Stoffwechsel & Hormone

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“MIT BEHARRLICHKEIT HALTE ICH HASHIMOTO IN SCHACH!“

Die Journalistin, Autorin und Moderatorin Vanessa Blumhagen über ihren Umgang mit der Autoimmunerkrankung Hashimoto Seite 03

“Der Kopf muss mit!“ Die Content Creatorin, Autorin und Coachin Tanja Marfo über ihr Leben mit Adipositas Seite 03

Stoffwechsel & Hormone

THEMENSPEZIAL "SELTENE STOFFWECHSELERKRANKUNGEN"

Erfahren Sie mehr über Morbus-Fabry und Arginase-1-Mangel Seite 04 – 07

VERANTWORTLICH FÜR DEN INHALT

DIESER AUSGABE DEZEMBER 2024

Miriam Hähnel

Erkrankungen des Stoffwechsels und des Hormonsystems sollten immer ernst genommen werden, um Betroffenen ein Plus an Lebensqualität ermöglichen zu können.

IN DIESER AUSGABE

“Ich bin der klassische Fabry-Patient wie er im Lehrbuch steht“

Ronny Specht über sein Leben mit der seltenen Stoffwechselerkrankung

Arginase-1-Mangel

Prof. Daniela Karall im Interview über Diagnose- und Therapiemöglichkeiten dieses seltenen Harnstoffzyklusdefektes

Hormonsystem und Gesundheit: Erkennen,

Verstehen, Behandeln

Das Hormonsystem steuert viele lebenswichtige Funktionen in unserem Körper. Wenn es zu Störungen kommt, können Erkrankungen wie Adipositas oder Schilddrüsen-Autoimmunerkrankungen entstehen, die weitreichende Folgen für unsere Gesundheit haben. In dieser Beilage erfahren Sie, welche Rolle hormonelle Dysbalancen spielen, wie sie erkannt und behandelt werden können und warum neue Therapien Hoffnung für Betroffene bieten. Entdecken Sie, wie moderne Endokrinologie heute interdisziplinär arbeitet und den Weg zu einer gezielten Präzisionsmedizin der Zukunft ebnet.

Liebe Leserinnen und Leser, in der vorliegenden Beilage erfahren Sie aus Betroffenensicht, wie sehr Störungen im Hormonsystem unser Leben beeinflussen können und wie wichtig es daher ist, sie rechtzeitig zu erkennen und richtig zu behandeln.

“Adipositas” und “Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse” sind häufige Erkrankungen in der Normalbevölkerung. Eine Adipositas, definiert als BMI > 30 liegt bei etwa 20% der Erwachsenen in Deutschland vor. Seit 4 Jahren gilt sie als anerkannte chronische Krankheit. Ursache ist eine komplexe Störung im hormonellen Regelkreis, der unseren Energiehaushalt reguliert, mit der Folge einer Imbalance zwischen Energiezufuhr und Energieumsatz. Inzwischen kennen wir maßgebliche molekulare Mechanismen der Adipositas, allen voran Darm-Hormone, welche auf Appetit- und Sättigungszentren im Gehirn einwirken. In diesen Regelkreis greifen die nun zur Verfügung stehenden Adipositastherapien ein: Zum einen die bariatrische Chirurgie und zum anderen medikamentöse Therapien, basierend auf GLP-1, dem im Darm gebildeten Inkretinhormon und dessen Weiterentwicklung (z. B. Twinkretine und Triagonisten). Durch die Hormontherapie ist seit kurzem erstmals eine Reduktion des Körpergewichts um bis zu 25% möglich mit belegtem Nutzen für Folgeerkrankungen wie Diabetes, Herz und Nierenschwäche, Fettleber, Schlafapnoesyndrom. Für die schon länger etablierte Adipositaschirurgie ist sogar ein verbessertes Langzeitüberleben gesichert.

“Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse” sind nicht nur häufig, sondern können auch sehr vielgestaltig sein. Etwa 5-10% aller Frauen im reproduktionsfähigen Alter weisen Zeichen einer Schilddrüsenautoimmunität auf. Das bedeutet aber nicht, dass sie krank sind oder es werden müssen. Kommt es hingegen zu einer Überoder Unterfunktion der Schilddrüse, können praktisch alle Körperfunktionen beeinträchtig sein. Die gute Nachricht: Schilddrüsenfunktionsstörungen lassen sich zuverlässig feststellen, und die damit einhergehenden Beschwerden sind auch vollständig reversibel, sobald die Schilddrüsenfunktion wiederhergestellt ist. Darüber hinaus gibt es bei einem Teil der Patienten aber auch unklare Beschwerden, die uns Ärzte vor Herausforderungen stellen, weil sie nicht durch eine Funktionsstörung erklärt werden können. Hier liegt es nahe, den “Autoimmunprozess an sich als Übeltäter zu benennen”, wissenschaftlich belegt ist dies bis heute allerdings nicht. Selten können auch andere Organe von dem Immunprozess betroffen sein, z. B. die Nebenniere oder die Bauchspeicheldrüse. Auch daran muß man bei entsprechenden Beschwerden denken.

Störungen im “Endokrinium”, dem Hormonsystem, liegen auch weiteren Volkskrankheiten wie Osteoporose und Diabetes mellitus sowie Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen zugrunde. Hinzukommen erworbene oder angeborene seltene Störung der Hormonproduktion oder Hormonwirkung im Körper durch Immunprozesse, Tumoren, genetische Veränderungen oder exogene Faktoren, bspw. endokrine Disruptren. Für alle diese Fragestellungen ist die Endokrinologie als Teilgebiet der Inneren Medizin zuständig bzw. bei Kindern die pädiatrische Endokrinologie. Sie betreibt eine interdisziplinär ausgerichtete Systemmedizin, die Klinik, Labormedizin, Genetik, Bildgebung, Pathologie und digitale Tools ebenso integriert wie vielfältige internistische, chirurgische und nuklearmedizinische Behandlungskonzepte. Dabei stehen die neuen zielgerichteten Hormontherapien für den Paradigmenwechsel und die Endokrinen Präzisionmedizin der Zukunft.

Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse sind nicht nur häufig, sondern können auch sehr vielgestaltig sein.

Frau Univ.-Prof. Dr. Dr.med. Dagmar Führer-Sakel Direktorin Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel am Universitätsklinikum Essen

Director Business Development Health: Miriam Hähnel Geschäftsführung: Johan Janing (CEO) Henriette Schröder (Managing Director), Philipp Colaço (Director Business Development), Lea Hartmann (Head of Design), Cover: Vanessa Blumhagen ©Robert Recker Mediaplanet-Kontakt: de.redaktion@mediaplanet.com

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Seltene Stoffwechselerkrankungen

Eine Erkrankung gilt als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Die einzelnen Krankheitsbilder treten nicht häufig auf, aber in Summe sind sehr viele Menschen von seltenen Erkrankungen betroffen. Allein in Deutschland sind es über vier Millionen Menschen, die eine solche Erkrankung haben.

Der Großteil der seltenen Erkrankungen ist genetisch bedingt oder mitbedingt: Man geht davon aus, dass das bei rund 80% dieser Erkrankungen der Fall ist. Das gilt auch für seltene Stoffwechselerkrankungen wie z. B. lysosomale Speichererkrankungen oder Harnstoffzyklusdefekte, auf die wir in dieser Ausgabe beispielhaft näher eingehen.

Um Betroffene mit seltenen Stoffwechselerkrankungen bestmöglich versorgen zu können, braucht es sehr viel mehr Aufmerksamkeit für diese Krankheitsbilder. Denn die Odyssee vieler Betroffener bzw. betroffener Familien beginnt bereits bei der Suche nach der richtigen Diagnose, da sich die verschiedenen Krankheitsbilder oft durch unspezifische Symptome bemerkbar machen, die in Gänze betrachtet werden müssen.

Da diese Erkrankungen in den meisten Fällen chronisch verlaufen, die Symptome sich im Laufe der Zeit verschärfen und irreversible Schäden entstehen können, ist eine möglichst frühe Diagnose aber entscheidend, um in den Krankheitsverlauf eingreifen zu können.

Ist die Diagnose gestellt, sind spezialisierte Zentren für seltene Stoffwechselerkrankungen die ideale Anlaufstelle für Betroffene.

Eine Auflistung dieser Zentren finden Sie unter www.se-atlas.de

Text Univ.-Prof. Dr. Dr.med. Dagmar Führer-Sakel

Mit Beharrlichkeit halte ich Hashimoto in Schach!

Die Autoimmunkrankheit Hashimoto-Thyreoiditis zeigt sich mit Symptomen, die individuell variieren.

Vanessa Blumhagen (47) kennt viele davon aus eigenem Erleben. Die Journalistin, Moderatorin, Autorin und Society-Expertin berichtet hier, wie sie ihre Erkrankung beharrlich in Schach hält.

Text Doreen Brumme

Welche Symptome bemerkten Sie anfangs und wie kam es zur Diagnose Hashimoto?

2008 nahm ich plötzlich auf einen Schlag elf Kilo zu, was schlimm war: Ich hatte gerade bei RTL angefangen und die TVKamera lässt einen sowieso dicker aussehen. Zudem fielen mir die Haare aus. Hände und Füße schliefen ein. Ich war mit Anfang 30 ständig erschöpft und meine Regel blieb aus. Ich klagte unzähligen Ärzten vergebens mein Leid. Nach drei Jahren Ärzteodyssee bekam ich von einem Freund den Tipp, dass ich an einer Autoimmunerkrankung leiden könnte. Ich kombinierte den Begriff mit meinen Symptomen und kam im Internet sofort auf Hashimoto-Thyreoiditis, eine chronische Entzündung der Schilddrüse, hervorgerufen durch ein fehlgeleitetes Immunsystem. Mein Arzt bestätigte den Verdacht. Im Ultraschall sah man, dass mein Schilddrüsengewebe stark vernarbt war, das Organ verkleinert. Welche Behandlungen probierten Sie aus –und halfen diese?

Zum Zeitpunkt meiner Diagnose fand ich hierzulande kaum Informationen zum Umgang mit der Krankheit. Bis heute wissen leider viele Ärzte nicht Bescheid oder sie nehmen die Beschwerden ihrer Patienten, mehr Frauen als Männer, nicht ernst. Ich kaufte in New Yorker Buchhandlungen alles, was ich zu dem Thema finden konnte, und befragte einige amerikanische Autoimmun-Experten persönlich. Als „trial and error“-Typ probierte ich aus, was mir in die Finger kam. Manchmal ging es gut, manchmal nicht. Ich gab Geld für Darmkuren aus – und lasse seitdem die Finger davon. Abraten würde ich auch von sogenannten Magensäure-Blockern. Hashimoto-Patienten

haben nämlich eher zu wenig, als zu viel Magensäure. Stattdessen bin ich ein großer Freund von ganzheitlicher Medizin geworden. Ich lasse regelmäßig im Blut testen, was mir fehlt und ergänze dann genau das: Selen, Eisen, Magnesium, Zink, Omega-3, B-Vitamine und Vitamin D3 mit K2 uvm.. Umweltgifte versuche ich zu meiden.

Haben Sie Ernährung oder Lebensstil geändert, um Hashimoto in den Griff zu bekommen? Beides. Ich meide Gluten. Das Klebereiweiß löst einen Schub aus, die Entzündung und später Vernarbung des Schilddrüsengewebes. Oft kommt es nach einer anfänglichen Über- zu einer chronischen Unterfunktion: Die Schilddrüse bildet nicht mehr genug Hormone. Deshalb lasse ich meine Schilddrüsewerte im Blut regelmäßig testen und optimiere, falls nötig, die Dosis der Schilddrüsenhormone. Ich meide zudem Milchprodukte, da Milch entzündungsfördernd ist. Grundsätzlich fahre ich mit Vollgas durchs Leben. Lange nahm ich den Stress in Kauf, den das Tempo mit sich bringt. Da Stress Autoimmunerkrankungen jedoch befeuert, nehme ich jetzt öfter mal den Fuß vom Gas.

Wie gehen Sie mit den emotionalen und psychologischen Aspekten der Erkrankung um? Viele Ärzte wollten mit vor meiner Diagnose Antidepressiva verschreiben. Das habe ich abgelehnt, weil ich wusste: Meine Seele leidet, weil es meinem Körper nicht gut geht. Nachdem ich meine Baustellen behoben hatte, kam auch die Sonne zurück in mein Leben. Damit andere Betroffene nicht die gleichen Erfahrungen machen müssen, schneller eine Diagnose erhalten und früher zurück zu ihrem Wohlbefinden kommen, habe ich 2012 Hashimoto Deutschland gegründet.

„Der

Keiner soll sich mit der Erkrankung so allein fühlen wie ich anfangs.

Vanessa Blumhagen

Auf unserer Website gibt es einen Ärztefinder und viele andere hilfreiche Tools. Dazu tauschen sich mittlerweile über 100.000 Betroffene und Mediziner auf unseren Social Media Seiten aus. Jährlich findet ein Hashimoto Day statt, bei dem die Menschen sich im wahren Leben begegnen und Experten Vorträge halten. Und: Ich habe mehrere Bücher zum Thema geschrieben. „Jeden Tag wurde ich dicker und müder“1 ist inzwischen das Standardwerk, das auch Ärzte empfehlen.

„Jeden Tag wurde ich dicker und müder: Mein Leben mit Hashimoto“ (mvg Verlag 2013, aktualisierte Neuausgabe 2021) 2 https://www.hashimoto- deutschland.de 3 https://www.hashimoto-deutschland.de/Ärztefinder

Buchtipp

“Jeden Tag wurde ich dicker und müder“

ISBN: 9783961217601

Weitere Informationen finden Sie unter: www.hashimoto-deutschland.de oder auf Instagram @ Hashimoto_deutschland

Kopf muss mit!“

Das sagt Tanja Marfo (45), die hier berichtet, wie sie in anderthalb Jahren 80 Kilogramm abnahm, nachdem ihr fast 200 kg schwerer Körper kaum noch machte, was der Kopf sich dachte. Die Content Creatorin, Autorin und Coachin gewährt im Interview Einblicke in ihre Welt, in der sie sich mehr als 30 Jahre zu groß, zu dick und zu laut fühlte. Und sie spricht über ihre neue Leichtigkeit, in der Körper und Kopf endlich gemeinsam unterwegs sind.

Sie machten Ihre erste Diät mit 12, die letzte mit 42. Welche Gründe hatten Sie?

Ich fühlte mich als Zwölfjährige zu groß, zu dick und zu laut. Wegen meiner Größe und meines Mehrgewichts wurde ich gemobbt. Wegen meiner lauten Art eckte ich an. Meine Vorschullehrerin zog mich mal am Ohr –heute ein Unding – und sagte mir, dass sich Mädchen nicht so benehmen würden wie ich. Ich schämte mich, fühlte mich schuldig, war traurig. Ich machte meine erste Diät in der Hoffnung, abzunehmen, um so dem Mobbing ein Ende zu bereiten. Ich hatte das Gegaffe, Lästern, Auslachen, Beleidigen und Beschimpfen satt. Ich nahm mit der Diät ab. Doch als ich sie beendete, nahm ich wieder zu. Also startete ich die nächste.

Was haben 30 Jahre Diäten mit Ihnen gemacht? Diät folgte auf Diät - ein Teufelskreis, der mich innerhalb von 30 Jahren auf fast 200 kg brachte. Mein Body-Maß-Index (BMI) betrug 57. Ich entwickelte mit den Diätjahren eine Essstörung, verlor jegliches Sättigungsgefühl und hörte das Essen laut nach mir rufen. Wer diesen „Food-Noise“ nicht kennt, weiß nicht, wie hart es ist, ihn auszublenden und ihm zu widerstehen. Zugleich signalisierte mir mein Körper mit jedem Kilo mehr, dass er mit dem Kopf immer weniger mithalten könne. Meine Ü70-jährige Mutter war schneller und gesünder unterwegs als ich, mein Sohn sowieso. Das Leben lief mir buchstäblich davon – ich weiß nicht, was mit mir geschehen wäre, wenn ich nichts verändert hätte.

Sie haben 80 kg abgenommen – wie haben Sie das gemacht?

Im Jahr 2022 wollte ich für einen Modeljob in die

Karibik fliegen. Beim Buchen des Tickets hatte ich zwar auf Beinfreiheit geachtet – ich bin schließlich 1,86 Meter groß – aber nicht auf klappbare Lehnen. Ich passte nicht auf meinen gebuchten Platz und hätte beinahe wieder aus dem Flieger aussteigen müssen. Ich werde nie vergessen, wie die Flugbegleiterin und die anderen Fluggäste mich beäugten. In der Karibik schwitzte ich mit meinem Gewichtspanzer enorm und fühlte mich total unwohl. Noch am Strand beschloss ich, ihn abzuwerfen. Also informierte ich mich gründlich und marschierte forsch zur ersten Ärztin, die ich nach unserem Umzug im neuen Viertel fand. Ich weiß noch, wie ich vor ihrer Praxis auf der Treppe wartete, weil die Stühle im Wartezimmer zu klein für mich waren. Der Ärztin sagte ich ganz genau, was ich wollte. Und die nickte nur.

Ich suchte ein zertifiziertes Adipositas-Zentrum auf und ließ mich dort untersuchen, beraten und aufklären. Sechs Monate später wurde mein Magen verkleinert. In den ersten sechs Wochen nach der OP verlor ich 20 kg. Mittlerweile sind 80 kg weg – und mit jedem Kilo weniger fühle ich mich stärker, fitter und gesünder. Mein Körper hält wieder mit dem Kopf mit.

Was raten Sie mehrgewichtigen und adipösen Menschen, die Hilfe suchen?

• Abnehmen funktioniert nur, wenn Kopf und Körper sich einig sind. Mein Kopf wurde nicht mitoperiert, ich muss also auch nach einer Magenverkleinerung um vier Fünftel bewusst steuern, was ich wann in welcher Menge esse. Zum Glück empfängt mein Kopf inzwischen wieder Sättigungssignale vom Magen.

Früher war ich mit einer ganzen Pizza samt Dessert nicht satt zu kriegen, heute schaffe ich gerade mal zwei Stücke.

• Es gibt wirksame Abhilfe bei Mehrgewicht und Adipositas. Letzteres ist eine anerkannte Krankheit, für die die Medizin Leitlinien zur Behandlung hat. • Wir müssen die Scham loswerden. Dicke sollten sich weder selbst schämen, noch beschämt werden. Die Scham raubt Energie – und hindert so viele, sich Hilfe zu holen.

Sie sind Plus-Size-Model und Influencerin. Sie betreiben den Podcast „Curvy Bestie Club“ und mit Ihrem Instagram-Account „Kurvenrausch“ erreichen Sie mehr als 92.000 Follower. Welche Rolle spielen Ihre persönlichen Erfahrungen in Ihrem Engagement?

Ich nehme die Menschen mit auf meinem Weg: Als Model zeigte ich schon vor der OP, dass Mehrgewicht und Mode ein starkes Team sind. Und wenn ich mit Einblicken in meine Veränderung andere ermutige, ihre Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen, dann ist genau das die Wirkung, die ich erzielen möchte.

Lasst uns die Scham ablegen. Dicksein ist kein Grund, sich zu schämen. Diese andauernde Scham raubt Energie – Energie, die man braucht, um das Gewicht auf ein gesundes Maß zu bringen.

kurvenrausch

Text Doreen Brumme
„Ich bin der klassische Fabry-Patient, wie er im Lehrbuch steht“

Morbus Fabry ist eine erblich bedingte Stoffwechselstörung, die das Leben Betroffener stark beeinträchtigen kann. Ronny Specht ist selbst betroffen von der Erkrankung und im Vorstand der Morbus Fabry Selbsthilfegruppe (MFSH) e. V. tätig. Im Interview erzählt er uns von seinem Leben mit Morbus Fabry, und warum er sich ehrenamtlich in der Selbsthilfe engagiert.

Herr Specht, Sie sind selbst betroffen von Morbus Fabry. Wie hat sich die Erkrankung bei Ihnen gezeigt?

Erste Beschwerden hatte ich schon im Kindesalter. Wenn ich einen Infekt hatte oder körperlich überlastet war, hatte ich starke Nervenschmerzen, die sich als extremes Brennen in den Händen und Füßen gezeigt haben. Diese Schmerzen waren so stark, dass ich als Kind gedacht habe: „Ich hacke mir gleich die Hände ab, ich halte das nicht aus!“ Meine Eltern haben natürlich vermutet, dass das keinesfalls normal ist. Da ich auch kleine punktförmige Einblutungen (sog. Angiokeratome) am rechten Schienbein hatte, gingen wir zum Arzt. Im Zuge der Wende ist das aber leider untergegangen und wurde nicht weiter verfolgt.

Da

meine Diagnose erst so spät gestellt wurde, sind Schäden entstanden, die sich nur sehr langsam oder gar nicht mehr beheben lassen. Aber solange sich nichts verschlechtert, bin ich sehr glücklich darüber!

Vorstandsmitglied

weg überhitzte. Da dachte ich: Da kann doch irgendwas nicht stimmen! Es sollte aber noch lange dauern, bis man dem Morbus Fabry auf die Spur kam.

Vor vier Jahren ist mir schlagartig die linke Hand eingeschlafen. Ich dachte, ich hätte mir einen Nerv eingeklemmt und ging zum Hausarzt, der vermutete, dass mehr dahintersteckt. Ich wurde zum Gefäßspezialisten überwiesen, der ein MRT machte, und sollte mich zudem beim Neurologen vorstellen. Beim MRT gab es Auffälligkeiten, und es stand die Diagnose Multiple Sklerose im Raum: eine Verwechslung, die beim Fabry häufig vorkommt.

Ich wurde an die Uniklinik in Augsburg verwiesen, wo eine sehr versierte Neurologin MS ausschloss und direkt sagte: „Da gibt es einen Trittbrettfahrer, der die Symptome auslöst, und den müssen wir finden!“

Nach weiteren Untersuchungen stellte sich heraus, dass ein kleiner Schlaganfall der Auslöser meiner tauben Hand war: Mit 42 war ich dafür aber eigentlich zu jung. Zudem war mein Herz schon immer leicht auffällig, und nach weiteren kardiologischen Untersuchungen wurde festgestellt, dass ich eine linksseitige Herzwandverdickung habe.

Diese Symptomkonstellation ließ die Ärzte schließlich aufhorchen und ich wurde molekulargenetisch getestet. Nach fast 40 Jahren Fehlersuche stand die Diagnose fest: Ich habe Morbus Fabry. In meiner Familie bin ich der erste mit dieser Diagnose.

Zwar ist Morbus Fabry nicht heilbar, aber gut behandelbar. Wie werden Sie behandelt und wie geht es Ihnen unter Therapie?

Ich bekomme alle zwei Wochen eine Enzymersatztherapie, die etwa vier Stunden dauert. Ich bin sehr froh, dass mein Zustand unter Therapie stabil ist. Da meine Diagnose erst so spät gestellt wurde, sind Schäden entstanden, die sich nur sehr langsam oder gar nicht mehr beheben lassen. Aber solange sich nichts verschlechtert, bin ich sehr glücklich darüber!

Sie sind seit Kurzem Mitglied des Vorstandes der Morbus Fabry Selbsthilfegruppe e.V. Was ist Ihr Antrieb dafür, sich in der Selbsthilfe zu engagieren?

Seit zwei Jahren bin ich bereits Mitglied der MFSH e. V., da der Kontakt zu anderen Betroffenen eine ganz wichtige Hilfe für mich ist. Man fühlt sich zu 100% verstanden und kann sich gegenseitig unterstützen. Letztes Jahr im November bin ich eingesprungen, um bei einer Veranstaltung ein Vorstandsmitglied zu vertreten. Danach wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, dauerhaft im Vorstand mitzuarbeiten, was ich gern angenommen habe. Denn so kann ich ganz aktiv die Vernetzung Betroffener fördern und auch Forschungsaktivitäten mit vorantreiben. Das ist mein Antrieb!

Weitere Informationen über die Morbus Fabry Selbsthilfegruppe (MFSH) e.V. finden Sie unter:

Wie wurde schließlich die richtige Diagnose gestellt?

Das war eine Odyssee. Als Jugendlicher habe ich im Sommer bemerkt, dass ich nicht schwitze, was ein ganz typisches Symptom von Morbus Fabry ist. Ich konnte mich nie lang in der Sonne aufhalten, weil ich schlicht-

Morbus Fabry kann sich auf den gesamten Körper auswirken. Wie sieht das bei Ihnen konkret aus?

Ich bin der klassische Fabry-Patient, wie er im Lehrbuch steht: Brennende Hände und Füße, Herzwandverdickung, zwei Schlaganfälle in jungen Jahren, Petechien, eine Nierenbeteiligung (wenn zum Glück auch gering), die Unfähigkeit zu Schwitzen, Hörprobleme, der klassische Fabry-Katarakt, Fatigue, Darmprobleme. Hier kann ich überall ein Kreuzchen setzen.

www.fabry-shg.org

Morbus Fabry und Morbus Pompe: Den Erkrankungen auf die Spur kommen

Morbus Fabry und Morbus Pompe sind seltene genetische Erkrankungen, die sich durch eine Vielzahl an Symptomen

bemerkbar machen können.Es handelt sich um Multisystemerkrankungen: Es können also Schäden an verschiedenen

Organen auftreten. Da die Erkrankungen unbehandelt weiter fortschreiten, sich die Beschwerden weiter verschlechtern und die Lebensqualität Betroffener zunehmend einschränken, ist eine frühe Diagnose von entscheidender Bedeutung.

Mögliche Symptome bei Morbus Fabry

HAUT

• Vermindertes Schwitzen

• Kleine dunkelrote Punkte, die als Angiokeratome bezeichnet werden, vor allem zwischen Bauchnabel und Knien

NERVENSYSTEM

Starke Schmerzen, die Minuten bis Stunden andauern

• Hörverlust, Tinnitus

• Hitze- oder Kälteunverträglichkeit oder Belastungsintoleranz

• Transitorische ischämische Attacke (TIA) und Schlaganfall

• Brennen der Hände/Füße (als Akroparästhesie bezeichnet)

• Schwindel

HERZ

• Unregelmäßiger Herzschlag (schnell/langsam)

• Herzanfall oder -versagen

• Vergrößertes Herz

NIEREN

• Eiweiß im Urin

• Verminderte Nierenfunktion

• Nierenversagen

MAGEN-DARM

• Übelkeit und Erbrechen

• Durchfall und/oder Verstopfung

• Bauchschmerzen

• Blähungen

AUGEN

• Wirbelförmiges Muster auf der Hornhaut

• Fabry-Katarakt (eine best. Form der Linsentrübung)

PSYCHOSOZIALE ASPEKTE

• Depression

• Angstzustände

• Panikattacken

• Isolation

Mögliche Symptome bei adultem Morbus Pompe

Morbus Fabry

Morbus Fabry wird auch als das Chamäleon unter den seltenen Erkrankungen bezeichnet, da er diverse Symptome verursachen kann, die zunächst auf die falsche Fährte locken können.

Betroffene haben oft eine jahrelange Odyssee von Arzt zu Arzt hinter sich, in der häufig Fehldiagnosen gestellt werden, verbunden mit einer Fehlbehandlung, die für die Patienten oft wirkungslos bleibt. Zu den körperlichen Symptomen kommen daher nicht selten psychische Beschwerden hinzu.

Wenn also verschiedene unspezifische Symptome auftreten (s. Grafik links), sollten diese in Kombination betrachtet werden, um der Erkrankung möglichst früh auf die Spur zu kommen. Sind zudem bereits ähnliche Fälle in der Familie aufgetreten, sollte man umso hellhöriger werden. Bei männlichen Patienten kann bereits ein einfacher Bluttest zur Bestimmung der Enzym-aktivität zur Diagnose führen, die durch eine genetische Testung abgesichert werden kann. Bei weiblichen Patienten kann die genetische Testung die Diagnose sichern.

Je früher die Erkrankung erkannt wird, umso schneller kann die passende Therapie in die Wege geleitet werden. Nur so können Beschwerden eingedämmt, mögliche Folgeschäden verhindert und die Lebensqualität Betroffener verbessert werden.

Morbus Pompe

Wie der Morbus Fabry ist auch der Morbus Pompe eine Erkrankung mit vielen Gesichtern, die sich durch eine Vielzahl an Symptomen bemerkbar machen kann (s. Grafik rechts). Da die Beschwerden auch auf andere neuromuskuläre Erkrankungen hindeuten können, dauert es oft, bis die richtige Diagnose gestellt ist. Die Erkrankung schreitet weiter voran und kann die Lebensqualität stark beeinträchtigen.

Oft kommen seelische Beschwerden durch den anhaltenden Leidensdruck und die langen Diagnosewege hinzu. Die einzelnen Symptome sollten also unbedingt in Gänze betrachtet werden.

Morbus Pompe ist eine genetisch bedingte Erkrankung. Besteht der Verdacht auf Morbus Pompe, ist der erste Schritt ein einfacher Blut test. Verhärtet sich der Verdacht, entscheidet der Arzt, ob eine genetische Testung anzuraten ist, die den Morbus Pompe final bestätigen kann.

Der Zeitpunkt der Diagnose ist entscheidend für den Behandlungserfolg, da bereits entstandene Schäden oft irreversibel sind. Um weitere Organschäden zu verhindern sowie die Lebensqualität Betroffener langfristig zu verbessern, sollte bei einer entsprechenden Symptomkombination ein Arzt aufgesucht werden.

SKELETT UND MUSKELN

• Muskelschwäche, vor allem der rumpfnahen Muskulatur

• Rückenschmerzen

• Körperliche Aktivität ist nicht mehr oder eingeschränkt möglich

• Schwierigkeiten beim Treppensteigen

• Gangstörungen (Watschelgang)

• Gelenksteifheit

• Flügelartiges Abstehen der Schulterblätter

• Eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule

• Abnorme Krümmung der Wirbelsäule

• Motorische Einschränkungen

LUNGE

• Atemschwäche

• Atembeschwerden

• Häufige Atemwegsinfekte

• Schlafapnoe

• Tagesschläfrigkeit

• Morgendliche Kopfschmerzen

VERDAUUNGSTRAKT

• Schwierigkeiten beim Kauen und Schlucken

• Unzureichende Gewichtszunahme

• Chronische Verstopfung

• Harn- und Stuhlinkontinenz

Weitere Informationen: www.fabryfamilytree.de und www.amicusrx.de

“Es braucht sehr viel mehr Aufmerksamkeit für Seltene Stoffwechselerkrankungen“

Wenn Kinder das Familienglück perfekt machen, freuen sich Eltern auf jeden Entwicklungsschritt und Meilenstein. Entwickeln sich Kinder jedoch nicht in dem Tempo, wie sie es sollten, zeigen motorische oder mentale Auffälligkeiten oder machen gar Rückschritte, werden Eltern und Kinderärzte spätestens bei den Kindervorsorgeuntersuchungen darauf aufmerksam. Auch wenn es dafür verschiedenste Ursachen geben kann, können in manchen Fällen seltene Erkrankungen die Ursache sein. Zu ihnen gehört auch der Arginase-1-Mangel, der zu den Harnstoffzyklusdefekten zählt und unbehandelt verheerende Folgen haben kann. Prof. Daniela Karall hat sich auf Seltene Stoffwechselstörungen spezialisiert: Mit ihr sprachen wir über diese tückische Erkrankung, wie man sie möglichst früh feststellen kann und welche Behandlungsmöglichkeiten es heute gibt.

Text Hanna Sinnecker

Frau Prof. Karall, Sie behandeln u. a. Patienten mit dem seltenen angeborenen Arginase1-Mangel. Was passiert bei der Erkrankung im Körper Betroffener?

Der Arginase-1-Mangel ist von den sechs Harnstoffzyklusdefekten, die wir kennen, der seltenste und hat eine Häufigkeit von nur einer betroffenen Person unter 750.000 bis 900.000 Menschen. Betroffene weisen eine Mutation im Arginase-1-Gen auf, was dazu führt, dass das Enzym Arginase-1 in zu geringen Mengen oder gar nicht produziert wird. Dieses Enzym benötigt der Körper aber, um Arginin und Arginin-verwandte Stoffwechselprodukte abzubauen. Die Besonderheit des Arginase-1-Mangels ist, dass Arginin nicht nur Teil des Harnstoffzyklus, sondern z. B. auch des Energiestoffwechsels ist.

Gibt es ein bestimmtes Alter, in dem Betroffene üblicherweise auffällig werden und wie sehen die Symptome aus?

Die Symptome von Kindern und Jugendlichen mit Arginase-1-Mangel haben zwei Häufigkeitsgipfel. Der erste findet sich im Neugeborenenalter, wobei die Symptome hier auf eine Erhöhung von Ammoniak zurückzuführen sind. Weil Arginase fehlt, sammelt sich Ammoniak als Abbauprodukt an. Staut sich Ammoniak an, ist das giftig für die Organe, insbesondere für das Gehirn. Das erste Symptom bei Neugeborenen ist häufig ein hyperammonemisches Koma, beginnend mit Bewusstseinsstörungen bis hin zu einer Multisystem-Erkrankung. Diese hyperammonemischen Krisen können auch später noch auftreten, sind aber mit zunehmendem Alter der Kinder seltener. Das hat zwei Gründe: Erstens, weil man die Diagnose dann idealerweise bereits kennt, und zweitens, weil man die Stoffwechselstörung therapiert.

Der zweite Häufigkeitsgipfel hat etwas mit dem erhöhten Argininspiegel zu tun. Hier geht es um die anderen Stoffwechselwege im Körper, bei denen Arginin beteiligt ist.

Das äußert sich in Form einer fortschreitenden ZerebralParese, die Kinder zeigen frühestens im Kindergartenalter eine spastische Lähmung, also einen erhöhten Tonus zuerst der unteren Extremitäten. Später können auch die oberen Extremitäten betroffen sein. Sie haben zunehmende Geh- und Koordinationsprobleme, bis sie die Gehfähigkeit verlieren und auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Das ist für die betroffenen Kinder und ihre Familien absolut tragisch.

Je früher man die Erkrankung entdeckt, umso schneller kann man mit der Behandlung beginnen.

Prof. Daniela Karall

stv. Direktorin der Universitätsklinik für Pädiatrie I an der Medizinischen Universität Innsbruck, Leiterin des Bereiches Angeborene Stoffwechselstörungen, Obfrau des Forums Seltene Erkrankungen, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde

Es gibt auch Kinder, die nur die neurologische Beteiligung zeigen, ohne dass sie jemals eine hyperammonemische Krise hatten. Wenn diese Betroffenen im Neugeborenenalter keine Symptome zeigen, jedoch im Laufe ihres

Lebens eine neurologische Symptomatik entwickeln, kann es sein, dass sie länger oder gänzlich als Arginase1-Mangel-Patienten unentdeckt bleiben. Wenn ein betroffenes Kind nicht behandelt wird, kann es zu einer körperlichen und geistigen Entwicklungsverzögerung kommen, und die neurologische Symptomatik tritt mit nahezu hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit im späteren Leben ein.

Wo liegen die Herausforderungen, wenn es um die Diagnose der Erkrankung geht und wie kann sie zweifelsfrei festgestellt werden?

Das Wichtigste ist, dass man bei der eben genannten Symptomkonstellation überhaupt an das mögliche Vorliegen einer angeborenen Harnstoffzyklusstörung denkt, es braucht also sehr viel mehr Aufmerksamkeit für diese Erkrankungen. Denn wenn man einen entsprechenden Verdacht hat, ist die Sicherung der Diagnose nicht schwierig. Dafür müssen zunächst die Aminosäuren im Plasma bestimmt werden. Bei Betroffenen ist der Argininwert deutlich erhöht: Der Normwert bei gesunden Menschen liegt bei bis zu 120 Mikromol pro Liter (µmol/l) im Blut, bei Patienten mit Arginase-1-Mangel kann der Wert auch mal bei 500 bis über 1000 liegen. Diese Ergebnisse können mit einer genetischen Analyse gesichert werden, indem man das ARG1-Gen analysiert. Liegt dort eine Mutation vor, ist die Diagnose zweifelsfrei gestellt.

Zur Website des Bereiches Angeborene Stoffwechselstörungen der Med. Universität Innsbruck gelangen Sie über den QR-Code.

Mehr zum Forum für Seltene Erkrankungen unter: www.forum-sk.at

Mehr zur Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde: www.paediatrie.at

Warum ist eine möglichst frühe Diagnose so wichtig, und wäre aus Ihrer Sicht eine Aufnahme der Erkrankung in das Neugeborenen-Screening sinnvoll?

Tatsächlich ist der Arginase-1-Mangel in einigen Ländern bereits seit etlichen Jahren im Neugeborenen-Screening inkludiert, da die Symptome sehr unspezifisch sein können, wir aber eine Therapiemöglichkeit haben. Das ist oft die klassische Konstellation für Erkrankungen, die man in ein Screening aufnimmt: Dass es eine Behandlungsmöglichkeit mit gutem Behandlungsergebnis gibt.

Die generelle PatientenBetreuung sollte so gut und Wohnort-nahe wie möglich erfolgen.

Die Aufnahme in das Neugeborenen-Screening halte ich also auf jeden Fall für sinnvoll, und technisch wäre das auch machbar. Denn je früher man die Erkrankung entdeckt, umso schneller kann man mit der Behandlung beginnen.

Wie sehen die derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten aus und wie wirken sie sich auf die Lebensqualität Betroffener aus?

Die Standardbehandlung besteht in einer Eiweißdefinierten Ernährung, bei der man darauf achtet, dass die Arginin-Zufuhr nicht durch die Ernährung noch erhöht wird. Zudem kann man Betroffenen sog. Ammoniak-Scavenger verabreichen: Das sind orale Medikamente, die das Ammoniak aus dem Blutkreislauf abfangen und dadurch das Blut entgiften.

Seit fünf Jahren haben wir für den Arginase-1-Mangel eine Enzymtherapie zu Verfügung: Durch wöchentliche

subkutane Spritzen des Medikamentes (Pegzilarginase) wird das Arginin im Blut abgebaut und der Argininspiegel unter 200 µmol/l gesenkt.

Die zuvor genannte eiweißarme Diät ist eine sehr einschränkende Diät, die die Symptome zwar verlangsamt, aber nicht verhindert. Deswegen setzen wir große Hoffnungen auf die Enzymtherapie, da diese die neurologischen Symptome abbremsen und im besten Falle sogar verhindern kann. Damit werden potenziell auch Folgeschäden verhindert und den Betroffenen ein Plus an Lebensqualität geschenkt.

Wo finden Betroffene und ihre Angehörigen Spezialisten, die auf die Behandlung von Seltenen Stoffwechselerkrankungen wie Arginase-1-Mangel spezialisiert sind?

Die Mediziner und Behandlungsnetzwerke, die sich mit angeborenen Stoffwechselstörungen beschäftigen, sind in sogenannten Stoffwechsel-Zentren organisiert. Wenn eine Familie den Weg in ein solches Zentrum gefunden hat, läuft die Betreuung meist gut. Der Weg dorthin ist oft nicht ganz einfach. Speziell wenn man an eine sehr seltene Erkrankung wie den Arginase-1-Mangel denkt und Betroffene „nur“ neurologisch auffällig sind, ist es sehr wichtig, unsere Kollegen in der Niederlassung oder in peripheren Krankenhäusern darauf aufmerksam zu machen, dass die Symptome ggf. auch zu einer angeborenen Stoffwechselstörung passen können. Nur so kann schneller eine Überweisung oder Weiterleitung in ein spezialisiertes Zentrum stattfinden, wo die Expertise gebündelt wird und die Therapie in die Wege geleitet werden kann.

Wir glauben, wie bei eigentlich allen seltenen Erkrankungen, an das Credo: „Nicht der Patient soll reisen, sondern die Expertise“. Die generelle Patienten-Betreuung sollte so gut und Wohnort-nahe wie möglich erfolgen. Das ist übrigens auch ein Vorteil der subkutanen Enzymtherapie, denn das Medikament kann auch zuhause verabreicht werden.

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Immedica Pharma Germany GmbH entstanden.

Harnstoffzyklusdefekte:

Was sind Harnstoffzyklusdefekte? Harnstoffzyklusdefekte sind eine Gruppe von erblich bedingten Stoffwechselerkrankungen, bei denen der Körper das giftige Ammoniak, das beim Abbau von Eiweiß entsteht, nicht ausreichend in Harnstoff umwandeln kann. Dadurch steigt der Ammoniakspiegel im Blut gefährlich an und kann zu schweren neurologischen Schäden führen.

Ursachen:

Diese Störungen werden durch genetische Mutationen verursacht, die zu einem Mangel an bestimmten Enzymen führen, die für den Harnstoffzyklus und weitere Stoffwechselvorgänge notwendig sind.

Symptome:

Die Symptome können sehr unterschiedlich sein und reichen von leichten, unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit und Erbrechen bis hin zu schweren neurologischen Störungen wie Bewusstlosigkeit und Krampfanfällen. Besonders bei Neugeborenen und Säuglingen können diese Erkrankungen lebensbedrohlich sein.

Diagnose:

Die Diagnose erfolgt in der Regel durch eine Blutuntersuchung, bei der der Ammoniakspiegel bestimmt wird. Weitere Untersuchungen (z. B. ein Aminosäurenprofil oder eine genetische Analyse) können zur Bestätigung der Diagnose beitragen.

Therapie:

Die Behandlung von Harnstoffzyklusdefekten zielt darauf ab, den Ammoniakspiegel zu senken und die Auswirkungen des erhöhten Ammoniakspiegels zu minimieren. Dazu gehören eine eiweißarme Ernährung, Medikamente und in schweren Fällen eine Lebertransplantation.

„Der kontinuierliche Dialog mit Betroffenen ist entscheidend“

Die Entwicklung und Bereitstellung von Therapien für seltene Erkrankungen sind mehr als nur Wissenschaft – sie sind ein Zeichen der Solidarität mit Betroffenen und ein entscheidender Beitrag, um die Lebensqualität Betroffener potenziell zu verbessern. Wir sprachen mit Fabrizio Zucca (General Manager DACH bei Immedica Pharma) über die Herausforderungen und Chancen, die mit der Zulassung und Bereitstellung von Arzneimitteln für seltene Erkrankungen verbunden sind.

Text Hanna Sinnecker

In Deutschland leben etwa vier Millionen Menschen mit einer seltenen Erkrankung: Der Bedarf an zielgerichteten Behandlungsmöglichkeiten ist hoch. Was sind die Herausforderungen bei der Entwicklung und Zurverfügungstellung solcher Therapien? Aus unserer Sicht gibt es drei zentrale Problemstellungen. Erstens sind oft kleine, geografisch verstreute Patienten gruppen von seltenen Erkrankungen betroffen, was es schwierig macht, Daten für klinische Studien zu sammeln. Diese sind aber ein entscheidender Faktor für die Entwicklung und Zurverfügungstellung von Therapien. Zudem mangelt es oft an spezialisierten Zentren, was den Zugang zu Diagnosen und Therapien erschwert. Zweitens sind die Erkrankungen oft zu wenig bekannt und weisen unspezifische Symptome auf, was oft zu verspäteten oder falschen Diagnosen führt. Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass es ausreichend Möglichkeiten zur Aufklärung und Schulung für die relevanten Akteure und das medizinische Fachpersonal gibt, so dass das frühzeitige Finden der richtigen Diagnosen sichergestellt wird. Drittens gibt es regulatorische Hürden, die genommen werden müssen, bis Therapien zugelassen und erstattet werden können. In Deutschland sind wir hier aber glücklicherweise aufgrund des sehr strukturierten Vorgehens schnell: Sobald eine Therapie entwickelt und ihr Nutzen sowie die Unbedenklichkeit bestätigt sind, wird sie Betroffenen in der Regel auch zugänglich gemacht.

Diagnose steckt eine persönliche Geschichte, geprägt von Herausforderungen, Hoffnungen und Entbehrungen. Diesen Menschen durch neue Therapien eine Perspektive zu geben: Das ist es, was uns antreibt.

Hinter jeder Diagnose steckt eine persönliche Geschichte, geprägt von Herausforderungen, Hoffnungen und Entbehrungen.

Fabrizio Zucca General Manager DACH bei Immedica Pharma

z. B. den Arginase-1-Mangel. Darüber hinaus engagieren wir uns in den Bereichen Hämatologie und Onkologie, in denen ein erheblicher ungedeckter medizinischer Bedarf besteht. Der Austausch mit medizinischen Fachgesellschaften und Experten ist besonders wichtig, denn er hilft dabei, bedarfsgerechte Behandlungsansätze zu entwickeln. Wir sind überzeugt, dass eine transparente und unvoreingenommene Zusammenarbeit entscheidend dazu beiträgt, Versorgungsdefizite frühzeitig zu erkennen und den Betroffenen die notwendige Behandlung schneller und effizienter zugänglich zu machen.

Patient Centricity wird bei Immedica großgeschrieben. Wie beziehen Sie Betroffene in die Arbeit ein?

Immedica Pharma hat sich trotzdem das Ziel gesetzt, sich für neue und innovative Therapieansätze für Menschen mit seltenen Erkrankungen einzusetzen. Was ist Ihr Antrieb?

Unsere größte Motivation ist es, den Betroffenen und ihren Angehörigen helfen zu können. Hinter jeder

Wir haben zudem den Anspruch, Versorgungslücken zu schließen und dabei zu unterstützen, existierende, aber schwer zugängliche Therapien für die Betroffenen verfügbar zu machen. Dabei setzen wir auf enge Partnerschaften mit biopharmazeutischen Unternehmen, um bahnbrechende Therapien, die teilweise noch nicht ihren Weg nach Europa gefunden haben, auch hier verfügbar zu machen und somit die bestehende Marktzugangshürde zu überwinden. Falls notwendig, stehen wir hier auch im engen Austausch mit Behörden und Kostenträgern, so dass eine schnelle Therapieinitiierung, z. B. im Rahmen von Härtefallprogrammen bei Bedarf sichergestellt werden kann.

Gibt es bestimmte Bereiche, auf die Immedica die Aktivitäten fokussiert?

Wir konzentrieren uns besonders auf ultraseltene Stoffwechselerkrankungen und genetische Erkrankungen wie

Patientenzentrierung ist der Kern unserer Arbeit. Es ist uns wichtig, die Betroffenenperspektive in unsere Arbeit mit einzubeziehen, um die Krankheitslast und die Herausforderungen im Alltag besser verstehen und darauf abgestimmte Lösungen entwickeln zu können. Ein konkretes Beispiel: In Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen, Ernährungswissenschaftler:innen und Beratungsgruppen haben wir vor einigen Jahren ein Kochbuch entwickelt, das Rezepte enthält, die speziell auf Menschen mit Stoffwechselerkrankungen zugeschnitten sind, bei denen die tägliche Proteinzufuhr stark eingeschränkt ist. Dieses Kochbuch ist im Laufe der Jahre zu einer Art „Kochbibel“ mit Rezepten aus der ganzen Welt geworden. Aus dieser Erfahrung haben wir gelernt, dass der kontinuierliche Dialog und das aktive Zuhören entscheidend sind, um Betroffene bestmöglich unterstützen zu können.

Nothilfe

Ukraine

Millionen Familien aus der Ukraine bangen um ihr Leben und ihre Zukunft. Aktion Deutschland Hilft, das Bündnis deutscher Hilfsorganisationen, leistet den Menschen Nothilfe. Danke für Ihre Solidarität. Danke für Ihre Spende. Jetzt Förderer werden: Aktion-Deutschland-Hilft.de

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