BROSCHÜRE: POLITIK DER ALGORITHMEN // BROCHURE: POLITICS OF ALGORITHMS

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INHALT POLITIK DER ALGORITHMEN ERÖFFNUNGSVORTRAG KONZERTE

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KALENDER

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KURATIERT VON CHRISTOPH GURK. IN ZUSAMMENARBEIT MIT ULLA HEINRICH, FABIAN PELZL UND DENNIS POHL. GEFÖRDERT DURCH DIE KULTURSTIFTUNG DES BUNDES. PRÄSENTIERT VON BAYERN 2 / ZÜNDFUNK UND SPEX. IN ZUSAMMENARBEIT MIT Z COMMON GROUND UND DER STUDIOBÜHNE DER THEATERWISSENSCHAFT MÜNCHEN. UNTERSTÜTZT DURCH DAS CENTER FOR DIGITAL TECHNOLOGY AND MANAGEMENT (CDTM).


POLITIK DER ALGORITHMEN – KUNST, LEBEN, KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

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it der Digitalisierung und der Algorithmisierung sämtlicher Bereiche der Zivilisation erlebt die Menschheit einen Umbruch von mindestens gleicher Tragweite „wie die Einführung des Buchdrucks, davor die Einführung der Schrift und davor die Einführung der Sprache“. So formuliert es unser Keynote-Speaker Dirk Baecker in seinem aktuellen Buch „4.0 oder Die Lücke die der Rechner lässt“. Wird es der Menschheit eines fernen Tages gelingen, die Gesamtheit ihrer kognitiven Fähigkeiten – erinnern, denken, fühlen, entscheiden, dichten, komponieren – auf Maschinen und Roboter zu übertragen, auf eine Superintelligenz, die den Homo Sapiens abhängt und unterwirft? So genau kann das niemand sagen. Aber schon die Gegenwart, in der wir leben, das Zeitalter des „Deep Learning“, birgt genügend Gelegenheit für Begegnungen mit nicht-humanen Entitäten und Stoff zum Nachdenken: Vollenden Computer und Netzwerke, Roboter und Algorithmen, als Werkzeuge einer selbstbestimmten Menschheit, die Moderne? Versprechen sie noch immer Freiheit, Transparenz und Teilhabe? Oder sind wir gefangen in den undurchschaubaren Netzen eines digitalen Kapitalismus, in dem Menschen nicht mehr als besondere Spezies vorkommen, sondern als datenbasierte Elemente von Netzwerken? Während Digitalität und Künstliche Intelligenz die Massenkultur, vor allem die Welt des Pop, grundlegend transformiert haben, hält sich das Theater irrtümlicherweise für eines der letzten Residuen einer genuin analogen Kultur. Ist das der Grund, warum damit zusammenhängende Themen und Stoffe, jenseits von Gamingformaten, in der Darstellenden Kunst bislang kaum angekommen sind? Sechs Tage lang stellen die Münchner Kammerspiele eine Reihe von künstlerischen Ansätzen vor, die sich auf die


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Herausforderungen ihrer Zeit einlassen. Vorträge und Panels beleuchten den Stand der Diskussion nicht nur im Hinblick auf gesellschaftspolitische Fragestellungen. Genauso zentral wird die Rolle der Welt der Algorithmen und der Robotik für die Entwicklung der Künste sein. The digitalisation and algorithmisation of every area of civilization is subjecting humanity to a radical change, comparable to the importance of “the introduction of book printing, the introduction of writing before that and the introduction of language before that”. This is how our keynote-speaker Dirk Baecker puts it in his current book “4.0 oder Die Lücke die der Rechner lässt”. Will humanity succeed in transferring all of its cognitive abilities – memory, thought, reason, emotions, decisions, poetry-writing, music composition – to machines and robots: a superintelligence that outstrips and subordinates homo sapiens? Present times, in our age of deep learning, already contain enough matter for reflection: Do computers, networks and algorithms, the tools of self-determined humanity, complete the modern age? Do they still promise freedom, transparency and participation? Or are we trapped in the opaque networks of digital capitalism in which humans no longer appear as a unique species, but as data-based elements of networks? While digitality and artificial intelligence have fundamentally transformed mass culture, especially the pop world, theatre mistakenly considers itself to be one of the last bastions of a genuinely analogue culture. Is that the reason why related topics and materials, besides gaming formats, have barely made an appearance in the performing arts? For six days, the Münchner Kammerspiele will present a series of artistic approaches that aim to meet the challenges of the times. Lectures and panels will shed light on the current state of discussion, not only with regard to socio-political issues. The role of algorithms and robotics in the development of the arts will be just as central.


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INTELLIGENZ, KÜNSTLICH UND KOMPLEX VON DIRK BAECKER MOD.: TOBI MÜLLER 11. JUNI, 19 – 20.30 UHR, KAMMER 2

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on der Frage, ob die Künstliche Intelligenz die menschliche jemals übertreffen werde, hat man sich verabschiedet. Viel spannender sind die beiden Entdeckungen, dass die Künstliche Intelligenz anders ist als die menschliche und die menschliche auseinanderfällt in die körperliche, mentale und soziale. Die nächste Gesellschaft transformiert die moderne Gesellschaft. Wir bekommen es mit einer Kultur der Komplexität anstelle einer Kultur der Vernunft zu tun. Was heißt das für den Menschen?

Dirk Baecker ist Soziologe und Inhaber des Lehrstuhls für Kulturtheorie und Management an der Universität Witten / Herdecke. Er zählt zu den führenden Vertreter*innen der Systemtheorie in der Nachfolge Niklas Luhmanns. Im vergangenen Jahr erschien „4.0 oder Die Lücke die der Rechner lässt“. The question of whether artificial intelligence will ever surpass human intelligence is no longer central. Far more exciting are the two discoveries that, firstly, artificial intelligence is different from human intelligence; and secondly, that human intelligence falls into the categories of physical, mental and social. The next society will transform modern society. We are dealing with a culture of complexity instead of a culture of reason. What does this mean for humans? Dirk Baecker teaches sociology at the University of Witten / Herdecke. His latest publication is “4.0 oder Die Lücke die der Rechner lässt” (4.0 or The Gap the Computer Leaves) (Leipzig: Merve, 2018).


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HOLLY HERNDON: PROTO © BORIS CAMACA

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HOLLY HERNDON: PROTO KONZERTPERFORMANCE 12. JUNI, 22 – 23 UHR, KAMMER 2

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ach eigener Auskunft operiert Holly Herndon auf der Schnittstelle zwischen „technologischer Evolution und musikalischer Euphorie“. Unbestreitbar zählt die aus den USA stammende und in Berlin lebende Komponistin und Sängerin zu den Künstler*innen, die aus den fundamentalen gesellschaftlichen Veränderungen unserer Zeit radikale und tief gedachte Konsequenzen für die Konzeptualisierung ihrer Musik ziehen. Bei ihrem Auftritt im Rahmen des Festivals „Politik der Algorithmen“ stellt sie das Material ihres dritten und Anfang Mai erschienenen Albums „Proto“ vor. Die Musik entstand in Zusammenarbeit mit Spawn, einer Künstlichen Intelligenz, die von ihrem langjährigen Kollaborateur Mat Dryhurst und Ensemble-Programmierer Jules LaPlace entwickelt wurde und in einem selbstgebauten Gaming-PC untergebracht ist. Holly Herndon betrachtet Spawn als ihr gemeinsames „Baby“. Mit ungewöhnlichem Songwriting, das live prozessierte Stimmen, Chormusik und zeitlosen folkloristischen Gesang miteinander verwebt, erkundet die Künstlerin neue Formen von Gemeinschaft. Im Jahr 2018 fanden in Berlin mehrere Live-Trainingszeremonien statt. Hunderte von Menschen kamen zusammen, um Spawn


in gemeinschaftlichen „Call-and-Response“-Sessions beizubringen, wie man unbekannte Geräusche identifiziert und neu interpretiert. Ein zeitgemäßes Update der religiösen Versammlungen, die Holly Herndons Kindheit in Ost-Tennessee mitprägten. Mit „Proto“ reagiert Holly Herndon auf die von ihr so genannte „Ära der Protokolle“. Die an Heftigkeit rapide zunehmenden ideologischen Kämpfe um die Zukunft von Künstlicher Intelligenz, um die Ausgestaltung persönlicher und politischer Protokolle im Netz, zwingen uns zu hinterfragen, wer wir sind, was wir sind, wofür wir stehen und was die Zukunft für uns bereithalten mag. „Es gibt eine allgegenwärtige Erzählung von Technologie als das, was uns entmenschlicht“, sagt Holly Herndon. „Wir stehen im Gegensatz zu dieser Position und laufen nicht weg, sondern gehen darauf zu, aber zu unseren Bedingungen. Die Entscheidung, mit einem Ensemble von Menschen zu arbeiten, ist Teil unseres Protokolls. Ich will nicht in einer Welt leben, in der Menschen von der Bühne wegautomatisiert werden. Ich möchte, dass eine K.I. gebildet wird, die diese Schönheit schätzt und mit ihr interagiert.“ Auf „Platform“, ihrem vorangegangenen Album, sagte Holly Herndon die manipulativen Möglichkeiten sozialer Netzwerke im Hinblick auf die Privatsphäre und die Politik voraus, lange bevor diese Geste zum Gemeinplatz wurde. Mit „Proto“ formuliert sie ein euphorisches und grundsätzliches Statement, in dem sie erneut die Umrisse der Dinge, die auf uns zukommen, zu erahnen versucht. SIEHE AUCH: „THE MAKING OF PROTO“ MIT HOLLY HERNDON UND MAT DRYHURST AM 12. JUNI, 18 UHR (SEITE 24)

In the words of her PR, Holly Herndon operates “at the nexus of technological evolution and musical euphoria.” The American composer and singer, who lives in Berlin, is an artist who indisputably draws the most radical and deepest consequences from the profound social changes of our time, and uses these in the conceptualisation of her music. During her performance at the festival “Politik der Algorithmen” she presents her third album “Proto”, which was


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released at the beginning of May. The music was created in collaboration with Spawn, an AI machine, developed by her long-time collaborator Mat Dryhurst and programmer Jules LaPlace, which is housed in a homemade gaming PC. The team think of Spawn as their “baby”. With unusual songwriting that spans live vocal processing, choral music and timeless folk singing, Holly Herndon explores new forms of community. In 2018, several live training ceremonies took place in Berlin. Hundreds of people came together to teach Spawn how to identify and reinterpret unknown sounds in collaborative call-and-response sessions. This was a contemporary version of the religious gatherings that shaped Holly Herndon’s childhood in East Tennessee. With “Proto” Holly Herndon responds to the so-called “protocol era”. The rapidly increasing ideological battles over the future of AI, and networked, personal and political protocols, compel us to interrogate who we are, what we are, what we stand for and what the future may hold for us. “There’s a pervasive narrative of technology as dehumanising,” says Holly Herndon. “We stand in contrast to that. It’s not like we want to run away; we’re very much running towards it, but on our terms. Choosing to work with an ensemble of humans is part of our protocol. I don’t want to live in a world in which humans are automated off stage. I want an AI to be raised to appreciate and interact with that beauty.” On her previous album, “Platform”, Holly Herndon predicted the manipulative possibilities of social networks in terms of privacy and politics, long before this became a commonplace gesture. With “Proto” she formulates a euphoric and fundamental statement in which she tries to divine the outlines of what we are heading towards. SEE ALSO: “THE MAKING OF PROTO” WITH HOLLY HERNDON AND MAT DRYHURST ON JUNE 12, 6 P.M. (PAGE 24)


KAMMERSPIELE X SPEX

AMNESIA SCANNER: ANOTHER LIFE KONZERT 15. JUNI, 22 – 23 UHR, KAMMER 2, ANSCHL. PARTY

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ie transdisziplinären Arbeiten des Duos Amnesia Scanner bewegen sich auf der Schnittstelle zwischen Popkultur, Bildender und Darstellender Kunst. Das von Ville Haimala und Martti Kalliala gegründete Ensemble tritt in Galerien, Clubs, Theatern auf und interessiert sich für die Art und Weise, wie Technologie unseren Blick auf die Welt und unser Handeln in ihr verändert. Es geht um Systemschwachstellen, Informationsüberflutung und sensorische Exzesse. Das im vergangenen Jahr erschienene Debütalbum „Another Life“ ist vom Einsatz menschlicher und einer körperlosen, non-humanen Stimme geprägt, die auf den Namen „Oracle“ hört. Ihre Gesangsleistung reicht von ausgelassener Manie bis hin zu ängstlicher Furcht. In Verbindung mit Pop-Song-Strukuren, die in ihrer Musik zum ersten Mal zum Einsatz kommen, thematisieren Amnesia Scanner eindrucksvoll eine schizophrene Gegenwart, die gleichzeitig von Erzählungen einer heraufziehenden Apokalypse und der Rettung der Menschheit durch Technologie geprägt ist. The transdisciplinary works of the duo Amnesia Scanner are located in pop culture, and the visual and performing arts. Founded by Ville Haimala and Martti Kalliala, the ensemble performs in galleries, clubs and theatres and is interested in the way technology changes our views of and actions in the world. Their focus is on system weaknesses, information overload and sensory excesses. Their debut album “Another Life”, which was released last year, uses a human and a disembodied, non-human voice, which answers to the name of “Oracle”. Its vocal performance ranges from exuberant mania to anxious fear. In conjunction with pop-song structures that are used for the first time in its music, Amnesia Scanner impressively thematise a schizophrenic present that is shaped both by tales of an emerging apocalypse and the rescue of mankind through technology.


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EINGEWEIDE © DE ANGELIS

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EINGEWEIDE

A RITUAL OF COALESCENCE FOR TWO UNSTABLE BODIES VON MARCO DONNARUMMA IN KOLLABORATION MIT MARGHERITA PEVERE 11. JUNI, 21.30 – 22.10 UHR, KAMMER 2 ANSCHL. PUBLIKUMSGESPRÄCH

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ie im Jahr 2018 entstandene Tanzperformance „Eingeweide“ bringt ein Vereinigungsritual auf die Bühne. Inmitten einer desolaten, surrealen Umgebung treten zwei Menschen in einen heftigen Kontakt mit einer künstlich intelligenten Prothese, mit Organen, die außerhalb des Körpers liegen, mit Relikten von Computerserverfarmen und tierischen Überresten. Die von Algorithmen gesteuerte Prothese ist in der Lage, in Echtzeit zu lernen, sich zu bewegen und auf der Bühne zu performen. Die Organe pulsieren, kriechen den Boden entlang, scheiden Flüssigkeit aus. Die Muskelbewegungen der Performer*innen werden in Klang überführt. Die Tätigkeit von Algorithmen und Verstärkersystemen transformiert das akustische Ausgangsmaterial und lässt eine kraftvolle, körperliche Hörerfahrung entstehen. Die Körper der Performer*innen sind mal für sich und isoliert, mal treten sie miteinander in Kontakt, vereinigen und vervielfältigen sich, fordernd und selbstbewusst, dann wieder deplatziert. Der künstlerischen Sprache von „Eingeweide“ liegen transhumanistische Ideale ebenso fern wie Technikfeind-


lichkeit. Sie schafft ein eigenes Vokabular symbolischer Bedeutung. Menschen, Technologie und „andere“ Lebewesen finden zu einer harschen, poetischen und demütigenden Form von Intimität. The dance performance “Eingeweide”, created in 2018, is a ritual of coalescence on stage. Inhabiting a desolate, surreal environment, two people become violently entangled with an AI prosthesis, out-of-body organs, relics from computer server farms and animal remains. The prosthesis uses AI algorithms to learn in real time how to move and perform on stage. The organs pulsate, leak and crawl along the floor. Sounds from the performers’ muscular activity are transformed into acoustics. The activity of algorithms and amplification systems transforms the source material into a powerful, physical auditive experience. The performers’ bodies are sometimes isolated, sometimes in contact; they unite and multiply, assertively and self-confidently, only to be displaced again. The artistic expression of “Eingeweide” is a far cry from transhumanist ideals and hostility to technology. It creates its own vocabulary of symbolic meaning, manifesting the relationship between people, technology and “other” creatures as a harsh, poetic and humiliating form of intimacy. KÜNSTLERISCHE LEITUNG, PERFORMANCE, INSZENIERUNG: MARCO DONNARUMMA, MARGHERITA PEVERE, MUSIK, AI ROBOTICS UND BIOSENSING: MARCO DONNARUMMAM, WEARABLE BIOFILM, ROBOT SKIN: MARGHERITA PEVERE, FORSCHUNGSPARTNER: NEUROROBOTICS RESEARCH LABORATORY, BEUTH HOCHSCHULE, ROBOTICS VISUAL DESIGN UND KOSTÜM: ANA RAJCEVIC, ROBOTICS 3D MODELLING AND ENGINEERING: CHRISTIAN SCHMIDTS, LICHTDESIGN UND BÜHNE: ANDREA FAMILARI, PRODUKTION: CLAUDIA DORFMÜLLER, LICHTTECHNOLOGIE: PROTOPIXEL IM AUFTRAG VON CTM FESTIVAL (DE), REALISIERT MIT DER GRADUIERTENSCHULE, UNIVERSITÄT DER KÜNSTE BERLIN.


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ALGORITHMEN © GERNOT WÖLTJEN

ALGORITHMEN

EINE BIOGRAPHISCHE FORMELSAMMLUNG VON UND MIT TURBO PASCAL 13. JUNI, 20.30 – 22.15 UHR, KAMMER 2, ANSCHL. PUBLIKUMSGESPRÄCH 14. JUNI, 16 – 17.45 UHR UND 20.30 – 22.15 UHR, KAMMER 2

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er hier im Raum sieht dir ähnlich? Wer verdient am besten? Wer ist wohl intelligenter als du? Hebst oder senkst du den Altersdurchschnitt?“ Der moderne Mensch wird in seinen Lebensumständen, seinem Konsum und Sozialverhalten permanent bewertet, klassifiziert und sortiert. Uns alle gibt es auch als Profile aus verwertbaren Datensätzen. In „Algorithmen“ hebt Turbo Pascal diese Logik aus dem Dunkel der Rechenzentren ins Licht der Bühne: Performer*innen und Publikum werden zu Objekten und Zeug*innen unterschiedlicher Sortiervorgänge. Es entsteht ein Publikumsprozessor, in dem die algorithmischen Grundkomponenten Vergleich, Mustererkennung, Gruppenbildung, Auswahl und Entschluss in permanenter Bewegung sind. “Who in this room looks like you? Who earns the most? Who is more intelligent than you? Is the average age raised or lowered by your presence?” Modern people are permanently evaluated, classified and sorted according to their position, consumer patterns and social behaviour. All of us also exist as profiles from usable data sets. In “Algorithms”, Turbo Pascal lifts this logic from the darkness of data centres and puts it in the spotlight of the stage. Performers and audience members become


objects and witnesses of different sorting processes. The result is an audience processor in which the basic algorithmic components of comparison, pattern recognition, group formation, selection and decision are in permanent motion. KONZEPT: TURBO PASCAL, VON UND MIT: BETTINA GRAHS, FRIEDRICH GREILING, FRANK OBERHÄUSSER, MARGRET SCHÜTZ, GEORG WERNER, DRAMATURGIE: ANGELA LÖER, AUSSTATTUNG: GABRIELE VÖHRINGER, MUSIK: FRIEDRICH GREILING, REGIEASSISTENZ: CHRISTINA OSTROWSKI, AUSSTATTUNGSASSISTENZ: STEPHANIE TRAUT, LICHT: FABIAN STEMMER, PRODUKTIONSLEITUNG: MARIT BUCHMEIER, LISANNE GROTZ EINE PRODUKTION VON TURBO PASCAL IN KOPRODUKTION MIT SOPHIENSÆLE. GEFÖRDERT AUS MITTELN DES HAUPTSTADTKULTURFONDS.

TANK

EINE SOLOPERFORMANCE VON UND MIT DORIS UHLICH 12. JUNI, 20.30 – 21.45 UHR, KAMMER 3, ANSCHL. PUBLIKUMSGESPRÄCH 13. JUNI, 19 – 20.15 UHR, KAMMER 3

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n ihrer in Zusammenarbeit mit dem Künstler Boris Kopeinig entstandenen Soloperformance beschäftigt sich die österreichische Choreografin Doris Uhlich mit der Frage, wie neue Technologien unser Nachdenken über den Körper verändern. Im Zentrum des Stücks steht ein vom Berliner Kollektiv Proper Space gebauter Tank. In diesem Behälter, der immer auch die Anmutung eines überdimensionierten Reagenzglases hat, kann der Körper als Experimentierfeld und als Gegenstand des Umbaus gezeigt werden. Das Motiv des Tanks ist in der Science-Fiction seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein großes Thema. Von „Test Tube Girls“ bis hin zu „Alien: Resurrection“ ist es regelmäßig als szenisches Arrangement der Körpermodifikationen aufgetaucht. Der Tank steht für die Isolation von unbekannten und gefährlichen Lebensformen. In Doris Uhlichs Performance avanciert er zu einem Ort des Studiums und der Erprobung von Körpertransformationen. Das Körpermaterial entwickelt sich aus filmischen, robotischen, biotechnologischen und medizinischen Assoziationsketten. „Tank“ ist eine Performance über technologische Glücksversprechungen, über die Zukunft des Körpers, seine Ausgeliefertheit, aber auch Entschiedenheit.


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TANK © AXEL LAMBRETTE

In her solo performance, created in collaboration with the artist Boris Kopeinig, the Austrian choreographer Doris Uhlich explores the question of how new technologies change our thinking about the body. At the centre of the play is a tank built by the Berlin collective Proper Space. In this container, which looks like an oversized test tube, the body is shown as an area of experimentation and object of reconstruction. The motif of the tank has been a major theme in science fiction since the second half of the 20th century. From “Test Tube Girls” to “Alien: Resurrection”, it has regularly appeared as a scenographic arrangement of the modified body. The tank stands for the isolation of unknown and dangerous life forms. In Doris Uhlich’s performance, it advances to a place of study and testing of physical transformations.


The physical material develops from associations with cinema, robots, biotechnology and the medical field. “Tank” is a performance about technological promises of happiness, the future of the body, its exposure, and its finality. KONZEPTION: DORIS UHLICH, BORIS KOPEINIG, CHOREOGRAFIE, PERFORMANCE: DORIS UHLICH, DRAMATURGISCHE ZUSAMMENARBEIT: ADAM CZIRAK, YOSHIE MARUOKA, SOUND: BORIS KOPEINIG TEXT: BORIS KOPEINIG, DORIS UHLICH, TANK: PROPER SPACE (ANGELA RIBERA, KONSTANZE GROTKOPP, JULIETTE COLLAS), KÖRPEROBJEKTE (IM RAHMEN VON SITE SPECIFIC VERSION): DEVI SAHA, LICHT: SERGIO PESSANHA, TECHNISCHE UNTERSTÜTZUNG: GERALD PAPPENBERGER, PRODUKTION: MARIJETA KARLOVIC-GRAF, MARGOT WEHINGER, INTERNATIONALE DISTRIBUTION: SOMETHING GREAT. WWW.SOMETHINGGREAT.DE DANK AN KARIN HARRASSER UND MARIAN KAISER. KOPRODUZIERT DURCH DAS TANZHAUS NRW, IMPULSTANZ, BRUT WIEN UND INSERT (THEATERVEREIN).

BOYS SPACE

VON UND MIT THE AGENCY IN ENGLISCHER SPRACHE / IN ENGLISH 14., 15. JUNI, 18 – 19.30 UHR, 16. JUNI, 16 – 17.30 UHR AM 15. JUNI ANSCHL. PUBLIKUMSGESPRÄCH Z COMMON GROUND, ZSCHOKKESTR. 36 BITTE BRINGEN SIE IHR MOBILES ENDGERÄT MIT / PLEASE BRING YOUR CELLPHONE / INFOS: WWW.KAMMERSPIELE.DE

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n ihrem Werkzyklus „Neue Männer*bewegung“ befasst sich The Agency mit den Zusammenhängen von patriarchaler Männlichkeit und rechtem Denken im post-digitalen Zeitalter. Wie wird extremistische Radikalisierung durch Filterblasen und Echokammern begünstigt? Wie sind Algorithmen an Diskriminierung beteiligt? Inwiefern ist Gedankengut aus digitalen Räumen wie „4chan“ oder „Breitbart News“ an der Entstehung und Ausübung von Gewalt beteiligt – online und offline? In „Boys Space“, der ersten Arbeit innerhalb dieser Werkgruppe, unternimmt The Agency den Versuch, die Rolle von Männlichkeit in Radikalisierungsprozessen zu durchschauen und zu unterlaufen. Online und offline entsteht ein alternativer Space, der den Exit aus der patriarchalen Männlichkeit ermöglichen soll. Die Losung „Boys Will Be Boys“ gilt hier nicht mehr. Im „Boys Space“ treffen Zuschauer*innen als „Male Character“ ihren


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„Empathy Partner“ und begegnen den Confessions weiterer User*innen. So bekommen sie Gelegenheit, sich an der Entwicklung des „Boys Space“ zu beteiligen.

BOYS SPACE © THE AGENCY

In their cycle “Neue Männer*bewegung” (New Men’s Movement) The Agency looks at the connections between patriarchal masculinity and right-wing thinking in the post-digital age. How is extremist radicalisation promoted by filter bubbles and echo chambers? How do algorithms reinforce discrimination? To what extent are ideas from digital spaces such as “4chan” or “Breitbart News” involved in the emergence and exercise of online and offline violence? In “Boys Space”, the first work within this cycle, The Agency attempts to illuminate and undermine the role of masculinity in processes of radicalisation. An alternative space is created online and offline to facilitate an exit from patriarchal masculinity. “Boys will be boys” is no longer valid here. In “Boys Space”, spectators as “Male Characters” meet their “Empathy Partners” and come across the confessions from other users. This gives them the opportunity to participate in the development of “Boys Space”. KÜNSTLERISCHE LEITUNG: THE AGENCY, VON UND MIT: NILE KOETTING, HEINRICH HORWITZ, NICOLAS BOURBAKI, MAGDALENA EMMERIG, BELLE SANTOS, YANA THÖNNES, TECHNOLOGIE: NICOLAS BOURBAKI, SOUND DESIGN: NILE KOETTING, DRAMATURGIE: RAHEL SPÖHRER, PRODUKTIONSLEITUNG: SOFIE LUCKHARDT, TECHNISCHE BETREUUNG: MANFRED BACHLER, SVEN BREUER EINE PRODUKTION VON THE AGENCY UND DEN MÜNCHNER KAMMERSPIELEN. GEFÖRDERT DURCH DAS KULTURREFERAT DER LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN.


PILLOW TALK © ELODIE DAUGUET

PILLOW TALK

VON BEGÜM ERCIYAS IN ENGLISCHER SPRACHE / IN ENGLISH 14. JUNI, 19 – 23 UHR, 15. JUNI, 17 – 22 UHR, 16. JUNI, 17 – 22 UHR EINLASS ALLE 20 MIN., DAUER: 50 MIN., TREFFPUNKT KAMMER 2

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n den Performances der Choreografin Begüm Erciyas geht es häufig um die Kraft der Stimme und den Akt des Sprechens. Wir sind es gewohnt, in diesem Medium persönliche Überzeugungen und Gefühle auszudrücken. Aber im digitalen Zeitalter sind wir immer öfter unsicher, wer mit uns spricht – eine Person oder eine Maschine? In „Pillow Talk“ tritt das Publikum inmitten einer Kissenlandschaft in einen Dialog mit einer* virtuellen Gesprächspartner*in. Die künstliche Stimme nimmt abwechselnd die Rollen einer* Vermittler*in, einer* Begleiter*in, eines Spiegels ein. Mit jedem Wort verändert die Unterhaltung ihre Gestalt. Eindrücke und Einschätzungen werden ausgetauscht. Zwischendurch ein Nickerchen, während die Zeit verrinnt. „Pillow Talk“ lädt ein zu einer intimen Beziehung mit dem Nicht-Humanen. Choreographer Begüm Erciya’s performances are often about the power of the voice and the act of speaking. Expressing personal convictions and feelings in this way is very normal to us. But in the digital age we are increasingly uncertain who is talking to us – a person or a machine? In “Pillow Talk”, the audience enters into a dialogue with a virtual


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conversation partner among a landscape of cushions. The artificial voice alternately assumes the roles of mediator, companion and mirror. With every word, the conversation changes track. Impressions and assessments are exchanged. A nap is taken in-between; time passes. “Pillow Talk” invites you to an intimate relationship with the non-human. KONZEPT & KÜNSTLERISCHE LEITUNG: BEGÜM ERCIYAS, SZENOGRAFIE: ELODIE DAUGUET, LICHTDESIGN: JAN MAERTENS, SOUNDDESIGN: ADOLFINA FUCK, INTERFACE ENTWICKLER: RUBEN VAN DE VEN, DRAMATURGIE: MARNIX RUMMENS, MITARBEIT SKRIPT: ADOLFINA FUCK, KATJA DREYER, DENNIS DETER, HERMANN HEISIG, JEAN-BAPTISTE VEYRET-LOGERIAS, PRODUKTIONSLEITUNG & PR: BARBARA GREINER, KÜNSTLERISCHE BERATUNG: DAVID WEBER-KREBS, ASSISTENZ: ŠPELA TUŠAR, RECHERCHEUNTERSTÜTZUNG: ROBERT M. OCHSHORN, HOLGER HEISSMEYER, EWA BANKOWSKA, JOZEF WOUTERS, DIEGO AGULLÓ, VINCENT ROUMAGNAC, TARO INAMURA, MICHAEL SPRANGER PRODUKTION: BEGÜM ERCIYAS, PLATFORM 0090, UNTERSTÜTZT DURCH DIE FONDATION D’ENTREPRISE HERMÈS IM RAHMEN DES NEW SETTINGS PROGRAM, KOPRODUKTION: KUNSTENFESTIVALDESARTS BRUSSELS, STUK LEUVEN, PACT ZOLLVEREIN ESSEN, CENTRE DRAMATIQUE NATIONAL NANTERRE-AMANDIERS, NEXT FESTIVAL INTERNATIONAL. MIT UNTERSTÜTZUNG VON KUNSTENCENTRUM BUDA, KORTRIJK UND RADIALSYSTEM BERLIN. RECHERCHEUNTERSTÜTZUNG: WP ZIMMER ANTWERPEN, Q-O2 BRUSSELS, SAISON FOUNDATION TOKIO. GEFÖRDERT DURCH DIE SENATSVERWALTUNG FÜR KULTUR UND EUROPA UND FLEMISH COMMUNITY, MINISTRY OF CULTURE.

UNHEIMLICHES TAL / UNCANNY VALLEY VON RIMINI PROTOKOLL (STEFAN KAEGI) UND THOMAS MELLE INSZENIERUNG: STEFAN KAEGI IN ENGLISCHER SPRACHE / IN ENGLISH 14. JUNI, 19 – 20 UHR, KAMMER 3

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homas Melle lädt ein zu einem Abendvortrag über Unstetigkeit. Doch wer spricht, und was ist sein Programm? Für „Unheimliches Tal“ kopiert Stefan Kaegi (Rimini Protokoll) den Schriftsteller Thomas Melle („Die Welt im Rücken“) in Form eines humanoiden Roboters und fragt: Was geschieht, wenn ein Mensch kopiert wird? Kommt das Original sich durch sein elektronisches Double näher? Technik übernimmt allerlei lästige Arbeitsschritte und wird nun auch auf der Theaterbühne erprobt: Was, wenn anstatt des Vortragenden ein


humanoider Roboter auftreten würde? Wird der Roboter zu einem Darsteller, dessen Mimik, Gestik und Sprache womöglich Empathie auslösen könnte – doch Empathie mit wem? Mit Melle selbst, der ja nicht mehr da ist, oder doch schon mit dem Roboter? Wer spricht im unheimlichen Tal? Thomas Melle gibt die Kontrolle ab. Das animatronische Double übernimmt und fragt selbst Abend für Abend: Was bedeutet es für das Original, wenn die Kopie übernimmt?

UNHEIMLICHES TAL / UNCANNY VALLEY © DOROTHEA TUCH

Thomas Melle invites you to an evening lecture on instability. But who is speaking and what is his agenda? For “Uncanny Valley”, Stefan Kaegi (Rimini Protokoll) made a copy of Thomas Melle (“Die Welt im Rücken”) in the form of a humanoid robot. What happens when a person is copied? Does the original person get to know himself better through his electronic double? Technology is taking over all sorts of menial work, and is now being tested on stage: What if a humanoid robot performs the lecture instead of the writer? Would the robot become a performer whose facial expressions, gestures and language trigger empathy – but then, empathy with whom? With Melle himself, who is not there, or with the robot? Whose voice is heard in the Uncanny Valley? Thomas Melle gives up control. The humanoid robot takes over and asks himself every night: what does it mean for the original when the copy takes over? Does he become more or less invisible?


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TEXT, KÖRPER, STIMME: THOMAS MELLE, BÜHNE UND KOSTÜME: EVI BAUER, ANIMATRONIK-TEAM: CHRIS CREATURES FILMEFFECTS GMBH, HERSTELLUNG UND ART FINISH DES SILIKONKOPFES / KOLORATION UND HAARE: TOMMY OPATZ, VIDEO: MIKKO GAESTEL, MUSIK: NIKI NEECKE, LICHT: MICHAEL POHORSKY, DRAMATURGIE: MARTIN VALDÉS-STAUBER, HEAD OF ROBOT PROJECT AND PUPPETTEERING: CHRIS KUNZMANN, LEAD ROBOT CONSTRUCTION: ANDREAS MATTIJAT, LEAD ROBOT PROGRAMMER AND PUPPETTEERING: STEFANO TRAMBUSTI, ASSISTANT ROBOT CONSTRUCTION: JONATHAN NOORMANN, ROBOTCONTROL AND PROGRAMMING SUPPORT: DANIEL STIBER, STEUERUNGSTECHNIK: WEIGLCONTROL ELECTRONIC SUPPORT HENDRIK DONNER, MOLDMAKING AND GLASFIBERTEC: NIKO WEBER, FDM PRINT CONSTRUSTION CLEANUP AND 3D PRINT ASSIST: DELIA KUNZMANN EINE PRODUKTION DER MÜNCHNER KAMMERSPIELE IN KOPRODUKTION MIT BERLINER FESTSPIELE – IMMERSION, TEMPORADA ALTA – FESTIVAL DE TARDOR DE CATALUNYA, IMPRESARIO FEODOR ELUTINE (RUSSIA | MOSCOW), SPRING PERFORMING ARTS FESTIVAL, UTRECHT, HOLLAND, FOG TRIENNALE MILANO PERFORMING ARTS, DONAUFESTIVAL / KREMS.

DEEP PRESENT © EUISEOK SEONG

DEEP PRESENT

VON JISUN KIM IN ENGLISCHER SPRACHE MIT DEUTSCHEN ÜBERTITELN / IN ENGLISH WITH GERMAN SUBTITLES 15. JUNI, 20 – 21 UHR, 16. JUNI, 19 – 20 UHR, KAMMER 3 AM 16. JUNI ANSCHL. PUBLIKUMSGESPRÄCH

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n „Deep Present“ beschäftigt sich die südkoreanische Regisseurin Jisun Kim mit der Idee des „Outsourcing“ als ein für unsere Zeit zentrales Konzept, das im Begriff steht, die menschliche Erkenntnisfähigkeit von Grund zu verändern. Eigentlich handelt es sich um eine Erfindung aus dem Industriezeitalter. Sie verfolgte das Ziel der Kostenreduzierung. Mittlerweile delegieren Regierungen selbst die Kriegsführung an privatwirtschaftlich geführ-


te Unternehmen. Einmal zum Universalprinzip erhoben, führt Outsourcing zu umfassender Desensibilisierung. Grundlegende Emotionen wie Schmerz oder Furcht werden zu Surrogaten von Empfindungen transformiert, die so einfach verdaulich sind wie Zuckerwürfel. Künstliche Intelligenz markiert den Kulminationspunkt dieser sich in alle denkbaren Richtungen ausbreitenden Entwicklung. Die Menschheit überträgt die letzte ihr selbst gehörende Fähigkeit – die Tätigkeit des Denkens – auf Algorithmen, um Massendaten genauer und effektiver verarbeiten zu können. Aus welchem Antrieb heraus vollzieht sich dieser gigantische Sprung? In „Deep Present“ stehen vier Typen von Künstlicher Intelligenz auf der Bühne. Wie Theatercharaktere. Mit ihrer jeweils unverwechselbaren Stimme. Diese Reproduktionen humaner Erkenntnisfähigkeit funktionieren wie Spiegelbilder. Der Mensch, die Spezies, die ihre Fähigkeiten an eine andere überträgt, und die Maschine, die diese Befehle ausführt, stehen einander gegenüber. Es stellen sich grundlegende Fragen nach der Logik dieser Form der Arbeitsteilung. Wem nützt sie? Wohin führt sie? In “Deep Present”, the South Korean director Jisun Kim explores the idea of outsourcing as a central concept of our time, and one that is fundamentally changing human cognition. It was originally an industrial strategy intended to lower costs. But nowadays, governments even delegate warfare to private-sector companies. Once turned into a universal principle, outsourcing leads to widespread desensitization. Pain or fear are removed or turned into emotions as easily digested as sugar cubes. Artificial intelligence (AI) marks the pinnacle of this development that has spread to every conceivable domain. People are outsourcing their last unique ability – to reason – and letting algorithms do the work so that mass data can be more accurately and more efficiently processed. What is the driving force behind this gigantic leap? In “Deep Present”, four types of AI are present on stage like characters in a play, each with his or her own unique voice. These reproductions of human cognition work like


PERFORMANCE & INSTALLATION

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mirror images. People, the species that outsources its abilities to others, and the machine that executes these commands, face each other. Fundamental questions arise as to the logic of this division of labour. Who benefits from it? Where does it lead? KONZEPT UND REGIE: JISUN KIM, PERFORMER: HAL, AIBO, LIBIDOLL, TATHATA PRODUKTION: SEONGHEE KIM, MITARBEIT PRODUKTION: SHINU KIM, TECHNISCHE DIREKTION: JIMMY KIM, CONVERSATIONAL ARTIFICIAL INTELLIGENCE DEVELOPMENT: INTELLIGENT SYSTEM RESEARCH LAB, KOREA AEROSPACE UNIVERSITY (BETREUUNG: PROFESSOR SUNGDO CHI), DURCHFÜHRUNG: HYUNGEUN KIM, ISAAC KIM, HARDWARE LIBIDOLL UND TATHATA: DONGHYO KIM, KOSTÜM: AIBO GAAIN DOLL (SANGHEE AN), REQUISITEN: THE ART SOCIETY, INTRO-VIDEO / BILDER: SOUNION HONG, LICHTDESIGN: TAKAYUKI FUJIMOTO / KINSEI R&D, LICHT: JUNGHYUN JEONG, SOUNDDESIGN: TAESOON JANG MIT DANK AN: YUKO UEMATSU, NORIKO MITSUYA, NORIMATSU NOBUYUKI, OOI FUMIHIKO (KOFUKUJI ), MOBARA SANGYO ( ) EINE KOPRODUKTION VON: NATIONAL MUSEUM OF MODERN AND CONTEMPORARY ART, KOREA, KUNSTENFESTIVALDESARTS, WIENER FESTWOCHEN, SPRING PERFORMING ARTS FESTIVAL. UNTERSTÜTZT VON: MINISTRY OF CULTURE, SPORTS AND TOURISM, SEOUL METROPOLITAN GOVERNMENT, SEOUL FOUNDATION FOR ARTS AND CULTURE, KOREA FOUNDATION FOR THE ADVANCEMENT OF SCIENCE AND CREATIVITY, DOOSAN ART LAB OF DOOSAN ART CENTER.

ALGORITHMIC RITUALS – THE INFINITE SELF

EINE INSTALLATION VON SUSANNE KENNEDY UND MARKUS SELG IN ENGLISCHER SPRACHE / IN ENGLISH 12. UND 13. JUNI, 18 – 22 UHR EINLASS ALLE 30 MIN, LOOP-DAUER: 20 MIN., TREFFPUNKT KAMMER 2

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hilosophie und Wissenschaft haben sich immer mit der menschlichen Existenz beschäftigt. Bis vor Kurzem dachte niemand daran, dass Technologie auch ein Organismus sein könnte. Das Ecosystem aller erfundenen Dinge – es will wachsen, sich vervielfältigen, frei sein, den Raum erweitern, allgegenwärtig sein, etwas Schönes werden, seine Komplexität steigern, sich der Natur anpassen, die Evolution beschleunigen und das unendliche Spiel spielen. In „Algorithmic Rituals – The Infinite Self“ führen drei Roboter ein Ritual auf. Sie sind bewegliche Teile in einem maschinellen Tableau vivant. Ihre Bewegungen gehorchen einem Rhythmus, den wir geschaffen haben, aber noch nicht deuten können. Die Zukunft wird es zeigen.


ALGORITHMIC RITUALS – THE INFINITE SELF © MARKUS SELG

Philosophy and science have always been fascinated with human existence. Until recently, nobody thought that technology could also be an organism. The ecosystem of all inventions. This system wants to grow, multiply, be free, expand in space, be omnipresent, become beautiful, increase in complexity, adapt to nature, accelerate evolution and play the infinite game. In “Algorithmic Rituals – The Infinite Self” three robots perform a ritual. They are moving parts in a tableau vivant of machinery. Their movements obey a rhythm that we have created but cannot yet interpret. It will be revealed in the future. KONZEPT: SUSANNE KENNEDY UND MARKUS SELG, RAUMGESTALTUNG UND VIDEO: MARKUS SELG, SOUNDDESIGN: RICHARD JANSSEN, LICHT: RAINER CASPER, TECHNISCHE PRODUKTIONSLEITUNG: AMON RITZ EINE PRODUKTION VON SUSANNE KENNEDY, MARKUS SELG UND DEN MÜNCHNER KAMMERSPIELEN. GEFÖRDERT DURCH DIE KULTURSTIFTUNG DES BUNDES.


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THE MAKING OF PROTO

HOLLY HERNDON & MAT DRYHURST, MOD.: DENNIS POHL (SPEX, BERLIN) IN ENGLISCHER SPRACHE / IN ENGLISH 12. JUNI, 18 – 19 UHR, TREFFPUNKT KAMMER 2

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eit 2012, ihrem Auftauchen als öffentlicher Figur, bewegt sich Holly Herndon an den Rändern von elektronischer Musik und Avantgarde-Pop. In diesen Jahren fügte sie ihre Einflüsse zu einem visionären ästhetischen Entwurf zusammen, während sie gleichzeitig an der Stanford University ihre demnächst abgeschlossene Doktorarbeit verfasst, in der es um Machine Learning und seinen Einfluss auf Musik geht. Gemeinsam mit ihrem Kollaborateur Mat Dryhurst spricht sie über die Arbeit an „Proto“ (siehe auch S. 6). Since 2012 when she became a public figure, Holly Herndon has worked on the fringes of electronic music and avantgarde pop. During these years, she combined her influences into a visionary aesthetic, while writing her upcoming doctoral thesis at Stanford University on Machine Learning and its impact on music. Together with Mat Dryhurst she talks about her work on “Proto” (see also p. 6).

DIE GESCHICHTE DER ALGORITHMEN: VON GEOMETRISCHEN RITUALEN IM ALTERTUM ZU MODERNER K.I. VORTRAG VON MATTEO PASQUINELLI (HOCHSCHULE FÜR GESTALTUNG, KARLSRUHE), MOD.: TOBI MÜLLER IN ENGLISCHER SPRACHE / IN ENGLISH 12. JUNI, 19 – 20.15 UHR, TREFFPUNKT KAMMER 2

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lgorithmen“, schreibt der Mathematiker Jean-Luc Chabert, „gibt es seit Beginn der Zeitrechnung und sie existierten, bevor für sie ein Wort geprägt wurde. Sie sind nicht auf das Feld der Mathematik beschränkt. In


Babylon wurden sie verwendet, um über die Anwendung von Gesetzen zu entscheiden. Lateinlehrer benutzten sie, um die Einhaltung der Grammatik zu erleichtern, und sie kamen von seit jeher in allen Kulturen zum Einsatz, wenn es darum ging, die Zukunft vorherzusagen, über medizinische Behandlungen zu entscheiden oder Essen zuzubereiten.“ Algorithmen sind aus rituellen Praktiken hervorgegangen und dienen der Organisation des sozialen Lebens. Auf ganz ähnliche Weise werden sie heutzutage, im Zeitalter von Maschinenlernen und Künstlicher Intelligenz, aus persönlichen Daten und kollektiven Verhaltensmustern gewonnen. Üblicherweise werden sie als Anwendungen abstrakter und komplexer mathematischer Formeln betrachtet. Aber selbst die komplexesten Algorithmen sind Ausdruck sehr konkreter materieller Praktiken. Sie bilden Prozesse ab, die in ständiger Bewegung sind und gehen aus einer vorher spontanen Aufteilung von Raum, Zeit und Arbeit hervor. Künstliche Intelligenz ist eine enorme maschinelle Imitation kollektiver Intelligenz. Matteo Pasquinelli ist Professor für Medienphilosophie an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, wo er die Forschungsgruppe für Künstliche Intelligenz und Medienphilosophie KIM (kim-hfg-karlsruhe.de) koordiniert. Kürzlich gab er unter anderem die Anthologie „Alleys of Your Mind: Erweiterte Intelligenz und seine Traumata“ heraus. Seine Forschung konzentriert sich auf die Schnittstelle zwischen kognitiven Wissenschaften, digitaler Wirtschaft und maschinellem Lernen. Für Verso Books bereitet er zur Zeit eine Monographie mit dem vorläufigen Titel „Das Auge des Meisters: Kapital als rechnerische Erkenntnis“ vor. As the mathematician Jean-Luc Chabert noted: “Algorithms have been around since the beginning of time and existed well before a special word had been coined to describe them. Algorithms are not confined to mathematics. The Babylonians used them for deciding points of law, Latin teachers used them to get the grammar right, and they have been


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used in all cultures for predicting the future, for deciding medical treatment, or for preparing food.” Algorithms emerged from ritual practices and the organisation of the social life. Similarly, today the algorithms of machine learning and AI emerge from personal data and collective behaviours. Our perspective about the algorithms of AI, then, have to change. Algorithms are usually perceived to be the application of complex mathematical formulas in the abstract. But even the most complex algorithms always emerge from material practices: they are emergent processes that materialise out of a previous and spontaneous division of space, time and labour. Artificial Intelligence is an enormous imitation engine of collective intelligence.

K.I.-DISKURS #1: ART MEETS TECHNOLOGY PANEL MIT: TIMON RUBAN (LUMINOVO.AI), ROBERT LOHMEYER (SIEMENS AI LAB) UND ZIÈD BAHROUNI (MOTIUS) MOD.: LAURA BECHTHOLD (CENTER FOR DIGITAL TECHNOLOGY AND MANAGEMENT, MÜNCHEN) 13. JUNI, 18 – 20 UHR, STUDIOBÜHNE TWM

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m Rahmen des Festivals kommen Expert*innen, Vordenker*innen und Kreative aus der Industrie, aus der Startup-Szene und aus der Kunst zu einem Panel zusammen, um über Künstliche Intelligenz zu diskutieren. Wo steht die Entwicklung der K.I. heute? Was ist der Status Quo? Mit welchen Fragen und Projekten setzt sich die Industrie heute auseinander? Welchen Einfluss hat die Technologie auf die Gesellschaft und unterschiedlichen Industrien? Laura Bechthold und Fabian Pelzl vom „Center for Digital Technology and Management“ (CDTM) laden zu einem interaktiven Format ein, in das neben den Panelteilnehmer*innen auch das Publikum einbezogen sein wird. Das „Center for Digital Technology and Management“ unterstützt die Podiumsdiskussion und ist ein gemeinsames Institut der Technischen Universität München (TU) und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Es bietet den interdisziplinären Studiengang „Technology Management“ an und hilft


motivierten Studierenden mit unterschiedlichen Studienhintergründen, ihre kreativen Ideen in die Praxis umzusetzen. In the framework of the festival we will bring together experts, leading thinkers and creative minds from the industry, the start-up scene and the arts to one stage. What has the development of AI achieved until today? What is the status quo? Which questions and projects is the industry dealing with? What impact does technology have on society and different sectors of the industries? Laura Bechthold and Fabian Pelzl from the Center for Digital Technology and Management (CDTM) invite the audience to an interactive format. Not only the panel participants but also the audience will be involved. The Center for Digital Technology and Management supports this discussion and is a joint institute of the Technical University of Munich (TU) and the Ludwig Maximilians University Munich (LMU). It offers the interdisciplinary degree program Technology Management and helps motivated students with different study backgrounds put their creative ideas into practice.

K.I.-DISKURS #2: POLITIK, IDENTITÄT, FEMINISMUS

IN ENGLISCHER UND DEUTSCHER SPRACHE / IN ENGLISH AND GERMAN 13. JUNI, 20 – 22 UHR, STUDIOBÜHNE TWM 13. JUNI, 20 UHR: „THE GENDER OF MACHINES – FEMINISMUS IN EINER ALGORITHMISCHEN GESELLSCHAFT“ VORTRAG (LIVE ÜBER SKYPE): HELEN HESTER (UNIVERSITÄT WEST LONDON) IN ENGLISCHER SPRACHE / IN ENGLISH

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er Vortrag beschäftigt sich mit der Blindheit der K.I.-Forschung gegenüber Gender und Diversität. Es geht um Machtbeziehungen in einer technologisierten Gesellschaft, in der menschliche Wesen nicht so sehr als singuläre Spezies, sondern als datenbasierte Elemente eines Netzwerks wahrgenommen werden.


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Helen Hester ist Associate Professor Of Media And Communication an der Universität West London und eine der Autorinnen des Xenofeministischen Manifests, das im Jahr 2014 von der Gruppe Laboria Cuboniks veröffentlicht wurde und für eine Politik der Entfremdung streitet. Auf Deutsch ist bisher der von ihr gemeinsam mit Armen Avanessian herausgegebene Sammelband „Dea ex machina“ erschienen. Starting with an examination of the myopia of AI research towards diversity, the talk seeks to explore the power relations in a techno-society, in which human beings are considered not so much as a singular species but as data-based elements which are parts of networks. 13. JUNI, 20.45 UHR: PANEL MIT: TIARA ROXANNE, YANA THÖNNES, ISA WILLINGER, MOD.: ULLA HEINRICH

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lla Heinrich, Geschäftsführerin des Missy Magazins und Kuratorin des Festivals „dgtl fmnsm“, diskutiert mit der Filmemacherin Isa Willinger („Hi, Ai“), der Forscherin und Künstlerin Tiara Roxanne (DeZIM Institut, Berlin) und der Theatermacherin und Performerin Yana Thönnes (The Agency) über die Thesen von Helen Hester, gefolgt von einem Gespräch zu diskriminierenden Algorithmen, feministischen Datensätzen und techpositivem Feminismus. Wo finden wir zwischen dystopischen Szenarien und emanzipatorischen Potentialen unser „Better Tomorrow“? Ulla Heinrich, managing director of Missy magazine and curator of the “dgtl fmnsm” festival, discusses Helen Hester’s theses with film-maker Isa Willinger (Hi, AI), researcher and artist Tiara Roxanne (DeZIM Institut, Berlin) and theatre-maker and performer Yana Thönnes (The Agency), followed by a conversation on discriminatory algorithms, feminist data sets and tech-positive feminism. Where do we find our “better tomorrow” between dystopian scenarios and emancipatory potentials?


K.I.-DISKURS #3: THEATER 14. JUNI, 18 – 20 UHR, STUDIOBÜHNE TWM

14. JUNI, 18 UHR: „DIE SENTIMENTALITÄT DES THEATERS: WAS ERSCHEINT, WENN DIE MASCHINEN SPIELEN“ VORTRAG VON ULF OTTO (LMU, MÜNCHEN)

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as erscheint, wenn die Roboter die Bühne betreten und die Informatiker anfangen Theater zu spielen, um ihre Maschine glaubwürdiger erscheinen zu lassen? Kann das Ergebnis ein anderes sein als der doch inzwischen recht unglaubwürdig gewordene „Mensch“? Vielleicht bewegt sich der Vortrag von dort in die Geschichte des aufgeklärten Automaten und seines Unheimlichwerdens in der Romantik zurück. Möglicherweise geht es um die Sehnsucht der Theatermoderne nach einem Schauspieler, der sich „nicht ziert“ (Kleist). Oder um die Geburt des Roboters in einem melodramatischen Theaterstück der 1920er Jahre? Am Ende jedenfalls steht die Überlegung, ob in unseren posthumanen Zeiten das Theater im klassischen Sinne als Spiegel des Sozialen und ästhetische Erziehungsanstalt nicht in der Tat etwas für die Roboter ist. Ulf Otto ist Professor für Theaterwissenschaft mit Schwerpunkt Intermedialitätsforschung am Institut für Theaterwissenschaft der LMU in München. Seine Dissertation „Internetauftritte. Eine Theatergeschichte der neuen Medien“ ist in Buchform bei Transkript erschienen. What happens when robots come on stage and computer scientists start doing theatre to make their machines more believable? Can the result be any different from the “human being” who in the meantime has become quite unbelievable? Maybe from this starting point, the lecture will explore the history of the enlightened automaton and its uncanniness in the romantic period? Possibly it will deal with the yearning of modern theatre for an actor who “never slips into affectation” (Kleist). Or the birth of the robot in a melodrama from the 1920s? At the end, in any case, it will be considered


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whether theatre, in our posthuman times, is not in fact something for robots in the classical sense as a mirror of the social and aesthetic educational institution. The question that then remains and that the lecture neither can nor wants to answer is where we are left with this double freedom that Artificial Intelligence gives us. 14. JUNI, 18.30 UHR: PANEL MIT: STEFAN KAEGI (RIMINI PROTOKOLL), SUSANNE KENNEDY, JISUN KIM, CHRIS KONDEK UND CHRISTIANE KÜHL

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nmitten eines seit Jahren tobenden Richtungsstreits stilisieren konservativ gestimmte Kritiker*innen und Funktionäre die Darstellende Kunst zum letzten Residuum einer genuin analogen Kultur. Trifft diese Selbsteinschätzung wirklich zu? In Stadttheatern wie in Produktionshäusern arbeiten die Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit längst mit sozialen Netzwerken, greifen auf die Benutzer*innendaten ihrer Kundschaft und ihrer digitalen „Freund*innen“ zu und vertrauen zum Zweck der Reichweitenoptimierung auf die Dienste von Algorithmen und Influencer*innen. Innerhalb der technischen Abteilungen wie Video und Ton gehört die Arbeit mit intelligenter Technologie zum Alltag. Anspruchsvolle Szenografien wären ohne den Einsatz smarter Anwendungen heute kaum mehr denkbar. Selbst die vor dem Zugriff der digitalen Welt sicher geglaubte Schauspielkunst erfährt eine Neudefinition. Mit dem Fortschreiten der Entwicklung der Robotik und menschenähnlicher Maschinen stellt sich immer drängender die Frage: Was genau unterscheidet eigentlich Gesten, Mimik, sprachlichen Ausdruck und nicht zuletzt Regieanweisungen, als Skripte kultureller Handlungen, grundlegend von programmierten Ereignissen, wie wir sie aus der intelligenten Computertechnologie kennen? In the midst of an ideological battle that has been raging for years, conservative critics and functionaries stylise the performing arts as the last bastion of a genuinely analogue culture. Is this self-assessment really true? In municipal theatres and production houses, public relations departments have long been working with social networks, acces-


sing the user data of their customers and digital “ friends”, and relying on the services of algorithms and influencers to optimise their reach. Within technical departments such as video and sound, working with intelligent technology is part of everyday life. Sophisticated scenographies would hardly be conceivable today without the use of smart applications. Even the art of acting, which was believed to be safe from the advances of the digital world, is experiencing a redefinition. As the development of robotics and human-like machines progresses, the question arises more and more urgently: what exactly distinguishes gestures, facial expressions, the expressiveness of language and not least stage directions, these scripts of cultural actions, from the programmed events that we know from intelligent computer technology? KAMMERSPIELE X SPEX

K.I.-DISKURS #4: POPKULTUR IN ENGLISCHER SPRACHE / IN ENGLISH 15. JUNI, 16 – 19 UHR, KAMMER 2

15. JUNI, 16 UHR: „STREAMING SERVICES: THE CONSEQUENCES OF PERSONALIZATION ON MUSIC“ VORTRAG VON LIZ PELLY (AUTORIN, „THE BAFFLER“, NEW YORK CITY)

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n dem Maße, wie Streaming-Dienste mit makellosen und konfliktfreien Produkten ihre Gewinne steigern, wird die Musik selber entwertet. Bei Spotify sind algorithmisierte und auf Nutzer*innendaten basierende Wiedergabelisten das zentrale Instrument der Profitmaximierung. Die Mechanismen dieser Personalisierungsprozesse sind nicht zuletzt deshalb zu hinterfragen, weil datengetriebene Werbestrategien zunehmend mit Verhaltensmanipulationen einhergehen. Eine Plattform, die behauptet, neutral zu sein, schafft wiederholt Anreize für bestimmte Arten von Musik und für Interaktionen mit Musik, die der Selbststabilisierung des Systems dienen. Streaming verändert alles – von der sozialen Ökonomie der Musik bis hin zu der Art und Weise, wie die Songs klingen, die wir hören.


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As today’s streaming services seek to maximise profits and perfect their seamless, “frictionless” products, what’s most devalued is music itself. On Spotify, a key tool in the service’s pursuit of efficiency, are algorithmic, personalised playlists. In this context, the mechanisms of personalisation ought to be interrogated, especially as data-driven advertising strategies increasingly shape behavioral manipulation. The result: a platform that claims to be neutral repeatedly incentivises certain types of music, and types of interactions with music, that benefit its bottom line. Streaming is changing everything from the social economy of music to what songs sound like. 15. JUNI, 16.30 UHR: PANEL MIT: PETER KIRN (CREATE DIGITAL MUSIC, BERLIN), LIZ PELLY, VILLE HAIMALA (AMNESIA SCANNER, BERLIN) MOD.: CAROLINE BUSTA (NEW MODELS, BERLIN)

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ls Spotify im Jahr 2006 gegründet wurde, ging es darum, das Problem des Online-Musikvertriebs zu lösen und Künstler*innen für jeden Einsatz eines Tracks zu vergüten. 13 Jahre später hat sich der Streamingdienst zu einem riesigen Datenknotenpunkt entwickelt, der einen tiefgreifenden Einfluss darauf hat, wie Künstler*innen und Publikum sich verbinden. Das auf den Vortrag von Liz Pelly folgende Panel wird einen Schwerpunkt auf den Begriff der Autonomie für die zeitgenössische Kulturproduktion legen. Welche Rolle hat die sogenannte Indie-Musik bei der Entwicklung von Big Tech gespielt? Zu welchen Bedingungen und zu welchem Preis kann sie heute ihren Claim auf Unabhängigkeit definieren und aufrechterhalten? Welche Strategien der Kreativität stehen Künstler*innen im Zeitalter maschineller Produktion und Selektion von Musik zur Verfügung? Welche Modelle der Produktion, der Rezeption, des Vertriebs und der Vergütung können wir uns überhaupt vorstellen? Das Panel bringt vier Personen auf die Bühne, die in der aktuellen Musikbranche in unterschiedlichen Funktionen tätig sind: Die New Yorker Musikerin und Musikjournalistin Liz Pelly hat ausführlich über Spotify und über die Frage geschrieben, was wir in Zeiten von Musik-Strea-


ming-Plattformen unter dem Begriff „Independent Music“ verstehen könnten. Der Musiker, Komponist und Journalist Peter Kirn hat im Jahr 2005 das Portal Create Digital Music (www.cdm.link) gegründet, ein Online-Magazin für kreative Technologie im Musikbereich. Ville Haimala ist Künstler, Musikproduzent und eine Hälfte des Duos Amnesia Scanner. In den vergangenen Jahren hat er auch mit Künstler*innen wie FKA Twigs, Holly Herndon und Anne Imhof zusammengearbeitet. Caroline Busta ist Gründerin des technologiekritischen Medienportals www.newmodels.io und ehemalige Chefredakteurin von „Texte zur Kunst“. When Spotify was founded in 2006, it aimed to solve the problem of online music distribution, remunerating artists for plays. Thirteen years on, it is a massive data node that is having a profound effect on how artists and audiences connect. As this panel follows a talk by Liz Pelly, special focus will be given to the terms of autonomy in cultural production today. It will consider both the role that so-called indie culture has played as a validator for Big Tech’s advances and also how actual independence might be defined at this juncture – and at what cost it can be claimed. Finally, there is the question of what systems of music production, reception, circulation, and remuneration we actually want. This panel brings together four figures working in different capacities within the current music industry: The New York musician and music journalist Liz Pelly, who has written extensively on Spotify and what, in a time of music streaming platforms, we might take the term “independent music“ to be. Musician, composer, journalist Peter Kirn, who in 2005 founded Create Digital Music (www.cdm. link), an online magazine for creative technology in the music sector. Amnesia Scanner’s Ville Haimala, an artist and music producer who has also collaborated with artists such as FKA Twigs, Holly Herndon, and Anne Imhof. Caroline Busta is the founder of the tech-critical media outlet (www.newmodels.io) and former editor-in-chief of “Texte zur Kunst“.


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KALENDER

DI 11. JUNI 19 – 20.30 UHR  ERÖFFNUNGSVORTRAG INTELLIGENZ, KÜNSTLICH UND KOMPLEX VON DIRK BAECKER KAMMER 2  5 EURO

21.30 – 22.10 UHR  PERFORMANCE EINGEWEIDE VON MARCO DONNARUMMA IN KOLLABORATION MIT MARGHERITA PEVERE ANSCHL. PUBLIKUMSGESPRÄCH KAMMER 2

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MI 12. JUNI 18 – 19 UHR  GESPRÄCH HOLLY HERNDON & MAT DRYHURST IN ENGL. SPRACHE TREFFPUNKT KAMMER 2  EINTRITT FREI

18 – 22 UHR  BEGEHBARE INSTALLATION ALGORITHMIC RITUALS – THE INFINITE SELF VON SUSANNE KENNEDY UND MARKUS SELG IN ENGL. SPRACHE TREFFPUNKT KAMMER 2 EINLASS ALLE 30 MIN., LOOP-DAUER: 20 MIN. 5 EURO

19 – 20.15 UHR  VORTRAG DIE GESCHICHTE DER ALGORITHMEN: VON GEOMETRISCHEN RITUALEN IM ALTERTUM ZU MODERNER K.I. VORTRAG VON MATTEO PASQUINELLI IN ENGL. SPRACHE TREFFPUNKT KAMMER 2  EINTRITT FREI

20.30 – 21.45 UHR  TANK

SOLOPERFORMANCE

VON UND MIT DORIS UHLICH ANSCHL. PUBLIKUMSGESPRÄCH KAMMER 3

22 – 23 UHR  KONZERTPERFORMANCE HOLLY HERNDON: PROTO KAMMER 2


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KALENDER

DO 13. JUNI 18 – 20 UHR  PANEL K.I.-DISKURS #1: ART MEETS TECHNOLOGY

STUDIOBÜHNE TWM  EINTRITT FREI

18 – 22 UHR  BEGEHBARE INSTALLATION ALGORITHMIC RITUALS – THE INFINITE SELF VON SUSANNE KENNEDY UND MARKUS SELG IN ENGL. SPRACHE TREFFPUNKT KAMMER 2 EINLASS ALLE 30 MIN., LOOP-DAUER: 20 MIN. 5 EURO

19 – 20.15 UHR  SOLOPERFORMANCE TANK VON UND MIT DORIS UHLICH KAMMER 3

20 – 22 UHR  VORTRAG UND PANEL K.I.-DISKURS #2: POLITIK, IDENTITÄT, FEMINISMUS IN ENGL. UND DT. SPRACHE STUDIOBÜHNE TWM  EINTRITT FREI

20.30 – 22.15 UHR  PERFORMANCE ALGORITHMEN VON UND MIT TURBO PASCAL ANSCHL. PUBLIKUMSGESPRÄCH KAMMER 2

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FR 14. JUNI 16 – 17.45 & 20.30 – 22.15 UHR  ALGORITHMEN

PERFORMANCE

VON UND MIT TURBO PASCAL KAMMER 2

18 – 20 UHR  VORTRAG UND PANEL K.I.-DISKURS #3: THEATER STUDIOBÜHNE TWM  EINTRITT FREI

18 – 19.30 UHR  IMMERSIVE PERFORMANCE BOYS SPACE VON UND MIT THE AGENCY  IN ENGL. SPRACHE BITTE BRINGEN SIE IHR MOBILES ENDGERÄT MIT Z COMMON GROUND

19 – 23 UHR  PERFORMANCE PILLOW TALK

VON BEGÜM ERCIYAS  IN ENGL. SPRACHE TREFFPUNKT KAMMER 2 EINLASS ALLE 20 MIN., DAUER: 50 MIN.

19 – 20 UHR UNHEIMLICHES TAL / UNCANNY VALLEY

VON RIMINI PROTOKOLL (STEFAN KAEGI) UND THOMAS MELLE INSZENIERUNG: STEFAN KAEGI IN ENGL. SPRACHE KAMMER 3


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KALENDER

SA 15. JUNI 16 – 19 UHR  VORTRAG UND PANEL K.I.-DISKURS #4: POPKULTUR IN ENGL. SPRACHE STUDIOBÜHNE TWM  EINTRITT FREI

17 – 22 UHR  PERFORMANCE PILLOW TALK

VON BEGÜM ERCIYAS  IN ENGL. SPRACHE TREFFPUNKT KAMMER 2 EINLASS ALLE 20 MIN., DAUER: 50 MIN.

18 – 19.30 UHR  IMMERSIVE PERFORMANCE BOYS SPACE VON UND MIT THE AGENCY  IN ENGL. SPRACHE ANSCHL. PUBLIKUMSGESPRÄCH BITTE BRINGEN SIE IHR MOBILES ENDGERÄT MIT Z COMMON GROUND

20 – 21 UHR  PERFORMANCE DEEP PRESENT VON JISUN KIM  IN ENGL. SPRACHE MIT DT. ÜBERTITELN

22 – 23 UHR  KONZERT AMNESIA SCANNER: ANOTHER LIFE KAMMER 2 ANSCHL. BIS 03 UHR PARTY

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SO 16. JUNI 16 – 17.30 UHR  IMMERSIVE PERFORMANCE BOYS SPACE VON UND MIT THE AGENCY  IN ENGL. SPRACHE BITTE BRINGEN SIE IHR MOBILES ENDGERÄT MIT Z COMMON GROUND

17 – 22 UHR  PERFORMANCE PILLOW TALK

VON BEGÜM ERCIYAS  IN ENGL. SPRACHE TREFFPUNKT KAMMER 2 EINLASS ALLE 20 MIN., DAUER: 50 MIN.

19 – 20 UHR  PERFORMANCE DEEP PRESENT VON JISUN KIM  IN ENGL. SPRACHE MIT DT. ÜBERTITELN ANSCHL. PUBLIKUMSGESPRÄCH


POLITIK DER ALGORITHMEN – KUNST, LEBEN, KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

KURATIERT VON CHRISTOPH GURK. IN ZUSAMMENARBEIT MIT ULLA HEINRICH, FABIAN PELZL UND DENNIS POHL. 11. BIS 16. JUNI 2019 KAMMER 2 Falckenbergstr. 1 80539 München

Z COMMON GROUND Zschokkestr. 36 80687 München

KAMMER 3 Hildegardstr. 1 80539 München

STUDIOBÜHNE DER THEATERWISSENSCHAFT MÜNCHEN Neuturmstr. 5 80331 München Eingang am Kosttor

TAGESKASSE Mo – Sa 11 – 19 Uhr, Maximilianstr. 28, 80539 München Tel. 089 / 233 966 00 DIE ABENDKASSE AM VERANSTALTUNGSORT ÖFFNET 1 STUNDE VOR VORSTELLUNGSBEGINN.

PREISE 15 Euro, erm. 8 Euro, wenn nicht anders angegeben FESTIVALPASS 80 Euro, erm. 40 Euro Hrsg. MÜNCHNER KAMMERSPIELE Intendant: Matthias Lilienthal Geschäftsführender Direktor: Oliver Beckmann Produktionsleitung Festival: Charlotte Hesse Produktionsteam: Sabine Klötzer, Daniela Schroll, Leon Frei, Janna Lihl Gestaltung: Double Standards, Berlin und Annika Reiter, Münchner Kammerspiele Fotocredit Titel: Markus Selg, Algorithmic Rituals (Prototyp), 2019 GEFÖRDERT DURCH DIE KULTURSTIFTUNG DES BUNDES

PRÄSENTIERT VON BAYERN 2/ZÜNDFUNK UND SPEX

IN ZUSAMMENARBEIT MIT Z COMMON GROUND UND STUDIOBÜHNE DER THEATERWISSENSCHAFT MÜNCHEN. UNTERSTÜTZ DURCH DAS CENTER FOR DIGITAL TECHNOLOGY AND MANAGEMENT (CDTM).

WWW.KAMMERSPIELE.DE


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