn sie spüren: Meine Führungskraft nimmt mich als Individuum wahr und schätzt mich aufgrund meiner persönlichen Stärken – ebenso wie meine Kollegen. Diese individuelle Wertschätzung bringt die Mitarbeiter dazu, auf ihre eigenen Potenziale zu bauen und sich Spitzenleistungen zuzutrauen.

SELBST-MOTIVATION DER MITARBEITER

Das führt letztlich dazu, dass das gesamte Team den Erfolg sucht. Es entwickelt einen sportlichen Ehrgeiz, um Herausforderungen zu meistern. Und um dieses Ziel zu erreichen, überprüft es regelmässig die Effektivität im Vorgehen und die Effizienz der Umsetzung. Das heisst, Misserfolge werden offen, ohne Schuldzuweisungen diskutiert und führen im Bedarfsfall zu einem konsequenten Gegensteuern. Erfolge hingegen werden gefeiert, jedoch ohne der Illusion zu erliegen, diese stellten sich künftig von selbst ein. Vielmehr werden aus den Erfolgen und Misserfolgen die nötigen Lehren gezogen, sodass die Leistung des Teams kontinuierlich steigt.

In Unternehmen begegnet man wieder Bereichen, in denen die Mitarbeiter sagen: «Unser Chef ist klasse; es macht richtig Spass, bei ihm (oder ihr) zu arbeiten.» Offensichtlich gelang es der betreffenden Führungskraft, das Vertrauen und die Anerkennung ihrer Mitarbeiter zu gewinnen. Die Basis hierfür ist eine authentische Kommunikation. Die Führungskraft sagt, was sie denkt, und sie tut, was sie sagt. Sie hört zu und ist offen für unterschiedliche Sichtweisen. Zugleicht treibt sie aber die gemeinsame Willensbildung und Fokussierung auf die übergeordneten Ziele voran. Eine Führungskraft, die als Leader agiert, betrachtet es nicht als ihre Aufgabe, ihre Mitarbeiter zu motivieren. Sie setzt vielmehr darauf, dass ihre Mitarbeiter dies selbst tun, sofern > die Ziele, die die Führungskraft in ihrem Verantwortungsbereich erreichen möchte, und > das Bild, das sie ihnen von der angestrebten Zukunft malt, eine attraktive Sogwirkung auf die Mitarbeiter entfalten. Also nutzt die Führungskraft Symbole und bildhafte Vergleiche, um ihre Vision und ihre Zielvorstellungen den Mitarbeitern zu erläutern. Ausserdem ermutigt sie diese, kreativ zu denken und innovativ zu handeln.

DEN WANDEL MEISTERN Leadership ist vor allem bei Teams gefragt, die vor komplexen, herausfordernden Aufgaben stehen, die nur gemeistert werden können, wenn alle Beteiligten > Vertrauen in die eigenen Potenziale, > den Mut, kalkulierte Risiken einzugehen, und > den Willen zu einem entschlossenen Handeln haben; ausserdem in Bereichen, in denen ein hoher Innovations- und Veränderungsdruck besteht. Denn ein solches Umfeld erhöht die innere Unsicherheit aufgrund eines Kontrollverlustgefühls. Deshalb sind in ihm die Führungskräfte besonders stark als Leader gefragt.

ZENTRALE ZIELE Dabei stellt die Führungskraft hohe Ansprüche an sich selbst und die Mitarbeiter. Sie schafft Gestaltungsräume, die den Mitarbeitern ein Mitdenken und ein eigeninitiatives Handeln ermöglichen. Denn gewünscht ist der selbstverantwortlich und aus eigenem Antrieb handelnde Mitarbeiter. Und die Mitarbeiter? Sie haben das Gefühl, dass das Unternehmen sie braucht – dass also dessen Erfolg unter anderem von ihrer Leistung und ihren Ideen abhängt. Entsprechend engagiert sind sie; auch weil jeder Mitarbeiter das Gefühl hat: Meine Führungskraft kennt mich und res-

HANS PETER MACHWÜRTH ist Geschäftsführer des Trainings- und Beratungsunternehmens Machwürth Team International (MTI Consultancy). www.mticonsultancy.com

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Es gilt, zentrale Fragen im Blick zu haben.

ZENTRALE FRAGEN DER SINN DER ARBEIT von Joachim Simon

Wie sehr sich Mitarbeiter in ihrem Job engagieren, hängt stark davon ab, als wie sinnvoll sie ihre Tätigkeit erfahren. Deshalb sollten Führungskräfte wissen, aus welchen Wurzeln sich das auch «Purpose» genannte Sinn-Empfinden ihrer Mitarbeiter speist.

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ührungskräfte beziehungsweise Vorgesetzte können ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorgeben, was und wie sie etwas zu tun haben. Sie können ihnen aber nicht vorgeben, welchen Sinn sie darin zu sehen haben. Das funktioniert nicht! Den Sinn – oder neudeutsch «Purpose» – müssen Menschen in ihrer Arbeit stets selbst finden. Sie müssen für sich selbst erkennen: «Das macht für mich Sinn und ist deshalb mein Ding.» Dies ist für ihre Arbeitsmotivation extrem wichtig, denn: Nur wer seinen Sinn gefunden hat, übernimmt Verantwortung.

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DIE DREI SINN-DIMENSIONEN Ein Vorreiter beim Formulieren dieses Zusammenhangs war Simon Sinek. Er stellte 2006 den «Golden Circle» vor, den er unter anderem in seinem Buch «Frag immer erst: warum. Wie Top-Firmen und Führungskräfte zum Erfolg inspirieren» näher erläuterte. Ihm zufolge müssen Unternehmen, um langfristig Erfolg zu haben, ihren Kunden und Mitarbeitern einen übergeordneten Sinnzusammenhang aufzeigen, der es ihnen ermöglicht, sich mit ihnen zu identifizieren. Hierfür müssen sie ihnen Antworten auf folgende Fragen geben:

> What (Was wollen wir erreichen?) > How (Wie wollen wir es erreichen?) > Why (Warum wollen wir es erreichen?) Dabei erachtet er die Why-Frage als die zentrale, aber auch am schwierigsten zu beantwortende Frage, weil sie letztlich den Purpose, also den Sinnzusammenhang schafft. Diese Gedanken von Sinek griff der Ökonomiepsychologe Aaron Hurst in seinem 2014 erschienenen Buch «The Purpose Economy» auf und bezog sie auf das indi-


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viduelle Sinnempfinden von Menschen. Dabei vertritt er die These: Nur wenn ein Mensch wertschätzt, für wen und warum er arbeitet, und sich zudem mit dem, wie er es tut, identifiziert, entsteht bei ihm ein Gefühl von Sinn und Zufriedenheit. Dementsprechend unterscheidet Hurst beim Purpose in Anlehnung an Sinek folgende drei Dimensionen: > Who (Für wen arbeite ich?) > Why (Warum arbeite ich?) > How (Wie arbeite ich?)

WHO – FÜR WEN ARBEITE ICH? Auf wen oder was Menschen beim Arbeiten ihre Energie fokussieren, divergiert: Manche haben eher einzelne Personen(-gruppen) im Blick, andere das Unternehmen beziehungsweise die Organisation und wieder andere eine bestimmte Gemeinschaft oder die Gesellschaft insgesamt. > Fokus Mensch: Viele Personen arbeiten bevorzugt für Menschen, die sie persönlich kennen und wertschätzen. Das kann ihr Chef, können aber auch Kollegen sein, die sie nicht im Stich lassen

möchten. Ebenso können dies bestimmte Kunden(-gruppen) sein, zu denen sie eine persönliche beziehungsweise emotionale Beziehung entwickelt haben. > Fokus Unternehmen / Organisation: Bei anderen Personen speist sich die Motivation primär daraus, dass sie sich als Teil eines grösseren Ganzen verstehen, zu dessen Wohlergehen oder Erfolg sie ihren Beitrag leisten möchten. Dabei kann sich ihr Stolz, dieser Organisation anzugehören, ebenfalls aus unterschiedlichen Wurzeln speisen – zum Beispiel daraus, dass diese der Technologie­ führer in ihrem Markt ist. Oder dass sie sehr expansiv ist. Oder dass sie ihren Mitarbeitern grosse Gestaltungsspielräume lässt. > Fokus Gesellschaft / Gemeinschaft: Wieder andere Personen ziehen den Sinn primär daraus, dass sie mit ihrer Arbeit in ihren Augen einen Beitrag zum Wohlergehen oder zur Weiterentwicklung der Gesellschaft leisten. Dies kann die Gesellschaft als Ganzes sein, wenn das Unternehmen zum Beispiel im Umweltschutzbereich aktiv ist. Dies kann aber auch eine lokale oder regionale Gemeinschaft sein – zum Beispiel, wenn Menschen sich dem Wohlergehen der Personen in ihrem unmittelbaren Umfeld, beispielsweise ihrer Nachbarschaft, verpflichtet fühlen. Hieraus resultiert die Frage: Für wen arbeitet Ihr Unternehmen? Für einzelne Menschen oder Personengruppen? Für andere Unternehmen / Organisationen oder die Gesellschaft? Je stärker sich Ihre Mitarbeiter mit dem «Who» identifizieren können, desto selbstverantwortlicher und engagierter arbeiten sie. Also sollte Ihr Unternehmen auf diese Frage eine Antwort haben.

WHY – WARUM ARBEITE ICH? Laut Hurst gibt es zwei Arten des Warums: Entweder machen Menschen etwas, weil sie an das Prinzip «Karma» glauben oder weil sie der Welt und den Menschen zu mehr «Gerechtigkeit» verhelfen möchten. > Karma: An Karma zu glauben, bedeutet für Hurst, dass man überzeugt ist: Wenn ich «Gutes» tue, dann fällt dies irgendwie

positiv auf mich zurück. Dasselbe gilt für schlechte Taten. Menschen, die an Karma glauben, erachten dies sozusagen als ein physikalisches Gesetz, das man nicht aushebeln kann. Sie sind überzeugt, dass sich Systeme letztlich immer wieder von selbst ins Gleichgewicht bringen. Deshalb haben sie in der Regel ein liberales Wirtschaftsverständnis. Sie vertrauen auf das freie Spiel der Kräfte und sind überzeugt, dass sich die Märkte immer wieder von selbst ausbalancieren. Und bezogen auf das Individuum neigen sie zur Auffassung: Jeder ist – unabhängig von seiner Herkunft – seines Glückes Schmied. > Gerechtigkeit: Diesem Credo steht diametral das Denken der Menschen gegenüber, die ihr «Warum» an Gerechtigkeit ausrichten. Sie sind überzeugt: Es bedarf Reglementierungs- und Steuerungsmechanismen, um Gerechtigkeit sicherzustellen. Das motiviert sie, einen Beitrag zum Schutz der (potenziell) Schwachen oder Bedrohten zu leisten. Dies können einzelne Bürger oder Konsumenten ebenso wie die Umwelt oder Freiheit sein. Deutlich lässt sich diese Dualität auch in der aktuellen Debatte über das Thema Digitalisierung wiederfinden. Während manche Menschen in ihr, überspitzt formuliert, die Lösung aller Menschheitsprobleme sehen, sehen andere primär die Gefahren, die von ihr ausgehen. So zum Beispiel, dass sich Monopole bilden, die den Wettbewerb aushebeln, oder Überwachungssysteme entstehen, die die bürgerliche Freiheit bedrohen. Also fordern sie eine staatliche Steuerung dieser Entwicklung, um aus ihrer Warte höherwertige Güter wie Freiheit, Gerechtigkeit oder fairen Wettbewerb zu bewahren. Hieraus resultiert die Frage: An wen richtet sich das «Warum» Ihrer Organisation? Eher an Menschen, die an «Karma» glauben, oder solche, die für «Gerechtigkeit» eintreten? Angenommen, Ihr Unternehmen bietet seinen Mitarbeitern die ideale Plattform, um technische Innovationen zu entwickeln. Dann zieht diese Tatsache allein gewiss Ingenieure mit einem Karma-Glauben an. Anders sieht dies bei potenziellen Mitarbeitern aus, die das Thema Gerechtigkeit

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beseelt. Sie interessiert eher: Was produzieren Sie? Rüstungsgüter oder Medizintechnik? Luxusgüter für Superreiche oder Produkte für die Allgemeinheit? Und wie sieht die Ökobilanz aus?

HOW – WIE ARBEITE ICH? Das «How» beschreibt die Art und Weise, also die Strategie und Taktik, mit der Menschen und Unternehmen ihre Ziele erreichen möchten: «CommunityOrientiert», menschenzentriert, strukturgetrieben oder wissensbasiert? > Communityorientiert: Nicht wenige Organisationen sind unter anderem deshalb so erfolgreich, weil es ihnen gelingt, ein Netzwerk von Förderern und Unterstützern aufzubauen – so wie zum Beispiel die Alumni-Netzwerke vieler privater Hochschulen oder die Fan-Gemeinde von Apple. > Menschenzentriert: Andere Organisationen erreichen ihre Ziele aufgrund ihrer starken Menschenzentrierung. Sie glauben zum Beispiel, dass eine Unternehmens­ kultur, die den Mitarbeiter als Mensch in den Mittelpunkt stellt, zu den besten Ergebnissen führt; oder dass Unternehmen, die den Kunden als Mensch konsequent in den Fokus ihres Bestrebens stellen, nachhaltig Erfolg haben. > Strukturgetrieben: Struktur­ getriebene Unternehmen glauben an den Markterfolg durch standardisierte Abläufe und Prozesse, Vorgaben und Regelungen. Sie legen zum Beispiel auf das Erfüllen gewisser Normen und Qualitätsstandards sowie das Erlangen bestimmter Zertifikate einen hohen Wert. > Wissensbasiert: Organisationen, die über Wissen am Markt erfolgreich sein wollen, sammeln und analysieren Daten und investieren viel Zeit und Geld in die Forschung und Entwicklung sowie in die Weitergabe von Wissen. Jeder dieser Wege spricht unterschiedliche Menschen an und kann zum Erfolg führen. Daraus resultiert die Frage: Für welches «How» steht Ihre Organisation primär? Welchen Menschen bietet sie eine Andockstelle, um hieraus ihren persönlichen Sinn abzuleiten? Diese Frage zu beantworten, ist wichtig, denn: Je stärker sich

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Es gilt, zentrale Fragen im Blick zu haben.

Ihre Mitarbeiter ausser mit dem «Für wen» und dem «Warum» Ihrer Organisation auch mit dem «Wie» identifizieren, umso selbstverantwortlicher agieren sie und umso bereitwilliger übernehmen sie Verantwortung.

DIE INTRINSISCHE MOTIVATION In ihrem Privatleben sehen die meisten Menschen ganz selbstverständlich abhängig von ihren individuellen Werten einen Purpose oder Sinn – zum Beispiel: Ich möchte > meiner Familie ein behagliches Heim schaffen, > meinen Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen, > ein erfülltes Leben führen. > Damit korrespondieren ihre Lebensziele – zum Beispiel > das Haus renovieren, damit …, > ausreichend Geld verdienen, um …, > genügend Freizeit haben, um … In ihrem Job fehlt vielen Menschen oft eine entsprechende Orientierung – auch aufgrund der arbeitsteiligen Prozesse. In ihm fühlen sie sich nicht selten als ein unbedeutendes Rädchen in einem unüberschaubaren grossen Ganzen. Einen Sinnzusammenhang sehen sie in ihrem Tun und Engagement oft nur mittelbar – zum Beispiel: Ich muss mich und meine Familie ernähren.

Das ist an sich nicht negativ, denn dieses Motiv beantwortet letztlich auch die Fragen «Who» und «Why», wenn auch aus Unternehmenssicht eher auf eine extrinsische als intrinsische Art und Weise. Dessen ungeachtet sind solche Personen oft extrem wertvolle Mitarbeiter, insbesondere wenn es um das Erledigen der operativen Alltagsarbeit geht. Sie bilden sozusagen das Rückgrat vieler Unternehmen. Wenn es jedoch um das Besetzen von Schlüsselpositionen geht, sollten Unternehmen auch auf eine Purposebezogene Passung der Kandidaten achten, denn diese Personen treiben die Organisation letztlich voran. Sie sorgen aufgrund ihrer Identifikation mit ihren Aufgaben und dem Unternehmen dafür, dass dieses zukunftsfähig ist und bleibt.

JOACHIM SIMON ist Führungskräftetrainer und -coach. www.joachimsimon.info


KOLUMNE

DIGITALE ETHIK IST IN DER FÜHRUNGSETAGE ANGEKOMMEN von Cornelia Diethelm

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ereits vier von fünf Personen berichten von Erfahrungen mit ethisch umstrittenen Projekten im Bereich des Datenmanagements. Das zeigt die Auswertung des ersten Stimmungsbarometers Digitale Ethik. Deutlich weniger verbreitet sind Massnahmen, die zur Überwachung der Mitarbeitenden beitragen, etwa die Analyse des E-Mail-Verkehrs oder der Einsatz umstrittener Technologien wie Gesichts- oder Stimmerkennung. Die Umfrage zeigt auch, dass ethische Themen in mehreren Unternehmen in der Schweiz bereits in interne Dokumente und Prozesse integriert wurden: Jede dritte Person gibt an, dass das Datenmanagement sowie die Datenstrategie entsprechende Vorgaben enthalten. Oft existiert sogar eine Ethik-Richtlinie oder sie ist zumindest geplant. Erfreulicherweise wird in vielen Unternehmen bereits an ethischen Vorgaben gearbeitet – unabhängig von ihrer Grösse. Dabei gehört die Geschäftsleitung zu den drei wichtigsten internen Befürwortern, wenn es darum geht, auch im digitalen Raum verantwortungsvoll zu handeln. Die wichtigsten Treiber in den Unternehmen sind Personen aus dem Datenschutz. Am unteren Ende befinden sich Mitarbeitende aus dem Marketing. Dieser grosse Unterschied verdeutlicht, dass innerhalb eines Unternehmens auch Ziele verfolgt werden, die sich widersprechen. Dazu passt, dass für fast ein Drittel der Befragten nicht immer klar ist, ob die datenbasierten Innovationen wirklich ein Problem lösen und im Interesse der Kundinnen und Kunden sind. Um sicherzustellen, dass der Einsatz neuer Technologien kein Selbstzweck ist, lohnt es sich, Geschäftspraktiken mit internen Richtlinien in Einklang zu bringen, die die Werte des Unternehmens widerspiegeln. Das Stimmungsbarometer Digitale Ethik zeigt, dass Unternehmen die Erwartungen ihrer Kundinnen und Kunden ernst nehmen: Wer bereits heute verantwortungsvoll mit Daten umgeht, investiert nicht nur in gute Kundenbeziehungen. Das Unternehmen kann

sich auch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, indem es sich als vertrauenswürdig positioniert, gerade angesichts ausländischer Konkurrenten. Eine weitere Motivation besteht in der Reduktion von Risiken. So lassen sich beispielsweise betriebliche Risiken vermeiden, wenn sichergestellt wird, dass keine Menschen durch den Einsatz von Algorithmen diskriminiert werden. Die innere Überzeugung ist für rund die Hälfte der Befragten wichtig, wobei dies bei kleineren Unternehmen deutlich stärker gewichtet wird als bei grösseren. Die Mehrzahl der Unternehmen sensibilisiert Mitarbeitende und Führungskräfte für ethische Themen oder plant, dies zu tun. Immer grösserer Beliebtheit erfreuen sich auch Aus- und Weiterbildungen, besonders stark in grossen Unternehmen. Rund ein Drittel der Befragten sieht darüber hinaus grossen Handlungsbedarf beim digitalen Wissen. Denn nur wer sich mit der Digitalisierung auseinandersetzt, kann die damit verbundenen Chancen, Risiken und Nebenwirkungen erkennen – und verantwortungsvoll handeln. Digitales und ethisches Wissen aufzubauen lohnt sich nicht nur aufgrund der steigenden Erwartungen von Kundinnen und Kunden. Unternehmen können sich darüber hinaus auch als attraktive Arbeitgeber positionieren, so ein weiteres Fazit des Stimmungsbarometers Digitale Ethik. Aufgrund des revidierten Datenschutzgesetzes und der geplanten Regulierungen in der EU ist damit zu rechnen, dass die ethischen Aspekte der Digitalisierung in den nächsten Jahren noch wichtiger werden – auch für KMU.

CORNELIA DIETHELM ist Expertin für Digitale Ethik, Inhaberin der Shifting Society AG sowie Mitinhaberin der Datenschutzpartner AG. www.shiftingsociety.ch

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Die Potenziale der Mitarbeitenden gilt es zu fördern.

BUSINESS CHALLENGES

FÜHRUNGSKULTUR VERÄNDERN UND AGILITÄT STEIGERN von Michael Zaugg, Marcel Wiesendanger und Christoph Mahr

Wenn Unternehmen an einem Scheideweg stehen, greifen sie normalerweise zu klassischen Methoden: Sie schicken ihre Führungskräfte in Zweitages-Seminare oder Einzel-Coachings in der Erwartung, dass sich das Unternehmen von heute auf morgen verändert. Sie überarbeiten Organigramme und restrukturieren Abteilungen und Produktlinien – und wundern sich, dass bald alles ist wie vorher und der gewünschte Effekt nicht eintritt. Der folgende Beitrag zeigt, dass es auch anders geht. Seite 96 // kmuRUNDSCHAU


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Innovationsdruck, die Marktnachfrage nach digitalen Gesamtlösungen sowie die Chancen datengetriebener Geschäftsmodelle erforderten von dem bislang klassischen Medizinprodukthersteller neue Kompetenzen und eine viel höhere Dynamik auf allen Ebenen. Bei der bisherigen Geschwindigkeit würde das Unternehmen in absehbarer Zeit an die Grenzen seines inneren Wachstums stossen. Will ein Unternehmen schnell auf Marktherausforderungen reagieren, müssen dessen Führungskräfte bereit sein und gelernt haben, Eigeninitiative zu übernehmen, Verantwortung nach unten abzugeben und Aufgaben zu delegieren. Bei Ypsomed wurden viele Entscheidungen aber zentral gefällt, sodass die zweite und dritte Führungsebene gar nicht rechtzeitig trainieren konnte, Verantwortung zu übernehmen. Bis ungefähr 2010 bildete die Unternehmens- und Führungskultur ein Traditionsunternehmen mit Top-downEntscheidungen ab, während das Unternehmen sich operativ bereits dem Druck einer massiven, marktgetriebenen Transformation gegenübersah. Um die bisherigen Erfolge langfristig abzusichern und die Resilienz der Organisation gegenüber dem künftigen Marktgeschehen zu steigern, entschied sich die Ypsomed AG gemeinsam mit den Experten der step 5 AG zu einem ungewöhnlichen Führungskräfteentwicklungsprojekt. Eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale der step 5 beim Führungskräftecoaching ist ein strukturierter Ansatz, der jenseits konventioneller Standards arbeitet und Lernprozesse so hirngerecht gestaltet, dass sie der Natur des menschlichen Gehirns am besten entsprechen.

E

s war damals ein Zuckerschock für den Pharma-Markt: Als die Brüder Willy und Peter Michel aus Burgdorf vor mehr als 35 Jahren weltweit die ersten Mikro-Insulinpumpen herausbrachten, verbesserten sie damit das Leben von Menschen mit Typ-1-Diabetes weltweit. Neben den Infusionssystemen spezialisierten sich die Gebrüder Michel seinerzeit auch auf Injektionssysteme. Im Jahr 2003 verkaufte Mitbegründer und Hauptaktionär Willy Michel das Infusionsgeschäft an Roche, behielt aber das Injektionsgeschäft. Daraus entstand die Ypsomed AG, die seither

ihre eigene Erfolgsgeschichte schreibt. Seit 2004 ist Ypsomed an der SIX Swiss Exchange gelistet und mittlerweile ins Insulinpumpen-Geschäft zurückgekehrt – seit vier Jahren auch wieder mit einer eigenen Insulinpumpe, der mylife YpsoPump. Dabei werden die Injektionssysteme für Pharmaunternehmen wie auch die direkt vertriebenen Insulinpumpen immer digitaler und vernetzter. Dies und die zunehmende Internationalisierung steigerten die Komplexität in Management und Produktion. Wachsender

Relevanz der Inhalte, Autonomie und Freiwilligkeit sind nur einige Aspekte, die das Lernen deutlich erleichtern, weil sie neurobiologische Belohnungsprozesse im Gehirn auslösen. Darüber hinaus soll das gesamte Programm bereits selbst Gelegenheit geben, erwünschte beziehungsweise zukünftige Führungswerte auf dem Weg zur neuen Unternehmenskultur gleich anzuwenden und zu trainieren.

KOMPETENZKATEGORIEN Bei Ypsomed steht das auf mehrere Jahre angelegte Programm, das bis heute andauert, unter dem Leitmotiv «Leading for

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kömmlichen Ansätzen aus. An die Stelle von Theorievermittlung mit Frontalunterricht tritt die Praxis, die als Katalysator kollektiver und individueller Lernfortschritte wirkt und zu greifbaren, businessnahen Ergebnissen führt. Nichts bleibt theoretisch, alles lässt sich unmittelbar zur Lösung der Business Challenge anwenden, was sich sehr förderlich auf die Lern­ motivation auswirkt.

SYSTEMISCHE KOMPETENZENTWICKLUNG

Führungskräfte unterstützen sich gegenseitig.

Future» (L4F). Rund 170 Führungskräfte des Unternehmens auf sämtlichen Hierarchieebenen sind seither eingebunden. In einem Vorprojekt erarbeiteten Manager aus unterschiedlichen Ebenen unter interner und externer Begleitung, über welche Kompetenzen die Führungskräfte bei ­Ypsomed im Jahr 2024 verfügen sollten.

zu übernehmen und an der persönlichen Weiterentwicklung zu arbeiten.

Das so entwickelte Kompetenzmodell fusst auf dem Fundament der Unternehmenswerte und der Führungsgrundsätze von Ypsomed. Insbesondere die Unternehmenswerte bilden den langfristigen Kern der Unternehmenskultur. Die Führungsgrundsätze wiederum sind im Sinne dieser Werte ausgearbeitet. Sie tragen so dazu bei, dass die Unternehmenswerte im Alltag lebendig und erlebbar sind.

DAS HERZSTÜCK

Das Kompetenzmodell umfasst die drei zentralen Kompetenzkategorien «Run Business», «Lead People» und «Develop Myself». «Run Business» umfasst strategisches Handeln, Kunden- und Ergebnisorientierung sowie das Treffen von Entscheidungen. In «Lead People» manifestiert sich unter anderem die Anforderung an Führungskräfte, die Potenziale ihrer Mitarbeitenden zu entwickeln, die Zusammenarbeit zu fördern, professionell zu kommunizieren und den Wandel aktiv zu gestalten. Mit «Develop Myself» sind Führungskräfte aufgefordert, wertorientiert zu agieren, authentisch zu handeln, Verantwortung für das Unternehmen, aber auch für sich selbst

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Auf dieser Basis ist ein generelles Anforderungsprofil entstanden, wie Führungskräfte selbstbestimmt an ihren individuellen Entwicklungsbedürfnissen und -zielen lernen können.

Um den gesamten Prozess nicht nur hirngerecht, sondern vor allem so businessnah wie möglich zu gestalten, hatte jede Führungskraft zum Start des eigentlichen Projekts eine für die Organisation ohnehin bestehende Herausforderung auszuwählen, der sie sich widmen würde: eine sogenannte Business Challenge. Sie bildet das Herzstück des step-5-Ansatzes. Als externe Interne flankiert step 5 die Business Challenges durch Peer Coachings, kollegiale Lern- und Reflexionseinheiten sowie Seminarmodule, in denen Trainer die selbstorganisierten Lernprozesse mit Anregungen und Empfehlungen unterstützen. Beim Peer Coaching unterstützen sich Führungskräfte gegenseitig bei der Lösung von aktuellen Problemen. Sie befeuern so den allgemeinen Lernprozess und stärken wiederum ihre eigenen Coaching-Fähigkeiten. Diese ausbalancierte Mischung aus Selbstverantwortung, Lernen mit den Kollegen und für die Organisation einerseits sowie der kollegialen und externen Unterstützung (Coaching, Seminare, Beratung) andererseits macht den Unterschied zu her-

Wie ergebnisoffen die Business Challenges verlaufen können, zeigt unter anderem die Konzeption eines neuen Modells für das Supply Chain Management. Dabei manifestierte sich im Team unter anderem die Einsicht, dass sich bislang alle Einkaufsmanager als Generalisten verstanden und sich jeder entsprechend für alle Warengruppen als ausreichend kompetent einstufte – eine Erkenntnis, die dank der Business Challenge schneller reifte und durch eine abteilungsübergreifende Reflexion zu einem beschleunigten Lernprozess führte. Schliesslich setzte sich die Einsicht durch, dass Einkäufer durch eine Spezialisierung inhaltlich effizienter werden, was sich auch positiv auf die Lieferantenbeziehungen auswirken kann. Das Beispiel zeigt ebenfalls: Durch die interdisziplinäre und abteilungsübergreifende Zusammensetzung der Business Challenge haben die Führungskräfte einen systemischen Blick auf die eigene Organisation. Der offene Austausch und die Peer Coachings führen dazu, dass die Führungskräfte ihre eigenen Denkmuster, ihre Rollen und Funktionen hinterfragen – ein wertvoller Prozess sowohl für die Beteiligten als auch für die Organisation, durch den ein Top-down nie entstanden wäre. Durch die Phasen der Reflexion bei der kollegialen Fallbearbeitung entstehen kollektive Learning Loops, die auch zu individuellen Lernerfahrungen führen. In diesen Prozessen fungieren interne Berater aus HR sowie die step-5-­ Coaches als Begleiter auf Augenhöhe und nicht mehr als Anleiter. Vielmehr schaffen sie den Raum, moderieren vielleicht Anlaufphasen der Gruppen oder geben methodische Anregungen; die eigentlichen Lernerfolge entstehen aber in den Gruppen. Ergänzt werden diese Prozesse dann durch fortlaufende Entwicklungsgespräche zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden, um individuelle Lernbedarfe zu ermitteln und diese zeitnah beispielsweise mit Seminaren zur Methodenkompetenz-


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entwicklung zu bedienen. Dieses Vorgehen führt am Ende des Tages zu einer neuen Führungskultur.

VERANKERUNG DES LERNFORTSCHRITTS Da erworbenes Wissen in den Business Challenges täglich angewendet und durch Peer Coachings selbstorganisiert und damit jenseits von Laborsituationen mitten im unternehmerischen Alltag verstärkt wird, verankert sich das Gelernte als neue Routine im Führungsverhalten und damit in der Unternehmenskultur – und fällt damit in der Organisation auf einen viel fruchtbareren Boden als bei üblichen Ansätzen. Angestrebte Führungswerte wie eine stärkere Kundenorientierung und strategisches Handeln leben die Führungskräfte konkret und täglich im Rahmen des Programms. Ihr Führungsverhalten selbst erleben sie als wirkungsvoll und positiv, denn es zeitigt Ergebnisse. Diese Art des Lernens ist vergleichbar mit dem Sprachenlernen. Wer nur Texte liest, behält keine Vokabeln. Wer aber in dem Land lebt, den Alltag mit den Einheimischen teilt und ständig die Fremdsprache spricht, nach Bezeichnungen für Gegenstände fragt, eignet sich schneller einen neuen Wortschatz an. Vokabeln, Redewendungen, Grammatik und Satzkonstruktionen und vor allem die Aussprache gehen schneller «in Fleisch und Blut» über als in einem Seminarraum.

ERSTE BEWÄHRUNGSPROBE Das Projekt ist auf zwei bis drei weitere Jahre angelegt und zeigt bereits deutliche

Erfolge. Während der Covid-19-Lockdowns lief die Produktion beispielsweise weiter, die Führungskräfte aber arbeiteten häufiger im Homeoffice. Für die Schichtleiter waren sie dadurch schwerer zu erreichen. Statt auf Entscheidungen zu warten, agierten die Produktionsmitarbeitenden selbstständiger und eroberten sich Entscheidungskompetenzen – ein erfreuliches Ergebnis des Kulturwandels im Rahmen des L4F. Denn nach übereinstimmender Einschätzung verlief die Produktion auf diese Weise sogar reibungsloser. Und das war keine Einzelerfahrung. L4F erfährt unternehmensweit eine positive Wahrnehmung, Delegation funktioniert bereits reibungsloser als früher. Der Austausch und die abteilungsübergreifende Kommunikation werden selbstverständlicher, die Manager sind professioneller in ihrer Selbstführung. Im Umgang mit zunehmender Komplexität registriert die Geschäftsleitung Fortschritte durch die Aktivierung unternehmensweiten Wissens. Die Entwicklung der Führungskräfte vollzieht sich damit nicht mehr zwei Tage in unternehmensfernen Seminarräumen und verflüchtigt sich in der Kurve des Vergessens, sondern verfestigt sich stattdessen in ganz realen und businessrelevanten Alltagsprozessen. Durch L4F entsteht zunehmend ein unternehmerischer Wandel gemeinsam mit der Führungsmannschaft und den Mitarbeitenden, was sie zu Akteuren statt zu Opfern der Veränderung macht. Die Führungskräfte der Ypsomed AG erlernen, erproben und reflektieren durch L4F ein neues Verhalten, um Gegenwart und Zukunft des Unternehmens aktiv zu mana-

gen und dabei Verantwortung zu übernehmen. HR und externe Berater wie die von step 5 müssen diese Prozesse eine Weile düngen, indem sie die Umsetzung der Lern­ erfahrungen in den Alltag beispielsweise durch Reflexionsgespräche begleiten und verstärken, damit das System von innen heraus weiterwachsen kann. Und dass das Unternehmen auf einem guten Weg ist, manifestiert sich bereits an bestimmten Faktoren: Die Arbeitszufriedenheit hat sich erhöht, das Gesamtsystem arbeitet agiler, prozessorientierter, ist weniger störungsanfällig und damit resilienter gegenüber Veränderungen in der Zukunft.

CHRISTOPH MAHR führt die step 5 AG, eine Beratungsgesellschaft für Organisations-, Führungskräfteund Vertriebsentwicklung.

MICHAEL ZAUGG ist Senior Vice President Human Resources (HR) bei Ypsomed. Nebenberuflich arbeitet er als Dozent für «Human Resources Management» an der Berner Fachhochschule.

MARCEL WIESENDANGER ist Head of Learning bei Ypsomed, wo er für alle Belange der Personal-, Team- und Organisationsentwicklung zuständig ist.

Delegation funktioniert im Homeoffice reibungsloser als früher.

www.ypsomed.com www.step5.ch

Ausgabe 2/2021 // Seite 99


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Ergonomie ist am Arbeitsplatz ein wichtiger Aspekt.

MIT ENGAGEMENT UND HINGABE WIE DIE NACHFOLGEREGELUNG GELINGEN KANN Interview mit Roland Zaugg von Georg Lutz

Eine der grössten Herausforderungen für Schweizer KMU ist die Planung der Nachfolgeregelung. Dessen war sich auch Roland Zaugg, Geschäftsführer und Inhaber der Zesar.ch AG, bewusst, als er das Unternehmen 2009 übernahm. Weshalb ist eine frühzeitige Auseinandersetzung mit diesem Thema unerlässlich? Und warum hat Roland Zaugg in der F.G. Pfister Holding AG den bestmöglichen Partner gefunden?

D

ie Zesar.ch AG mit Sitz in Tavannes im Berner Jura ist ein typisches Schweizer KMU. Sie beschäftigt rund 50 Mitarbeitende und produziert ergonomische Möbel für die Bildungsbranche und die Industrie. Wo liegen die technologisch innovativen Potenziale in Ihrem Hause? Zesar.ch ist ein Hybrid zwischen Möbelund Maschinenbau. Wir verfügen über eine sehr grosse Fertigungstiefe sowie eine eigene Entwicklungsabteilung. So sind auch Einzelanfertigungen von der Konstruktion bis zur Herstellung möglich. Es geht um den Dreiklang Qualität, Zuverlässigkeit und Ergonomie. Wie kommen diese in der Praxis zusammen? Auf dieses Gebiet haben wir uns spezialisiert. Dank ausgebildeter Ergonomen verfügen wir bei Zesar.ch über eine sehr hohe

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Fachkompetenz. Bei der Entwicklung unserer Produkte steht immer der Mensch im Zentrum – der Arbeitsplatz wird dementsprechend an den Menschen angepasst. Das ist ein Leitsatz unserer Firmenkultur. Nachhaltigkeit ist ein weiterer Mega­ trend, dem sich auch die Zesar.ch AG verschrieben hat. Wie sieht eine Kreislaufwirtschaft in Verknüpfung mit einem lokalen Wirtschaftsraum konkret aus? Der Kreislaufgedanke wird bereits in der Konzeptionsphase mit eingebracht. Dabei fokussieren wir uns auf Faktoren wie einfache Konstruktion, Auftrennung in sortenreine Materialien, Nutzung von Windenergie sowie Materialbezug aus der Schweiz oder der nächsten Umgebung. Zurzeit läuft zum Beispiel ein Pilotprojekt mit einem lokalen Forstbetrieb. Bei diesem kennen wir den genauen Standort jedes Baums,

der für die Produktion verwendet wird. Das ist grossartig und schafft Vertrauen. Bei so viel Erfolg und mit dieser Grösse ist das Unternehmen ein typischer Übernahmekandidat für einen global aufgestellten Player, der noch einige Rosinen in seinem Portfolio braucht und frisches Geld besorgen kann. Warum ist dies nicht passiert? Als ich Zesar.ch im Jahr 2009 gekauft habe, beschäftigte das Unternehmen noch 18 Mitarbeitende. Mit Engagement und Hingabe aller Beteiligten haben wir ein nachhaltiges und kontinuierliches Wachstum erreicht. Ethische Grundsätze und eine langfristige Perspektive sind die Basis dieses Erfolgs. Ein Verkauf an einen reinen Finanzinvestor ohne Bezug dazu kam für uns daher nie infrage. Im Fokus standen für mich die Weiterentwicklung der Firma


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sowie der Erhalt und Ausbau der Arbeitsplätze in der Schweiz. Darum war ich auf der Suche nach einem Partner, der über seine Beteiligung auch Innovationen beschleunigen kann und will. Trotzdem waren Sie in einer Situation, bei der es um einen Übergang ging. Klassischerweise spricht man von einer Nachfolgeregelung. Wie sah die Situation bei Ihnen aus und welche Szenarien haben Sie im Kopf gehabt? Die meisten KMU regeln ihre Zukunft zu spät oder gar nicht. Dies ist in meinen Augen höchst fahrlässig. In der Firmenstrategie hielt ich gleich im Jahr 2009 nach der Übernahme fest, dass ich mit 50 Jahren die zukunftsfähige Form der Firma definiert haben will. Wir haben daraufhin verschiedene Szenarien geprüft, unter anderem ein Mitarbeiter-Beteiligungsprogramm oder die Bildung einer Firmengruppe, um breiter abgestützt zu sein.

«Wir sind ethisch und ­unternehmerisch auf der gleichen Wellenlänge.» Wie kam es schliesslich zum Kontakt mit der F.G. Pfister Holding AG? Ich hatte Glück, dass ich über einen persönlichen Kontakt mit der F.G. Pfister Holding AG ins Gespräch kam. In den folgenden Treffen mit dem Verwaltungsratspräsident Rudolf Obrecht habe ich sehr schnell gemerkt, dass das Unternehmen der ideale Partner für die Nachfolgeregelung von Zesar.ch ist. Was sind die Gründe für diesen Eindruck? Wie ist es dann zu der Lösung mit der F.G. Pfister Holding gekommen? Zesar.ch und F.G. Pfister Holding teilen dieselben Werte. Die Holding, die der F.G. Pfister Stiftung gehört, denkt in Generationen und ist klar der Schweiz verpflichtet. Sie will mit ihren Beteiligungen den Werkplatz Schweiz stärken und damit lokale Arbeitsplätze sichern und ausbauen. Zudem sind Themen wie Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft auschlaggebende

Faktoren bei ihren Investments in Schweizer Unternehmen. Wir sind ethisch und unternehmerisch auf der gleichen Wellenlänge. Entsprechend hätte ich mir keine bessere Lösung für meine Nachfolgeplanung wünschen können. Die F.G. Pfister Holding ist über verschiedene Branchen hinweg sehr gut vernetzt. So entstehen auch für uns neue Möglichkeiten, zum Beispiel eine Erweiterung des Geschäftsfeldes. Doch so weit sind wir noch nicht. Im Prozess einer Nachfolge gibt es immer wieder Stolpersteine. Wie sahen diese bei Ihnen aus? Ich würde weniger von Stolpersteinen, sondern eher von Herausforderungen sprechen. Am Anfang ging es vor allem darum, sich mental auf diese neue Situation einzulassen. Man muss lernen, loszulassen, Vertrauen zu schenken und nicht nur langfristig zu denken, sondern auch langfristig zu handeln. Bereits in dieser Vorbereitungsphase, vor der eigentlichen Nachfolgeregelung, muss ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis zwischen dem Geschäftsführer und seinen Partnern herrschen, um gemeinsam nachhaltige Lösungen erarbeiten zu können. Dieser Prozess braucht Zeit und Dialogbereitschaft, das darf nicht unterschätzt werden. Und wie sieht heute die operative Zusammenarbeit aus, können Sie die Vorteile klar benennen und haben sie Vorbildcharakter? Die unternehmerische Freiheit von Zesar.ch wurde durch die Beteiligung der F.G. Pfister Holding AG nicht eingeschränkt, sondern eher beflügelt. Wir können von ihrer grossen unternehmerischen Erfahrung profitieren

und auf ihr Netzwerk zugreifen. Damit öffnen sich sehr viele Türen, die zu Effizienzsteigerung führen und gleichzeitig Innovatio­ nen schneller vorantreiben. Des Weiteren verfügt die Holding über die nötige Expertise, um strategische Entscheide zu validieren. Wir merken, dass wir einen starken Partner gewonnen haben, der unsere Werte teilt und lebt sowie unsere Wachstumspläne aktiv unterstützt. Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Was haben Sie sich für das nächste Jahr vorgenommen? Unser Fokus liegt auf dem Ausbau der laufenden Projekte, zum Beispiel der Kooperation mit airtimestudio.ch, einem Anbieter für Komplettlösungen im Bereich Videokonferenzen. Der Airtime-Schreibtisch ist ein gleichzeitig mobiles und professionelles Videostudio, das Videokonferenzen und Präsentationen in höchster Qualität ermöglicht. Des Weiteren wollen wir die neu gewonnenen Synergien mit der F.G. Pfister Holding optimal nutzen. Für mich persönlich habe ich mir vorgenommen, dieses Jahr den Jura-Höhenweg von Dielsdorf bis nach Nyon zu absolvieren.

ROLAND ZAUGG ist Mitinhaber und CEO der Zesar.ch AG. www.zesar.ch

Auch Einzelanfertigungen sind kein Problem.

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Der Wettbewerb ist ein wichtiger Antrieb.

REFLEXION STATT REFLEXE STRATEGIEN WERTVOLL MACHEN UND VERANKERN von Dr. Harald Brodbeck und Sabrina Perl

Es ist kein Geheimnis, dass je nach Statistik rund 70 bis 90 Prozent der Strategien von und in Unternehmen scheitern. Nicht zuletzt deshalb stehen viele Manager von KMU dem Thema Strategie skeptisch gegenüber. Die Realität zeigt, dass zwar zumeist eine Strategie vorhanden ist, es aber an der Umsetzungsambition und deren Alltagsrelevanz für die Mitarbeiter deutlich hapert.

D

ieser Artikel gibt Antworten auf drei zentrale Herausforderungen: Unter welchen Voraussetzungen verläuft ein Strategieprozess erfolgreich? Wie sieht eine durchgängige Strategie von der Vision bis zu konkreten individuellen Zielen aus? Wie wird die Strategie zu einem flächendeckend im Unternehmen verankerten Verhaltensmuster?

DER PROZESS DER STRATEGIE-ENTWICKLUNG Strategien sind zwingend notwendig, weil sich jedes Unternehmen im Wettbewerb

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befindet und dabei mit begrenzten Ressourcen agiert. Wären Ressourcen unlimitiert vorhanden, bräuchte es keine Strategie, da Unternehmen somit grenzenlose Möglichkeiten hätten. Und ohne Wettbewerber gäbe es keine Notwendigkeit, sich zu differenzieren. Aber aufgrund von begrenzten Ressourcen und der konstanten Bedrohung durch Wettbewerber wird Strategie zur Notwendigkeit und es müssen Auswahlentscheidungen getroffen werden – ein Unternehmen hat sprichwörtlich die Qual der Wahl. Das stellt eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar:

Haben wir wirklich an alles gedacht? Wie entscheiden wir uns bewusst gegen bestimmte Optionen? Um weg vom subjektiven Bauchgefühl hin zu verlässlichen Entscheidungen zu kommen, ist daher die Wahl eines geeigneten Strategieprozesses erfolgsentscheidend. Dabei ist zum einen die Anwendung einer geeigneten Methodik notwendig: In der einschlägigen Literatur werden zahlreiche Methoden und Tools beschrieben, die insbesondere in der Phase der strategischen Analyse zum Einsatz kommen.


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Grosskonzerne bedienen sich gerne dieses Methodenbaukastens, für ein KMU ist dies allerdings oft vergleichbar mit dem berühmten Sprichwort «mit Kanonen auf Spatzen schiessen». Die Erfahrung zeigt, dass es in der Strategieentwicklung weniger um die Generierung von «Big Data», sondern von «Relevant Data» geht – und wie diese geeignet beurteilt und berücksichtigt werden können. Zum anderen ist die entsprechende Beteiligung des Top-Managements ein klarer Erfolgsfaktor: Strategieentwicklung liegt in der originären Verantwortung der Geschäftsleitung. Wichtig sind daher eine aktive Rolle und ein kontinuierliches Engagement des gesamten Managementteams über alle Phasen hinweg. Ein bewährtes Vorgehen zur Strategieentwicklung für KMU stellt die Strategiearchitektur dar. Die Architektur stellt auf der Basis pragmatischer Analysen sämtliche relevanten Elemente auf einen Blick dar und vermittelt die weitgehende Vollständigkeit von vorhandenen Optionen. Ein standardisiertes Vorgehen zur Ableitung, Bewertung und Auswahl der strategischen Stossrichtungen schafft sodann die Basis für eine vom gesamten Managementteam getragene Entscheidung. Die Gründe, warum eine Stossrichtung verworfen wurde, wird für alle Beteiligten nachvollziehbar und erhöht die Akzeptanz enorm.

DIE INHALTE DER STRATEGIE Als Resultat der Strategieentwicklung sollte ein schlankes und leicht verständliches Dokument entstehen, das als Leitlinie für die nun folgenden und entscheidenden

Phasen der Umsetzung und Verankerung der Strategie dient. Vier Kernelemente sind dabei wesentlich: 1. Begeisterndes, identitätsstiftendes Bild der Zukunft (Vision, Mission): Wer sind wir? Warum gibt es uns? Wofür stehen wir? 2. Positionierung: Für welche Kunden lösen wir Probleme? Wie differenzieren wir uns gegenüber der Konkurrenz? Was ist unser Werteversprechen? 3. Klarheit über strategische Ziele für einen definierten Zeithorizont. 4. Klar definierte strategische Stossrichtungen mit jeweils eigenen Zielen und Roadmaps; keine Ansammlung von Einzelinitiativen. Ein begeisterndes Bild der Zukunft bildet heute ein zentrales Element für die Attraktivität eines Arbeitgebers. Gerade für KMU nimmt dessen Notwendigkeit zu, um im Wettbewerb um Talente attraktiv zu sein. Gemäss einer Umfrage der Harvard Business Review wären über neun von zehn Befragten sogar bereit, für sinnstiftende Arbeit auf Gehalt zu verzichten. Mit anderen Worten: Neben dem «Was» und «Wie» gilt es für KMU auch, sich intensiv mit dem «Warum» auseinanderzusetzen. Dies darf allerdings zum einen keine Alibi-Übung sein («das muss man halt heute so machen») und zum anderen «kann auch nicht jedes Unternehmen die Welt retten». Ein begeisterndes Bild der Zukunft zeichnet sich durch vier Eigenschaften aus: Es ist erstens relevant und sinnstiftend, zweitens motivierend und emotionalisierend, drittens handlungsanleitend, und viertens leicht kommunizierbar.

Strategische Stossrichtungen dienen als Rahmen für Einzelmassnahmen.

Für eine erfolgreiche Strategieumsetzung ist vor allem das Element der konkreten strategischen Stossrichtungen entscheidend. Der übliche Weg für eine Operationalisierung der neuen strategischen Ziele ist die Ableitung von strategischen Massnahmen. Die Problematik dabei ist, dass bereits nach kurzer Zeit der Überblick über den Umsetzungsstand der einzelnen Initiativen verloren geht und die Mitarbeiter den Zusammenhang und die Logik der fast willkürlich wirkenden Einzelmassnahmen nicht erkennen. Hier ist es deutlich zielführender, mittels drei bis maximal sechs strategischen Stossrichtungen eine Zwischenebene zu definieren. Deren Bearbeitung wird auf verschiedene Teams verteilt, die dann im Rahmen der gesetzten Leitplanken notwendige Initiativen zur Erreichung der Stossrichtungsziele eigenständig entwickeln, bewerten und umsetzen können. Ein gutes Verständnis schafft hier die Analogie des Leuchtturms: Richtet man den Scheinwerfer gegen den Himmel, so wirft er einen sehr breiten, diffusen Lichtkegel, der kaum Anhaltspunkte für die Navigation liefert. Wird der Scheinwerfer auf den Boden gerichtet, so wird ein konkreter Bereich stark ausgeleuchtet. Dies ist einer singulären Strategiemassnahme gleichzusetzen, bei deren Umsetzung die Mitarbeitenden keinen Handlungsspielraum mehr haben. Strategie sollte daher den Scheinwerfer des Leuchtturms horizontal ausrichten, damit ein entsprechend grosser Lichtkegel entsteht, um einen Fokus zu setzen, der aber noch genügend Spielraum bei der Definition konkreter Initiativen zulässt.

VOM STRATEGIEPAPIER IN DEN ALLTAG Viele Strategien scheitern nicht, weil die Strategieaussagen falsch sind, sondern weil zum einen das Unternehmen nicht über die für die Umsetzung erforderlichen Fähigkeiten verfügt und zum anderen die Veränderungsbereitschaft der Organisation zu gering ist. Das bedeutet konkret: Der Erfolg einer Strategie hängt entscheidend von deren Übersetzung ins Tagesgeschäft und deren Verankerung im Unternehmen ab. Das zentrale Instrument hierfür stellt die sogenannte Unternehmensarchitektur dar. Damit werden die Strukturen sowie die Wertschöpfungsund Informationsflüsse im Hinblick auf die erarbeitete Strategie angepasst und die Ressourcenausstattung sowohl quantitativ als auch qualitativ optimiert.

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Strategieentwicklung fällt in den Verantwortungsbereich der Geschäftsleitung.

Mit anderen Worten: Ist die Strategie (das Was) definiert, werden in der Unternehmensarchitektur das Wer, Wo und Wie ­geklärt. Zu diesem Zweck werden die Geschäftsprozesse, Unternehmensgrenzen oder Schnittstellen zu Dritten. Die Aufbauund Ablauforganisation, die Prozeduren und Ressourcenanforderungen werden geprüft und bei Bedarf an die neue Strategie angepasst. So haben zum Beispiel die Strategie vom Produkt- hin zum Lösungsanbieter und die damit verbundene Vorwärts-, Rückwärts- oder Seitwärtsintegration oft grundlegende Veränderungen in der Unternehmensarchitektur zur Folge, da die Unternehmensgrenzen verlagert werden. Erst wenn diese entsprechend angepasst und umgesetzt werden, wird aus einem nüchternen Strategiepapier eine gelebte Strategie. Ihre volle Durchschlagskraft entfaltet die Strategie schliesslich, wenn sie eine innere Akzeptanz durch jeden einzelnen Mitarbeiter erfährt und das gesamte Unternehmen damit Träger der Strategie wird. Eine Massnahme dafür ist der frühzeitige Einbezug ausgewählter Schlüsselleute aus den wertschöpfenden Funktionsbereichen in die Strategie-Erarbeitung. Dadurch wird die Voraussetzung geschaffen, dass die Strategie auch an der Basis verstanden und umgesetzt wird. Wichtig ist ausserdem eine breite, offene

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und vor allem stufengerechte Information und Kommunikation. Sehr häufig wird der Einfachheit halber die Hochglanzpräsentation für den Verwaltungsrat auch für die Information der gesamten Belegschaft verwendet, was häufig sogar kontraproduktiv wirkt.

so entwickelt die Strategie tatsächlich Orientierung für Entscheidungen im Alltag eines jeden Mitarbeiters.

Es lohnt sich deshalb, die strategischen Aussagen individuell für jeden Mitarbeiter in konkrete Verhaltensanleitungen und Entscheidungskonsequenzen zu übersetzen.

FAZIT Strategie ist mehr als ein Plan. Sie ist ein möglichst tief im betrieblichen Alltag und flächendeckend verankertes Verhaltensmuster, dem das Unternehmen verpflichtet ist. In diesem Sinne wird Strategie dann erfolgreich, wenn sie sich im unternehmerischen Tun niederschlägt und nicht lediglich als umzusetzender Plan mit Einzelmassnahmen verstanden wird. Dazu benötigt es einen geeigneten StrategieEntwicklungsprozess, Konkretisierung und Operationalisierung im Rahmen der Unternehmensarchitektur, eine stufengerechte Kommunikation sowie entsprechende Massnahmen zur Verinnerlichung durch sämtliche Mitarbeiter. Nur so gelingt es, dass sich das Unternehmen proaktiv und konsequent in Richtung der in der Strategie angestrebten Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit entwickelt. Und nur

DR. HARALD BRODBECK ist Dozent für Smart Factory im Studiengang MAS Industrie 4.0 an der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) sowie Geschäftsführer und Partner der Boutique-Beratung Neosight AG.

SABRINA PERL ist Dozentin für Innovationsmanagement im Studiengang MAS Industrie 4.0 an der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) sowie Geschäftsführerin und Partnerin der Boutique-Beratung Neosight AG. www.ffhs.ch


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Mithilfe von Convolutional Neuronal Networks (CNN) soll künstliche Intelligenz beim autonomen Fahren beispielsweise Fussgänger erkennen.

BLACKBOX NEURONALES NETZWERK KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IN DER AUTOMOBILBRANCHE von Václav Diviš

In zunehmend selbstfahrenden Autos sind zuverlässige Convolutional Neuronal Networks (CNN) essenziell, denn mit ihrer Hilfe soll die künstliche Intelligenz (KI) automatisch andere Verkehrsteilnehmer erkennen. Je selbstständiger ein Auto aber fährt, desto grösser werden die Anforderungen an die Sicherheit der Algorithmen. Um Menschenleben zu schützen, ist daher ein tiefes Verständnis der Klassifizierung von neuronalen Netzwerken notwendig. Eine interaktive Visualisierung weist in Richtung eines Lösungsweges. Dieser mündet in einem verbesserten Verständnis von Entscheidungsprozessen in autonomen Fahrzeugen.

E

in CNN arbeitet zunächst per se als Blackbox, die komplexen Entscheidungswege sind folglich schwer nachzuvollziehen, wodurch eine Bewertung der Sicherheitsrisiken schwierig ist. Die aktuellen Methoden zur Analyse und Validierung neuronaler Netzwerke entstammen vor allem der wissenschaftlichen Forschung. Allerdings berücksichtigen

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diese Methoden selten branchenübliche Anforderungen an die funktionale Sicherheit. So fordern etwa die ISO 26262 und ISO / PAS 21448 von den Automobilherstellern ein deutlich umfassenderes Wissen über die konkrete Funktionsweise und die Entscheidungspfade neuronaler Netzwerke, als dies im wissenschaftlichen Diskurs bisher besprochen wurde. Um Prä-

zisionsprobleme bei der Objekterkennung durch CNNs besser zu verstehen, hat die ARRK Engineering GmbH eine Software entwickelt, mit der eine standardisierte Validierung möglich ist. Bei der Entwicklung dieses Visualisierungstools legten wir die Grundlage für eine neue Bewertungsmethode: die sogenannte Neurons’ Criticality Analysis (NCA). Aufgrund dieses Prinzips


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lässt sich eine zuverlässige Aussage darüber abgeben, wie wichtig oder schädlich einzelne Neuronen für eine korrekte Objekterkennung sind.

VISUALISIERUNG DER ENTSCHEIDUNGSPROZESSE Das Zusammenspiel der einzelnen Neuronen in den zahlreichen Schichten eines CNN ist überaus komplex. Jede Schicht und jedes Neuron übernimmt darin besondere Aufgaben bei der Erkennung eines Objekts – beispielsweise ein grobes Aussortieren nach Formen oder das Filtern bestimmter Farben. Jeder Arbeitsschritt trägt aber in unterschiedlichem Ausmass zum Erfolg einer korrekten Objekterkennung bei und kann im schlimmsten Fall das Ergebnis sogar verschlechtern. Diese Komplexität führt dazu, dass die Wichtigkeit einzelner Neuronen für die Entscheidung bisher undurchschaubar war. Daher hat ARRK Engineering als Herzstück seines neuen Tools eine interaktive und benutzerfreundliche Grafik-Oberfläche zur Visualisierung dieser Pfade entwickelt. Auf diese Weise lässt sich die Entscheidungsfindung eines CNN optisch darstellen. Zudem kann die Relevanz bestimmter Schritte für die finale Entscheidung erhöht, verringert oder sogar komplett ausgeschaltet werden. In Echtzeit ermittelt das Tool nach jeder erfolgten Anpassung unmittelbar die Auswirkung dieser geänderten Parameter. Somit können die Wichtigkeit bestimmter Neuronen und deren Aufgaben leichter erkannt und nachvollzogen werden. Das Streaming der Daten lässt sich jederzeit

pausieren, um eine stressfreie und bequeme Analyse vorzunehmen. Während dieses Stopps können dann die einzelnen Elemente über eine intuitive Bedienung genauer untersucht werden. Für diese visuelle Darstellung wählten die Experten von ARRK Engineering die plattformübergreifende Programmierschnittstelle OpenGL, um eine grösstmögliche Flexibilität zu gewährleisten. Dadurch ist die Software auf jedem Gerät universell einsetzbar – sei dies PC, Handy oder Tablet. Besonderen Wert legte ARRK ausserdem auf die Optimierung der Berechnung und der folgenden grafischen Darstellung. Daher wurden in den abschliessenden Benchmark-Tests besonders die Framedrops überprüft. In diesem Rahmen stellten die Experten fest, dass selbst bei der Verarbeitung eines Videos und unter Verwendung einer Webcam die Framerate stabil bei circa fünf FPS lag – sogar bei der Visualisierung von 90 Prozent aller möglichen Feature-Maps. Trotz der Vielzahl an grafischen Informationen und Daten sind somit keinerlei FPS-Einbrüche zu erwarten.

ANALYSE DER KRITISCHEN UND ANTIKRITISCHEN NEURONEN Beim Anlernen des CNN innerhalb des Visualisierungstools von ARRK Engineering werden die Deep-Learning-APIs TensorFlow und Keras als Grundlage verwendet, wodurch allgemeine Standards wie eine flexible Implementierung sämtlicher Klassen und Funktionen in Python bedient werden. Auch weitere externe Bibliotheken

Die Entwicklung einer standardisierten Validierung im Rahmen eines neuronalen Netzwerks ist eine grosse Herausforderung.

DAS CONVOLUTIONAL NEURONAL NETWORK (CNN)

Bei einem CNN handelt es sich um ein neuronales Netzwerk, mit dessen Hilfe die künstliche Intelligenz maschinell angelernt werden kann, um eigenständig Entscheidungen für die Bilderkennung zu treffen. Analog zum menschlichen Gehirn verwendet es dabei Neuronen, die für bestimmte Aufgaben spezialisiert sind – beispielsweise Kantenglättung oder Farberkennung. Dadurch werden in mehreren Schichten (Layers) bestimmte Aspekte eines Bildes gefiltert und bewertet. Am Ende des gesamten Prozesses berechnet das CNN die Wahrscheinlichkeit, mit der es sich beispielsweise um einen Fussgänger, Radfahrer oder ein Fahrzeug handelt.

DIE ISO 26262 UND DIE ISO / PAS 21448

Bei der ISO 26262 handelt es sich um eine Norm für die Automobilindustrie in Bezug auf die funktionale Sicherheit. Sie unterteilt die Massnahmen zum potenziellen Risiko von Fahrzeugfunktionen in sogenannte «Automotive Safety Integrity Levels» – kurz ASIL. Diese fünfstufige Skala (QM, A, B, C, D) definiert unterschiedliche Prozess­ anforderungen für die Entwicklung des Produkts: Bei ASIL QM ist beispielsweise eine «übliche Qualitätssicherung» durch einen eingesetzten Entwicklungs­ prozess ausreichend, während bereits ab ASIL A zusätzliche Massnahmen zur Risikominderung mithilfe von Über­wachungsdiagnosen und Plausi­ bilitätsfunktionen ergriffen werden müssen. Die ASIL D beschreibt das Produkt mit dem höchsten Risiko­ potenzial und damit den höchsten Sicherheitsanforderungen. Die ISO / PAS 21448 enthält ergänzende Leitlinien für die Design-, Verifikationsund Validierungsmassnahmen beim autonomen Fahren, die zur Erreichung der sogenannten Safety of the Intended Functionality (SOTIF) erforderlich sind. Dabei steht besonders die korrekte Wahrnehmung von komplexen Sensoren und der dazu­ gehörigen Prozessalgorithmen im Vordergrund.

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Die interaktive und benutzerfreundliche Grafik-Oberfläche ist das Herzstück des Tools. In Echtzeit ermittelt es nach jeder Anpassung der Parameter deren Auswirkungen auf das Endergebnis.

SEKTOREN DER VISUALISIERUNG

Der Bereich 1 dient zur initialen Einstellung des Tools. Im Bereich 2 findet man die pausierbare Visuali­ sierung der Zwischenschichten. Mit Nummer 3 wird die Übersicht der CNN-Schichten und -Parameter bezeichnet. Der Bereich 4 ermöglicht dem Benutzer, das Eingangsbild zu beeinflussen. Im Bereich 5 kann man die Gewichtungen von ausgewählten Schichten sehen und zusätzlich ermöglicht Bereich 6, die einzelnen Werte zu ändern.

lassen sich einfach anbinden. Sobald das neuronale Netzwerk ausreichend trainiert wurde, kann die Analyse der kritischen und antikritischen Neuronen beginnen – die Neurons’ Criticality Analysis. Dafür bietet ARRK als modifizierbare Parameter zusätzliches Bildrauschen (Noise), das Hinzufügen oder Entfernen von Farbfiltern sowie die Maskierung bestimmter benutzerdefinierter Bereiche an. Eine Veränderung dieser Werte zeigt direkt, wie stark einzelne Neuronen die Entscheidung am Ende beeinflussen. Auch wird so deutlich, welche Stellen des neuronalen Netz-

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werkes möglicherweise den gesamten Erkennungsprozess stören. Mithilfe eines durchdachten Algorithmus wird basierend auf dieser Analyse automatisch die Kritikalität jedes einzelnen Neurons berechnet. Liegt der Wert eines Neurons darüber, stört dies die korrekte Bilderkennung. Der kritische Schwellenwert kann beliebig angepasst werden. Dessen finale Definition hängt von zahlreichen Faktoren ab – beispielsweise von der erwünschten funktionalen Sicherheit –, aber auch ethische Aspekte spielen hierbei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Je nach Wunsch kann dieser Wert selbst darüber hinaus noch angepasst werden, wodurch die grösstmögliche Flexibilität des Tools gewährleistet ist. Auf diese Weise ist das Tool nicht auf die derzeitigen Ansprüche und Normen fixiert, sondern kann bei Änderungen der Sicherheitsvorschriften jederzeit an die neuen Anforderungen angepasst werden.

HÖHERE SICHERHEIT Mit diesem Visualisierungstool ermöglicht ARRK Engineering eine grafische Validierung neuronaler Netzwerke. Dank der Software in Verbindung mit der NCA können nun weitere Schritte folgen, um die Sicherheitsrisiken beim autonomen Fahren durch

zusätzliche Mechanismen zur Plausibilisierung weiter zu reduzieren. Das Ziel von ARRK ist es, die Anzahl der kritischen Neuronen zu minimieren oder besser aufzuteilen, sodass auf eine robuste Bilderkennung der KI vertraut werden kann. Die Experten freuen sich daher bereits auf das Feedback aus der Praxis, denn so werden sie das Tool weiter optimieren können. Aktuell arbeitet ARRK Engineering beispielsweise bereits an einer Ergänzung der Klassifizierung durch die Lokalisation von Objekten. Hier besteht allerdings noch die Herausforderung, dass neben der Klassifizierung auch die Koordinaten der Objekte auf übersichtliche Weise visualisiert werden müssen.

VÁCLAV DIVIŠ ist Senior Engineer ADAS & Autonomous Driving bei ARRK Engineering. www.arrk-engineering.com


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Elektromobilität zeigt eine hohe Dynamik.

ELEKTROMOBILITÄT AUF DER ÜBERHOLSPUR AUCH KMU KÖNNEN SICH ENGAGIEREN von Viviane Winter

Die Elektromobilität wird immer wichtiger und spielt eine Schlüsselrolle für eine moderne und zukunftsfähige Mobilität. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der schweizerischen Energie- und Klimaziele. Letztes Jahr hat die Anzahl neu zugelassener elektrischer Fahrzeuge gegenüber 2019 um fast 50 Prozent zugenommen.

I

mmer mehr Modelle kommen auf den Markt, die mittlerweile fast alle Fahrzeugkategorien abdecken. Auch Unternehmen elektrifizieren vermehrt ihre Flotten. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich als Unternehmen zu engagieren: Beispielsweise gibt es die Roadmap Elektromobilität 2022. Dies ist eine freiwillige Initiative, deren Aktivitäten von den Bundesämtern für Energie (BFE) und Strassen (ASTRA) koordiniert werden. Die Roadmap verfolgt das Ziel, den Anteil der sogenannten «Steckerfahrzeuge» (reine Elektroautos und Plug-in-Hybride) bei den Neuzulassungen von Personenwagen bis zum Jahr 2022 auf 15 Prozent zu erhöhen. Sie ist ein Gemeinschaftswerk: Mittlerweile sind über 50 Organisationen und Firmen verschiedener Branchen dabei und engagieren sich mit selbst festgelegten Massnahmen in den Themenfeldern «Erfolgreiche Marktentwicklung Fahrzeuge», «Optimale Ladeinfrastruktur» sowie «Anreize und Rahmenbedingungen».

NEUE ZIELSETZUNGEN Der Markt für Elektroautos entwickelt sich rasant. Nach den ersten drei Monaten des Jahres 2021 liegt der Anteil an Steckerfahrzeugen bei knapp über 16 Prozent. Das angestrebte Ziel der Roadmap-Community ist somit bereits erreicht. Auf Anregung von Bundesrätin Simonetta Sommaruga führen die Akteure zurzeit einen Dialog,

um neue Zielsetzungen bis 2025 festzulegen. Im gleichen Zug werden ausserdem neue Massnahmen geplant. Die Roadmap Elektromobilität steht weiteren Organisationen und Firmen offen, die ebenfalls einen Beitrag zur Zielerreichung leisten wollen. Hier werden Bereiche wie Ladestationen, Flottenelektrifizierungen, Elektromobilitätsberatungen oder weitere Felder angesprochen.

VON DER BERATUNG ZUR HANDLUNG Es gibt jedoch auch Möglichkeiten für Unternehmen, die nicht im Bereich der Elektromobilität arbeiten. Vielleicht überlegt sich Ihre Firma, die Flotte zu elektrifizieren oder Ladestationen für die Mitarbeitenden zu installieren? Vielleicht interessieren Sie sich generell für das Thema, haben aber noch allerlei Fragen und möchten sich gerne beraten lassen? Hier hilft das kostenlose Angebot «charge4work» von Swiss E-Mobility: Das unabhängige Expertenteam bietet eine kostenlose Beratung vor Ort oder per Videochat und beantwortet Fragen aus der Praxis. Das Unternehmen erhält dadurch konkrete und realisierbare Handlungsempfehlungen. Interessierte erfahren zum Beispiel, wie Ihr Unternehmen von der Elektromobilität profitieren kann, welche Elektroautos und Ladestationen

sich für Ihr Unternehmen eignen und wie Sie bei Ihrem E-Mobilitätsprojekt vorgehen. Das Angebot wird durch das Programm EnergieSchweiz des BFE unterstützt. Wenn ein Unternehmen sich dazu entscheidet, die Firmenflotte zu elektrifizieren, kann es eine Zertifizierung durch Clean Fleet angehen. Clean Fleet zeichnet Firmen aus, die Personenwagen-Flotten mit überdurchschnittlich niedrigen CO2Werten betreiben. Die Elektromobilität spielt dabei eine zentrale Rolle und hilft, den CO2-Ausstoss markant zu senken. Das Angebot wird durch das Programm EnergieSchweiz des BFE unterstützt. Die Elektromobilität ist ein sehr dynamisches Feld und wir dürfen gespannt sein, wie sie sich weiterentwickelt.

VIVIANE WINTER ist Fachspezialistin für Mobilität am Bundesamt für Energie. www.bfe.admin.ch

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Durch Cargo sous terrain werden Landschaften geschont.

CARGO SOUS TERRAIN

EINE EINMALIGE, INNOVATIVE LOGISTIKINFRASTRUKTUR von Gabriele P. Guidicelli

Was sind die Ziele von Cargo sous terrain und wer profitiert von diesem innovativen unterirdischen Gütertransportsystem am meisten? Warum unterstützt die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates (KVF-S) das Projekt Cargo sous terrain? Fünf Gründe erklären das Erfolgsversprechen der einmaligen, innovativen Infrastruktur von Cargo sous terrain, die bis im Jahre 2045 etappenweise entstehen wird.

M

it Cargo sous terrain wird die Schweiz bis 2045 ein automatisiertes, digital gesteuertes Gesamtlogistiksystem erhalten, das die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und die Lebensqualität langfristig begünstigt. Cargo sous terrain wird eine hohe Versorgungssicherheit und pünktliche Lieferungen von Paletten, Behältern und Paketen sicherstellen. Zum System gehören unterirdische Transporttunnel zwischen den Zentren im schweizerischen Mittelland und eine umweltschonende Feinverteilung in Städten und Industriegebieten, die City-Logistik.

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Die Erfolgsfaktoren von Cargo sous terrain sind nicht in erster Linie die technischen Ausprägungen des Systems, wie sie beispielsweise von Hyperloop-Unternehmungen propagiert werden, sondern sie beruhen sowohl auf dem Nutzen für die Bevölkerung und die Transportbranche als auch der Schonung von Landschaft und Umwelt. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren beruhen auf der Nachfrageorientierung für die Bevölkerung, dem schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen und der Landschaft, der Verkehrs- und Ressourcen-

reduktion in der Wirtschaft, der privatwirtschaftlichen und diskriminierungsfreien Initiative und dem Nachhaltigkeitsgrundsatz im Projekt.

GRUND 1: NACHFRAGEORIENTIERUNG 2016 hat das Bundesamt für Raumentwicklung ARE in einem Referenzszenario festgestellt, dass im Jahr 2040 der Güterverkehr gut ein Drittel gegenüber dem Jahr 2010 zunehmen wird. Genau genommen haben die Autorinnen und Autoren erkannt, dass es sich um eine Zunahme von rund 37 Prozent der Transportleistung


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Leerfahrten werden nach Möglichkeit vermieden.

handelt. Damit weisen sie auf eine grosse Auswirkung auf die nationalen und kantonalen Strassen hin. Diese Zunahme der Transportleistung beruht auf dem Bevölkerungswachstum, das sich schlussendlich aufgrund der Bedürfnisse an Nachschub von Gütern auswirkt. Cargo sous terrain hat als Massnahme erkannt, dass die überlasteten Strassen und Schienen nur durch eine ergänzende Gütertransport-Infrastruktur entlastet wer­ den können.

GRUND 2: SCHONUNG DER KULTURLANDSCHAFT Die Initianten des Projektes Cargo sous terrain haben sich überlegt, für die Zunahme des Güterverkehrs nicht die Strassen zu erweitern, sondern den Güterverkehr in eine dedizierte Infrastruktur zu verlegen. Diese neu zu realisierende Infrastruktur darf aber die Landschaft nicht unnötig belasten, sondern sollte in einer Umgebung realisiert werden, die die Landschaft schont. Der Lösungsansatz beruht auf dem unterirdischen Transport von Gütern. Der Grundsatz von Cargo sous terrain

beruht auf dem Leitgedanken «Menschen oberirdisch – Güter unterirdisch». Die Versorgung der Menschen mit Energie, Wasser und Datenleitungen findet grösstenteils auch unter der Erdoberfläche statt. Deshalb ist es naheliegend, dass auch die Versorgung mit Gütern unterirdisch sein soll. Damit ermöglicht das Projekt Cargo sous terrain eine grundsätzliche Schonung der Kulturlandschaft. Das neuste Denkmuster der Raumentwickler im Zusammenhang mit städtebaulichen Massnahmen propagiert, dass Wohnen und Leben über Versorgungsdienstleistungen, zum Beispiel den Gütertransport, zu realisieren ist. Damit wird die Schonung der Landschaft durch den Grundsatz der vertikalen Logistik (logistische Transporte in vertikaler Richtung) noch erhöht. Cargo sous terrain setzt diesen Grundsatz mit Vertikalförderern konsequent um. So umgeht Cargo sous terrain die horizontalen Portaleintritte und langen Steigstrecken, wie sie bei Strassen- und Eisenbahntunnels notwendig sind. Getreu dem Landschaftskonzept der Schweiz soll wo immer möglich und wirt-

schaftlich sinnvoll das Sachziel «schutzwürdige Natur- und Kulturobjekte sowie Landschaften erhalten» der Raumplanung eingehalten werden. Dieser Blickwinkel wird im Landschaftskonzept Schweiz von 2020 mit dem Sachziel Raumplanung und den Aspekten «Landschaft», «Natur» und «Baukultur» hinsichtlich der Siedlungsentwicklung konkretisiert.

GRUND 3: RESSOURCENUND VERKEHRSREDUKTION Allgemein wird oft von zu wenig ausgelasteten Güterverkehrswagen und einer sehr hohen Anzahl an Leerfahrten gesprochen. Dies kann für einen Teil der Transportbranche durchaus zutreffen, aber in der Tat ist zu berücksichtigen, dass die Transporteure und Verlader wo immer möglich die Güterverkehrswagen getreu dem Motto «Full Truck Loading» füllen. Das ist insbesondere der Fall, wenn ganze Wagen­ ladungen von einem Center zu einem anderen gefahren werden können. Es wäre auch vermessen zu glauben, dass eine hundertprozentige Auslastung der Ladeflächen möglich ist. Wird ein Teil einer Ladung bei einem ersten Empfänger abgeladen, so fährt der Güterverkehrswagen mit einer teilweise leeren Ladefläche

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dass Cargo sous terrain bis zu 80 Prozent CO2-Einsparungen pro transportierte Tonne aufweisen kann. Cargo sous terrain will konsequent und vom ersten Moment ihrer Aktivitäten an nur mit erneuerbaren Energien arbeiten. Die eingesetzten Fahrzeuge werden keine fossilen Verbrennungsmotoren haben, sondern entweder mit Strom oder mit synthetischem Wasserstoff angetrieben werden.

FAZIT Anstelle der Erweiterung und Verbreiterung der nationalen Strassen beabsichtigt Cargo sous terrain, die Zunahme des Güterverkehrs unterirdisch aufzufangen. Damit wird die Versorgung der Bevölkerung nicht gestoppt, die Landschaft nicht zubetoniert und gleichzeitig die Güterversorgung für die Bevölkerung in einer neuen Form sichergestellt. Die Fortbewegung unter der Erde wird vielfältiger.

­ eiter. Auch ist es in speziellen Branchen w üblich, dass die Rückfahrt leer ist. Cargo sous terrain will in seinem System eine ausgewogene Auslastung erzielen und geht dieses Phänomen mit einem kleinteiligen und kontinuierlichen Transportprinzip an. Damit wird sichergestellt, dass nahezu für alle Nutzer des Systems die Transportfahrzeuge im Cargo-sousterrain-System ausgelastet sind. Davon profitieren die Systemnutzer selbst, aber auch die Kunden und die Bevölkerung. Letztere wird davon insofern profitieren, als dass ihre Güterversorgung auch künftig aufrechterhalten und gleichzeitig der Verkehr auf den von ihr genutzten Strassen reduziert wird. Cargo sous terrain zeigt so, dass sowohl Ressourcen- als auch Verkehrsreduktion bei gleichbleibender Transportleistung mit der neuen Gütertransportinfrastruktur erzielt wird.

GRUND 4: PRIVATWIRTSCHAFTLICH UND DISKRIMINIERUNGSFREI Cargo sous terrain ist eine privatwirtschaftlich organisierte Unternehmung, die von ihren Aktionärspartnern getragen wird. Es werden keine Subventionen oder öffentlichen Gelder in dieses Projekt fliessen. So ist Cargo sous terrain unabhängig von staatlichen Auflagen und kann am Markt frei auftreten. In diesem Zusammenhang bestehen Befürchtungen hinsichtlich eines

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Konkurrenzdenkens, welche aber nicht zutreffen. Das Cargo-sous-terrain-System kann diskriminierungsfrei genutzt werden. Das bedeutet, dass jede private, institutionelle oder juristische Person ihre Güter mit dem Cargo-sous-terrain-System transportieren kann. Der Zugang zu einem Transportauftrag ist auch über eine andere Transportfirma möglich. Diese überwacht ihren Kundenauftrag und lässt die Güter von Cargo sous terrain transportieren.

GRUND 5: NACHHALTIG DURCH UMWELTSCHUTZ Unter Nachhaltigkeit versteht Cargo sous terrain nicht nur das Vermeiden von umweltbelastenden Emissionen, sondern einen ganzheitlichen Ansatz. Getreu den Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) werden neben den ökologischen auch die ökonomischen und sozialen Ziele der nachhaltigen Entwicklung beachtet und umgesetzt. In der Planung des Gesamtsystems wird vor allem auf diejenigen Ziele fokussiert, die die höchsten nachhaltigen Erfolge versprechen. In einer ersten Life-Cycle-AssessmentAnalyse durch die neutrale Beratungsunternehmung Quantis Schweiz hat Cargo sous terrain im Rahmen der Machbarkeitsstudie im Jahr 2015 die Bestätigung erhalten, den nachhaltigen Gedanken zu leben. Im Vergleich konnte aufgezeigt werden,

Durch die geschickte Bündelung auf kleinteilige Gütermengen und den kontinuierlichen Fluss in der dedizierten Infrastruktur wird nicht nur der Verkehr auf den herkömmlichen Strassen reduziert, sondern auch in der Infrastruktur selbst auf einem Minimum gehalten. Von der neuen Infrastruktur profitiert sowohl die Bevölkerung als auch die Transportbranche, denn der Zugang zum Cargo-sous-terrainTransportsystem ist für alle gleichermassen nutzbar. Mit der sehr langen Lebensdauer des Systems von mehr als 100 Jahren werden auch die Enkel beziehungsweise die nachkommenden Generationen berücksichtigt. Alles in allem ist Cargo sous terrain ein Gewinn für alle.

GABRIELE P. GUIDICELLI ist Dozent für Innovation Management und Logistikmanagement an der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) und Projektleiter Technik bei der Cargo sous terrain AG (CST). www.ffhs.ch


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GLOBAL & LOKAL

Der Schritt ins Ausland will sorgfältig geplant sein.

GOING GLOBAL

INTERNATIONALISIERUNG ALS SCHRITT NACH VORNE von Philip Morger

Die Erschliessung eines neuen Marktes ist für Unternehmen immer eine Herausforderung. Was müssen KMU berücksichtigen, wenn sie ausländische Märkte erschliessen möchten? Wie können Sie dabei vorgehen? Was ist vor dem Markteintritt am wichtigsten?

P

lant ein Unternehmen den Schritt ins Ausland, sollte der Markteintritt sorgfältig vorbereitet werden. Um unliebsamen Überraschungen vorzubeugen, müssen einerseits die objektiven Faktoren wie das Wirtschaftswachstum, die Zahlungsbereitschaft oder die Absatzmenge einer Produktkategorie in einem Land berücksichtigt werden. Andererseits sind aber gerade auch bei kleinen Firmen die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten besonders wichtig. Switzerland Global Enterprise (S-GE) empfiehlt, die Erschliessung ausländischer Märkte in zehn Schritten anzugehen. Besonders relevant für den Aufbau eines neuen Marktes sind die ersten vier. Dabei geht es in erster Linie darum, Marktwissen aufzubauen.

gend in Zusammenhang mit der Exportaktivität stehen. Es sind jedoch wichtige Grundlagen, die für den Aufbau der Exportaktivitäten erarbeitet werden müssen.

ZWEITER SCHRITT: EVALUATION MÖGLICHER MÄRKTE Sind die Grundlagen erarbeitet, geht es darum, mögliche Märkte zu evaluieren. Es gilt, Kriterien zu definieren, wann ein Markt für ein Unternehmen attraktiv ist. Das ist sehr individuell. Es gilt auch, sich der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten bewusst zu werden. Gerade für Unternehmen mit beschränkten Ressourcen ist es sinnvoll, zuerst Märkte in Angriff zu nehmen, zu denen man einen Bezug hat. Auch

ERSTER SCHRITT: ERARBEITUNG DER GRUNDLAGEN Der Prozess beginnt mit der Erarbeitung der Grundlagen. Es gilt, die grundsätzlichen Fragestellungen zur eigenen Firma zu klären. Sind Ziele, Use Case und Value Proposition definiert sowie finanzielle und personelle Ressourcen vorhanden? Besteht eine realistische Risikoabschätzung? Die Klärung dieser Fragen muss nicht zwin-

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Es müssen viele Faktoren berücksichtigt werden.

wichtig ist es, die Markteintrittshürden zu kennen und sich einen Überblick über Zölle und Abgaben zu verschaffen. In dieser Phase sind Wissenslücken identifiziert und man weiss, welche Quellen man heranziehen kann, um sie zu schliessen.

DRITTER SCHRITT: DEFINITION DER MARKTEINTRITTSSTRATEGIE Beim dritten Schritt wird das Geschäftsmodell – vor allem das Export-Geschäftsmodell – definiert. Gibt es diesbezüglich noch Unklarheiten, sind sie erkannt. Es kann beispielsweise gut sein, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz klar ist, ob man im Export den gleichen Vertriebsweg wie im Heimmarkt wählen möchte. Das


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muss man zu diesem Zeitpunkt noch nicht zwingend wissen. Wichtig ist jedoch, sich diese Fragen zu stellen und in einem nächsten Schritt zu prüfen, welcher Weg am sinnvollsten sein könnte. Auch die Frage, ob und welche Partner es vor Ort braucht oder ob eine eigene Einheit, zum Beispiel eine Tochtergesellschaft, sinnvoll wäre, sollte zu diesem Zeitpunkt geklärt werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Wissen um die erfolgskritischen Faktoren.

das zentralste Element: Sie müssen ein Verständnis für den Kunden aufbauen. Markttests sind eine gute Möglichkeit, um zu verstehen, wie sich der Kunde vor Ort vom Schweizer Kunden unterscheidet. Werden die ersten Schritte sorgfältig durchgeführt und die gesetzlichen und regulatorischen Fragen geklärt, steht der erfolgreichen Lancierung des Produkts oder der Dienstleistung nichts mehr im Weg.

VIERTER SCHRITT: MARKTVALIDIERUNG Ist die Go-to-Market-Strategie definiert, geht es darum, den Markt zu validieren. Man hat im Vorfeld eine Hypothese formuliert und versucht nun, diese zu überprüfen. Oft geht man direkt in den Markt, um zu testen, ob sich die vorab getroffenen Annahmen bewahrheiten oder ob allenfalls noch gewisse Anpassungen notwendig sind. Zu diesem Zeitpunkt müssen Unternehmen auch wissen, mit wem sie vor Ort sprechen müssen, um zu erfahren, ob sich der gewählte Ort für sie lohnen wird. Auch die Mitbewerber sollten sie kennen. Und

PHILIP MORGER ist Consultant Internationalization Starters bei Switzerland Global Enterprise, die offizielle Schweizer Organisation für Export- und Standortförderung. www.s-ge.com

EMPFEHLUNG FÜR JUNGUNTERNEHMER

> Marktfähigkeit: Überprüfen Sie, ob Ihr Produkt tatsächlich marktfähig ist. > Fokussierung: Fokussieren Sie Ihre Kräfte, starten Sie klein. > Nähe: Nutzen Sie die geografische und kulturelle Nähe gewisser Märkte. > Austausch: Tauschen Sie Erfahrungen mit anderen aus, die bereits vor Ort tätig sind. > Markttests: Testen Sie Ihre potenziellen Märkte. > Lokale Marktgegebenheiten: Informieren Sie sich darüber, welche Mitbewerber vor Ort sind und wie sich Ihr Produkt von deren Produkt unterscheidet. > Geschäftsmodell: Passen Sie Ihr Geschäftsmodell den Marktgegebenheiten an. > Präsenz: Reisen Sie so oft wie möglich in den Zielmarkt, um Erfahrungen zu sammeln.

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GLOBAL & LOKAL

Von Afrika sind leider meist nur die Konturen zu sehen.

THEORETISCH INTERESSANT – PRAKTISCH SCHWIERIG AUFBRUCH FÜR AFRIKA von Georg Lutz

Das Buch «Afrika First!» ist eigentlich ein Aufruf, ja ein Manifest gegen das Vergessen eines ganzen Kontinents. Und das ist zunächst lobenswert. Auch Unternehmensverantwortliche pflegen lieber ihre Vorurteile gegenüber dem «Katastrophenkontinent», als selbst zu überlegen, wie man aus dieser Katastrophe herauskommt. Sie überlassen das Geschehen zum Beispiel Akteuren aus China und wachen wie viele andere erst dann wieder auf, wenn Geflüchtete aus Afrika vor unseren Türen stehen. Diese Situation muss sich ändern, fragt sich nur wie.

A

frika ist ein Kontinent, der im Abseits steht. Wer Vorträgen lauscht, bei denen es um die Globalisierung von Wirtschaftsbeziehungen geht, erkennt auf den Power-Point-Folien zu Afrika nur die rudimentären Umrisse des Kontinents. Überall sonst auf dem Globus verdichten sich die Punkte, sie leuchten auf und die Verbindungslinien werden dichter. In Afrika gibt es, wenn man Glück hat, einige wenige vereinzelte Punkte in Ägypten oder Südafrika. Südlich der Sahara verorten nicht nur Wirtschaftsakteure ausschliesslich Korruption und Katastrophen. Das ist ein ziemlich verzerrtes Bild, mit dem ein ganzer Kontinent ins Abseits gestellt wird. Medien verfestigen solche Katastrophenbilder. Das hat man in den letzten Monaten auch am Beispiel der Pandemie gesehen. HIV kam aus Afrika, Ebola kam aus Afrika und sicher wütet auch Covid-19 ganz fürchterlich in Afrika. Es ist Afrika! Es ist eigentlich unvorstellbar, dass der Kontinent glimpflich davonkommt. Nicht nur der UN-Generalsekretär Guterres warnte vor Millionen von Toten. Das ist bislang nicht eingetreten. Die meisten afrikanischen Gesellschaften meisterten die Pandemie besser als viele europäische Gesellschaften. Solche Wirklichkeiten passen aber nicht

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in das Wahrnehmungsmuster Europas – sie werden schlicht verdrängt, passen nicht ins Bild.

KLARTEXT SPRECHEN Gegen das Ausblenden und Verdrängen warnen nun seit Jahren vereinzelte Aktivisten und einige Nichtregierungsorganisationen. Dazu ein historisches Beispiel: Im März 2010 war der Autor dieser Zeilen an den X-DAYS in Interlaken. Dort richtete Bob Geldof, ältere Semester werden sich noch an das «Live Aid»-Spektakel 1985 erinnern, mahnende Worte an über 300 Unternehmensvertreter der Schweiz. Die ökonomische Elite der Schweiz musste sich selten solch klare Worte anhören. Europa würde sehenden Auges Afrika aus dem Blick verlieren. Demgegenüber gäbe es für Europa die Chance, in Afrika zu investieren. Schon aus Eigeninteresse müsste Europa die Hilfe für Afrika erhöhen, so Geldof. Afrika sei der Markt der Zukunft. Das hätte die chinesische Regierung verstanden. Sie würde das Vakuum füllen, das Europa hinterlässt. Strategisch geschickt würde in Infrastruktur investiert. Passend zur gegenwärtigen Resignation der europäischen Staatsmänner zitierte Geldof Johann Wolfgang von Goethe: «Was

immer du tun kannst oder davon träumst, es zu tun: Fang damit an.» Trotz der Worte des Dichterfürsten hat sich in den letzten elf Jahren nicht viel getan. Einzelne Akteure in den betreffenden staatlichen Institutionen wie dem BMZ in Deutschland oder der DEZA in der Schweiz versuchen immer wieder, Zeichen zu setzen, und stampfen Projekte und Unternehmensgründungen aus dem Boden. An der tristen Gesamtsituation ändert sich wenig.

DER GROSSE WURF Der Unternehmer Martin Schoeller und ­der Wirtschaftsjournalist Daniel Schönwitz wollen dies nun mit «Afrika First!» verändern. Dabei setzen sie nicht auf leise Töne, sondern auf den grossen Rumms und viel Geld. 1 000 Milliarden für Afrika, zum Beispiel in Form von Bonds, sind kein Pappenstiel. Zudem sind die Erfahrungen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit nicht gerade berauschend. Nachdem über Jahrzehnte horrende Hilfsbeträge versickert sind, mag so mancher einen schlechten Scherz wittern. Die Autoren spüren aber den bitteren Ernst! Wir müssen jetzt deutlich mehr Geld für Afrika in die Hand nehmen, finden Martin Schoeller und Daniel Schönwitz. Sonst erlebe der Katastrophen-


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Für die Autoren ist Afrika «ein vielversprechender Markt in einem frühen Entwicklungsstadium, der eine Kaufkraft aufweist, wie sie China vor dreissig Jahren hatte.» Zudem gäbe es eine sehr junge Bevölkerungspyramide, die in der Zukunft Ihre Potenziale ausspielen könnte. Nur haben afrikanische Akteure, und das ist ein erster Einwand, nicht wie China das strategische Potenzial einer Regierung, die sich weiter als sozialistisch bezeichnet, gleichzeitig aber sehr geplant dem liberalen Weltmarkt öffnet und heute in einigen Branchen den klassischen Westen überholt hat.

HISTORISCHE BLAUPAUSE

AFRIKA FIRST! Die Agenda für unsere gemeinsame Zukunft Von Martin Schoeller und Daniel Schönwitz, 2020 Berg & Feierabend Verlag ISBN 978-3-948272-08-1 232 Seiten

kontinent tatsächlich Katastrophen. Der Klimawandel sei da nur ein Beispiel. Und richtig, die Menschen machen sich auf nach Europa, wie im 19. Jahrhundert viele Europäer in die USA. In den USA erwarteten sie damals keine Mauern, heute vor Europa die Afrikaner schon. Es stellt sich immer dringender die Frage nach anderen Handlungsoptionen. Ganz praktisch, so die Autoren, würden die aktuell niedrigen Zinsen die Chance bieten, Grosses zu bewegen: das Ende der Armut einzuläuten, eine Massenflucht zu verhindern und einen gemeinsamen Wirtschaftsraum zu formen. Das sind grosse Elefanten, die da im Raum stehen. Für Schoeller und Schönwitz geht es darum, eine beispiellose Infrastruktur-Offensive zu mobilisieren. Sie sind überzeugt: Das wäre ein Big Bang für Afrika und würde einen Investitionsboom auslösen. Damit das Geld nicht versickert, fordern sie zugleich einen Neustart in der AfrikaPolitik: Europa müsse Reformen im Sinne einer «sozialen Marktwirtschaft» unterstützen. Dies sei der Schlüssel, um nachhaltiges Wachstum zu stimulieren, von dem auch die Armen profitieren würden. Das ist eine kühne Vision, ist sie aber auch praktisch umsetzbar?

Zentraler Begriff für die Transformation der Beziehungen zwischen Afrika und Europa ist die «soziale Marktwirtschaft». Laut Schoeller und Schönwitz beinhaltet sie eine Erfolgsformel, die Afrika wie das ­Europa der fünfziger und sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts nutzen könnte. Demgegenüber hätten die realsozialistischen Ansätze und auch die rein wirtschaftsliberalen Vorstellungen nicht nur in Afrika versagt. Hier kann der Autor nur zustimmen. Das European Economic Model der «sozialen Marktwirtschaft» beruht nach Ansicht der Autoren auf vier Säulen – den sozialen, ökologischen, kartellrechtlichen und den Antikorruptionsstandards. So sei in Europa der Wohlstand in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts entstanden. Auch das ist richtig. Nur ist zu fragen, ob man eine historische Blaupause von vor über sechzig Jahren dem heutigen Afrika überstülpen kann. Die «soziale Marktwirtschaft» ist zunächst ein Kampfbegriff, der in Deutschland gerne mit Namen wie Ludwig Erhard (praktisch) oder der ordoliberalen Freiburger Schule (theoretisch) verbunden wird. Auch in «Afrika First!» sind sie der Initialzünder und gelten als Garanten des «Wirtschaftswunders» in Deutschland. Nur können auch andere europäische Staaten wie Italien oder Frankreich, die in Teilen vor 60 Jahren eine ganz andere Wirtschaftspolitik betrieben, wirtschaftliche Erfolge vorweisen. So setzte Frankreich schon damals auf die grösseren Industriekonzerne. Der historische Rahmen war der Kalte Krieg, in dessen Rahmen es zu einer nachholenden fordistischen Industrialisierung kam, die in Verbindung mit Massenkonsum stand. Die heutige Situation Afrikas ist etwas anders. Zudem gibt es weder in den USA noch in Europa namhafte Akteure, die gewillt sind, massiv Investitionsgelder nach Afrika pumpen. Genau dies

schlagen aber die Autoren vor. Theoretisch hören sich die Vorschläge gut an und es ist auch wichtig, sie auf die politische Agenda zu setzen. Wer sie aber praktisch umsetzen soll, bleibt unklar. Das ist das zentrale Manko des Buches.

WENIG GLAUBWÜRDIGKEIT Zudem gibt es in Europa selbst Widersprüchlichkeiten, die einem Agieren «auf Augenhöhe», wie es auch Schoeller und Schönwitz fordern, im Wege stehen. Nehmen wir nur als Beispiel die europäische Agrarpolitik. Noch immer gelangen hochsubventionierte Produkte aus Europa nach Afrika. Dort können lokale Anbieter vor Ort nicht mithalten. Ähnlich geht es afrikanischen Fischern vor der westafrikanischen Küste. Sie haben gegen die Fabrikschiffe der EU keine Chance. Die Gewässer sind leer gefischt. Aus dieser Situation entstehen teuflische Kreisläufe. Da viele Bewohner in dieser ökonomischen Situation keine Perspektive mehr sehen, flüchten sie nach Italien oder Spanien. Dort arbeiten sie unter unsäglichen Bedingungen in der Landwirtschaft. Die Produkte landen dann später auf afrikanischen Tellern. So macht sich die europäische Seite nicht gerade glaubwürdig und kann auch Missstände in Afrika nicht anprangern.

FEHLENDE BEISPIELE Gerne hätte man dem Buch auch noch einige Länderbeispiel gewünscht. Auch das gehört zu einem Praxistest. So ist S ­ omalia trotz Hilfsgeldern und militärischen Interventionen ein failed state. Es stellt sich die Frage, wie hier die Ansätze von Schoeller und Schönwitz zum Tragen kommen sollen. Das Nachbarland Somaliland – eine Abspaltung, die in der internationalen ­Diplomatenwelt nicht anerkannt wird – hat auf sehr niedrigem Niveau und unter ganz schwierigen Voraussetzungen eine beeindruckende Entwicklung hingelegt, die jetzt gefördert werden sollte.

GEORG LUTZ ist Chefredaktor bei kmuRUNDSCHAU. www.kmurundschau.ch

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China agiert im Alltag mit Ökosystemen, Europa noch mit Kernprodukten.

DIGITALISIERUNG MADE IN CHINA TRANSFORMATION DER WELTWIRTSCHAFT von Alexandra Stefanov, Prof. Dr. Claudia Bünte und Till-Hendrik Schubert

Digitalisierung und die Unterabteilung künstliche Intelligenz (KI) sind die Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Die Bedeutung von KI haben alle Industrienationen erkannt – aber Chinas Rolle wird dabei häufig noch unterschätzt. China ist schon lange nicht mehr die verlängerte Werkbank der Weltwirtschaft, sondern hat in einigen Branchen den klassischen Westen abgehängt.

B

eide Megatrends sind «Game Changer», denn KI und Co. verändern die Wirtschaft stärker als seinerzeit die Dampfmaschine oder Industrieroboter und haben die Wichtigkeit von Öl für die Wirtschaft bereits abgelöst: Im Jahr 2020 ist das Geschäftsmodell von acht der zehn nach Marktkapitalisierung grössten Unternehmen der Welt auf Daten und deren Auswertung aufgebaut. Sechs davon kommen

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aus den USA, zwei aus China. Europa spielt leider kaum eine Rolle. Wer Kundinnen und Kunden am besten versteht, kann daraufhin seine oder die Angebote der Partnerfirmen besser entwickeln und zielgerichteter kommunizieren. Heisst: Kundinnen- und Kundenversteher sind die Gewinnerunternehmen der Zukunft. Hier kommt künstliche Intelligenz ins Spiel, denn sie sorgt dafür, dass viele unstrukturierte Daten –

zum Beispiel die Nutzungs- und Bewegungsdaten von Millionen von Handys – schnell und gut analysiert werden können. Wer KI kann, kann Kunden verstehen. Wenn Daten also das «Öl des 21. Jahrhunderts» sind, dann ist KI der Motor, der dieses Öl in sinnvolle Bewegung umwandelt. Mittlerweile haben alle Wirtschaftsnationen die Rolle der KI als nächste S-Kurve der


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Digitalisierung erkannt und widmen ihr eigene Strategien, um die Grundlagenforschung weiter voranzutreiben. Die USA, die EU und auch Deutschland haben explizite Programme, die KI fördern sollen. China wird im internationalen Vergleich vom sogenannten Westen aber häufig noch unterschätzt. Denn nachdem das Reich der Mitte bis circa 1840 rund 2 000 Jahre lang die führende Wirtschaftsmacht gewesen war, übernahmen zuerst Europa, dann die USA ab circa 1840 die wirtschaftliche Vorreiterrolle. Und bis in die 2000erJahre galt China höchstens als die verlängerte Werkbank für die Weltwirtschaft, die vor allem gut und günstig kopieren konnte. Das hat sich in den letzten drei Jahrzehnten deutlich geändert.

DOMINANZ IST ABSEHBAR China wird aller Vorraussicht nach bei ­KI weltführend sein. Dafür gibt es drei Gründe: > Erstens ist China mit 1.4 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohner das bevölkerungsreichste Land der Welt. Davon sind 990 Millionen Chinesinnen und Chinesen «mobile-only», das heisst, sie erledigen ihre Alltagsaufgaben nur mit dem Smartphone. Dadurch entsteht eine Unmenge unstruktu­rierter Daten, die Firmen potenziell zur Verfügung stehen und dabei helfen können, Kundinnen und Kunden in ihren Bedürfnissen besser zu verstehen – wenn man sie denn analysieren darf. > Zweitens hat China im Gegensatz zur europäischen DatenschutzGrundverordnung (DSGVO) ein eigenes Datenschutzgesetz, das das verknüpfte Analysieren von Daten ermöglicht. Häufig wird angenommen, China habe keinen Datenschutz, doch das ist so nicht richtig. Das Land schützt Daten nur nach einem anderen Prinzip als der Westen. Europa beispielsweise schützt persönliche Daten vor Firmen und dem Staat. Daher bedürfen personenbezogene Datenanalysen immer der Zustimmung der Person – Zweck für Zweck immer wieder neu. China schützt persönliche Daten vor anderen Staaten. Daher benötigen Firmen für die Analyse personenbezogener Daten nur einmal die Zustimmung der Person. Dadurch

ist das verknüpfte Analysieren von persönlichen Daten einfacher und schneller, man kann sie verknüpft, auch über Firmen hinweg analysieren. Das ist der entscheidende Wettbewerbsvorteil für China, denn KI braucht Daten, um zu lernen – je verknüpfter, desto besser. Zwar hat China gerade zum 1. Januar 2021 ein weiteres Datenschutzgesetz ins Leben gerufen, zwei weitere sollen 2021 noch folgen. Der grundsätzliche Unterschied bleibt aber weiterhin bestehen. Chinesinnen und Chinesen haben zudem eine vergleichsweise entspanntere Einstellung zur Nutzung ihrer Daten als Europäerinnen und Europäer. Europa dagegen beschränkt das Lernpotenzial für KI eher durch die DSGVO. > Drittens legt die EinparteienRegierung Chinas einen klaren Fokus auf die Entwicklung von KI. Dieser Fokus wird in einem eigenen FünfJahres-Plan durchdefiniert und mit einem klaren Ziel hinterlegt: China will bis 2030 weltweit führend bei KI sein. Dafür nimmt das Land viel Geld in die Hand, nämlich 4.17 US-Dollar pro BürgerIn und Jahr. Das ist zwar nicht ganz so viel, wie Deutschland ausgibt (4.96 US-Dollar pro BürgerIn und Jahr). Allerdings ist Chinas Bevölkerung auch 17.3 mal so gross wie die Deutschlands. Das chinesische KI-Invest ist damit ungleich grösser und wird deshalb aller Voraussicht nach auch mehr Ergebnisse hervorbringen.

soziales Netzwerk (Facebook), eine digitale Bezahlmöglichkeit (Apple Pay) und bietet – und das gibt es bei uns so noch nicht – einen direkte Draht zu kommunalen Angeboten: Chinesinnen und Chinesen können in diesen Plattform-Ökosystemen ihre Steuererklärung verfassen, FalschParken-Tickets begleichen oder ein Visum beantragen – um nur einige der Funktionen zu nennen. Aus Kundensicht sind diese Plattform-Ökosysteme eine Erleichterung für den Alltag. Aus Firmensicht sind sie eine unerschöpfliche Quelle von Informationen über Kundinnen und Kunden: Sie können die gesamte Customer Journey von der Empfehlung über die Suche bis hin zur digitalen Bezahlung in einem System verfolgen, analysieren und die nächstbesten Angebote für die jeweilige Kundengruppe entwickeln. Das ändert nicht nur die Dynamik der Customer Journey, es ändert auch die Art und Weise, wie ganze Industrien und Schlüsselfunktionen funktionieren. Die Kraft der Digitalisierung sieht man heute schon in China – und im Alltag der Chinesinnen und Chinesen.

IM ALLTAG PRÄSENT Den Mehrwert der fortgeschrittenen Digitalisierung für die Wirtschaft kann man in China bereits in den sogenannten Plattform-Ökosystemen wie WeChat, Alibaba oder Ping An (ein Versicherungsanbieter) sehen, die sich deutlich von westlichen Plattformen unterscheiden – denn sie begleiten ihre Kundinnen und Kunden durch den gesamten Alltag, von morgens bis abends. Diese Anbieter sind Ökosysteme, weil sie anders als hierzulande keine Kernprodukte anbieten, sondern alles in einer App vorhanden ist. WeChat beispielsweise ist ein Messenger (WhatsApp), eine Suchplattform (Google), eine Verkaufsplattform mit Millionen von Angeboten (Amazon), ein

DIGITALISIERUNG MADE IN CHINA

Wie China mit KI und Co. Wirtschaft, Handel und Marketing transformiert von Alexandra Stefanov, Prof. Dr. Claudia Bünte, Till-Hendrik Schubert, 2021 BoD – Books on Demand, Norderstedt ISBN: 978-3-75340579-7 237 Seiten

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«NEW RETAIL» UND «NEW MARKETING» Besonders im Retail sieht man, wie durch diese Digitalisierungsmechanismen ein «New Retail» entsteht. Beispiele dafür sind der Lebensmitteleinkauf bei Fresh Hippo oder Ping Ans «One-Minute Clinic» in Shopping Malls. Fresh Hippo etwa ermöglicht das Bestellen der Ware im Supermarkt (also in der realen Welt) via QR-Code und Smartphone, lässt die Ware anschliessend von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter zusammenstellen und liefert sie innerhalb von 30 Minuten im Umkreis von drei Kilometern um den Laden herum aus. Bezahlt wird über Gesichtserkennung ohne Nutzung einer App – für den Einkaufenden sehr bequem. Bei der «One-Minute Clinic» macht man in einem Shopping-Center einen Online-Termin mit einem Arzt. Die Praxis ist keine echte Praxis mit Wartezimmer, Anmeldung und Behandlungsraum, sondern sieht aus wie eine Telefonzelle mit angeschlossenem Automaten – ähnlich wie ein Getränkeautomat. Darin sind die wichtigsten Medikamente, die üblicherweise verschrieben werden, vorrätig. Der Arztbesuch findet dann digital in der «Tele­ fonzelle» statt, der Arzt oder die Ärztin

verschreibt ein Medikament, das mittels QR-Code direkt am «Getränkeautomaten« daneben bezahlt und ausgegeben wird. Tabletten, die nicht vorrätig sind, werden innerhalb von einer halben Stunde nach Hause geliefert. Die Online- und Offlinewelt verschmelzen also miteinander. Das ist das «New» am New Retail. Auch das Marketing entwickelt sich durch die Digitalisierung deutlich weiter, denn hier entsteht ein «New Marketing» – ein Marketing in Echtzeit. Lagen sonst im Marketing Wochen bis Monate zwischen dem Analysieren der Consumer Insights und der Aussteuerung der Kampagne, hat man nun minutenaktuell alle wichtigen Infos über die Kundenbedürfnisse vorliegen – und das nicht nur für ein Segment, sondern für eine spezifische Person. Das bedeutet: Marketingexpertinnen und -experten können ohne Streuverlust genau das richtige Angebot zu genau dem richtigen Zeitpunkt mit einem passenden dynamischen Preis anbieten. Aber: Sie müssen dies auch tun, denn die Kundinnen und Kunden werden anspruchsvoller. Wer nur fünf Minuten zu spät mit einem Angebot kommt, verliert an Kundenrelevanz und anschliessend

auch an Umsatz. Das «New» am New Marketing ist die Echtzeit. Diese chinesischen Entwicklungen haben Auswirkungen auf die Art, wie wir in Europa in den nächsten Jahren wirtschaften werden. Wie sich Managerinnen und Manager in Europa heute auf diese nächste Stufe der Digitalisierung einstellen sollten, steht im neuen Buch «Digitalisierung Made in China: Wie China mit KI und Co. Wirtschaft, Handel und Marketing transformiert» – mit Interviews und Praxistipps von 22 China-ExpertInnen inkl. QR-Code zu Videointerviews und den 13 meistgesuchten Begriffen zu KI, einfach und kurz erklärt. Wir stellen es im Folgenden vor (die Redaktion).

ALEXANDRA STEFANOV ist Sinologin und Gründerin von China Impulse.

PROF. DR. CLAUDIA BÜNTE verantwortete in verschiedenen global tätigen Firmen Marke, Marktforschung und internationales Marketing, unter anderem in China. Sie lehrt und forscht im Bereich KI in der Wirtschaft.

TILL-HENDRIK SCHUBERT kuratiert die Wissensplattform KIRevolution.com.

Ein Marketing in Echtzeit ist in Reichweite.

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Die Verantwortlichen (links: Tilmann Schultze, CEO von DPD Schweiz, rechts: Adrian Melliger, CEO von Designwerk) wollen dem Zeitgeist voraus sein.

MEHR ALS EINE WORTHÜLSE NACHHALTIGKEIT IN TRANSPORT UND LOGISTIK Interview mit Tilmann Schultze von Georg Lutz

Inzwischen sehen wir immer mehr E-Autos auf den Strassen. Und die öffentlichen Verkehrsbetriebe schaffen sich in den nächsten Jahren Elektrobusse an. Grosse E-LKW sind aber noch eine Rarität. Die Verantwortlichen von DPD Schweiz haben nun beschlossen, dies zu ändern. Wir führten hierzu ein Hintergrundgespräch mit Tilmann Schultze, dem CEO von DPD Schweiz.

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is vor wenigen Jahren war EMobilität noch eine Nischenveranstaltung. Das scheint sich jetzt zu ändern. Namhafte Hersteller wollen sich im Rahmen der nächsten 15 Jahre ganz vom Verbrennungsmotor verabschieden. An welchen zentralen Punkten kann man diese Verabschiedung in der Schweiz und in ihrer Branche schon jetzt beobachten? Die Beobachtung stimmt für das private Umfeld, sprich die PKWs. Wenn wir unsere Branche – die Transport- und Logistikbranche – anschauen, sind wir da noch nicht so weit. Wir haben noch Luft nach

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oben. Das können Sie schon an den Angeboten der Hersteller sehen. Bei PKWs hat inzwischen fast jeder Hersteller E-Modelle auf dem Markt. Bei Lastkraftwagen sind das nur einzelne Anbieter. Die Umstellung wird hier noch längere Zeit in Anspruch nehmen? Ja, es geht bei uns nicht nur um den Austausch der Antriebssysteme. Bei uns geht es um das Umstellen von Prozessen, Wertschöpfungsketten und Touren. Trotzdem, und das sei schon an dieser Stelle betont, gehen wir bei DPD das Thema E-Mobilität voll an.

Ich habe als Fachjournalist gelernt: E-Mobilität ist effizient und ökologisch, wenn sie auf leichte Kleinwagen setzt, die im urbanen Raum unterwegs sind und ein dichtes Ladesäulenkonzept zur Verfügung haben. Schwere E-Autos, beispielsweise ein SUV, sind weder effizient noch ökologisch. Hier schneiden moderne Verbrenner sogar besser ab. Jetzt setzt Ihr Haus einen E-LKW ein. Offensichtlich muss ich umdenken. Warum? Lassen Sie uns hier gleich in die Praxis springen. Was ist die Aufgabe eines LKWs? Seine Aufgabe ist, möglichst viele Waren


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sicher und schnell von A nach B zu transportieren. Bei uns sind dies die vielen, eher kleineren Päckchen, die für sich genommen nicht so schwer sind.

ist, vermeiden wir pro Jahr und 80’000 Kilometer 72 Tonnen CO2-Emissionen im Vergleich zu einem Diesel-LKW. Das finde ich beeindruckend.

Und wie lange dauert das Aufladen? Wenn man vom Szenario einer ganz leeren Batterie ausgeht, dauert es viereinhalb bis fünf Stunden, bis sie wieder ganz voll ist.

Ohne Frage, eine Batterie ist schwer. Bei uns wiegt der Energiespeicher 4.5 Tonnen. Aber schauen wir uns die Situation, was die Energiebilanz betrifft, genauer an. Die Batteriekapazität hat eine Jahresleistung von 100’000 Kilometern und eine Einsatzdauer von mindestens acht Jahren. Auch danach hat die Batterie, beispielsweise in Reihe geschaltet als Speicher für eine Photovoltaiklösung, einen weiteren Verwendungszweck.

«Das Thema haben wir nicht erst vor einigen Monaten entdeckt.»

Und so können Sie die Transportwege und Zeitschienen auch halten? Ja, das haben wir gut vorbereitet. Um noch höhere Transportvolumen bewältigen zu können und auch schneller zu sein, wollen wir uns einen weiteren E-LKW anschaffen.

Das läuft unter dem Stichwort «Second Life»? Exakt. Zudem sind die Batterien der neusten Generation zu 90 Prozent recycelbar. Das ist ein ungewöhnlich hoher Wert, den ich so noch nicht zu Gesicht bekommen habe. Betrachten wir die CO2-Emissionen, die bei der Herstellung von Batterien anfallen, und setzen wir voraus, dass mit ÖkoStrom geladen wird, was bei uns der Fall

Sie setzen Ihren neuen E-LKW zwischen Möhlin und Buchs ein. Wie oft kann der E-LKW die Strecke fahren, bis eine Batterieladung verbraucht ist? Der E-LKW fährt täglich sechs Mal diese Strecke. Wir haben in Buchs eine Ladestation mit 150 Kilowatt pro Stunde. Zudem bauen wir gerade eine Ladestation in Möhlin. Mit einer Batterieladung kommen wir bis zu 760 Kilometer weit. Das ist aktuell eine Höchstleistung in Europa.

Sie haben bei der Schweizer E-Mobilitätsschmiede Futuricum den E-LKW bestellt. In diesem Namen steckt vom Wortstamm her die Bezeichnung Turicum aus den Anfängen der Schweizer Automobilgeschichte. Die Schweiz hat ja selbst eine Geschichte von Autobauern vorzuweisen. Der Rahmen des LKWs kommt aber von Volvo. Sehe ich das richtig? Das stimmt. Ich habe bei einem Frühstück die Verantwortlichen von Futuricum kennengelernt. Es gab zwei Gründe, warum wir uns für eine Zusammenarbeit entschieden haben. Erstens ist das für uns sehr innovative Unternehmen mit einem sehr überzeugenden Produkt vor Ort, sprich in der

Die nachhaltigen Pakete sind nicht teurer als klassische Lösungen.

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2025 nachziehen. Es geht dabei um die freiwillige Kompensation von CO2-Emissionen. Da sind wir dem Zeitgeist weit voraus gewesen. Wir halten den Klimawandel so aber nicht auf. Das ist uns bewusst. Es geht um eine reale Reduzierung der CO2Emissionen. Das ist ein zentraler Grund für den Einstieg in die Elektromobilität in ­unserem Hause. Bis 2025 wollen wir pro Paket die CO2-Emissionen um 30 Prozent im Vergleich zu 2013 senken.

Der alleinige Wechsel von Diesel auf E-Mobilität greift zu kurz.

Schweiz, tätig. Die Kommunikation mit dem Team und der Prozess des Aufbaus von Vertrauen war sehr gut. Zweitens fokussiert sich Futuricum auf das Wesentliche, die Batterie. Sie versuchen nicht, das Rad neu zu erfinden. Das Chassis stammt von Volvo. Da liegen Sie richtig. Service und Wartung finden auch bei Volvo statt. Das sind nicht ganz unwichtige Komponenten. Die Batterieherstellung findet bei einem Hersteller mit Grossserienerfahrung statt. Auch das war für uns ein wichtiger Punkt. Dies alles zusammengefasst gibt uns die Gewissheit, dass wir mit Futuricum ein verlässliches Fahrzeug im Einsatz haben. Es ging uns nicht nur um den Kauf eines Produktes. Es ging um unseren ersten E-LKW und daher spielen After-Sales-Services eine wichtige Rolle. Ich frage nochmals ketzerisch nach: Dient der eine E-LKW nicht nur Ihrem grünen Image, um eine grüne Flagge zu hissen, oder ist das tatsächlich in Ihre Unternehmensphilosophie eingebettet und hat praktische ökologische Auswirkungen? Wir sind bislang sehr zufrieden mit dem E-LKW und werden ihn daher auch auf weiteren Strecken einsetzen. Um das nochmals klarzustellen: Wir befinden uns nicht in einer Testphase, sondern es geht darum, alle Herausforderungen der Praxis zu bestehen. Der E-LKW ist in unserem Alltag operativ integriert. Es gibt kein Szenario, bei dem wegen einer leeren Batterie ein Paket zu spät ankommt. Wir prüfen weitere Anschaffungen, bauen unsere Ladeinfrastruktur weiter aus und holen unsere Part-

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ner mit an Bord. Sie sehen, dass ist nicht Image oder Greenwashing, sondern ein Prozess, der mit uns verbunden und ins Rollen gekommen ist. Wir sind optimistisch und hoffen auch auf das Engagement unserer Mitbewerber. Die Logistik- und Transportbranche muss grün werden. Auf jeden Fall bekommen wir sehr positives Feedback von unseren Kunden. Das liegt sicher auch in dem Umstand begründet, dass wir unsere Investitionen nicht an die Kunden weitergeben. Die «grünen» Pakete sind nicht teurer als die klassischen Pakete. Und wie sieht es mit Mitbewerbern aus? Was LKWs betrifft, ist die Zurückhaltung noch gross. Im Kleintransporter-Segment, den E-Vans, sieht das etwas anders aus. Hier sind schon einige Unternehmen dabei. Die Technologie und die Ökologie sprechen aber ganz klar für die E-LKWS, ihr Einfluss ist grösser als derjenige der E-Vans. Nun geht es, wie wir schon angesprochen haben, nicht nur um einzelne Produkte, sondern auch um die ganze Kette der Transportlösungen und um eine nachhaltige Philosophie. Da gehört für die letzte Meile auch ein Lastenvelo dazu. Wie sehen Sie hier die Situation, wie ist Ihr Haus hier aufgestellt? Da tut sich bei uns sehr viel. Wir als DPDgroup rapportieren seit über zehn Jahren unsere CO2-Emissionen. Seit 2013 agieren wir CO2-neutral. Das Thema haben wir nicht erst vor einigen Monaten entdeckt. Damit sind wir der erste KEP-Anbieter (KurierExpress-Paket-Dienst), der CO2-neutral zustellt. Einige Mitbewerber wollen jetzt bis

Da gilt es aber noch andere Massnahmen zu ergreifen. Die Fahrzeuge, die die vielen Pakete transportieren, werden ja nicht weniger, sondern im Gegenteil mehr. Die einzelnen grünen Erfolge drohen durch diesen quantitativen Trend wieder verloren zu gehen. Das ist der Unterschied zwischen grüner Effizienz und grüner Suffizienz. Sie liegen richtig. In unseren Städten haben wir es mit einem richtigen Businessto-Consumer-Boom zu tun. Es braucht immer mehr Transportkapazitäten für die vielen Online-Bestellungen. Das braucht auch mehr Fahrten … … die dann wieder die ökologische Bilanz verschlechtern. Genau aus diesem Grund investiert die DPDgroup 200 Millionen Euro in die letzte Meile. So können wir bis 2025 in mindestens 225 Städten in Europa 20 Prozent der europäischen Bevölkerung voll elektrisch bedienen. Da sind dann auch CargoBikes dabei. Was heisst dies auf die Schweiz heruntergebrochen? In der Schweiz trifft dies auf mindestens sechs Städte zu, die bis 2025 auf der letzten Meile elektrisch bedient werden. Da aber knapp die Hälfte der CO2-Emissionen auf den Strecken zwischen den urbanen Zentren entstehen, setzen wir hier ganz klar auf den E-LKW.

TILMANN SCHULTZE ist CEO von DPD Schweiz. www.dpd.ch


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Compliance-Management beinhaltet mehr als auf den ersten Blick gedacht.

REGELKONFORMES ARBEITEN DER EINSTIEG INS COMPLIANCE MANAGEMENT FÜR KMU von Sascha Meier

Compliance bildet eine wichtige Säule guter Unternehmensleitung. Ein Compliance-Officer ist aber nur der Anfang. Compliance-Management integriert das Thema als ganzheitlichen Prozess in ein Unternehmen. Der folgende Artikel behandelt Fragen zu Compliance-Management und Risikobewertung und gibt Tipps für die erfolgreiche Umsetzung.

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leine und mittelgrosse Unternehmen (KMU) haben mit vielfältigen Compliance-Herausforderungen zu kämpfen. Auf der einen Seite macht der Gesetzgeber Druck, auf der anderen Seite mangelt es häufig an Ressourcen oder Know-how im Unternehmen. Die Investition in ein gutes Compliance-Management zahlt sich jedoch auf vielen Ebenen aus. Es umfasst alle Werkzeuge und Prozesse, mit denen ein Unternehmen sicherstellt, dass es sich an Regeln und Gesetze hält. Dies beinhaltet sowohl ausserbetriebliche Vorgaben der Aufsichtsbehörden und Gesetze als auch interne Weisungen und Verordnungen. Compliance-Verstösse werden entdeckt und vermieden, weil sie dem Ruf des Unternehmens erheblich schaden und hohe Strafgelder nach sich ziehen können. Unternehmen implementieren häufig eine

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Compliance-Management-Plattform, um die Compliance-Prozesse zu automatisieren und zu vereinfachen. Dazu gehören zum Beispiel digitale Whistleblowing-Systeme für Angestellte und Stakeholder, um Missstände zu melden, oder Genehmigungssysteme, über die Geschenke und Einladungen freigegeben werden müssen.

VERANTWORTUNG STATT SKANDALE Woher kommt Compliance? Deren Ursprünge gehen auf Skandale wie Watergate oder Lockheed in den 1970er- und 1980er-Jahren in den USA zurück. Diese legten offen, dass die Bestechung von Politikern und Regierungsmitgliedern durch Unternehmen eine weitverbreitete Praxis war. In der Folge verabschiedeten die USA 1977 den «Foreign Corrupt Practices Act»

(FCPA). Eine Verschärfung brachte der «Sarbanes Oxley Act» von 2002 mit sich, der das Top-Management von Unternehmen für die Genauigkeit von Finanzreports wesentlich stärker in die persönliche Verantwortung nahm. Seitdem haben Regulierungen in den USA und Europa das TopManagement veranlasst, mehr Wert auf Compliance und ethisches Vorgehen zu legen, Compliance-Abteilungen einzurichten und umfassende Compliance-Management-Systeme zu implementieren.

PRÄVENTION UND KOMMUNIKATION Was machen Compliance-Manager? Sie sorgen innerbetrieblich dafür, dass ein Unternehmen sich in allen Geschäftsbereichen an die relevanten Gesetze, Regulierungen und internen Vorgaben hält. Dafür


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Wenn sich ein Unternehmen erstmals mit Compliance-Management beschäftigt, können die folgenden sechs Tipps beim Start behilflich sein: > Stellen Sie sicher, dass alle hinter den Compliance-Zielen stehen: Von den Führungskräften bis zu den Fachspezialisten sollten alle relevanten Stakeholder verstehen, warum ein Compliance-Programm wichtig ist und welche Ziele das Programm verfolgt. So setzen Sie ein gutes Beispiel für das gesamte Unternehmen. > Führen Sie eine Risikobewertung durch: Auf diese Weise fokussieren sich der Vorstand und das obere Management auf die Risiken, die innerhalb Ihrer Organisation am wichtigsten sind. Darauf aufbauend können Sie entscheiden, welche Massnahmen nötig sind, um diese Risiken zu vermeiden, zu minimieren oder auszuräumen. > Prüfen Sie bestehende Regeln: Verschaffen Sie sich einen Überblick über den Status quo, um Lücken in Ihren internen Vorschriften aufzudecken und zu identifizieren, wo Sie nachbessern oder Ergänzungen finden müssen. > Bieten Sie Trainings an: Nur die Vorschriften zu aktualisieren, reicht nicht aus: Mitarbeiter müssen die Vorgaben verstehen und realisieren, wie sie sie auf ihre tägliche Arbeit anwenden. Diese Informationslücke füllen Sie mit Trainings. > Etablieren Sie einen ComplianceMonitoring- und Prüfprozess: Auf diese Weise machen Sie ihr Programm zukunftstauglich und stellen sicher, dass es aktuell und relevant bleibt. > Integrieren Sie Verantwortlichkeit: Definieren Sie Prozesse und Konsequenzen für den Fall, dass Angestellte gegen die Regeln verstossen. Es muss klare disziplinarische Richtlinien und Protokolle geben, die aktiv zur Anwendung kommen.

beobachten sie regulatorische Entwicklungen, die einen Einfluss darauf haben können, wie ein Unternehmen arbeitet. Sie prüfen und überarbeiten regelmässig Prozesse und Vorgaben, die einem Unter-

Ethisches Handeln und Compliance gehen oft Hand in Hand.

nehmen dabei helfen, sich innerhalb des regulatorischen Rahmens der jeweiligen Industrie zu bewegen. Ausserdem organisieren sie regelmässige Schulungen für Angestellte, um sie über Änderungen der Regulierungen zu informieren. Zu den Pflichten des Compliance-Managers gehört es, mögliche Schwachstellen oder Risiken früh zu erkennen. Die Coronakrise hatte einen grossen Einfluss auf die Arbeit der Compliance-Officers. Die Absage von persönlichen Schulungen und die Umstellung auf das Arbeiten im Home Office erschweren die Kommunikation neuer Regulierungen und Updates. Hilfreich sind digitale Tools, die Abläufe automatisieren und die tägliche Arbeit von Compliance-Managern auf diese Weise vereinfachen und effektiver machen.

RISIKEN ERKENNEN Ist Risikomanagement gleich ComplianceManagement? Die üblichen ComplianceRichtlinien und die internationalen Bestimmungen stellen jeweils fest, dass eine umfassende Risikobewertung das Fundament aller Compliance-Programme sein sollte. Das Risikomanagement stellt sicher, dass Unternehmen die richtigen Prioritäten setzen und effektive Massnahmen einführen. Idealerweise steht es an erster Stelle, bevor die Compliance-Abteilung spezifische Massnahmen ergreift und einrichtet. So werden alle Ressourcen von Beginn an richtig eingesetzt. Im Falle eines Compliance-Verstosses dient die Risikobewertung ausserdem als Beweis gegenüber den ermittelnden Behörden, dass das Unternehmen die Risiken ausreichend in Betracht gezogen und angemessene Gegenmassnahmen ergriffen hat. Risikomanagement und Compliance-Management verfolgen zum Teil ähnliche Ziele – nach manchen Auffassungen ist das Risikomanagement Teil des Compliance-Manage-

ments, nach anderen ein eigenständiger und vom Compliance-Management getrennter Bereich. Während sich das Risikomanagement allerdings hauptsächlich um Informationsbeschaffung und -bewertung dreht, hat aktives Compliance-Management Auswirkungen auf die gesamte Unternehmenskultur: Durch die Einführung eines Compliance-Management-Systems mit Monitoring-Prozessen, Schulungen für Angestellte und beratenden Funktionen für die Erreichung der Geschäftsziele hat es eine weitreichende Wirkung auf die gesamte Unternehmenssteuerung.

DER RICHTIGE START Wie richte ich ein Compliance-Management in meinem Unternehmen ein? Für erfolgreiches Compliance-Management ist Integrität die Voraussetzung. Sie sollte ein fester Bestandteil der Firmenkultur sein und bildet das Fundament eines erfolgreichen Compliance-ManagementProgramms. Ohne Integrität besteht die Gefahr, dass Unternehmen ihre Ethikund Compliance-Programme nur als eine Reihe von Aktivitäten sehen, die sie abhaken müssen – oder noch schlimmer: als ein Hindernis beim Erreichen ihrer Geschäftsziele.

SASCHA MEIER ist Head of Sales & Partnerships Compliance Services bei der EQS Group. www.eqs.com

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VORSCHAU &  IMPRESSUM

VORSCHAU DIE NÄCHSTE AUSGABE ERSCHEINT IM SEPTEMBER 2021 Folgende Schwerpunkte stehen auf unserer Agenda:

Ein vielversprechendes Team IT Security & KI

Reiseziel Verkehrswende E-Mobility im Unternehmen

Innovative Lösungen Neue Fintech in den Finanzwelten

Vielseitige Kanäle bespielen Ein KMU kommuniziert

Gestaltung der Kundenbeziehungsprozesse Kunden in CRM

Modernität und Agilität Frauen in Führungspositionen

Nach den Verhandlungen ist vor den Verhandlungen Strategien für ein Verhältnis zur EU

Herausgeber Editorial AG Ceres Tower Hohenrainstrasse 24 CH-4133 Pratteln Telefon +41 61 551 39 40 Fax +41 61 551 39 49 info@editorial.ag www.editorial.ag Geschäftsleitung Peter Levetzow p.levetzow@editorial.ag Verlagsleitung Hasan Dursun h.dursun@editorial.ag Mitglied der Geschäftsleitung Jan Tanner j.tanner@editorial.ag Projektleitung Carmen Helde c.helde@editorial.ag Verkauf & Marketing Alain Willi a.willi@editorial.ag Elias Thaler e.thaler@editorial.ag

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Arbeiten von unterwegs Das mobile Büro

Chefredaktion Georg Lutz g.lutz@editorial.ag Redaktion Elisa Beck e.beck@editorial.ag Leitung Produktion & Grafik Nadesh Meyer

n.meyer@editorial.ag Korrektorat / Lektorat Mario Hetzel Aboservice info@editorial.ag Autoren Roland Benguerel Dr. Harald Brodbeck Prof. Dr. Claudia Bünte Artjom Bruch Cornelia Diethelm Václav Diviš Romina Döhlemann Stefan Dudas Gabriele P. Guidicelli Prof. Dr. Sebastian Gurtner Lea Hasler Sabine Hübner Andreas Kistler Max Klaus Thomas Köberl

Wiebke Köhler Rudolf Letko Joshua Lötscher Hans Peter Machwürth Christoph Mahr Elisabeth Maier Peter Makovitzky Erich Meier Markus Meier Philipp Meier Sascha Meier Philip Morger Lorenz Moser Tarkan Özküp Sabrina Perl Michal Pastier Walter Regli Prof. Dr. Sven Reinecke Dr. Stefan Sambol Cyrill Schmid Andreas Schneider Till-Hendrik Schubert Joachim Simon Michael Stanscheck Alexandra Stefanov Thorsten Urbanski Noah Werder Marcel Wiesendanger Viviane Winter Tobie Witzig Joël Ch. Wuethrich Michael Zaugg

Noch viel Luft nach oben Nachhaltige IT in der Unternehmenspraxis

Interviews Nathaly Bachmann Lars Donner Jean-Claude Flury Sebastian Johnson Thoma Kirchner Reto Näscher Tilmann Schultze Tobias Thut Yvan Zimmermann Titelbild Shutterstock Bilder Berner Fachhochschule DPD ESSENCE RELATIONS GmbH HEV Schweiz Karakun AG Qmart AG Syntax Übersetzungen AG Jahresabo Vier Ausgaben CHF 19.– Einzelpreis CHF 5.90 info@editorial.ag ISSN 2296-7575 A PRODUCT OF PRESTIGE MEDIA GROUP SA Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt.


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