Passeirer Blatt

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Natur & umwelt

Das braun-weiß gescheckte Gefieder der etwa 60 cm großen Auerhenne ist die perfekte Tarnung auf dem Waldboden  Fotos: Gernot Reich

Seltene Begegnung

Zutrauliche Auerhenne Auerhühner sind sehr scheue Waldvögel, die die Nähe des Menschen meiden und äußerst empfindlich auf Störungen durch den Menschen reagieren. Gelegentlich werden auch Vorfälle bekannt, dass Auerhähne die Scheu vor den Menschen ver­ lieren und ein abnormes Verhalten an den Tag legen, ja „verrückt“ spielen und Menschen im wahrsten Sinne des Wortes anbalzen und attackieren. In ganz seltenen Fällen zeigen auch Auerhennen ein außergewöhnliches Verhalten und verlieren die Scheu vor den Menschen. Von einer solchen speziellen Begegnung berichtet nachfolgend Naturparkranger Gernot Reich. „Am Samstag den 15. Mai 2021 informierte mich die Bäuerin vom Michelehof auf Ulfas am frühen Nachmittag , dass sich seit zwei Tagen eine Auer- oder Birkhenne in Hofnähe befindet. Anfänglich, so die Bäuerin, hielt sich der Waldvogel in der Wiese unterhalb der Ulfaser Kirche auf, allmählich kam der stattliche Vogel direkt zu unserem Stadel. Auffallend ist, dass das Tier keine Scheu vor den Menschen zeigt und sich sogar von den Kindern streicheln lässt. Ausgerüstet mit der Fotokamera begab ich mich sogleich zum Michelehof und schaute mir den Vogel mit dem kuriosen Verhalten an. Überrascht war ich schon, als ich keine drei Meter vor mir eine völlig zutrauliche Auerhenne sitzen sah. Nachdem ich ein paar Fotos geknipst hatte, war ich bestrebt, das Tier an einen sicheren Platz in einem höher gelegenen Waldstück zu bringen. Ich hatte den Vogel

bereits in den Händen, als er sich mit ein paar Flügelschlägen befreite und im Waldstück hinter der Ulfaser Kirche verschwand“. Schwierig ist die Deutung dieses unge-

wohnten Verhaltens. Der Schweizer Forscher Pierre Mollet (in : Der Ornithologische Beobachter 2001), der dieses verrückte Verhalten in freier Wildbahn bei aggressiven Auerhähnen (54), als auch zahmen Auerhennen (22) untersuchte, vermutet unter anderem, dass in beiden Fällen Störungen des Geschlechts-Hormon-Stoffwechsels vorliegen. Diese treten, so der Fachmann, besonders im April und Mai, während der Paarungszeit der Hühnervögel auf. Bei einigen weiblichen und männlichen Individuen, welche über mehrere Jahre beobachtet wurden, verschwand das auffällige Verhalten nach der Balzzeit und trat erneut im nächsten Frühjahr wieder auf. Ob balztoller Auerhahn oder zahme Auerhenne: jeder dieser speziellen Tier­ begegnungen wohnt ein besonderer Zauber inne. Trotzdem ist die Vermutung nahe liegend , dass diese zahme Auerhenne in diesem Jahr wohl kaum einen Bruterfolg hat und mit höherer Wahrscheinlichkeit als „normale“ Auerhennen Gefahr läuft, einem Beutegreifer wie Fuchs oder Marder oder einem Greifvogel zum Opfer zu fallen. Arnold Rinner Außergewöhnlich zutrauliche Auerhenne unterhalb der Ulfaser Kirche


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