Kopf und Psyche

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EINE UNABHÄNGIGE KAMPAGNE VON

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Kopf & Psyche

„Wir sind viele: Offi ziell rund 2,5 Millionen Erwachsene allein in Deutschland, bei einer vermutlich weit höheren Dunkelziffer, die mitunter einen hohen Leidensdruck verspürt.“

Angelina Boerger hat erst mit 29 Jahren ihre ADHS-Diagnose erhalten. Warum sie jetzt au lären möchte, erzählt sie im Interview. Seite 08–09

„Die Kletterwand war wie eine Zufl ucht, die es mir ermöglichte, in diesem Moment präsent zu sein und den Rest der Welt auszublenden.“

Vanessa Weber berichtet, wie man trotz Epilepsie ein aktives Leben führen kann. Seite 04

Clusterkopfschmerz und Migräne Wege aus dem Schmerz Seite 06–07

Psychische Gesundheit Rauskommen aus der Hilflosigkeit, reinkommen ins Handeln. Seite 10–11

MEDIAPLANET

VERANTWORTLICH FÜR DEN INHALT IN DIESER AUSGABE OKTOBER 2023

Carolin Babel

Achtsam sein mich sich selbst und mit seinen Mitmenschen. Das sollten wir uns alle auf die Fahne schreiben.

Text Dr. med. Sabine Köhler

Ambulante neurologische und psychiatrische Versorgung muss gestaltet werden

Mwww.gesunder-koerper.info Botschafter Simon Licht spricht über mentale Gesundheit

Senior Project Manager: Carolin Babel Geschäftsführung: Richard Båge (CEO), Henriette Schröder (Managing Director), Philipp Colaço (Director Business Development), Alexandra Lassas (Content and Production Manager), Lea Hartmann (Layout and Design), Cover: Angelina Boerger (c) Annika Fusswinkel und Vanessa Weber (c) Hannes Huch

Mediaplanet-Kontakt: de.redaktion@mediaplanet.com

Alle Artikel, die mit “In Zusammenarbeit mit“ gekennzeichnet sind, sind keine neutrale Redaktion der Mediaplanet Verlag Deutschland GmbH. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich & divers (m/w/d) verzichtet. Alle Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

05. Oktober Tag der Epilepsie

edizinischer Fortschritt ist ein Segen für viele Menschen, denn einst hoffnungslose Erkrankungen, können heute sehr gut und oft kurativ behandelt werden. In Deutschland haben wir ein breites und differenziertes medizinisches Versorgungssystem, in dem wohnortnahe Diagnostik und Behandlung in Facharztpraxen auf einem hohen Niveau erfolgt. Für heute bestehende Versorgungsengpässe, auch im Bereich der Neurologie und Psychiatrie, lassen sich Gründe finden. Im Fachgebiet Neurologie sind aktuell circa 7.537 Fachärzte und im Fachgebiet Psychiatrie und Psychotherapie 14.598 Fachärzte tätig und von diesen Kollegen wird etwa die Hälfte in den kommenden 10–15 Jahren in Rente gehen.

Neben dem viel diskutierten Investitionsstau steuern wir auch auf einen Innovationsstau zu, denn junge Kollegen mit ihrem neuesten Wissen haben kaum den Mut, in die vertragsärztliche Versorgung zu gehen und eine Praxis zu gründen. Dabei hat sich kaum ein Fach so rasant entwickelt, wie dies in der Neurologie und in der Psychiatrie in den vergangenen Jahrzehnten der Fall war. Im Angesicht einer überfälligen Krankenhausreform muss klar werden, dass der Anteil an ambulant-sensitiven Leistungen in der Neurologie und Psychiatrie besonders hoch ist. Immer mehr Leistungen können ambulant erbracht werden und dies wäre zur Schonung aller Ressourcen auch dringend umzusetzen. Limitierend und hemmend sind dabei historische Grenzen, da durch die Zementierung im Rahmen der Bedarfsplanung und Festlegungen im SGB V strukturelle und finanzielle Anpassungen zur Umgestaltung der Versorgungslandschaft nicht möglich sind.

Innovative und leitliniengerechte Versorgung in Neurologie und Psychiatrie (z. B. durch den Einsatz neuer Antikörpertherapien) sowie vernetzte Versorgung der Patienten auch mit komplexem Versorgungsbedarf in ihrem Lebensumfeld sind in unseren Praxen möglich. Wenn Alzheimer-Therapien im Frühstadium möglich sind, werden neurologische und psychiatrische Praxen einen enormen Ansturm erleben. Für diese Versorgung bedarf es struktureller Veränderungen in den Praxen.

Wichtige Termine & Veranstaltungstipps

Der Welttag der seelischen Gesundheit auch als Welttag für psychische Gesundheit bekannt, ist ein internationaler Aktionstag, der von der World Federation for Mental Health (WFMH) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ins Leben gerufen wurde. Dieser Tag hat zum Ziel, die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der psychischen Gesundheit zu lenken, Informationen über psychische Erkrankungen leichter zugänglich zu machen und Solidarität mit Menschen, die von psychischen Erkrankungen betroffen sind, sowie ihren Angehörigen auszudrücken. Der Welttag der seelischen Gesundheit wird weltweit am 10. Oktober eines jeden Jahres begangen.

Der Tag der Epilepsie ist eine jährliche Veranstaltungsreihe, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz stattfindet und sich der Aufklärung über Epilepsie und der Unterstützung der Betroffenen widmet. Dieser Aktions- und Informationstag wurde erstmals im Jahr 1996 von der Deutschen Epilepsievereinigung e. V. ins Leben gerufen, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie und anderen Epilepsie-Organisationen. Der Tag der Epilepsie, der alljährlich am 5. Oktober begangen wird, hat sich seit seiner Gründung zu einer bedeutenden Plattform für die Sensibilisierung der Öffentlichkeit entwickelt. Jedes Jahr steht er unter einem anderen thematischen Schwerpunkt. In diesem Jahr ist das Motto: „Epilepsie – wir schreiben Geschichte“.

Leistungen, die nicht zwingend ärztlich zu erbringen sind, müssen an entsprechendes Personal in der Praxis delegierbar sein.

Verantwortung für einen Gesamtbehandlungsplan und auch die Qualifizierung der Mitarbeiter muss dabei weiterhin ganz klar der Facharzt tragen. Wir müssen dafür spezialisierte Versorgungszentren gründen, um neben der Basisdiagnostik und -therapie auch spezialisierte oder komplexe Behandlungsangebote machen zu können. Wissen und interkollegialer fachlicher Austausch muss auf der Basis der seit der Corona-Pandemie gewachsenen Handhabung im Videoformat für diesen Austauschweg weiterentwickelt werden. Dabei müssen für den Nutzer (Arzt, Patient, Angehöriger) leicht handhabbare Tools nutzbar sein. Aktuelle Hürden in der Digitalisierung müssen abgebaut werden und all dies sollte ein Anliegen der Politik sein.

Als innovative Fachärzte sehen wir Neurologen und Psychiater uns für die kommenden Entwicklungen gut gerüstet. Fragen Sie uns!

Ihre Dr. Sabine Köhler Bundesvorsitzende BVDN

Für die Versorgung bedarf es struktureller Veränderungen in den Praxen.

Dr. med. Sabine Köhler, Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Nervenärzte (BVDN), Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie

VERANSTALTUNGEN

10.–20. Oktober Woche der seelischen Gesundheit

10. Oktober Tag der seelischen Gesundheit

Vom 10. bis 20. Oktober 2023 setzt sich die Aktionswoche unter dem Motto „Zusammen der Angst das Gewicht nehmen” mit dem Thema Ängste in Krisenzeiten auseinander. Wie können wir persönlich und als Gesellschaft einen gesunden Umgang mit der allgemeinen Unsicherheit und Überforderung angesichts der globalen Krisen finden? Die Aktionswoche möchte auf die unterschiedlichen Strategien zur Bewältigung und auf das vielfältige psychosoziale Hilfsangebot in Deutschland aufmerksam machen sowie zum gemeinsamen Austausch und gegenseitiger Unterstützung aufrufen.

Der ADHS–Awareness Monat im Oktober ist eine Zeit, in der weltweit das Bewusstesein auf Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) gelenkt wird. Während dieses Monats stehen Aufklärung, Sensibilisierung und Unterstützung für Menschen mit ADHS im Mittelpunkt. Ziel ist es, das Verständnis für diese neurologische Störung zu fördern, Vorurteile abzubauen und die Bedürfnisse von Betroffenen und ihren Familien zu betonen. Während des ADHS–Awareness Monats finden zahlreiche Veranstaltungen, Kampagnen und Aktivitäten statt, um die Herausforderungen von ADHS anzuerkennen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Oktober

ADHS - Awareness Monat Oktober

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IN DER
ONLINE AUSGABE @

Am Ball bleiben – warum der Patient das

Beste für die individuelle Epilepsie einfordern sollte

Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen und kann Menschen in jedem Alter betreffen, wobei das Risiko jenseits der 65 Jahre am höchsten ist. Die Diagnose einer Epilepsie und Therapie können oft mit weitreichenden psychosozialen Konsequenzen für den einzelnen Betroffenen verbunden sein. Eine umfassende und auf den Patienten abgestimmte Beratung kann helfen, diese zu vermeiden: In den letzten Jahren haben sich durch Fortschritte in der Diagnostik, Therapie und Beratung zahlreiche neue Möglichkeiten ergeben: Ganz aktuell ist die neue Leitlinie „Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter“ von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie (DGfE) veröffentlicht worden. Das Erreichen von Anfallsfreiheit bei bestmöglicher Verträglichkeit der Medikation ist ein wichtiges Ziel der Therapie. Die Therapie und Diagnostik sollte möglichst individuell auf jeden Patienten unter Berücksichtigung individueller Faktoren wie u. a. Art der Epilepsie, Alter, Geschlecht, Kinderwunsch, Begleit- und Vorerkrankungen erfolgen. Nach Auswahl einer geeigneten medikamentösen Therapie werden zwei Drittel aller Patientinnen und Patienten anfallsfrei. Sollten nach Einsatz des zweiten Medikamentes noch immer Anfälle auftreten, ist die Chance mit Tabletten anfallsfrei zu werden eher geringer. Daher sollte dann eine Vorstellung an einem Epilepsiezentrum erfolgen, um die Diagnose einzuordnen und um zu prüfen, ob Epilepsiechirurgie oder neue Therapieverfahren wie z. B. der Einsatz eines Stimulatorverfahrens oder einer ketogenen Diät in Frage kommen.

Neuerungen in der Diagnostik gibt es z. B. bei der

Entdeckung neuer immunvermittelter Entzündungen des Gehirns als Ursache einer Epilepsie, die dann neue Therapieansätze bieten. Neue Bildgebungsmethoden können Veränderungen der Vernetzung von Hirnregionen (DTI und Konnektivitätsanalysen) und des Hirnstoffwechsels (PET) zeigen und so zusammen mit der klinischen Information und den Daten aus den Hirnstrommessungen (EEG) wichtige Hinweise zum Ursprung und zur Ausbreitung der Erkrankung geben. Auch kann in enger Zusammenarbeit mit der Neurochirurgie und Neuroradiologie eine Untersuchung der Anfälle mit in das Gehirn eingebrachten Tiefenelektroden erfolgen, mit deren Hilfe dann direkt von der Hirnrinde ganz genaue Informationen zum Anfallsursprung und zu den jeweils dort befindlichen Hirnfunktionen gewonnen werden. All diese Informationen können dann vor einem epilepsiechirurgischen Eingriff zur Planung und Operation genutzt werden und die Therapie weiter verbessert werden. Sollte eine Operation nicht in Frage kommen, können bei einigen Patienten Hirnstimulationsverfahren eine gute Therapiemöglichkeit bieten. Neben der Hirnstimulation oder der Anwendung des Vagus-Nerv-Stimulators oder des nicht-invasiven, transkutanen Vagus-Nerv-Stimulators, der am Ohr getragen wird, konnte kürzlich eine neue Stimulationsmethode in Deutschland zugelassen werden, die unter die Haut und über den Knochen geschoben, die Region der Hirnrinde stimuliert, aus der die Epilepsie hervorgeht. Eine weitere vielversprechende Therapiemöglichkeit ist die ketogene Diät oder deren Varianten. Die Behandlung einer Epilepsie betrifft aber nicht nur die Diagnostik und Therapie: Bereits nach einem ersten epileptischen Anfall sollte eine umfassende sozialmedizinische Beratung und eine Beratung zu möglichen Be-

Sarah, Anja und Jérôme leben mit Epilepsie

Prof. Dr. Susanne Knake, Leiterin Epilepsiezentrum Hessen; Universitätsklinikum Marburg und Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie (DGfE)

gleiterkrankungen und Risiken erfolgen: Schon nach einem ersten epileptischen Anfall, der bis zu 10 Prozent aller Menschen betreffen kann, ist die Fahreignung eingeschränkt und es kann individuell die Berufseignung gefährdet sein. Hier sollte eine umfassende Beratung in den regionalen Epilepsieberatungsstellen oder in Epilepsieambulanzen oder Schwerpunktpraxen erfolgen, um Nachteile in z. B. Beruf und Schule möglichst zu vermeiden. Neben dieser individuellen Beratung sollten auch epilepsie-assoziierte Risiken zu möglichen Nebenwirkungen, zu Verletzungen, zur Ersten Hilfe im Anfall und auch zum zwar seltenen, aber sehr schwerwiegenden Risiko des SUDP, des plötzlichen Tods bei Epilepsie, besprochen werden, um zu erfahren, wie diese Risiken individuell reduziert werden können.

Sprechen Sie Ihre Behandler an, um stets über Neuerungen zu erfahren. Dieser Dialog mit Ihrem Behandlungsteam ist wichtig! Sollten Patientinnen und Patienten weiterhin nicht anfallsfrei sein, ist inzwischen eine erneute, umfassende Diagnostik alle fünf Jahre an spezialisierten Zentren wichtig, um die Neuerungen in medikamentöser und nicht-medikamentöser Therapie sowie in der Diagnostik und Beratung nicht zu verpassen und auch nach Jahren die Chance auf Therapieverbesserung zu ermöglichen.

Weitere Informationen, regionale Epilepsiezentren und Beratungsstellen finden Sie unter www.dgfe.org

Für die drei und ihre Angehörigen ist es eine große Erleichterung, im Internet schnell und unkompliziert auf wichtige Informationen rund um die Erkrankung zugreifen zu können. Deshalb haben sie aktiv an unserer Webseite mitgearbeitet, damit auch Sie von ihren Tipps und Erfahrungen profitieren können – für ein selbstbestimmtes Leben mit Epilepsie.

Extra-Kapitel Epilepsie im Kindesalter

Auf www.ucbcares.de/epilepsie erfahren Sie:

∞ Wissenswertes über die Erkrankung

∞ Aktuelles über Behandlungsmöglichkeiten

∞ was Patient:innen wie Sarah, Anja und Jérôme jeden Tag beim Leben mit Epilepsie helfen kann

∞ Broschüren und Servicematerialien zum Bestellen und zum Downloaden

∞ Anmeldung zum Epilepsie aktuell-Newsletter

Telefon: +49 2173 48 4848

Fax: +49 2173 48 4841

E-Mail: ucbcares.de@ucb.com

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Text Prof. Dr. Susanne Knake

Leben mit Epilepsie: Diagnose, Hürden und der Kampf um Lebensqualität

Vanessas Reise mit Epilepsie begann in ihrer Teenagerzeit und führte zu einer Diagnose, die sie in bestimmten Lebensbereichen einschränkte. Trotz dieser Herausforderungen fand sie Trost und Freiheit in ihrer Leidenschaft für das Klettern und setzt sich gleichzeitig für die Au lärung über Epilepsie ein.

Vanessa, deine ersten epileptischen Anfälle sind im Teenageralter aufgetreten. Wie war der Weg zur Diagnose und wie war die Aufklärung über die Erkrankung damals? Gab es von da an Lebensbereiche, in denen du eingeschränkt warst?

In der achten Klasse hatte ich meinen ersten klassischen Krampfanfall. Offenbar gab es schon vorher leisere Anzeichen in Form von kleineren Anfällen, denn meine Mutter gab mir wegen meiner Konzentrationsschwierigkeiten oft Traubenzucker. Unmittelbar danach ging ich mit meiner Mutter zum Arzt, der nach einer gründlichen Untersuchung die Diagnose Epilepsie stellte. Ich bekam entsprechende Medikamente verschrieben. Bei diesem Arztbesuch wurde bei mir ein EEG durchgeführt, um meine Gehirnströme zu messen. Leider erhielt ich nur wenige Informationen über mögliche Nebenwirkungen der Medikamente. Die Auswirkungen der Krankheit beschränkten sich hauptsächlich auf den Schulsport, wo ich zum Beispiel nicht mehr am Schwimmen oder Geräteturnen teilnehmen durfte.

Deine Diagnose lautet: generalisierte Epilepsie, die sich in Absencen und tonisch-klonischen Anfällen äußert, du giltst als „pharmakoresistent“. Zudem hast du eine hohe Fotosensibilität. Kannst du uns diese Begriffe erklären? Über die letzten Jahre hinweg habe ich unzählige Medikamente ausprobiert, doch bedauerlicherweise bleibt die ersehnte Anfallsfreiheit aus. Meine Epilepsie äußert

sich nicht mehr in schweren Anfällen, da mein Medikament diese erfolgreich verhindert. Dennoch bleiben die sogenannten Absencen – kurze Bewusstseinspausen –bestehen, und kein Medikament scheint dies zu unterbinden. 2018, während meines Rehabilitationsaufenthalts, bekam ich dann die ernüchternde Erkenntnis seitens der Ärzte: Ich gelte als pharmakoresistent. Ich leide unter einer Sensibilisierung von Lichtreflexen, die sich z. B. in Situationen wie Zugfahrten, bei der Beleuchtung mit flackernden Glühbirnen oder teilweise beim Fernsehschauen bemerkbar macht. Jene visuellen Reize können als Auslöser wirken und potenziell einen Anfall hervorrufen.

Deine große Leidenschaft ist der Sport, vor allem das Klettern. Was gibt dir dieser Sport? Nach einer intensiven Periode der Pflege meiner Mutter, die schließlich verstarb, fand ich Trost im Klettern, einer Aktivität, die ich zuvor noch nie in Betracht gezogen hatte. Mein seelischer Zustand war auch durch eine schwierige und kräfteraubende Ehe angeschlagen, und im Klettern erkannte ich die Möglichkeit, meinen Gedanken eine Auszeit zu gönnen und mich frei zu fühlen. Die Kletterwand war wie eine Zuflucht, die es mir ermöglichte, in diesem Moment präsent zu sein und den Rest der Welt auszublenden. Ich fühle mich frei und bin total bei mir, wenn ich beim Sport bin. Ich finde Sport als Ventil sehr wichtig und man sollte sich nicht von anderen einschüchtern bzw. davon abhalten lassen!

Auf Social Media Plattformen informiere ich und gebe einen Einblick in mein Leben mit Epilepsie.

Du bist seit einiger Zeit in der Selbsthilfe aktiv und engagierst dich für die Deutsche Epilepsievereinigung. Wie kamst du dazu und warum ist dir dieses Engagement wichtig?

Im Jahr 2018 durchlief ich eine Rehabilitationsphase, in der ich nicht nur enge Freundschaften schloss, sondern auch auf viele Menschen traf, die in einem Strudel des Selbstmitleids gefangen waren. Diese Begegnungen berührten mich zutiefst und weckten in mir den Wunsch zu helfen. Ich erkannte: Ich benötige aktuell selbst keine umfangreiche Unterstützung – daher wollte ich mich darauf konzentrieren, anderen beizustehen. Insbesondere in Selbsthilfegruppen und ähnlichen Zusammenkünften bemerkte ich, dass der Austausch auf diese Gruppen beschränkt blieb. Aus diesem Grund entschied ich mich, Social Media als Plattform zu nutzen. Ich begann, Aktivitäten rund um das Thema Epilepsie anzustoßen. Jetzt informiere ich und gebe Einblicke in mein Leben.

Lesen Sie das vollständige Interview unter: www.gesunder-koerper.info

Weitere Informationen über Vanessa finden Sie auf ihrem Blog: www.epilepsyvanessa.de @ epilepsy_vanessa

Akzeptanz der Epilepsie – Gemeinsam entsteht mehr Öffentlichkeit!

Die Erkrankung Epilepsie gab es schon immer – und jedes Lebewesen mit einem Gehirn bzw. einem Zentralen Nervensystem kann einen epileptischen Anfall haben. Fünf Prozent aller Menschen erleben dies einmal, bei etwa einem Prozent wird eine Epilepsie-Diagnose gestellt.

Zahlreiche Prominente und Geistesgrößen haben oder hatten eine Form der Epilepsie. Das beginnt in der Antike – dort zumeist mit einem Verdacht –und endet in unseren Tagen beispielsweise bei der Sängerin Zoe Wees aus Hamburg, die in den letzten Jahren ihre Karriere im Show-Business startete und über ihre Epilepsie sogar in dem Lied „Control“ singt. Wussten Sie, dass Epilepsie lange für eine Geistes- sowie eine Erbkrankheit gehalten wurde – und manche dies heute noch denken? Das weltweit einzige Epilepsiemuseum in Kehl-Kork informiert über diese und andere Fakten zur Epilepsie und lohnt einen Besuch für alle Menschen, die sich für diese Erkrankung interessieren.

Diese und weitere Gründe haben den Ausschlag gegeben, dass sich die Arbeitsgemeinschaft der EpilepsieSelbsthilfeverbände Deutschlands für das Motto „Epilepsie – wir schreiben Geschichte“ für den Tag der Epilepsie im Jahr 2023 entschieden hat. Dieser Aktionstag wird seit 1996 mit einer Zentralveranstaltung und zahlreichen Regionalveranstaltungen rund um den 5. Oktober begangen: Das ist schon eine Geschichte für sich. Vielleicht gibt es irgendwann einmal eine Historikerin oder einen Historiker, der die Geschichte der Epilepsie-Selbsthilfe und des Tags der Epilepsie aufarbeiten wird. Die oder er wird im Archiv der Geschäftsstelle der Deutschen Epilepsievereinigung e. V. und im Internet sicher fündig werden.

Das Thema „Epilepsie – wir schreiben Geschichte“ lässt sich auf verschiedene Arten mit Leben füllen. Der Blick richtet sich nicht nur zurück auf die Vergangenheit,

auch wenn dies dem Begriff der Geschichte geschuldet natürlich ein Schwerpunkt ist. „Wir schreiben Geschichte“ bedeutet nämlich, dass die Betroffenen in gewisser Weise selbst an der Bedeutung und Deutung der Epilepsie Anteil haben. Das geht los beim Umgang mit der jeweiligen Form der Epilepsie:

• Lassen die Erkrankten es zu, dass die Epilepsie ihr Leben bestimmt?

• Bezeichnen sie sich selbst als „Epileptikerin“ oder „Epileptiker“?

• Lassen sie sich (be-)hindern oder fordern sie ihre Rechte ein?

• Wie erfährt das Umfeld, dass jemand an dieser chronischen Erkrankung leidet?

• Ist vielleicht sogar ein kreativer Umgang mit der Epilepsie möglich? Setzt sie Kräfte in uns frei, verschafft sie Erfahrungen und Erkenntnisse, die ein Mensch mit Epilepsie ohne sie nicht hätte?

So kommen die Betroffenen dazu, ihre Akzeptanz der Epilepsie zu erhöhen und selbstbewusst zu sagen: „Wir schreiben Geschichte – unsere Geschichte!“

Die Deutsche Epilepsievereinigung e. V. (DE) ist der Bundesverband der Epilepsie-Selbsthilfe und untergliedert sich in mehrere Landesverbände. In einigen Bundesländern werden diese durch Beauftragte vertreten.

Wir geben Informationen weiter und schaffen ein offenes Klima für Menschen mit dieser weit verbreiteten chronischen Erkrankung.

Sybille Burmeister, 1. Vorsitzende der Deutschen Epilepsievereinigung e.V. und selbst an einer Epilepsie erkrankt

Um die Arbeit weiter zu optimieren und auszubauen, freut sich die Deutsche Epilepsievereinigung e. V. über weitere Mitglieder und Unterstützer: „Mitglied werden, Lobby stärken“ ist hier das Motto.

Gemeinsam entsteht mehr Öffentlichkeit! So geben wir Informationen weiter und schaffen ein offeneres Klima für Menschen mit dieser weit verbreiteten chronischen Erkrankung. Die Deutsche Epilepsievereinigung e. V. hat ein Beratungstelefon und stellt hilfreiches und vielseitiges Informationsmaterial zur Verfügung, das auf der Webseite heruntergeladen oder per Post angefordert werden kann.

Besuchen Sie uns im Internet auf www.epilepsie-vereinigung.de und auf unseren Veranstaltungen. Wir freuen uns auf Sie!

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Text Alexandra Lassas Vanessa Weber, Health Infl uencerin, Sportlerin und Mutter von drei Kindern Text Sybille Burmeister
FOTO: HANNES HUCH
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Clusterkopfschmerz:

Wenn der Kopfschmerz unerträglich wird

Mindestens 120.000 Menschen in Deutschland leiden an Clusterkopfschmerz: eine Erkrankung, die unerträgliche Schmerzen verursacht. Im englischsprachigen Raum spricht man auch von „Suicide Headache“: Das macht deutlich, wie stark Betroffene leiden und welche Auswirkungen es haben kann, wenn die Erkrankung nicht richtig diagnostiziert und behandelt wird. Wir sprachen mit Ramona Geupert, die selbst betroffen ist und sich im Bundesverband der Clusterkopfschmerz-Selbsthilfegruppen engagiert.

Text Alexandra Lassas

Frau Geupert, wann haben Sie erste Symptome Ihrer Clusterkopfschmerzerkrankung erlebt und wie sahen diese aus?

Im Jahr 2017 begannen meine ersten Anfälle. Nachts litt ich unter stechenden Kopfschmerzen, die jedoch nur kurz andauerten. Meine größte Angst und mein erster Verdacht waren, dass ich möglicherweise einen Tumor oder Schlaganfall hatte. Dies wiederholte sich über drei Nächte hinweg, anfangs dauerten die Attacken nur kurz, doch irgendwann verlängerten sie sich auf bis zu drei Stunden. Besonders stark betroffen war meine linke Seite. Mein Gesicht hing leicht nach unten, mein Auge tränte stark und meine Nase lief ununterbrochen. Zusätzlich verspürte ich einen starken Bewegungsdrang, sodass ich entweder viel laufen musste oder mich stark schüttelte. Nach drei oder vier Tagen konnte ich die Schmerzen nicht mehr ertragen und machte mir große Sorgen, was mit mir los sein könnte. Der Schock und die Panik ließen mich nicht mehr los, daher suchte ich ärztliche Hilfe bei meinem Hausarzt.

Die Erkrankung ist auch für erfahrene Mediziner nicht leicht zu erkennen: wann haben Sie die richtige Diagnose erhalten?

Ich hatte großes Glück, denn mein Hausarzt erkannte die Symptome eines Clusterkopfschmerzes und überwies mich direkt an einen Neurologen. Der Neurologe war mit dieser Krankheit vertraut, sodass ich innerhalb von fünf Wochen meine Diagnose erhielt. Leider ist dies nicht die Regel, da Patienten im Durchschnitt sechs bis acht Jahre auf die richtige Diagnose warten müssen, wenn es um Clusterkopfschmerzen geht. Dies liegt hauptsächlich daran, dass im MRT keine Anomalien sichtbar sind und die Diagnose auf der Beschreibung des Patienten beruht.

Was waren und sind für Sie die größten Beeinträchtigungen aufgrund der Erkrankung?

Es dauerte eine Weile, bis ich die richtigen und vor allem für mich geeigneten Medikamente fand, um meinen Alltag bewältigen zu können. Zu dieser Zeit war es mir unmöglich, meinen Minijob auszuüben, mich um meine Großeltern zu kümmern oder auch nur Kontakt zu meinem sozialen Umfeld aufrechtzuerhalten. Der Mangel an Schlaf war und ist ein ernsthaftes Problem, da meine

Anfälle hauptsächlich nachts auftreten. Dadurch war ich ständig übermüdet. Zu dieser Zeit hatte ich acht bis zwölf Attacken innerhalb von 24 Stunden, daher galt eine Nacht bereits als gut, wenn ich einmal 1 ½ Stunden schlafen konnte. Hinzu kommt der Bewegungsdrang, der meinen Alltag stark einschränkt. Obwohl ich jetzt meinen Minijob wieder ausüben kann, habe ich bei der Arbeit einen Raum, in den ich mich zurückziehen kann, um laufen und mich bewegen zu können. Selbst wenn ich nach draußen gehe, plane ich Rückzugsmöglichkeiten ein, falls ich einen Anfall bekomme.

Die Leitlinie empfiehlt zur Akutbehandlung der Attacken medizinischen Sauerstoff, 6 mg Sumatriptan subkutan und bei Wirksamkeit alternativ 5 mg Zolmitriptan nasal. Welche Erfahrungen haben Sie mit diesen Therapiemöglichkeiten gemacht?

Bei akuten Anfällen ist Sauerstoff für mich die erste Wahl. Innerhalb von etwa 15 Minuten zeigt der Sauerstoff seine Wirkung, und nach 20 Minuten bin ich schmerzfrei. Derzeit habe ich etwa drei bis vier Anfälle innerhalb von 24 Stunden, bei denen ich den Sauerstoff zu 90 Prozent einsetze. Unterwegs stellt dies eine andere Herausforderung dar. In solchen Situationen verwende ich die Sumatriptan-Spritzen. Kurz vor dem Anfall leide ich unter einem brennenden Auge und extremer Nervosität. Sobald der Anfall einsetzt, spritze ich das Medikament.

Was wünschen Sie sich für die Versorgung von Betroffenen, sowohl auf dem Weg zur Diagnose als auch bei der Behandlung?

Wenn der Verdacht auf Clusterkopfschmerzen besteht, sollte man zunächst ein spezialisiertes Kompetenzzentrum aufsuchen. Dort sind Fachleute tätig, die über den Verlauf und die medikamentöse Behandlung dieser Erkrankung Bescheid wissen. Gleichzeitig ist es wichtig, die Bedeutung der Selbsthilfe nicht zu vergessen, um sich mit anderen Betroffenen austauschen zu können. Dies war für mich der zweite, aber entscheidende Schritt, um sich nicht so allein zu fühlen. Es ist auch von großer Bedeutung, die Angehörigen über die Erkrankung zu informieren, um Verständnis und Unterstützung zu erhalten.

Es ist von großer Bedeutung, die Angehörigen über die Erkrankung zu informieren, um Verständnis und Unterstützung zu erhalten.

Bundesverband der ClusterkopfschmerzSelbsthilfe-Gruppen (CSG) e. V.

Die Mitglieder der CSG e. V. erbringen durch ihre ehrenamtliche, tägliche Arbeit einen wichtigen Beitrag in der Betreuung und Beratung der Betroffenen und ihrer Angehörigen.

Auf der Website www.clusterkopf.de finden Sie umfangreiche Informationen, Erkenntnisse und Studien über dieses seltene Krankheitsbild. Zudem bietet der Verband Hilfe bei der Kontaktaufnahme mit anderen Betroffenen oder vermittelt an Spezialisten in der Nähe. Das erklärte Ziel ist es, die Erkrankung bekannter zu machen und für mehr Verständnis für die Schicksale der betroffenen Menschen zu sorgen.

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So schaffte ich

es, besser mit Migräne zu leben

Obwohl Barbara von klein auf unter Kopfschmerz-Anfällen litt, erfuhr sie erst Jahrzehnte später, dass sie Migräne hat. Diese prägte ihr Leben, doch dank der MigräneLiga lernte sie, damit umzugehen.

ch erinnere mich daran, dass ich schon in der Schulzeit oft krank war – immer nach demselben

Muster: Mir wurde übel, ich bekam starke Kopfschmerzen, musste mich hinlegen, erhielt eine Tablette, und nach ein paar Stunden war es wieder gut. Ich wurde zur Außenseiterin. Meine Freundinnen verstanden nicht, warum ich immer wieder aufgrund von Schmerzanfällen ausfiel. Ich verstand es ja selbst nicht. Und meine Familie war genauso ratlos. Selbst der Hausarzt wusste nicht, woran das lag, und verschrieb mir nur wieder Schmerzmittel.

Meine Angst vor der Zukunft nahm zu

Schwierig war die Zeit mit meinem ersten Freund. Er reagierte oft genervt, wenn ich wegen der Kopfschmerzen Unternehmungen absagen musste. Und je mehr wir stritten, umso häufiger war ich krank. Eigentlich wollte ich Familie. Doch konnte ich mit dieser Krankheit, die mich immer wieder tagelang schachmatt setzte, schwanger werden, Mutter sein – und trotzdem meinen Beruf ausüben? Meine Angst vor der Zukunft nahm zu und führte zu depressiven Verstimmungen. Als mein Freund eines Tages meinte, ich bilde mir alles vielleicht nur ein, war ich am Ende meiner Kraft. Ich brauchte Hilfe. Ich ging zu einer Psychologin. Neben vielen hilfreichen Tipps gab sie mir den Rat: „Wenn Sie Familie wollen, finden Sie auch einen Weg, mit Ihren Kopfschmerz-Attacken umzugehen.“ Zwei Jahre später heiratete ich und bekam zwei Kinder. Die Schwangerschaften überstand ich ohne Attacken, doch danach traten sie wieder auf. Nach einer langen Kopfschmerzphase ging ich in eine Schmerzklinik.

Dort wurde festgestellt, dass ich an Migräne litt. Alleine schon zu wissen, dass mein Leiden eine Krankheit ist und einen Namen hat, war eine Erleichterung. Ich bekam zum ersten Mal Triptane, Medikamente, die meine Schmerzen schnell stoppten. Ich lernte Methoden der Entspannung kennen, mit denen ich meinen Stress in Grenzen halten konnte. Durch eine medikamentöse Prophylaxe wurden meine Attacken seltener und weniger intensiv.

Ich verstand, wie ich besser mit der Krankheit umgehe

In der Klinik hörte ich auch von der MigräneLiga, einer Patientenorganisation, die sich für Migräne-Betroffene einsetzt. Ich wurde dort Mitglied und erhielt viele Informationen. Die Organisation hat hilfreiche Broschüren herausgegeben, etwa „Migräne bei Frauen“. Denn Frauen sind häufiger von Migräne betroffen als Männer, und in bestimmten Lebensphasen wie der Schwangerschaft oder den Wechseljahren muss die Behandlung angepasst werden. Dank der MigräneLiga lernte ich, besser mit meiner Krankheit umzugehen. Ich begriff, dass ich mir Hilfe holen kann und mein Leben so organisieren, dass sich Alltags- und Berufsstress in Grenzen halten. Ich wurde Mitglied in einer Selbsthilfegruppe, von denen die Liga bundesweit fast hundert gegründet hat. Hier schöpfe ich Kraft, denn jeder versteht mich dort, wenn es mir schlecht geht. Dank dieses Netzwerks verschwand das Damoklesschwert der Migräne über meinem Kopf. Eine neue, bessere Phase in meinem Leben hatte begonnen.

Attacke auf die Migräne statt auf dein Leben

Ich eignete mir Methoden der Entspannung an, mit denen ich meinen Stress in Grenzen halten konnte. Durch eine medikamentöse Prophylaxe wurden meine Attacken seltener und weniger intensiv.

Unterstützung für Menschen mit Migräne

Die MigräneLiga hat fast 100 Selbsthilfegruppen in Deutschland – auch online. Sie arbeitet mit Medizinern, Psychologen, Kliniken und Krankenkassen zusammen. Mitglieder erhalten viermal im Jahr das migräne magazin. Sie informiert mit kostenlosen Broschüren über Migräne, veranstaltet aufk lärende Symposien und Online-Seminare.

Mehr dazu auf www.migraeneliga.de, auf Facebook, Instagram und Youtube

Informationen und Tipps zum Umgang mit Migräne findest du auch unter

Migräneinformationen mit Köpfchen

7 Lesen Sie mehr auf gesunder-koerper.info www.kopf-klar.de
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Text Barbara Schick

Ein ADHS-Gehirn wird nie so funktionieren wie ein neurotypisches Gehirn

Angelina Boerger ist Journalisten, Autorin, Influencerin und hat diagnostiziertes ADHS. Im Interview sprachen wir mit der Powerfrau über ihre persönlichen Erfahrungen und ihren unermüdlichen Einsatz für Aufklärung.

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Text Anna Derbsch FOTOS: © ANNIKA FUSSWINKEL

Angelina, bei dir wurde AD(H)S erst als Erwachsene mit 29 Jahren diagnostiziert. Kannst du das Gefühl beschreiben das du hattest, als die Diagnose (endlich) fest stand?

Ich erinnere mich, ich saß an der Bushaltestelle, in meiner Hand die Diagnosezettel und ich habe erstmal geheult. Aber nicht, weil ich dachte, das ist das Ende, sondern die Chance für einen Neuanfang. Das war mein Wendepunkt. Ein heilender Moment des Verstehens: Okay, da gibt es eine neurobiologische Ursache dafür, dass mein Gehirn anders tickt, und: Ich bin damit nicht allein. Wir sind viele: Offiziell rund 2,5 Millionen Erwachsene allein in Deutschland, bei einer vermutlich weit höheren Dunkelziffer, die mitunter einen hohen Leidensdruck verspürt. Und mir war sofort klar: Daran muss sich etwas ändern!

Das Gefühl, dass dein Gehirn irgendwie anders tickt, begleitet dich aber schon sehr lange, oder? Wie hast du deine Schul- und Studienzeit bewältigt, das muss doch ein enormer Leidensdruck gewesen sein?

Das Tückische bei ADHS ist: nach außen wirkt es gerade bei weiblich sozialisierten Personen häufig, “als sei doch alles im Griff ”, und das versucht man sich dann auch so lange wie möglich selbst einzureden. So war es auch bei mir. Denn schon im Kindesalter entwickelt man oft Strategien, um alles irgendwie zu wuppen, Symptome zu verstecken und wenn möglich, nicht aufzufallen. Dazu umgibt Kinder ja häufig auch ein Sicherheitssystem, das vieles abfedert, beispielsweise die Eltern, dann die Routinen im Alltag und in der Schule. Bis dieser Rahmen dann auf natürliche Weise immer kleiner wird und man spätestens als junge Erwachsene mehr und mehr auf sich selbst gestellt ist. So war es auch bei mir. Da wurde das Gefühl von “ich gebe doch schon alles, aber bleibe trotzdem unter den Erwartungen“ immer größer.

Und dann diese permanente Frage in meinem Kopf: Wie schaffen das denn andere? Klar konnte ich, wenn nötig, abliefern, aber das kostete mich im Hintergrund oft Unmengen an Energie. Und der Preis dafür ist oft sehr hoch: Bei vielen Menschen mit ADHS entstehen im Laufe der Zeit psychosomatische Probleme, sie leiden an Burn-Out, Depressionen oder Angststörungen, es entwickeln sich Zwänge, Essstörungen, Suchtstörungen und vieles mehr. Und das ist dann eben keine “quirky” Eigenschaft mehr, sondern ein ernsthaftes Problem.

Was hat sich seit deiner Diagnose verändert?

Einfach alles. Ich werde jeden Tag mehr zu dem Menschen, der ich sein will, lerne mich neu kennen, bewerte Dinge neu und gebe mir ganz viel Zeit zu verstehen. Ich habe mir professionelle Hilfe dabei gesucht, ich komme in Austausch mit ganz wunderbaren Menschen, denen

es ähnlich geht wie mir, ich habe einen InstagramAccount, auf dem auf dem ich regelmäßig aufkläre, habe ein Buch geschrieben, gehe auf Lesung, halte Vorträge. Ich habe mir eine Welt geschaffen, in der mein Hirn die meiste Zeit das bekommt, was es will: Dopamin, Abwechslung, Nervenkitzel, Challenges, Aufmerksamkeit und Mitgefühl. Nur das mit dem Ausgleich und der Ruhe, das habe ich immer noch nicht so gut drauf. Aber ich übe noch.

In letzter Zeit gehen immer mehr Menschen, auch bekannte Persönlichkeiten (u. a. Eckart von Hirschhausen, Felix Lobrecht), mit ihrer Diagnose an die Öffentlichkeit – könnte man überspitzt gesagt also von einer Modediagnose sprechen?

Die nur allzu oft laut werdende Vermutung “ADHS habe stark zugenommen und sei eben ein Zeichen unserer Zeit”, ist wissenschaftlich bisher nicht belegt. Auch nach übereinstimmender Meinung vieler Mediziner und Psychologen, sind heutzutage nicht signifikant mehr Kinder und Erwachsene betroffen als früher. ADHS wird vielmehr eine zunehmend größere Beachtung geschenkt. Einerseits ist das sicherlich auf neuere Diagnosemethoden zurückzuführen, die ein ADHS heute deutlicher von einer anderen Störung abgrenzen. Auf der anderen Seite hat es eben auch Veränderungen in der Familienstruktur und Erziehung gegeben. In den auf ein bis zwei Kinder geschrumpften Familien kann und wird jedem einzelnen Kind ein größerer Stellenwert eingeräumt, als dies noch in den kinderreichen früheren Großfamilien der Fall war. Sprich, der individuellen Gesundheit eines Menschen wird mehr Aufmerksamkeit geschenkt, wir nehmen einander ernster und schaffen mehr Hilfsangebote. Das ist eine positive Entwicklung. Deshalb sind solche Begriffe wie „Modediagnose“, „Modekrankheit“, „Volkskrankheit“, „Zivilisationskrankheit“ etc. absolut kontraproduktiv, wenn wir wollen, dass es unseren Mitmenschen besser geht, sie sich anderen anvertrauen, BEVOR es ernsthafte Folgen haben könnte und sie die Hilfe bekommen, die sie brauchen.

Du gehst als Frau ganz bewusst an die Öffentlichkeit und willst aufklären. Anfang 2023 erschien dein Buch „Kirmes im Kopf“. Warum ist Aufklärung für dich so eine Herzensangelegenheit?

Weil es – trotz der aktuellen Berichterstattung – immer noch viel zu wenig tiefgreifende und flächendeckende Aufklärung gibt. Es gibt so viele Menschen, die das Thema betrifft, aber das Stigma ist immer noch so viel größer als unser Verständnis dafür. Das hat mich erst sehr betroffen, dann sehr wütend und mittlerweile sogar ein bisschen versöhnlich gemacht. Denn ich weiß, es fehlt einfach nur an ausreichendem Wissen, und das nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in Fachkreisen. Hier halten sich die Vorurteile und Stigmata besonders hartnäckig und werden leider auch stetig verbreitet, was zu noch mehr Leid führen kann. Aber ich bin überzeugt davon, dass der Stein bereits ins Rollen gekommen ist und ich werde nicht müde, mich immer und immer wieder hinzustellen und meine Arbeit zu machen. Denn unterm Strich kann jeder Post, jedes Interview, jeder Podcast, jedes Gespräch dafür sorgen, dass es Menschen danach besser geht oder sogar unterm Strich Leben gerettet werden. Und dafür lohnt es sich doch immer zu kämpfen, oder?

Welche Strategien helfen dir im Alltag, das Chaos im Kopf zu bändigen?

Ich wünschte, ich könnte hier jetzt fünf Tipps runterbeten, die für jeden und jede umsetzbar sind und ein gesünderes und besseres Leben versprechen. Das kann ich aber leider nicht. Ich übe mich jeden Tag darin, neue Routinen zu entwickeln, die mir das Leben leichter machen. Manche funktionieren gut, andere schlechter und manche vergesse ich auch allzu gerne wieder. Das Gemeine bei ADHS ist: Gewohnheiten zu erlernen, besser zurecht zu kommen, ist das A&O, nur erfordern sie Geduld, Konsistenz, Konzentration, Wiederholung und Routine – und damit habe ich ADHS-bedingt leider oft ein Problem. Kurz gesagt: Routine langweilt mich, obwohl sie mir hilft. Aber wenn ich es herunterbrechen müssten, wären es die Klassiker: Eine ausgewogene Ernährung, etwas Bewegung an der frische Luft, genügend Schlaf, soziale Kontakte und je nach Leidensdruck natürlich so etwas wie Psychotherapie und medikamentöse Therapie.

Ich

wünschte ich könnte fünf Tipps runterbeten, die für jeden und jede umsetzbar sind und ein gesünderes und besseres Leben versprechen. Das kann ich aber leider nicht.

AD(H)S als Persönlichkeitsmerkmal – was sagst du dazu?

Ich tue mich mit der Kategorisierung von ADHS tatsächlich immer noch sehr schwer. Es gibt so viele davon: Krankheit, Störung, Behinderung, Gabe, Persönlichkeitsmerkmal – für mich ist es alles und nichts davon, denn es kommt immer darauf an, durch welche Brille man darauf schaut und ob diese eher defizitär oder auch als etwas, das eine Chance birgt, betrachtet wird. Man darf einfach bei all diesen Debatten nicht vergessen, dass es um einen gehirnbasierten Unterschied geht. Das heißt, dass ein ADHS-Gehirn nie so funktionieren wird wie ein neurotypisches Gehirn. Wenn wir aufhören uns zu vergleichen und uns eingestehen, dass das so in Ordnung ist und nichts mit unserem Wert zu tun hat, dann ist das ein wichtiger Schritt in Richtung Selbstakzeptanz. Das wäre meine wichtigste Message in wenigen Sätzen zusammengefasst.

Kirmes im Kopf

Wie ich als Erwachsene herausfand, dass ich AD(H)S habe

ISBN 978-3-462-00461-8 Verfügbar auch als E-Book

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Angelina Boerger
BUCHTIPP

Wir können gemeinsam Wege finden, das

Gewicht der Angst zu vermindern

„Zusammen der Angst das Gewicht nehmen“ lautet das Motto der diesjährigen Woche der Seelischen Gesundheit, die vom 10. bis 20. Oktober bundesweit mit über 500 Veranstaltungen stattfindet. Prof. Dr. Arno Deister, Vorsitzender des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit erklärt, wie man mit Ängsten in Krisenzeiten besser umgehen kann.

Welche Rolle spielt Angst in der aktuellen gesellschaftlichen Situation?

Jeder weiß, was Angst ist. Wir leben gerade in einer Zeit, in der viele Menschen Ängste empfinden. Sie nehmen sie als etwas wahr, das sich auf sie setzt und sie buchstäblich erdrückt. In diesem Jahr wollen wir in der „Woche der Seelischen Gesundheit“ darüber sprechen, wie man mit Ängsten umgehen kann, die in Krisenzeiten entstehen. Und wie man diesen Ängsten das Gewicht nehmen kann. Es ist nicht nur eine Krise da, sondern die Krisen türmen sich aufeinander: erst die Pandemie, dann der Angriffskrieg auf die Ukraine, die schon lange anhaltende Klimakrise, die Finanzkrise, die Wirtschaftskrise. Viele Menschen erfahren persönliche Krisensituationen, fühlen sich ohnmächtig und merken, wie niedrig die Schwelle ist zwischen „Es geht mir gut“ und „Ich bin in einer Krisensituation“. Sie bekommen mehr Verständnis für andere, weil sie erleben: „Das kann mir jederzeit auch passieren.“

Was unterscheidet „normale“ Angst von einer Angststörung?

Normale Angst ist nützlich. Sie schützt uns davor, bestimmte Gefahren einzugehen. Aber wenn die Angst unseren Alltag bestimmt, wenn sie übermäßig wird und sich von einem notwendigen Anlass löst, dann sprechen wir von einer Angststörung. Darunter leiden Menschen

sehr stark. Aber wir können Angststörungen behandeln. Vor allen Dingen können wir darüber reden. Die „Woche der Seelischen Gesundheit“, die durch das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit bundesweit koordiniert wird, ist eine Möglichkeit, dass wir zusammenkommen und uns austauschen – mit Menschen, die von psychischen Erkrankungen wie etwa Angststörungen betroffen sind, mit Angehörigen und Fachleuten, die sich in Städten und Regionen therapeutisch damit beschäftigen.

2006 wurde das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit gegründet und hat inzwischen rund 150 Bündnispartner. Warum gab es Bedarf für solch ein breites Netzwerk?

Das Thema der psychischen Erkrankung wird häufig unterschätzt. Die meisten Menschen haben keine genaue Vorstellung davon, wie oft psychische Erkrankungen auftreten und wie stark sie die Gesellschaft beeinflussen.

Um eine gesellschaftliche Wahrnehmung für dieses Thema zu schärfen, war es wichtig, ein solches Aktionsbündnis zu gründen und möglichst viele mit hineinzunehmen – und das vor allem trialogisch: gleichberechtigt mit Betroffenen, mit Angehörigen und mit denen, die sich professionell mit Präventions- und Hilfsangeboten befassen. Das ist ein Thema, mit dem sich nicht jeder auf Anhieb auseinandersetzen kann.

5 FAKTEN

ZU ANGSTSTÖRUNGEN

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Zwischen 15 und 20 Prozent aller Menschen machen im Laufe des Lebens eine Angsterkrankung oder eine depressive Erkrankung durch.

Prof. Dr. Arno Deister Vorsitzender des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit

Es existieren viele Mythen und Vorstellungen über psychische Erkrankungen, die Angst machen. Daher ist es wichtig, dass wir konkrete Informationen vermitteln und Menschen ansprechen. Das will das Aktionsbündnis machen, und der zentrale Bereich ist die Aktionswoche.

Häufigkeit

Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Gesundheitsproblemen weltweit. Millionen von Menschen sind von verschiedenen Formen der Angststörung betroffen, darunter Generalisierte Angststörung (GAS), Panikstörung, soziale Angststörung und spezifische Phobien.

Symptome

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Die Symptome von Angststörungen können von Person zu Person variieren, umfassen jedoch oft anhaltende und übermäßige Sorgen, körperliche Symptome wie Herzklopfen und Schwitzen, Unruhe, Schlafstörungen und das Vermeiden von angstauslösenden Situationen.

Ursachen

Die genauen Ursachen von Angststörungen sind komplex und können eine Kombination von Faktoren umfassen, darunter genetische Veranlagung, chemische Ungleichgewichte im Gehirn, traumatische Erfahrungen, Stress und Umweltfaktoren.

Behandlung

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Glücklicherweise sind Angststörungen behandelbar. Die gängigsten Therapieansätze umfassen Psychotherapie, insbesondere kognitive Verhaltenstherapie (CBT), Medikamente wie Antidepressiva oder Benzodiazepine und Lebensstiländerungen, einschließlich Stressbewältigungsstrategien und Entspannungstechniken.

Lebensqualität

Unbehandelte Angststörungen können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Sie können zu sozialer Isolation, beruflichen Problemen und anderen psychischen Gesundheitsproblemen führen. Eine frühe Diagnose und angemessene Behandlung ist entscheidend, um den Betroffenen zu helfen, ein erfülltes Leben zu führen.

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FOTO: CLAUDIA BURGER

Sie sind der Vorsitzende der Steuerungsgruppe des Aktionsbündnisses – was ist deren Aufgabe?

Die Steuerungsgruppe ist eine Verdichtung von den Partnern des Aktionsbündnisses. Wir haben inzwischen 150 institutionelle Mitwirkende: vom kleinen Selbsthilfeverein vor Ort bis zu großen Institutionen – wie etwa der Bundesärztekammer und der Bundespsychotherapeutenkammer – und als Träger die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN). Die Mitwirkenden des Aktionsbündnisses wählen zwölf Vertreterinnen und Vertretern aus dieser Runde in die trialogisch besetzte Steuerungsgruppe. Diese wiederum wählt einen Vorstand von drei Personen aus den trialogischen Gruppen. Ich bin der Vorsitzende davon. Die Mitglieder der Steuerungsgruppe sind zum Teil ehrenamtlich tätig, zum Teil angestellt bei der Institution, die sie vertreten. Ihre Funktion für das Aktionsbündnis ist hundert Prozent ehrenamtlich.

Psychische Erkrankungen sind laut Studien die zweithäufigste Ursache für eine Krankschreibung. Gibt es gesellschaftlich inzwischen eine größere Offenheit für dieses Thema?

Es gibt Veränderungen in der Wahrnehmung und im Umgang damit. Es wird immer die Frage gestellt, ob psychische Erkrankungen zunehmen. Angsterkrankungen und depressive Erkrankungen werden – als Beispiel – in den letzten Jahren sehr viel häufiger diagnostiziert, weil wir aufmerksamer werden. Aber sie sind immer schon dagewesen.

Zwischen 15 und 20 Prozent aller Menschen machen im Laufe des Lebens eine Angsterkrankung oder eine depressive Erkrankung durch. Damit sind sie in der Spitzengruppe aller Erkrankungen. Nur: Wir sehen es nicht immer. Weil Menschen z. B. mit depressiven Erkrankungen es nicht sichtbar machen wollen. Weil sie Sorge haben, wie andere damit umgehen. Sie wollen keine Schwäche zeigen. Da verbindet sich das: Wir können

erst Menschen mit psychischen Erkrankungen helfen, wenn wir einen gesellschaftlichen Blick darauf haben und sie sich trauen, darüber zu sprechen. Wenn sich jemand das Bein gebrochen hat, wird er von allen bemitleidet und kann seinen Gipsverband zeigen. Über eine depressive Erkrankung, über eine Angsterkrankung zu sprechen, ist viel schwieriger. Und über eine Psychose in unserer Gesellschaft zu sprechen ist eine noch größere Herausforderung.

Wie lassen sich die bestehenden Hürden und Ängste abbauen?

Darüber reden ist ein extrem mächtiges Instrument. Einer unserer Slogans heißt: Reden hilft. Kommunizieren, Wissen vermitteln, Erfahrungen austauschen. Es gibt Methoden, mit denen Betroffene ihre Ängste in den Griff bekommen können. Etwa Entspannungstechniken in einer Gruppe lernen. Aber auch anfangen, Dinge zu hinterfragen: Wie realistisch ist meine Angst? Wie weit betrifft sie mich wirklich? Andere Menschen haben ähnliche Ängste. Wir können gemeinsam Wege finden, das Gewicht der Angst zu vermindern. Rauskommen aus der Hilflosigkeit, reinkommen ins Handeln. Im Sinne der Selbstfürsorge fragen, was kann ich für mich tun? Was kann ich in meinem Umfeld tun? Das sind gute Instrumente, um weniger Angst zu haben.

Was kann die Gesellschaft, was kann jede und jeder Einzelne tun, um Menschen mit psychischen Erkrankungen unvoreingenommener zu begegnen? Engagement, Hilfe und Unterstützung läuft stark über Solidarität. Solidarität und Verständnis mit Menschen, die betroffen sind, aber auch Solidarität von allen anderen, die sagen: Wir tun etwas Gemeinsames. Dafür steht die Aktion Grüne Schleife. Sie ist ein sichtbares Zeichen: Ich traue mich, ich stehe dazu, dass es mir wichtig ist, dass wir uns um Menschen mit psychischen Erkrankungen kümmern. Das ist leicht gesagt, aber nicht leicht getan. Wir müssen unsere Vorstellung davon erweitern, was ethisch gerecht ist.

Natürlich ist es wichtig, dass wir Menschen helfen und Schaden von ihnen abwenden. Das ist das, was Medizin immer versucht. Aber wir werden das heutzutage gerade in der Psychiatrie, in der Psychotherapie und in der Psychosomatik nicht können, ohne dass wir weitere, soziale Aspekte dazunehmen.

Damit wären wir wieder beim Aktionsbündnis Seelische Gesundheit… Genau – beim Aktionsbündnis passt die Struktur zur Methode. Und die Methode passt zu den Menschen. Es ist ein Dreiklang aus Fachleuten, Betroffenen und Angehörigen. Wir brauchen diese Vielfalt, um etwas bewegen zu können.

Zur Person

Prof. Dr. Arno Deister war Chefarzt des Zentrums für Psychosoziale Medizin des Klinikums Itzehoe, 2017/18 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und ist seit 2021 Vorsitzender des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit.

Woche der Seelischen Gesundheit 2023

Vom 10. bis 20. Oktober 2023 setzt sich die bundesweite Aktionswoche unter dem Motto „Zusammen der Angst das Gewicht nehmen” mit dem Thema Ängste in Krisenzeiten auseinander. www.seelischegesundheit.net

Nachhaltige Heilung für Geist und Seele

Bei ca. 40% der PatientInnen mit Depression oder Angst treten auch Herzbeschwerden auf. Diese können sich unter anderem in Form von Innerer Unruhe, Brustenge, einem schnelleren Herzschlag (Tachykardie) oder starkem Schwitzen äußern. Man muss sich bewusst sein, dass bei diesen PatientInnen der jeweilige Körper viel heftiger auf eine Belastung reagiert und belastende Situationen viel schneller zu einer Dekompensation führt. In der Privatklinik Jägerwinkel am Tegernsee untersuchen wir solche Fälle genau und analysieren die medizinischen Vorgeschichten, um eine somatische (körperliche) Erkrankung ausschließen zu können und uns danach auf die eigentliche Erkrankung zu fokussieren."

Dr. med. univ. Andreas Hofschneider, Stellvertretender Ärztlicher Direktor, Chefarzt Innere Medizin und Kardiologie

Privatklinik für Prävention (Vorsorge), Rehabilitation und Anschlussheilbehandlung (AHB).

• Orthopädie

• Kardiologie

• Innere Medizin

• Psychosomatik

• Neurologische Diagnostik

• Schmerztherapie

• Long COVID

• TCM

Ob Depression, schwere Erschöpfung, Burn-out, Trauma oder chronische Schmerzen ohne erkennbare körperliche Ursache: das Behandlungskonzept der Privatklinik Jägerwinkel ist ganzheitlich und nachhaltig ausgerichtet und bietet Behandlungsverfahren, mit denen nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen die höchsten Erfolgsaussichten für unsere PatientInnen verbunden sind. Basierend auf einem biopsychosozialen Krankheitsmodell, zielt unter der Leitung von Frau Dr. med. Katharina Grobholz, Chefärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, unsere individuelle Therapieplanung auf eine hohe Selbstwirksamkeit ab. Ein maßgeschneiderter Therapieplan, intensive einzeltherapeutische Begleitung und Stärkung des Körperbewusstseins: Drei von vielen Qualitäten, die eine Therapie in unserer Klinik auszeichnet. Jetzt Kontakt aufnehmen! 100 % diskret und vertraulich.

Privatklinik Jägerwinkel am Tegersee Jägerstraße 29, 83707 Bad Wiessee

T +49 8022 8564 9434

info@jaegerwinkel.de, www.jaegerwinkel.de

Eine Fachklinik der Oberberg Gruppe

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