2 minute read

Zumindest ein Anschub

Next Article
Einkaufen, nur wo?

Einkaufen, nur wo?

Wie steht es um die Digitalisierung? Eine Annäherung.

Bewertungsdatenplattform, Videobesichtigung und virtueller Mietvertragsabschluss – der pandemiebedingte Ausnahmezustand hat in der Immobilienwirtschaft Prozesse angeschoben oder beschleunigt, die in der Vor-Corona-Zeit zumeist vor sich hinschlummerten. Zum internationalen Vorreiter in Sachen Digitalisierung sei die Branche in Deutschland damit freilich nicht geworden, bilanzieren Marktteilnehmer und -beobachter unisono: Allenfalls habe die Situation seit dem vergangenen Jahr überfällige Teilschritte aus dem Analogen verabschiedet. Damit das D-Wort zum dauerhaften Trend mit Veränderungspotenzial wird, brauche es Transparenz, Datenverfügbarkeit und Kooperationsbereitschaft – also ein Aufeinander zugehen von verschiedenen Seiten.

Zahlen-Chaos

„Die Datenlage auf dem deutschen Immobilienmarkt ist immer noch recht intransparent, oft fehlt es an Fundamentaldaten, um die Algorithmen entsprechend trainieren zu können“, erklärt dies beispielhaft für die Immobilienbewerter Stefan Mergen, Managing Partner der NAI apollo-Tochter apollo valuation + research. Daher wichen Ergebnisse oft stark voneinander ab, Zahlen seien weniger belastbar und Anwender misstrauisch. Außerdem müssten Anbieter digitaler Lösungen seiner Ansicht nach einen besseren Einblick in die Immobilienbewertung erhalten – wenn sie Bewertungsmodelle besser kennen und verstehen würden, könnten sie zielgenauere Lösungen entwickeln, die dann wiederum gut kombiniert werden könnten.

Ähnlich äußert sich der Geschäftsführer des Softwareunternehmens On-geo, Matthias Knabe: „Zahlreiche öffentliche Daten wie Grundbuchauszüge und Bodenrichtwerte sind nicht ohne weiteres verfügbar, erst recht nicht digital.“ Zudem fehle es vor allem bei Gewerbeimmobilien häufig an Ist-Marktdaten, kritisiert er und wünscht sich, dass „Datensilos und veraltete Denkmuster“ aufgebrochen werden. On-geo liefert Daten zu Bewertungs- und Researchzwecken. Wo die Datenbasis dünn ist, tun sich Entwickler mit einer fundierten Vergleichssoftware als Basis für Bewertungen schwer – und so überrascht es kaum, dass NAI apollo-Experte Stefan Mergen im gewerblichen Immobiliensektor ganzheitliche marktreife Lösungen für automatisierte Bewertungsmethoden vermisst. Bei eigengenutzten Wohnimmobilien, die in der Regel gut miteinander vergleichbar seien, sei dies anders.

Praxis-Check

Transparenz und Offenheit fordern die Experten auch von der eigenen Branche ein – nur auf der Basis gegenseitigen Verständnisses und in Zusammenarbeit könnten digitale Lösungen nachhaltig wirken. Der eigene Datensatz im Unternehmen werde erst wertvoll, wenn man ihn in Relation zu weiteren bringen kann, sagt Matthias Knabe. Zugleich müssten Start-ups ganzheitlicher denken. Wie das gehen kann, erklärt der On-geo-Chef anhand eines Beispieles aus dem eigenen Unternehmen: On-geo habe mit Banken und Sparkassen eine gemeinsame Plattform entwickelt, auf der Nutzer ihre eigenen Daten anonymi - siert und aggregiert zur Verfügung stellen. Im Gegenzug erfahren sie von extern realisierten Kauf- und Mietpreisen. „Das wäre noch vor ein paar Jahren kaum denkbar gewesen.“ Er wünscht sich, dass die finanziellen Vorteile digitaler Lösungen mehr herausgestellt werden – Digitales als Marketingeffekt, dafür könne sich schließlich kaum einer mehr erwärmen.

„PropTechs bringen den Technologieverstand ein, wir bringen das Praxis-Knowhow mit“, wirbt auch Stefan Mergen für Bündnisse zwischen Start-ups und Etablierten. Geht es nach ihm, braucht Digitalisierung weder eine weitere Pandemie noch außergewöhnlich viel Geld- oder Personaleinsatz, um sich in der Immobilienwirtschaft durchzusetzen: Gefordert sei schlicht mehr Mut – Digitalisierung als Tatsache zu akzeptieren, neue Lösungen anzunehmen und den Alltag entsprechend zu ändern.

Kristina Pezzei

This article is from: