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Passeirer Blatt / März 2001
Von der Kunst des Gamsbartbindens Der pensionierte Jagdaufseher Adolf Gögele vom Gasthaus Bad Sand hat sich in seiner Freizeit einem besonderen Hobby, dem Binden von Gamsbärten verschrieben. Viele Stunden täglich sitzt der Naturkenner während der Wintermonate in der gemütlichen Jagdstube an seinem Arbeitstisch, auf welchem eine Fülle von Gamshaaren aller Größenordnungen ausgebreitet ist. Mit unglaublicher Geduld, mit Geschick und Fingerspitzengefühl sortiert der Könner Gamshaar um Gamshaar. Nach vielen Stunden Arbeit hat er dann einen stattlichen Gamsbart zusammengebunden, der je nach Größe und Dichte aus 20.000 - 40.000 Einzelhaaren besteht. In Grundbegriffen gelernt hat Gögele Adolf diese Fertigkeit vom Schnalstaler Jagdaufseher Wilfried Grüner. Doch lassen wir den auf die Verarbeitung von Gamshaaren spezialisierten Jagdaufseher Gögele Adolf selbst seine Tätigkeit dokumentieren: "Barthaare sitzen beim Gamsbock im Winterkleid, je nach Veranlagung beim einen mehr und beim anderen weniger, in der ganzen Länge des Aalstreifens vom Träger bis zum Wedel. Im Dezember erreichen die Barthaare ihre größte Länge. Sind die Spitzen pigmentleer, also weiß bis weißgelb, so spricht man von einem Barthaar mit schönem Reif. Aus diesen" weiß bereiften" mitunter bis zu 20 cm langen Winterhaaren des aufrichtbaren Rückenhaarkammes werden die Gamsbärte gefertigt. Der erste und zeitaufwändigste Arbeitsgang beim Bartbinden ist das Aussortieren der Haare. In der Regel rupfen die Jäger den Gamsbart sofort nach dem Erlegen. Vielfach werden dabei die ausgerissenen Haarbüschel nicht nach ihrer unterschiedlichen Länge getrennt und auch viele blinde Haare (Unterwolle) ausgerissen. Oie blinden Haare muss ich nun von den eigentlichen Barthaaren, die einen Reif haben, in mühevoller Feinarbeit Haar um Haar trennen. Vielfach sind die Barthaare auch verbogen und müsser daher im warmen Wasser gewaschen werden. Erst dann können sie geradegekämmt werden. In einem zweiten Arbeitsschritt wird die Menge der Haare in Päckchen (ca. 200 Einzelhaare) mit längeren und solchen mit kürzeren Haaren aufgeteilt. Oie gleichlangen Haarpäckchen gebe ich dann seitenverkehrt in eine Hülse und klopfe einigemale drauf, dass der Reif unten schön zusammengeht. Dann werden die Haare zu Büscheln verknotet. In einem dritten Arbeitsgang werden die Büschel an einer selbstgeschnitzten .Hoizseele" (Spindel), dem sogenannten Kern des Gamsbartes befestigt. Oie kürzeren Büschel werden zuoberst auf
der .Seele" und die längsten Haare am unteren Ende derselben mit einem dünnen Faden befestigt. Beim fertiggebundenen Bart sollen die Barthaare auf dem Hut weich auseinanderfallen und nicht steif in der Hülse stehen". Für Adolf Gögele ist jede Jagdtrophäe, ob Geweih, Gehörn, Spielhahnstoß, Grandel, Kralle, Murmeltierzahn oder Fuchshakel - um nur einige zu nennen, kostbares Erinnerungsstück an vergangenes Jagdglück. Ein sauber gebundener Gamsbart ist aber nach seiner Meinung zweifelsohne der besondere Stolz des Jägers. Und seit Menschengedenken fallen originelle Gamsjäger durch das Tragen von Gamsbärten auf. Dazu berichtet der 87 -jährige Riebl Hermann (Gufler Hermann) aus Saltnus: "I gedenk's olim, dass in Robnstuan originale Gamsjager wie z.B. der Pfand-
Zeitlang auch als Schmuck der Musikantenhüte dienten. "Im Jahre 1956, drei Jahre nach der Gründung der Musikkapelle, kaufte sich jeder Musikant eine neue Tracht. Alle 27 Musikanten trugen ein braunes Steirergewand und einen grünbraunen Hut mit einem Gamsborst. Oie originelle Idee, die Hüte mit einem Gamsborst zu zieren, hatte der Wirts Alfons (Gufler Alfons), der Begründer und erste Obmann der Blaskapelle. Bis zum Jahr 1961 kleideten sich die Musikanten mit dieser einmalig originellen Tracht, ehe man dann, wie vom Musikverband vorgesehen, auf die Passeirer Tracht umstieg", erinnert sich Gufler Hermann, der dreißig Jahre lang als Kapellmeister die Blaskapelle in Rabenstein leitete. Auch heute ist ein guter Gamsbart eine wertvolle Trophäe, die schnell gut zah-
Adolf Gögele beim Gamsbartbinden
ler Luis oder der alte Gosteiger (Brunner Josef) Gamsbörschte gitrogn hobn. Bi heachere Festtage hobn se'an greßern Borscht afn Huat augsteckt und bi mindere Sunntige ebn an Klianern. Gamsbörschte gfossn (gebunden) hot früher, seit is woas, fast olle der Pfandler Luis. Ofteramol hot min Börschte ober a in Innsbruck fossn gilot. Börschte sein olim schun tuire giwesn. On fang der Fufzigerjohr hot a mittlerer Borscht, der a sou 15 - 16 cm lang giwesn ischt, ungifer in Wert vin halbwegs an Gschtraun qhob." Erwähnenswert ist auch die Tatsache, dass Gamsbärte in Rabenstein eine
lende Käufer findet. Für halbwegs gute Stücke bezahlt man zwischen zwei und drei Millionen Lire. Eine Preisklasse für sich stellen natürliche kapitale Gamsbärte dar, wie sie z.B. bei der jährlich unter dem Motto "Länger, dichter, schöner", ausgetragenen Gamsbart - Olympiade in Bad Goisern gehandelt werden. Getragen wird der Hutschmuck heute von Jägern vorwiegend bei feierlichen Anlässen wie an hohen Festtagen, bei Beerdigungen von Jagdkameraden, bei Trophäenschauen oder anderen gesellschaftlichen Jagdveranstaltungen. Arnold Rinner