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Co-Living im Stresstest
from IMMOBILIEN AKTUELL
by IMMOCOM
Einsam und deshalb gemeinsam in der New-Work-Welt leben – damit hat die Co- Living- und Micro-Living-Welt zuletzt für viel Aufmerksamkeit und große Projekte gesorgt. Doch Corona hat die Schwächen mancher Konzepte und Player offengelegt. Der Markt sortiert sich neu.
Keine Show ohne Co. Laut, unbescheiden und mit viel Venture Capital im Rücken strebten in den letzten sechs, sieben Jahren so einige Co-Living-Akteure weltweit nach Wohnen-auf-Zeit-Wunderwelten mit 500, 600 Einheiten und schnellen Marktführerschaften. Im Fokus hatten sie sowohl Studierende als auch eine wachsende Zahl an Young Professionals, die nur mit dem Koffer flexibel in ein möbliertes Community-Angebot ziehen wollen. Die Mega-Trends von Urbanisierung bei knappen Wohnungsmärkten, New Work und Sharing bis hin zur Digitalisierung gaben dem neuen „entertainten Zusammenwohnen“ viel Aerodynamik.
Doch dann kam Corona. Auf einen Schlag brachen internationale Anreisen weg, Gemeinschafts- und Eventkonzepte waren kaum erlaubt. Die neue Wohnwunderblase platzte. Zwar konnte noch im Sommer 2020 mit der Erfahrung vieler Online-Events beispielsweise die Konzeptfahne hochgehalten werden, doch die Rentabilität mit Blick auf die Größe der Objekte und so manchem Wasserkopf in der Zentrale war bereits im freien Fall. Zuerst schlossen in den USA einige Kurzzeitvermieter, dann auch der Co-Living-Pionier Hub- Haus, und Ende 2020 übernahm Starcity seinen Mitbewerber Ollie. Als Quarters, der europäische Marktführer aus Berlin, im Januar 2021 den Rückzug aus den USA antrat, war der Optimismus groß, sich solide auf Europa zu konzentrieren und zu wachsen. Doch das kleinere Berliner Start-up Habyt, vormals Projects, schluckte wenig später Quarters. Zuvor ereilte auch schon Homefully, Goliving und Erasmo’s Room das Schicksal. Um Quarters ist es seitdem mucksmäuschenstill geworden. Genauso um The Collective, jener britischen Pioniermarke, die noch vor wenigen Monaten großes in Deutschland vorhatte und jetzt mit unkommentierten Verkaufsgerüchten belegt ist.
Kleinere Projekte haben sich behauptet
„In Summe fühlt sich gerade vieles, was im Markt passiert, wie ein Dämpfer für das Co-Living-Segment an“, sagt Benjamin Oeckl, Geschäftsführer des auf Temporäres Wohnen spezialisierten Designbüros BelForm. „Das ist schade. Aber die Konstellationen sind oft schwierig, die Fallhöhe für die Start-ups groß – und es wird zu selten gefragt, ob jemand wirklich damit Geld verdient oder bald wieder den Exit sucht.“ Bianca Vandersee, Senior Consultant bei Apartmentservice, stellt fest: „Investoren trauen dem Trend gerade nicht, sie glauben aber daran.“ In diesem Sinne entwickle sich das Co- Living-Segment in Deutschland und international durchaus weiter, ist sie überzeugt. „Und im Gegensatz zu den großen Start-ups haben sich die kleinen und mittelgroßen Projekte des Co-Livings und die Einzelanbieter, die diese betreiben, 2020 eigentlich gut behauptet.“
Grundsätzlich muss man beim Co-Living zwischen dem Angebot von Shared Living, also von WGs und Clusterwohnen, unterscheiden (zum Beispiel Habyt) und dem von Serviced Apartments, also häufig gewerblichen Einzelapartments mit Küchen- und Badbereich für jeden einzelnen Bewohner samt Community-Fläche (wie The Collective). Die Shared-Angebote sind oft wohnwirtschaftlich als Micro-Living unter 20 Quadratmeter konzipiert und treffen in großer Zahl auf große Eventflächen, die von der Living-Lobby bis zu Gaming- und Co-Working-Arealen reichen. Sowohl die Community-Flächen müssen aktiv bespielt werden, als auch die Bewohner miteinander in Apps & Co „gematcht“ werden. Während also hier mehr ein eigener Kosmos kreiert wird – dies auch in B-Lagen – setzen manche Einzelapartment-Konzepte wiederum auf die Nachbarschaft. Aber die Grenzen sind fließend, die Konzeptbestandteile mischen sich. Ein All-Inclusive-Modell anstelle einer Nur-Zimmer-Vermietung steht im Vordergrund.
Disneyland Micro Living

Quelle: Quarters / Habyt

Quelle: The Base
„Zuletzt erfolgreicher haben sich für mich im deutschen Markt eher die Einzelapartment-Konzepte mit Gemeinschaftsflächen gezeigt“, sagt Benjamin Oeckl. Bianca Vandersee betont, dass in Deutschland große WG-Produkte wie Habyt ohnehin bisher die Ausnahme bilden. „Der hiesige Co-Living-Markt ist dominiert von Einzelanbietern und kleinen Angeboten in den Top-7-Destinationen, detailverliebt ausgestattet und mit dem Community-Gedanken geführt“, sagt sie. Dazu gehört das The Brucklyn in Erlangen, das 2018 das erste große Co- Living-Projekt in Deutschland war, das sich nicht allein an Studierende richtete. Entwickelt und betrieben von der Jost Unternehmensgruppe aus München, verfügt das Haus über 303 Apartments mit 23 Quadratmetern Fläche und wartet mit Eventküchen, Inhouse-Kino und Rooftop-Pool auf. Die Sauer Real Estate hat im Juli 2020 für Studierende, Young Professionals, Projektarbeiter das PHNX in Hamburg gestartet, mit 225 Apartments zwischen 17 bis 33 Quadratmetern Fläche, Gemeinschaftsbereichen, Gastronomie und Events. 2022 will die Landmarken AG mit ihrer Co-Living-Marke Poha House die ersten Häuser in Aachen und Essen eröffnen. Und neu ist auch The Base, das der Gründer Florian Färber erstmals im Dezember 2021 in Berlin-Pankow mit einem 318-Apartment-Objekt samt 5.000 Quadratmeter Community-Fläche mit Dachterrassen, Yoga, Kino, Community-Küche und eigens entwickelter App zum Leben erweckt.

Quelle: The Base

Quelle: Quarters / Habyt
Als Learning aus dem Markt soll der Shortstay-Anteil bei nie mehr als 25 Prozent liegen. Fernab von Studierenden sind Young Professionals zwischen 20 und 30 Jahren Kernzielgruppe, die für den Job nach Berlin kommen und nach ein, zwei Jahren für den nächsten Job wieder gehen. „Für sie gibt es bisher in Deutschland kaum Angebote, sie sollen The Base als Rundumsorglos-Paket und ihren Start in die Stadt erleben“, sagt er. Denn die Megatrends wirken weiter, und Co-Living sei auch ein Angebot gegen die wachsende Vereinsamung junger Menschen. „Die Wohnform ist da, um zu bleiben“, ist Florian Färber überzeugt, nicht zuletzt weil der Micro-Living-Markt mit Co-Living erst wirklich Zukunft habe. „Niemand will auf nur 18 Quadratmetern in Legebatterien-Manier wohnen“, findet er. „Du musst das Disneyland im Micro-Living haben.“
Sylvie Konzack