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Hybride Zusammenarbeit: Klartext reden hilft

Die Arbeitswelt der Zukunft ist hybrid. Eine Tatsache, die Unternehmen besser heute als morgen für sich nutzen sollten. Welche Faktoren es dabei zu beachten gilt, hat eine Studie der FH Westküste in Kooperation mit NORDMETALL untersucht.

„Hybrid heißt, die Alternative zu haben“, sagt Tim Warszta. Er rät jedem Unternehmen, verschiedene Formen der Zusammenarbeit auszuprobieren. Wie die Wahrheit, liegt auch die beste Variante von Kooperation und Miteinander für jede Organisation irgendwo dazwischen. Seit mehr als zehn Jahren ist Warszta Professor für Wirtschaftspsychologie an der FH Westküste im schleswig-holsteinischen Heide. Die auf Wirtschaft und Technik spezialisierte Fachhochschule sucht gezielt den Austausch mit Vertretern von Kammern, Verbänden und Unternehmen. So auch mit Mario Wagner, einem der Arbeitsorganisationsexperten von NORDMETALL. „Flexibles Arbeiten ist für Industrieunternehmen spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie ein wichtiges Thema geworden. Im Wettbewerb um die besten Fachkräfte werden die Betriebe hier kluge Konzepte anbieten müssen“, ist Wagner überzeugt. Um mehr über die Veränderung von Führung und Zusammenarbeit durch Corona-Pandemie und fortschreitende Digitalisierung herauszufinden, haben Warszta und Wagner ein studentisches Forschungsprojekt zum hybriden Arbeiten initiiert.

Prof. Dr. Tim Warszta, FH Westküste

Prof. Dr. Tim Warszta, FH Westküste

Zwei Studien, ein Thema

Im Oktober 2021 ging es los. Acht Studierende der FH Westküste führten im Rahmen einer qualitativen Studie 25 Interviews mit Beschäftigten und Führungskräften aus Betrieben der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie durch – zu den Anforderungen und Wünschen an das Führen auf Distanz, zu Herausforderungen und Erfahrungen. „Eine der wichtigsten Erkenntnisse war, dass es im hybriden Kontext vor allem auf gute Kommunikation ankommt“, sagt Alina Überall. Die Studentin war Teil der Forschungsgruppe und so fasziniert von dem Thema, dass sie im Herbst 2022 ihre Masterarbeit zum hybriden Arbeiten anschloss – auf Basis einer quantitativen Studie unter Beteiligung von knapp 300 Beschäftigten aus NORDMETALL-Mitgliedsunternehmen. „Durch die räumliche Distanz verliert die soziale Interaktion ihre Leichtigkeit“, sagt Überall. Führungskräfte und Beschäftigte müssten aktiv dafür sorgen, den fehlenden Plausch in der Kaffeeküche auf andere Weise auszugleichen, etwa durch gemeinsame virtuelle Mittagspausen oder hybride Teammeetings. „Für erfolgreiches hybrides Arbeiten braucht es darüber hinaus ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kontrolle und Vertrauen“, sagt Überall. Auch das lasse sich in Ergänzung zu einer ergebnisorientierten Haltung am besten mithilfe einer offenen, verbindlichen Kommunikation zwischen Führungskräften und Teammitgliedern erreichen – und zwar in beide Richtungen, betont Überall. Insgesamt sei jedoch die Vorbildfunktion von Führungskräften im Hybriden noch wichtiger als beim Arbeiten in Präsenz. „Arbeiten Führungskräfte nicht selbst hybrid, kann das einzelne Teammitglieder verunsichern. Sie fürchten Nachteile, wenn sie selbst zwischen mobiler und Büroarbeit hin- und herwechseln“, sagt Tim Warszta. Transparente, klare Regeln, die die Bedürfnisse von Team und Führung berücksichtigen, können helfen, Unsicherheiten zu vermeiden, so der Wirtschaftspsychologe.

Alina Überall, FH Westküste

Alina Überall, FH Westküste

Drei Ebenen der Zusammenarbeit

In ihrer Masterarbeit unterscheidet Alina Überall Erfolgsfaktoren auf drei Ebenen (siehe Grafik). Besonders großen Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem hybriden Arbeiten hat demnach die organisationale Ebene. Sie umfasst die Art, wie die Unternehmensführung kommuniziert, wie digital das Unternehmen aufgestellt und wie stark die Präsenzkultur ausgeprägt ist. Überraschend: Den geringsten Einfluss auf die Zufriedenheit hat der Studie zufolge die individuelle Ebene. Dazu zählen die generelle Einstellung zum hybriden Arbeiten, die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben, Selbstmanagementfähigkeiten wie Disziplin und Gewissenhaftigkeit oder die Überzeugung, die einzusetzende Technik beherrschen zu können. 3,5 Tage pro Woche, so viel arbeiten die Befragten durchschnittlich mobil. Besonders zufrieden zeigten sie sich bereits mit Faktoren auf der Team- und Führungsebene. Die überwiegende Mehrheit empfand die Kommunikation ihrer Führungskraft als gut und die Zusammenarbeit im Team als vertrauensvoll. „Für den Erfolg von hybrider Zusammenarbeit ist trotz oder gerade wegen der Distanz das Zwischenmenschliche entscheidend. Dies gilt es in der Arbeitswelt der Zukunft proaktiv zu gestalten“, sagt Überall.

Birte Bühnen

Erfolgsfaktorenmodell für die hybride Zusammenarbeit: Drei Ebenen sind beim hybriden Arbeiten zu berücksichtigen. Darüber hinaus wirken das virtuelle Arbeitspotenzial, die virtuelle Arbeitszeit sowie die virtuelle Arbeit der Führungskraft und des Teams auf die Zufriedenheit mit dem hybriden Arbeiten und die Identifikation mit dem Unternehmen ein.

Erfolgsfaktorenmodell für die hybride Zusammenarbeit: Drei Ebenen sind beim hybriden Arbeiten zu berücksichtigen. Darüber hinaus wirken das virtuelle Arbeitspotenzial, die virtuelle Arbeitszeit sowie die virtuelle Arbeit der Führungskraft und des Teams auf die Zufriedenheit mit dem hybriden Arbeiten und die Identifikation mit dem Unternehmen ein.

Stephanie Schletze, Personalreferentin, Alfa Laval Mid Europe

Stephanie Schletze, Personalreferentin, Alfa Laval Mid Europe

„Nach der Corona-Pandemie haben wir eine Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten geschlossen. Im Schnitt kommen die Beschäftigten ein bis zwei Tage pro Woche ins Büro. Damit dieses Konzept funktioniert, ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Manager und Mitarbeiter unerlässlich.“

Sabrina Bullermann, HR Business Partner, BizLink Special Cables Germany

Sabrina Bullermann, HR Business Partner, BizLink Special Cables Germany

„Vor der Corona-Pandemie war es möglich, an vier Tagen im Monat aus dem Homeoffice zu arbeiten. Mittlerweile haben wir hier eine 50-Prozent-Regelung, die sehr gut angenommen wird. Grundsätzlich bemerken wir auch am Bewerbermarkt, dass dieses Angebot für potenzielle neue Mitarbeiter unumgänglich ist.“

Melanie Loba, Personalreferentin, WEINMANN Emergency Medical Technology: „Viele Mitarbeitende wünschen sich neben zeitlicher eine immer größere örtliche Flexibilität. Dabei ist uns ein guter Austausch untereinander besonders wichtig und dass sich die Mitarbeitenden weiterhin mit unserem Unternehmen identifizieren und verbunden fühlen.“

Handlungsempfehlungen

• Change top-down durchführen: Die Unternehmensführung muss vorangehen. Sorgen Sie für den passenden Organisationsrahmen.

• Kulturcheck vornehmen: Ist Präsenz in der Zusammenarbeit sehr wichtig, wird hybrides Arbeiten auf Dauer nicht funktionieren.

• Kommunikation als Schlüssel: Kommunizieren Sie regelmäßig, transparent und sinnhaft, damit die Beschäftigten Entscheidungen besser nachvollziehen können.

• Digitalisierungsschub nutzen: Prüfen Sie digitale Trends auf die Nützlichkeit für das Arbeiten in Ihrem Unternehmen. Agieren Sie, statt nur zu reagieren.

• Hybriden Alltag meistern: Nehmen Sie alle Ebenen hybrider Zusammenarbeit regelmäßig in den Blick, um Stellschrauben frühzeitig anziehen oder lockern zu können.

• Beschäftigte miteinbeziehen: Greifen Sie die Erfahrungen Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf. Die Gestaltung der hybriden Arbeitswelt ist ein Mannschaftssport.

• Je mehr, desto besser: Beschäftigte sind mit dem hybriden Arbeiten umso zufriedener, je mehr sie selbst, ihr Team und ihre Führungskraft virtuell arbeiten.

• Flexibel sein und bleiben: Hybrides Arbeiten braucht einen flexiblen Rahmen, um sein gesamtes Potenzial ausschöpfen zu können.

• Kontinuität des Wandels akzeptieren: Hybride Arbeitsmodelle entwickeln sich permanent weiter. Bleiben Sie dran.

Fotos: Shutterstock /Ground Picture, privat