Lust auf Leben
Clemens hat Colitis ulcerosa –und erzählt von seinem Kampf zurück ins Leben.
NICHT VERPASSEN
Achtsamkeit und CED
Warum es wichtig ist, auch mal egoistisch zu sein
Seite 7
Systemischer Lupus erythematodes
Diagnose und Therapie dieser seltenen Erkrankung
Seite 8
Medizinische Detektivarbeit
Die ANCA-assoziierte Vaskulitis erkennen und behandeln
Seite 10
Psoriasis, Juckreiz, Entzündungen?
Der ayurvedische Ansatz bei chronischen Hautleiden.
Erfahren Sie mehr auf Seite 3.
EINE UNABHÄNGIGE KAMPAGNE VON MEDIAPLANET
Lesen Sie mehr auf www.seltenekrankheiten.de und www.gesunder-koerper.info
D ER FEIND IN MEINEM KÖRPER
Das Leben mit einer Autoimmunerkrankung ist eine stete Herausforderung – das weiß ich aus eigener Erfahrung. Aber sie kann auch den Blick schärfen: für die guten Phasen und die schönen Dinge, die das Leben bereithält.
IN DIESER AUSGABE
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Männer, macht den Mund auf! Holger Busse von Lila Hoffnung e. V. über chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und das männliche Schweigen darüber.
09
Leben mit Lupus Clara lebt bereits seit Kindertagen mit der seltenen Erkrankung – und hat ihre Balance damit gefunden.
Tanja Renner Vorstandsvorsitzende NIK e. V. (Netzwerk AutoImmunerkrankter)
Mit Kraft und Willensstärke durchs Leben
Das erste Vorwort meines Lebens schrieb ich genau vor einem Jahr. Es ging in dem Text um die oft lebensverändernde Diagnose Autoimmunerkrankung. Ich erzählte, wie unglaublich langwierig und kräftezehrend meine Diagnose war. Aber wie durch diese schlimme Erfahrung aber auch etwas Gutes entstanden ist: Ich habe NIK e. V., das digitale Netzwerk Autoimmunerkrankter, gegründet, um chronisch kranke Menschen bei ihrer Reise zu unterstützen, die Diagnose und die Krankheit zu verstehen und somit besser mit ihr leben zu können.
Lupus, chronisch-entzündlichen Hautoder Darmerkrankungen, Vaskulitis, Multipler Sklerose oder Rheuma ist häufig nur schwer auf die Schliche zu kommen, denn die Symptome von Autoimmunerkrankungen sind so vage und diffus wie zahlreich. Auch Ärzte rätseln mitunter lange, was mit ihren Patienten los ist. Da wundert es mich nicht, dass Betroffene irgendwann anfangen, an sich selbst und der Wahrnehmung des eigenen Körpers zu zweifeln. Mir ging es nicht anders. Aber hier hilft nur eines: weiter von Arzt zu Arzt zu gehen, bis einer endlich den körperlichen und emotionalen Leidensweg beendet und eine Diagnose stellt.
Da kommt NIK e. V. ins Spiel. Wir stellen Autoimmunerkrankten die geballte Info-Power von Experten und Betroffenen über chronische Erkrankungen zur Verfügung. Denn neben Fachärzten, neuen Therapiemöglichkeiten und aktuellen Forschungsarbeiten, über die wir auf unserer Website und über Zoom- und Präsenzseminare mit Experten informieren, greifen wir gleichzeitig auf die Erfahrung von Erkrankten zurück, die in unseren „Mut-mach-Geschichten“ ehrlich von ihren Erlebnissen mit ihrer Autoimmunkrankheit im Alltag berichten. Und der Alltag mit einer chronischen Krankheit ist durchwachsen.
Symptome von
Autoimmunerkrankungen sind so vage und diffus wie zahlreich, daher ist es so schwer, ihnen auf die Schliche zu kommen.
Obwohl Menschen die gleichen Diagnosen teilen, verlaufen ihre Krankheit und ihr Alltag extrem unterschiedlich. Was jedoch immer gleich ist bei den häufig jungen Menschen, die uns ihre ganz persönliche Geschichte erzählen, sind die unglaublich positive Einstellung zum Leben und die Kraft und Willensstärke, die sie haben. Trotz der Schübe, der Schmerzen, der vielen Medikamente und schier nie endenden Behandlungen akzeptieren sie ihre Krankheit als Teil von sich und genießen das Leben in vollen Zügen. Genau wie ich, die nach der Diagnose Psoriasis-Arthritis unendlich dankbar war, zu wissen, an was ich leide und was man dagegen tun kann, wollen sich auch die Betroffenen, die auf nik-ev.de zu finden sind, von ihrer Autoimmunerkrankung nicht unterkriegen lassen. Dafür hat jede und jeder Autoimmunerkrankte meine volle Hochachtung – umso mehr zu dieser Zeit, in der viele chronisch Kranke zur COVID-19-Risikogruppe gehören.
PS: Trotz der Unterstützung aller Helfer(innen) ist der Verein kein Selbstläufer. Deshalb sind Spenden in jeder Höhe und zu jeder Zeit sehr willkommen.
Weitere Informationen zu den kommenden Veranstaltungen unter www.nik-ev.de/ veranstaltungen/
Zoom
Live Veranstaltung zum Welt-CED-Tag: CED und Rheuma – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Pünktlich zum Welt-CED-Tag veranstaltet der NIK e.V. eine digitale Veranstaltung zum Thema CED und Rheuma. Tanja Renner wird die beiden Experten Dr. med. Jan Phillip Bremer und Dr. med. Peer M. Aries begrüßen und mit ihnen u.a. die folgenden spannenden Themen besprechen: Gemeinsamkeiten von Rheuma und CED – weshalb begleitet die eine Autoimmunkrankheit die andere?
Wo liegen die Unterschiede von CEDs?
Gibt es gemeinsame Therapiekonzepte?
Gibt es Möglichkeiten des Therapiemonitoring bei Rheuma und CED?
Interessierte können ihre Fragen bereits vorab an info@nik-ev.de senden, aber natürlich können auch während der Veranstaltung spontan Fragen gestellt werden. Die Veranstaltung ist kostenfrei, der NIK e.V. freut sich über eine freiwillige Spende.
WANN? 19. Mai 2021 um 19:00 Uhr
WIE? Live via Zoom (Meeting-ID: 851 422 9645, Kenncode: 8wVQMU)
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Miriam Hähnel
VERANTWORTLICH FÜR DEN INHALT IN DIESER AUSGABE Please recycle
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Hähnel
Franziska Manske (Head of Editorial & Production), Henriette Schröder (Sales Director) Designer: Elias Karberg Mediaplanet-Kontakt: redaktion.de@ mediaplanet.com Coverbild: Lily Cummings Alle
mit der
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keine neutrale Mediaplanet-Redaktion. Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de
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Miriam
Geschäftsführung: Richard Båge (CEO), Philipp Colaço (Managing Director),
Artikel
Kennung
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Kurkuma statt Kortison?
Der ayurvedische Ansatz bei chronischen Hautleiden.
Bis vor wenigen Jahren galt Ayurveda vor allem als exotisches Wellnesskonzept. Doch zunehmend rückt der medizinische Aspekt der ganzheitlichen Pflanzenheilkunde in den Vordergrund. So sehr, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Ayurveda als medizinische Wissenschaft anerkannt hat und beispielsweise das Immanuel-Krankenhaus der Charité Berlin eine eigene Ayurveda-Ambulanz unterhält. Denn das jahrtausendealte Wissen aus Indien zeigt insbesondere bei der Behandlung chronischer Beschwerden beachtliche Erfolge – so auch bei Hauterkrankungen wie Schuppenflechte und Neurodermitis.
Erkennen, was „unter die Haut“ geht
Ayurveda nimmt den ganzen Menschen in den Blick und berücksichtigt auch, welche äußeren Einflüsse Erkrankungen begünstigen können. Viele Betroffene reagieren besonders in Stresssituationen mit Entzündungsschüben, andere merken, dass bestimmte Genussmittel oder Wetterbedingungen ihre Erkrankung triggern.
Doch so verschieden die Auslöser auch sind, sie haben eines gemein: Die Selbstregulation des Körpers ist aus dem Takt geraten. Der Ansatz des Ayurveda ist es daher, nicht nur die Symptome zu lindern, sondern die Haut wieder in Balance zu bringen, damit sie ihre natürlichen Schutz- und Regenerationsmechanismen reaktivieren kann.
Die Selbstheilung fördern
Doch was bedeutet es eigentlich, die Haut wieder in Balance zu bringen? Grundsätzlich ist damit eine gesunde Hautflora (Mikrobiom) gemeint. Befindet sich das Mikrobiom in seinem natürlichen Gleichgewicht, reguliert es wichtige Stoffwechselprozesse auf unserer Haut. Diese Prozesse steuern die Wundheilung, den Aufbau der Hautbarriere zum Schutz vor Eindringlingen, sie sorgen für einen gesunden pH-Wert und den optimalen Feuchtigkeitshaushalt.
Bei chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen sind diese natürlichen Schutzfunktionen meist völlig gestört, daher kommt es zu einem Kreislauf aus Rötungen, Juckreiz und Entzündungen. Was nun zählt ist die richtige Aufbaupflege. Diese sollte nicht nur die Hautflora regenerieren, sondern auch möglichst viel Schutz bieten, bis sich das Mikrobiom
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stabilisiert hat. Am besten sind dazu reichhaltige und rückfettende Salben mit natürlichem Ölen geeignet, wie etwa Kokosöl oder Sheabutter.
Heilpflanzen für eine gesunde Hautfl ora Zu den traditionellen ayurvedischen Heilpflanzen für die Haut zählt dabei zum Beispiel Kurkuma, das stark antiseptisch wirkt und freie Radikale bindet. Aber auch Färberwurzel, Neem oder Sweet Indrajao sind zur Unterstützung bei chronischen Hautkrankheiten bewährt. Sie enthalten nicht nur regenerierende und beruhigende Nährstoffe, sondern wirken auch ausgleichend auf die Zellaktivität und können so neuen Entzündungen vorbeugen. Hautpflegeprodukte, die nach der Ayurveda-Lehre zusammengestellt werden, sind mittlerweile auch in deutschen Apotheken erhältlich, etwa die Repairpflege von Sorion ® Das gesamte Sortiment wurde speziell zur therapiebegleitenden Pflege bei chronischentzündlichen Hautbeschwerden entwickelt und umfasst verschiedene Salben, Cremes, Kopfhautprodukte und ein Nahrungsergänzungsmittel.
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Lust auf Leben
Clemens ist voller Energie, Ehrgeiz und großer Lebenspläne, als die Diagnose Colitis ulcerosa ihn wie ein Schlag trifft. Im Interview spricht er über seinen Weg zurück ins Leben. Text Franziska
„Leben mit CED statt Kampf gegen CED“ – so unsere Devise bei digo Health. Wir sind ein junges Start-Up und haben eine App entwickelt, um Personen mit gastroenterologischen Krankheiten den Alltag mit ihrer Krankheit zu erleichtern. Durch eine direkte Anbindung der App an die eigens entwickelte Ärzte-Software digo Pro soll zudem auch die ärztliche Behandlung sowie die Vernetzung von Patienten und Ärzten verbessert werden.
digo Health, die App für deine Magen-Darm-Gesundheit. Mithilfe der Tagebuchfunktion können sowohl die Ernährung als auch Symptome und Medikamenteneinnahmen spielerisch eingegeben werden. So wird identifiziert, welche Nahrungsmittel individuell verträglich sind, wie sich Symptome im Zeitablauf verhalten und inwieweit Medikamente die gewünschte Wirkung erzielen. Der Gesundheitsüberblick stellt diese Informationen auf ansprechend verständliche Weise dar.
Durch die Option, die Tagebuch-Daten nach Belieben an einen Arzt freizugeben, wird eine verbesserte und weniger zeitaufwendige ärztliche Behandlung begünstigt. Außerdem erspart eine übersichtliche Listung von spezialisierten niedergelassenen Ärzten und Kliniken der Gastroenterologie eine zeitaufwendige Suche nach passenden Institutionen. Die Kontaktdaten können direkt in der App angewählt werden und ermöglichen einen vereinfachten Expertenzugang.
Darüber hinaus hält digo Health kompaktes und nutzerfreundlich aufbereitetes Informationsmaterial rund um die Indikationen bereit. In Form von medizinisch fundiertem Wissen werden Informationen hinsichtlich ärztlicher Behandlung sowie Selbsthilfe-Tipps und vieles weitere ansprechend aufbereitet.
Die Diagnose, an einer CED zu leiden ist zunächst schwer zu verkraften und geht mit vielen Fragen und Ängsten einher. Die Krankheit vollends zu akzeptieren ist nicht einfach, aber dennoch sehr wichtig. Daher folgen einige Tipps, die dabei helfen können:
• Sich klar machen, dass einen die Krankheit nicht unterkriegen wird
• Einen vertrauensvollen Ansprechpartner suchen, mit dem man offen über die Krankheit sprechen kann
• Sich nicht allzu sehr aus dem sozialen Umfeld zurückziehen
• Aktives Einsetzen zwecks Diagnostik und Therapie
• Selbstbeschuldigungen vermeiden, man selbst trägt keine Schuld an der CED
• Bei anhaltender Antriebslosigkeit, Ängsten und Depressionen professionelle Hilfe in Anspruch nehmen
Die digo Health App kannst du im App Store und im Google Play Store herunterladen. Erfahre jetzt mehr unter www.digo.health oder scanne den nebenstehenden QR-Code mit deinem Smartphone!
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FOTOS: PRIVAT
Manske
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Digo Health – DIE APP FÜR DIE MAGEN-DARM-GESUNDHEIT.
Clemens, wann hast du das erste Mal gemerkt, dass da was mit deinem Verdauungstrakt nicht stimmt?
Im Sommer 2013 traten die ersten Symptome auf. Ich hatte ständig Bauchschmerzen und einen Blähbauch, mir fehlte Energie und ich war nicht belastbar. Anfangs habe ich einen Infekt vermutet. Als es aber nicht aufhörte, bin ich zum Arzt gegangen.
Wie ging es weiter?
Anhand des Blutbildes hat der Arzt festgestellt, dass die Leberwerte sehr stark erhöht waren. Er fragte wiederholt, ob ich kürzlich Drogen und/oder Alkohol konsumiert hätte. Dem war aber nicht so. Daraufhin wurde eine MagenDarm-Spiegelung durchgeführt, die dann zeigte, dass mein Darm großflächig entzündet war. Es wurde zunächst vermutet, dass es eine Colitis ulcerosa ist. Nach einigen Untersuchungen in der Charité Berlin bestätigte sich der Verdacht, zudem wurde dort die Begleiterkrankung primär sklerosierende Cholangitis (PSC) – eine selten auftretende chronische Entzündung an den Gallenwegen – diagnostiziert.
Eine solche Erkrankung bedeutet einen großen Einschnitt im Leben. Was hat die Diagnose mit dir gemacht und wie bist du damit klargekommen, plötzlich einen lebenslangen Begleiter zu haben, der dir das Leben schubweise schwer machen würde?
Im Nachhinein lassen sich die Gefühle und Erlebnisse von damals in drei Schritten beschreiben. Ich steckte mitten im Masterstudium, war sehr ehrgeizig und hatte klare Vorstellungen von meinem Leben und meiner Laufbahn. Mit der Diagnose brach dieses Kartenhaus einfach in sich zusammen. Ich habe mir dann immer wieder die Frage gestellt, ob und wofür es sich zu kämpfen lohnt, und mich dem Ende näher gefühlt als dem Leben. Dieser Zustand hielt eine Weile an, bis mir die Beantwortung ebendieser Frage weiterhalf. Im zweiten Schritt – begleitet von Untersuchungen, Arztbesuchen und Krankenhausaufenthalten – gab es für mich drei Motivatoren, die mich zurück ins Leben holten: die Familie mit Eltern und Geschwistern, meine damalige Partnerin und ihre Tochter und ganz einfach meine Bildungsschulden. Auch wenn es zunächst trivial klingen mag, wollte ich doch niemandem einen Schuldenberg hinterlassen. Also habe ich mich für das Leben entschieden und mich im dritten Schritt zurückgekämpft.
Bitte gehe genauer auf diese Lebensphase ein. Der Weg war sehr steinig. Etwa ein Jahr nach der Diagnose mündete alles in einer Sepsis.
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Selbst Antibiotika über längere Zeit und in allen erdenklichen Konstellationen konnten keine Beruhigung und Verbesserung meines Zustands bewirken. Als mir meine Ärztin dann mitteilte, dass als letzter Ausweg nur noch eine Operation infrage käme, ist für mich die Welt zusammengebrochen, da braucht man sich nichts vormachen.
Inwiefern?
Einem klaren Menschenverstand ist es kaum zu vermitteln, dass man lediglich weiterleben kann, wenn einem ein Organ aus dem Körper entnommen wird, das bis dahin beste Dienste geleistet hat. Das war für mich schwer zu verstehen, aber mir blieb nichts übrig und ich habe mich der Operation unterzogen. Die Worte des Chirurgen, dass es mir danach erwartungsgemäß viel besser gehen würde, sind in meinen Ohren verhallt. Für mich fühlte es sich zu diesem Zeitpunkt an wie die größte Niederlage meines Lebens. Der Erkrankung gegenüber stand ich an dieser Stelle als bis dahin selbstbestimmter Mensch ohnmächtig gegenüber, das war ich nicht gewohnt.
Wie ging es dir nach der Stoma-Operation? Nach Bewältigung der Operation und der anschließenden Genesungszeit ging es mir besser, sehr viel besser. Die über Jahre verloren gegangene Energie ist wieder in meinen Körper zurückgekehrt, durch das Absetzten der bis dahin verabreichten Medikamente sind auch viele damit einhergehende Nebenwirkungen verschwunden. Und das Wichtigste: Ich konnte wieder (fast) alles essen! In meinem Körper fand nach langer Abstinenz eine Endorphinparty statt, die ich nach Jahren wieder in vollen Zügen genießen konnte.
Wie verlief dein Alltag mit deinem Stoma? Glücklicherweise ist mir die Fingerfertigkeit zur Pflege des Stomas schnell leichtgefallen. Den täglichen Wechsel des Beutels habe ich mir zunutze gemacht, um den Tag zu reflektieren, um zu mir zu kommen und Zeit für mich zu haben. Recht zügig sind diese Notwendigkeiten völlig selbstverständlich in den Alltag übergegangen. Das damals gelernte und bewusste Durchkauen der Nahrung und das damit verbundene langsame Essen habe ich mir bis heute beibehalten. Das Stoma nahm ich einfach für das, was es war: der Tausch gegen ein unkontrollierbares Monster, ein Lebensretter, die größte Chance seit Beginn der Erkrankung. Diese Chance habe ich versucht bestmöglich zu ergreifen. Mit dem Stoma konnte ich dem Studium weiter nachgehen und dieses erfolgreich abschließen.
Woher hast du die Kraft genommen, so positiv zu bleiben?
Vor allem aus der Familie, dem Freundeskreis und dem Humor, aber auch aus der Erkenntnis, dass die Erkrankung, die ich habe, für nichts, aber auch gar nichts eine Entschuldigung sein soll. Zudem gab mir der Chirurg, der mir damals das Stoma anlegte, einen positiven Anstoß. Er sagte: „Das Einzige, was Sie von mir unterscheidet, ist, dass Sie nun eine Tüte am Bauch tragen. Leben Sie Ihr Leben wie alle anderen auch – und genießen Sie es.“ Da dachte ich: „Okay, er trägt die richtigen Schuhe, also wenn er das so sagt, dann mache ich das.“ Und das habe ich auch getan: Ich habe trotz Stoma versucht, das Beste aus jedem Tag zu machen.
Wie ging es weiter?
Ich habe die Operationen zur Rückverlagerung des Stomas machen lassen. Auch hier waren die anschließenden Genesungszeiten nicht einfach. Es gibt jedoch sensationelle Medikamente, die überaus hilfreich sind. Danach habe ich begonnen, mich ans Arbeitsleben heranzutasten, was gut funktionierte. Dank dem Verständnis und der großen Chance, die mir meine jetzigen Chefs gaben, bin ich nun seit fast 4 Jahren Vollzeit in einem Planungsbüro tätig, hier fühle ich mich auch im Kollegium sehr wohl. Sollte dies so irgendwann nicht mehr möglich sein, dann weiß ich, dass ich vor dem Stoma keine Angst haben muss. Es wäre eher so, als würde ich dann mit einem alten Bekannten wieder sehr viel Zeit verbringen können.
Colitis ulcerosa ist eine Erkrankung, die man Betroffenen nicht auf den ersten Blick ansieht. Wie gehst du persönlich in deinem Umfeld mit der Erkrankung um? Anderen gegenüber gehe ich sehr offen damit um, bringe es aber meist nicht aktiv zur Sprache. Ich beantworte Fragen sehr gerne, versuche aufzuklären und Missverständnisse und Verlegenheiten aufzulösen. Für mich selbst fühlt es sich manchmal so an, als würde ich ein launisches und störrisches Tier erziehen müssen, gebe mir dennoch große Mühe, dass diese Erkrankung und alles damit Verbundene in meinem Leben nicht den Fahrplan vorgibt. Das ist nicht immer einfach und dazu gehören auch unangenehme Schritte, völlig klar. Aber an dieser Stelle ist mir meine Integrität sehr wichtig! Ich möchte nicht, dass mich eine Erkrankung daran hindert, das Leben als unerklärliches Geschenk in vollen Zügen genießen zu können, mit Menschen, die mir wichtig und nah sind, und an Orten, an denen ich mich geborgen und wohlfühlen kann. Wenn dazu eine Plastiktüte am Bauch oder ein umgebauter Arsch notwendig ist, dann ist das eben so.
Fotoprojekt
“Bodies on Paper”
Die Fotografin Lily Cummings lebt derzeit in Berlin, stammt aber ursprünglich aus den USA. Das Coverbild unserer Ausgabe entstand im Rahmen ihres Fotoprojektes
„Bodies on Paper“: Das Ziel ist es, ein breites Spektrum der Schönheit des menschlichen Körpers in allen Facetten zu zeigen. Mehr zum Fotoprojekt und zur Fotografin: www. lilycummings.com
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Ein Stoma ist eine lebensrettende Maßnahme und kann viel Lebensqualität zurückgeben, die vorher, z.B. wegen einer chronischen Darmentzündung, nicht aufrechtzuerhalten war. PubliCare ist Ihr kompetenter HomeCare-Experte und sorgt sich um das Wohlbefinden von Stomaträgern: Wir leiten Sie im Umgang mit dem Stoma an, entweder bereits in der Klinik oder bei Ihnen zuhause. Wir versorgen Sie mit den notwendigen Hilfsmitteln. Und wir stehen Ihnen auch bei Fragen und Problemen rund um Ihre Versorgung zur Verfügung. Dabei sind wir stets herstellerneutral, damit die jeweils optimale Hilfsmittelversorgung für den Patienten gefunden werden kann.
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So wie auch das erste Legen eines Stomas mit Unsicherheiten verbunden sein kann, ist auch eine mögliche Rückverlegung, die bei einem temporären Stoma eine Möglichkeit sein kann, eine grundlegende Veränderung. Nach der Operation können sich das Gefühl des Stuhldrangs und der vollständigen
bzw. unvollständigen Darmentleerung nach dem Toilettengang verändern. Auch Störungen im Verdauungs- und Ausscheidungsprozess können vorkommen, sind aber als normal anzusehen. Ihr PubliCare-Ansprechpartner ist auch in diesem Fall Ihr Ansprechpartner und begleitet Sie mit Rat und Tipps rund um notwendige Hilfsmittel.
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„Nur wer spricht, dem kann geholfen werden!“
Holger Busse ist Gründer des Vereins „Lila Hoffnung e. V.“ und hat es sich zur Aufgabe gemacht, über Darmerkrankungen wie CED oder Darmkrebs aufzuklären und eine Anlaufstelle für Betroffene zu schaffen. Wir sprachen mit ihm darüber, warum es gerade Männern oft schwerfällt, offen mit Erkrankungen umzugehen und warum ein Umdenken dringend notwendig ist.
Holger, du bist 1. Vorsitzender des Vereins Lila Hoffnung e.V. und selbst betroffen von einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, Morbus Crohn. Welche Rolle spielt für dich der offene Umgang mit der Erkrankung?
Der offene Umgang mit meiner Erkrankung, Morbus Crohn, fiel mir nicht immer so leicht wie heute. Gerade zu Beginn der Erkrankung war es mir peinlich und unangenehm, über den Darm, über Durchfall und Erbrechen zu reden.
Dadurch, dass ich nicht offen mit der Erkrankung umgegangen bin, habe ich Freunde verloren, Ausreden erfunden, um Verabredungen abzusagen und mich in mein „Schneckenhaus“ zurückgezogen.
Nach meiner dritten Operation und anschließenden Reha, habe ich viel gelernt.
mit der Erkrankung. Kannst du bestätigen, dass Männer eher im Stillen leiden und weniger transparent mit ihrer Erkrankung umgehen?
Ich glaube tatsächlich, dass das viele Männer betrifft. Stark sein, unverwundbar zu sein und bloß nicht offen leiden oder mal weinen. Aber genau das ist falsch, liebe Männer. Nur wer spricht, dem kann geholfen werden. Ich selbst
wichtig, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Was ist es für eine Erkrankung? Welche Therapiemöglichkeiten gibt es für mich? Was kann ich anderes tun, damit es mir besser geht? Wo bekomme ich Hilfe? Mir persönlich hat es nach der Reha geholfen, einige Dinge in meinem Alltag zu ändern. Mehr Zeit für mich, ein gutes Zeitmanagement um Stress zu vermeiden und eine gesunde ausgeglichene Ernährung.
Gerade zu Beginn einer Erkrankung ist es wichtig, sich mit ihr auseinanderzusetzen.
Gelernt, mir der Erkrankung umzugehen, mich selbst zu reflektieren und neuen Mut und Kraft zu gewinnen. Heute bin ich nahezu „gläsern“, was meine Erkrankung betrifft. Ich pflege einen offenen Umgang, spreche mit der Familie und Freunden darüber und bekommen unheimlich viel Unterstützung.
Männer und Frauen sind etwa zu gleichen Teilen von CED betroffen, aber die Geschlechter haben einen unterschiedlichen Umgang
habe auch anfangs nicht über meine Beschwerden gesprochen. Ich hätte mir vieles leichter machen können. Besonders möchte ich warnen, Symptome und Beschwerden ernst zu nehmen und rechtzeitig zum Arzt zu gehen.
Was möchtest du speziell betroffenen Männern an die Hand geben, wenn es um das Thema Krankheitsbewältigung und Achtsamkeit geht?
Gerade zu Beginn einer Erkrankung ist es
Welche Hilfestellungen bietet euer Team von Lila Hoffnung für Betroffene einer CED, ganz egal, ob Mann oder Frau?
Wir als Verein Lila Hoffnung – CED und Darmkrebshilfe e. V. unterstützen Betroffene beim Umgang mit der Erkrankung. Durch Arzt-Patientenseminare bieten wir Möglichkeiten, auch mit einem medizinischen Background Fachbezogene Fragen zu beantworten. Aus eigener Erfahrung weiß ich wie schwer eine chronisch entzündliche Darmerkrankung verlaufen kann. Aus diesem Grund erfüllen wir Herzenswünsche für Betroffene Patienten mit Morbus Crohn, Colitis ulcerosa oder Darmkrebs. Hier haben wir für die Krankheitsbilder in Deutschland ein Alleinstellungsmerkmal auf das wir sehr stolz sind. Warum? Weil wir mit einem erfüllten Herzenswunsch für einen Moment die Erkrankung vergessen lassen, Patienten Mut machen, nicht aufzugeben.
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Weitere Informationen unter www. lilahoffnung.de
Text Hanna Sinnecker
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Achtsames Leben mit CED –Egoismus erwünscht!
Unser Alltag ist in der heutigen Zeit oftmals schnelllebig, beanspruchend und von Termindruck bestimmt. Es ist in der Tat eine Herausforderung, alles unter einen Hut zu bringen: Schule, Studium oder Job fordern uns stark, und das Privatleben soll dabei natürlich auch nicht auf der Strecke bleiben. Nun stelle man sich vor, dass man zusätzlich noch einen ständigen Begleiter in Form einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) hat, der die Bewältigung des Alltags zusätzlich erschweren kann.
Diese Erkrankungen sind von außen nicht sichtbar, bringen aber einen hohen Leidensdruck für Betroffene mit sich, da CED schubweise verlaufen und man nie weiß, wann sich die Erkrankung wieder verstärkt zu Wort meldet. Meist kündigt sich ein solcher Krankheitsschub in den ungünstigsten Momenten an. „Auch das jetzt noch!“ – Das denken sich in solchen Momenten sicher viele der etwa 400.000 Betroffenen in Deutschland, die mit einer CED leben.
Stress: Begleiterscheinung oder Auslöser?
Es ist zweifellos so, dass die Diagnose einer CED an sich bereits einen gewissen Stressfaktor für das Leben Betroffener bedeuten kann. Viele CED-Patienten berichten aber auch, dass bereits vorhandener Stress den Erkrankungsverlauf negativ beeinflussen kann und einem Krankheitsschub oft eine besonders herausfordernde Zeit vorausgegangen ist. Daher ist es wichtig, seinen Körper zu kennen und auf mögliche Warnsignale zu achten, um in solchen Phasen bewusst das Tempo zu reduzieren und ganz individuelle Strategien zu entwickeln, die bei der Bewältigung solcher Phasen helfen können.
Achtsamkeit
– mehr als nur ein
Buzzword
Fokus ICH – ganz ohne Schuldgefühle!
Eva Maria Tappe von CHRONISCH GLÜCKLICH e. V. drückt es in einer Podcast-Folge so aus: „Bei Achtsamkeit geht es darum, dass du selbst wieder der Chef über dich, also deinen Körper, deinen Geist und deine Gedanken, wirst.“ Das Ziel eines achtsamen Lebens ist also, wieder mehr zu sich selbst zu finden und damit auch auf gewisse Weise sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Aber genau das widerstrebt uns oft, da wir mit dem „An-sich-selbst-Denken“ direkt blanken Egoismus verbinden. Dabei ist ein gesunder Egoismus besonders für CED-Patienten essenziell, bedeutet es doch lediglich, dass man seine Grenzen kennt und mit ihnen verantwortungsbewusst umgeht. Zudem sind diese Selbstreflexion und die daraus folgenden Konsequenzen die Basis dafür, dass es wieder bergauf gehen und der
Das Wort Achtsamkeit ist gerade allgegenwärtig, aber was verbirgt sich überhaupt dahinter? Gemeint ist eine ganz bewusste Fokussierung auf den gegenwärtigen Zustand, ohne ihn dabei zu bewerten. Es geht dabei also um eine Bestandsaufnahme des Hier und Jetzt. Eine solche achtsame Haltung sich selbst gegenüber kann CED-Pa tienten dabei helfen, den Zustand anzunehmen, auch wenn das bedeutet anzuerkennen, dass man sich vielleicht zu viel zugemutet hat. Das kann dabei unterstützen, die Perspektive zu wechseln und sich ganz bewusst darauf zu fokussieren, was einem jetzt guttut und bei der Krankheitsbewältigung helfen kann. Und das betrifft sowohl den Körper als auch den Geist.
Ein achtsamer Umgang mit sich selbst kann bei jedem anders aussehen. Das kann das bewusste Herunterfahren sein, sich Zeit für sich nehmen und vielleicht Termine verschieben oder gar absagen, ohne sich dabei egoistisch zu fühlen. Auch ausreichend Schlaf spielt hier eine wichtige Rolle. Zudem kann Meditation dabei helfen, sich auf sich selbst zu fokussieren und herauszufinden, was der nächste Schritt sein kann, um wieder Kraft schöpfen zu können. Und auch wenn es zunächst widersprüchlich klingen mag: Auch gemäßigter Sport kann dabei helfen, wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Das kann eine halbstündige Yoga-Session oder ein Spaziergang sein. Wichtig ist, dass man dabei nicht direkt wieder übers Ziel hinausschießt und darauf achtet, wo die persönliche Grenze der Belast barkeit liegt.
MEINE CED
DIE KAMPAGNE
RUND UM
CHRONISCHENTZÜNDLICHE DARMERKRANKUNGEN
„Einfach sagen, was dahintersteckt“ – unter diesem Namen startete das forschende Pharmaunternehmen
Janssen Deutschland 2018 eine Aufklärungskampagne. Das Ziel: Betroffenen und ihren Angehörigen Informationen rund um das Thema chronisch-entzündliche Darmerkrankungen zu liefern und sie dazu zu ermutigen, Klartext zu sprechen.
Auf der Kampagnen-Website www.meineCED.de erhalten
Interessierte Informationen über chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Egal ob Tipps zur Ernährung, Infos über die Auswirkungen auf die Arbeitswelt, private Beziehungen, Freizeitaktivitäten oder die Psyche – Betroffene und deren Angehörige finden hier Unterstützung bei Fragen, die nach einer Diagnose auftreten können.
Gemeinsam mit Eva und in enger Zusammenarbeit mit anderen Betroffenen und Experten werden die Inhalte der Website stets weiterentwickelt, um so gezielt auf Fragen und Ängste Erkrankter und deren Angehörigen eingehen zu können. Dazu gehören auch Video-Interviews und ein Podcast mit Eva und anderen Betroffenen.
Diese Podcasts sind ebenfalls im aktuSpotify-Kanal „CED-Klartext“ zu hören.
Neu: Instagram-Kanal zur Kampagne
Seit April können sich Betroffene und Interessierte nun auch auf Instagram informieren und austauschen. Unter instagram.com/ced_life/ gibt es grundlegende Informationen und Tipps zum Leben mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.
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Text Paul Howe
Die gesamte Podcast-Folge Nr. 8 zum Thema Achtsamkeit mit Eva gibt es unter meine-ced/mein-klartext
FOTO: JANSSEN-CILAG GMBH Lesen Sie mehr auf gesunder-koerper.info
Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Janssen-Cilag GmbH entstanden.
Der systemische Lupus erythematodes (SLE)
Mehr Lebensqualität durch individuelle Therapieansätze
Lupus – vielen ist der Name dieser Erkrankung bekannt, doch die wenigsten wissen, was sich dahinter verbirgt, was sich dabei im Körper Betroffener abspielt und welchem Leidensdruck Betroffene ausgesetzt sein können. Mit dem Experten Dr. med. Peer M. Aries sprachen wir über Ursachen, Behandlungsmöglichkeiten und den Umgang mit dieser seltenen Erkrankung.
Herr Dr. Aries, Sie betreuen in Ihrer Praxis unter anderem auch Patienten mit der seltenen Erkrankung Lupus (kurz SLE für systemischer Lupus erythematodes). Was passiert bei dieser Erkrankung im Körper Betroffener und wie äußert sie sich?
Der Lupus erythematodes ist insofern eine klassische Autoimmunerkrankung, als dass sich hierbei das eigene Immunsystem leider nicht nur gegen Bakterien und Viren zur Wehr setzt, sondern angefangen hat, den eigenen Körper entzündlich zu bekämpfen. Typischerweise sind dabei die Haut und Schleimhäute betroffen und je nach Ausprägung des Lupus auch einzelne der inneren Organe. Besonders fürchten wir entzündliche Veränderungen der Niere und des Herzens. Dadurch ist auch die klinische Symptomatik der Patienten erklärt.
Die chronische Entzündung führt nicht nur zu Erschöpfung und Abgeschlagenheit, sondern auch zu Hautveränderungen und möglicherweise Funktionsstörungen der betroffenen inneren Organe. Die Ausprägung des Lupus erythematodes ist bei jedem einzelnen Patienten anders und auch nicht zu jeder Zeit gleich: So gibt es Phasen der starken Entzündung und wiederum Intervalle, bei denen die Patienten keine Symptome bemerken. Es gibt entsprechend auch nicht „das Symptom“, das alle Patienten „immer“ haben, vielmehr kann der Patient heute andere Beschwerden haben als morgen und übermorgen. Das ist für viele Patienten auch eine der größten Herausforderungen: sich nicht auf seinen Körper verlassen und seinen Alltag damit auch nicht wirklich planen zu können.
Wie bei vielen seltenen Erkrankungen ist es nicht ganz einfach, einen SLE zu diagnostizieren. Was sind die Herausforderungen für Ärzte und wie kann die Erkrankung verlässlich diagnostiziert werden?
Wie oben schon angedeutet, kann die Ausprägung der Erkrankung sehr stark variieren. Die Schwierigkeit besteht darin, alle dazugehörigen Symptome zu erfassen und miteinander in Verbindung zu bringen. Grundlage für die Diagnose ist immer eine ausführliche Besprechung der Vorgeschichte (Anamnese), die dann durch zusätzliche Untersuchungen wie Laboruntersuchung des Blutes, des Urins sowie weitere Untersuchungen wie z. B. Röntgen oder Ultraschall ergänzt wird. Manchmal ist es auch nötig, eine Gewebeprobe zu entnehmen (z. B. der Haut oder der Niere), um sich bezüglich der Art der Entzündung unter dem Mikroskop einen größeren Durchblick zu verschaffen. Die größte Herausforderung ist dabei nicht nur, die Diagnose zu stellen. Vielmehr haben wir den Ehrgeiz, die Diagnose immer früher zu stellen, bevor die Patienten einen langen Leidensweg durchgemacht haben und insbesondere bevor auch erste Schädigungen der inneren Organe aufgetreten sind.
Die Erkrankung kann zum Teil schwere Beeinträchtigungen des Alltags mit sich bringen. Welche Therapieoptionen gibt es, um die Lebensqualität zu steigern?
In der Tat kann die Erkrankung zu einer erheblichen Einschränkung im Alltag führen. In den Gesprächen mit den Patienten, die sich um die Therapie drehen, haben wir natürlich immer die Lebensqualität der Patienten im Mittelpunkt. Die Therapie darf aber nicht nur den aktuellen Zustand verbessern, sondern muss auch bezogen auf die Zukunft Vorteile bieten. Meist ist es so, dass die für die Patienten im Vordergrund stehende Abgeschlagenheit durch eine adäquate Hemmung der Entzündung verbessert wird. Alle unsere Therapien haben deshalb die Entzündungshemmung im Fokus. Dadurch können nicht nur die aktuellen Beschwerden verbessert werden, sondern auch langfristig verhindert werden, dass die inneren Organe in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Das Stichwort dabei ist das Verhindern von Vernarbungen durch die abgelaufene Entzündung. Cortison ist z. B. eine perfekte entzündungshemmende Therapie und hilft vielen Patienten innerhalb von kurzer Zeit, mittel- und langfristig hat es aber sehr viele Nebenwirkungen. Dafür haben wir cortisonfreie Medikamente, die zwar nicht so schnell anfangen zu wirken, mittel- und langfristig aber deutlich besser verträglich sind und das Cortison häufig komplett ersetzen können. Neben den Medikamenten gibt es auch weitere grundlegende Empfehlungen für Betroffene: Neben dem Schutz vor UV-Strahlen ist ein guter Impfschutz, die Unterstützung der Knochengesundheit (Stichwort Vitamin D) wie auch die Einnahme eines Anti-Malaria-Mittels dringend anzuraten, da mit diesem Therapiekonzept die Prognose der Patienten deutlich verbessert werden kann. Eine ausgewogene Ernährung spielt sicherlich ebenfalls eine Rolle, wobei sie eine adäquate medikamentöse Therapie aber nicht ersetzen kann.
Was ist bezüglich der Kommunikation zwischen Arzt und Patient im Hinblick auf die Definition der Therapieziele wichtig? Aus unserem Alltag wissen wir, dass die Patienten unterschiedliche Stimmungsphasen im Rahmen ihrer Erkrankung durchmachen. Zunächst ist die Phase der Unsicherheit über die eigentliche Diagnose, die im weiteren Verlauf von der Sorge um die konkrete Diagnose und Prognose abgelöst wird. In den anschließenden Phasen merken die Patienten, dass die ihnen empfohlene Therapie ihnen hilft, möglicherweise aber auch Nebenwirkungen hat. In jeder der einzelnen Phasen muss mit dem Patienten unterschiedlich gesprochen werden. Vertrauen ist die Grundlage dieser Gespräche. Deshalb lohnt es, sich unter Umständen am Anfang mehr Zeit zu nehmen und
Vertrauen zu gewinnen, um den Patienten die Erkrankung und das Therapiekonzept zu erklären. Wir sprechen von einem „Empowerment“ der Patienten: Diese sollen durch die richtigen Informationen in die Lage versetzt werden, ihre eigene Erkrankung zu verstehen und bei der Bekämpfung der Erkrankung mitzuhelfen. Das Therapieziel ist immer das Stoppen der Erkrankung, das wir als Remission bezeichnen. Sollte dieses Ziel innerhalb der ersten Wochen nicht erreicht werden, muss die Therapie angepasst werden, bis wir die Remission erreichen. Das bedeutet, dass manchmal nicht das erste und gegebenenfalls auch nicht das zweite Medikament ausreicht, sondern zum Teil erst das dritte Medikament das richtige Gleichgewicht aus Wirkung und Verträglichkeit hat. Wenn die Patienten dieses Konzept verstehen, ist es auch leichter, erste mögliche Rückschläge zu akzeptieren.
Wir leben immer noch mitten in der Pandemie. Gibt es hier spezielle Punkte, die SLEPatienten beachten sollten? Zusammengefasst sind wenig bis kein Cortison und eine gute Kontrolle der Krankheitsaktivität die wesentlichen Bausteine in der aktuellen Pandemie für unsere Patienten mit entzündlichrheumatischen Erkrankungen.
Dr. med. Peer M. Aries Internist, Rheuma-
Für viele Patienten ist eine der größten Herausforderungen, sich nicht auf seinen Körper verlassen und seinen Alltag damit auch nicht wirklich planen zu können.
Die Therapie aus Angst vor einer Infektionen zu beenden, ist meistens keine gute Idee und sollte nicht ohne Absprache mit dem betreuenden Rheumatologen erfolgen. Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen gehören zumeist mindestens der Prioritätengruppe 3 der Coronavirus-Impfverordnung an. Das bedeutet, unsere Patienten können sich bevorzugt impfen lassen. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie empfiehlt unseren Patienten ausdrücklich, sich gegen SARS-CoV-2 impfen zu lassen, wobei es bezüglich der Impfstoffe keine bevorzugte Empfehlung gibt.
Das vollständige Interview lesen Sie unter: seltenekrankheiten.de
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tologe und Immunologe
Text Hanna Sinnecker
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„Für mich ist das Leben mit Lupus ein normales Leben!“
Clara ist eine junge Frau und steht mitten im Leben. Von ihrer Erkrankung, dem systemischen Lupus erythematodes (SLE) lässt sie sich die Lebensfreude nicht nehmen. Wie sie das schafft und welche Rolle ihr Arzt dabei spielt, lesen Sie im Interview.
Clara, du bist betroffen von der Autoimmunerkrankung Lupus. Wie hat sie sich bemerkbar gemacht und wann wurde die Diagnose gestellt? Im Sommerurlaub in Kroatien 2009 hatte ich das erste Mal grippeähnliche Symptome. Ich war damals elf Jahre und meine Eltern vermuteten einen Sonnenstich. Im September wiederholten sich die Symptome, was meine Eltern stutzig machte. Meine Mama und ich gingen zu meiner damaligen Kinderärztin. Ich hatte das Glück, dass sie mich sehr gut kannte und sehr verwundert war, als es mir plötzlich so schlecht ging, denn ich war vorher nie wirklich krank gewesen. Die Kinderärztin begann zu recherchieren, tauschte sich mich Kollegen aus und hatte kurz darauf schon einen Verdacht. Sie leitete mich in die Kinderrheumatologie des UKE weiter und vier Wochen später, im Oktober 2009, kam dann schon die Diagnose systemischer Lupus erythematodes. Ich bin meiner Kinderärztin heute noch dankbar dafür, dass sie so gehandelt hat. Diese frühe Diagnose hat mir viel Leid, was andere Betroffene oft jahrelang erleben, erspart.
Bei dir hat die Erkrankung ja auch Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem gehabt. Das klingt recht gefährlich. Bitte erzähle uns mehr davon. Ich hatte immer Glühwürmchen vor den Augen, also so Lichtblitze im Sichtfeld. Mehr zum Glück nicht. Das liegt aber auch an der frühen Diagnose und der schnellen Behandlung. Wäre das nicht so gewesen, hätte es auch irreversible Folgen haben können.
Wie wurdest du zu Beginn therapiert? Anfangs war ich stationär im Krankenhaus, um alles
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abzuklären. Dort begann dann auch die Cortison- und Endoxantherapie. Diese dauerte sieben Monate an und dafür musste ich einmal pro Monat eine Nacht ins Krankenhaus.
Wie hat sich die Erkrankung auf deinen Alltag ausgewirkt?
Am meisten hat mich das Vermeiden von Sonnenlicht eingeschränkt. Ich bin ein Sommerkind, meine Familie und ich sind immer viel ans Meer gereist und haben die Strandurlaube zusammen sehr genossen. Das ging dann so alles nicht mehr. Zudem war ich häufiger krank, was ich von mir vorher nicht kannte. Und später, auch wenn es komisch klingt, war der Nichtalkoholkonsum oft ein Thema. Gerade wenn man mit Freunden unterwegs ist, die ersten Partys besucht und das Leben feiert, ist ja oft Alkohol mit im Spiel. Für mich jedoch nicht. Das hat immer zu vielen Fragen geführt und ich wollte ja auch nicht jedem meine Krankengeschichte erzählen. Seitdem bin ich immer die Fahrerin, und das war dann für alle okay (lacht).
Als Erwachsene mit 18 Jahren bist du dann in die Therapie zu Dr. Aries gewechselt. Was hat sich ab diesem Punkt verändert?
Mit 18 habe ich die komplette Eigenverantwortung für mich und meine Krankheit übernommen. Vorher waren meine Eltern immer mit dabei. Auch Dr. Aries hat großen Wert darauf gelegt, dass ich auch bezüglich meiner Krankheit auf eigenen Füßen stehe. Doch das Wichtigste ist, dass ich es zusammen mit Dr. Aries geschafft habe, vom Cortison wegzukommen. Jetzt bekomme ich ein Biologikum, das ich anfangs einmal im Monat als Infusion bekommen
habe. Seit Längerem mache ich das selbst, mit einem Pen. Damit geht es mir super.
Aus deiner eigenen Erfahrung: Welche Rolle spielt für dich der vertrauensvolle Austausch mit dem behandelnden Arzt?
Das ist super, super wichtig. Eine vertrauensvolle Basis ist gerade bei chronischen Erkrankungen essenziell: Man muss alles erzählen können, ohne sich dabei komisch zu fühlen, denn es könnte ja relevant sein. Ein guter Arzt ist jemand, zu dem man gern geht – so geht es mir mit Dr. Aries.
Wie sieht dein Alltag heute aus: Fühlst du dich in irgendeiner Weise eingeschränkt, oder würdest du sagen, dass du ein weitestgehend normales Leben führen kannst?
Ich mache ein duales Studium, arbeite im Schichtdienst, spiele Hand- und Fußball. Mit den kleinen Einschränkungen, die ich noch habe, kann ich sehr gut leben. Man darf auch nicht vergessen, dass ich bereits die Hälfte meines Lebens die Erkrankung habe. Für mich ist das Leben mit Lupus ein normales Leben.
Was würdest du anderen Betroffenen gern mit auf den Weg geben?
Ich finde es super wichtig, sich selbst wahrzunehmen, denn man kennt sich selbst am besten. Der Körper signalisiert genau, wenn er eine Pause braucht, und diese sollte man ihm dann auch gönnen. Aber sonst sollte man alles machen und ausprobieren, was man möchte – egal, was andere sagen.
Neu ab Juni 2021
Die Website lupuscheck.de erscheint ab Mitte Juni in neuem Look und mit vielen neuen Inhalten rund um das Thema „Leben mit Lupus“.
Systemischer Lupus erythematodes (SLE) ist eine Autoimmunerkrankung mit sehr variablen Symptomen und großen Auswirkungen auf das ganze Leben. Der Weg zur Diagnose ist oft lang und mit ihr kommen viele Fragen für die betroffenen Patient*innen: Was bedeutet die Diagnose für meinen Alltag? Gibt es eine Therapie? Wie geht mein Leben weiter? Lupus ist behandelbar Auch wenn Lupus bisher nicht heilbar ist, gibt es gute Behandlungsoptionen, die Betroffenen häufig ein weitgehend normales Leben ermöglichen. Das Therapieziel ist, die Aktivität der Krankheit so weit wie möglich zu beruhigen, damit weitere Schübe verhindert werden. Ein aktiver Lupus geht immer mit Entzündungsreaktionen in den betroffenen Organen und auf Dauer zunehmenden Organschäden einher. Das kann langfristig schwere Folgen haben, wie zum Beispiel einen allmählichen, oft erst spät bemerkten, Verlust der Nierenfunktion.
Die Partnerschaft zwischen Patient*in und Therapeut*in Patient*in, Therapeut*in und Lupus gehen einen langen gemeinsamen Weg und müssen an einem Strang ziehen. Ein stabiles Vertrauensverhältnis ist dabei essenziell. Therapieentscheidungen sollten gemeinsam getroffen werden und neben dem individuellen Krankheitsbild auch die persönlichen Therapieziele berücksichtigen
Während der Arztfokus häufig auf dem Organschutz liegt, stehen für Patient*innen meist sichtbare oder spürbare Symptome im Mittelpunkt, wie eine Hautsymptomatik, Schmerzen oder eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit. Ein regelmäßiger Austausch selbst in milden Krankheitsphasen und ein bestmöglich informierter Patient sind Schlüssel zur langfristig optimalen Steuerung der Behandlung.
Informationen für Betroffene im Netz Unter www.lupuscheck.de finden Interessierte ausführliche Informationen zur Erkrankung, zu Therapiemöglichkeiten und wichtige Tipps für Arzt-Gespräche oder das Leben mit Lupus.
Ab Mitte Juni wird die Website in neuem Look erscheinen und mit vielen zusätzlichen Inhalten ergänzt. Denn ein tieferes Verständnis der eigenen Erkrankung kann Ängste nehmen und Mut geben, den ganz individuellen Umgang mit Lupus zu finden und einen lebenswerten Alltag zu meistern.
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Text Franziska Manske
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LEBEN MIT LUPUS – GUT INFORMIERT DEN ALLTAG BESTREITEN NP-DE-LPU-ADVR-210001; 04/2021 ANZEIGE DIESER BEITRAG ENTSTAND MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG DURCH DIE GLAXOSMITHKLINE GMBH & CO. KG
Die ANCA-assoziierte Vaskulitis erkennen und behandeln
Bei der ANCA-assoziierten Vaskulitis handelt es sich um eine Gruppe seltener Autoimmunerkrankungen, die auch für erfahrene Mediziner nicht leicht zu erkennen sind. Ein Gespräch mit dem Experten Prof. Dr. Bernhard Hellmich über die derzeitigen Diagnose- und Therapiemöglichkeiten.
Text Hanna Sinnecker
Herr Prof. Hellmich, die ANCAassoziierte Vaskulitis ist eine seltene Erkrankung, was es für Ärzte erschwert, die Erkrankung zu erkennen. Welche Symptome können auf diese Erkrankung deuten?
Bei der ANCA-assoziierten Vaskulitis handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. In den meisten Fällen werden Patienten mit Symptomen einer chronischen Entzündung erstmalig beim Arzt vorstellig. Was Betroffene immer wieder berichten, ist, dass sie mit Antibiotika behandelt werden, aber diese nicht helfen. Daher ist es wichtig, sich das Gesamtbild der Symptome anzuschauen. Für sich genommen sind die Symptome nicht spezifisch, aber im Gesamtbild ergeben sie wie bei einem Puzzle Hinweise für eine Diagnose. Patienten klagen zu Beginn oft über unspezifische Symptome wie Gliederschmerzen, Gelenkschmerzen, manchmal auch über Nachtschweiß oder Gewichtsverlust. In manchen Fällen kommt auch Fieber hinzu. Wenn in diesem Kontext dann aber andere Beschwerden hinzukommen, dann muss man an eine ANCAassoziierte Vaskulitis denken. Bei der Granulomatose mit Polyangiitis/ GPA (umgangssprachlich als Morbus Wegener bezeichnet) beginnen die Beschwerden oft im oberen Respirationstrakt. Die Patienten berichten über blutigen Schnupfen oder Nasenbluten aus beiden Nasenlöchern. Dabei können blutige Krusten abgehen, die die Nase auch verstopfen können. Weitere Symptome im Hals-Nasen-Ohren-Trakt wie z. B. eine Hörminderung bedingt durch eine Entzündung der Ohrnerven oder im Ohr selbst oder eine Beeinträchtigung der Luftröhre können hinzukommen. Letzteres äußert sich durch ein Pfeifgeräusch beim Ausatmen. Bei besonders schweren Verläufen kann auch die Lunge selbst betroffen sein: Das zeigt sich im leichtesten Fall durch Husten und Luftnot, in schwereren Fällen durch blutigen Husten, wenn die Lungengefäße durch das Infektionsgeschehen betroffen sind. Bei den Patienten mit Mikroskopischer Polyangiitis/MPA, die ca. die Hälfte aller Vaskulitis-Patienten ausmachen, ist sehr oft die Niere betroffen, was sich in geschwollenen Füßen oder nicht erklärbaren Blutdruckentgleisungen äußern kann. Diese Nierenschwäche kann bis zu einem vollständigen Ausfall der Nierenfunktion führen. Auch Hautveränderungen, wie z. B. kleine rote Flecken vor allem an den
Beinen, können auftreten. Zudem kann es zu Durchblutungsstörungen an Händen und Füßen kommen, die sich durch eine Farbveränderung zeigen können. Das Nervensystem kann im Rahmen einer Polyneuropathie betroffen sein, wobei sie bei der ANCA-assoziierten Vaskulitis sehr rasch fortschreitet und mit einer Schwäche bei der Zehen- oder Fußhebung einhergehen kann, die Schmerzen verursacht. Diese Sonderform der Neuropathie erlaubt eine Abgrenzung zu anderen Erkrankungen. Seltener kann es zu Schlaganfällen oder zu Symptomen im Magen-Darm-Trakt kommen. Das Herz ist glücklicherweise sehr selten betroffen.
Wenn sich der Verdacht auf eine ANCA-assoziierte Erkrankung erhärtet: Was sind die konkreten diagnostischen Schritte und wie vermitteln Sie dem Patienten diese einschneidende Diagnose?
Das Vorliegen einer entzündlichen Erkrankung kann man über Laborwerte recht einfach feststellen. Dabei sind die Blutsenkungsgeschwindigkeit und der CRP-Wert die wichtigen Parameter. Bei einer neu manifestierten ANCA-assoziierten Vaskulitis sind beide Werte fast immer erhöht.
Der Begriff ANCA bezieht sich auf die antineutrophilen cytoplasmatischen Antikörper, die im Blut bestimmt werden können. Wenn diese Werte vor dem Hintergrund des Krankheitsbildes entsprechend erhöht sind, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass eine ANCAassoziierte Vaskulitis vorliegt. Man muss sich dann die einzelnen Symptome des Patienten genau anschauen. Dazu benötigt man ein interdisziplinäres Netzwerk bestehend aus Fachärzten wie Neurologen, Hals-Nasen-Ohren-Ärzten, Augenärzten und Radiologen. Sie sind Teile des „medizinischen Detektivteams“, um gemeinsam eine verlässliche Diagnose stellen zu können. Zusätzlich wird die Diagnose durch eine Biopsie, also eine Gewebeentnahme, abgesichert. Der nächste Schritt ist, die Diagnose mit dem Patienten zu besprechen. Man muss Patienten die seltene Erkrankung, an der sie leiden, erklären und sie strukturiert über die nächsten Schritte informieren: Wie kann die Therapie aussehen, wie sieht die Prognose aus, wie lange wird voraussichtlich behandelt, und worauf kann der Patient selbst achten? Das sind alles Punkte, die im Gespräch erläutert werden sollten. Viele Kliniken und
Betroffenenverbände bieten zu diesem Zweck Informationsveranstaltungen an. Wichtig ist, den Patienten an die Hand zu nehmen und ihn durch die in der Regel mehrere Jahre dauernde Erkrankung zu führen.
Es handelt sich um eine chronische Erkrankung, bei der sich Phasen mit akuten Krankheitsschüben abwechseln mit Phasen, in denen die Erkrankung eher ruht. Wie kann ein optimales Krankheitsmanagement aussehen?
Wichtig ist, dass die Betroffenen regelmäßig von den entsprechenden Fachärzten gesehen werden, die die Erkrankung kennen. So kann man frühzeitig reagieren, wenn die Situation des Patienten sich verschlechtert. Idealerweise passiert das an einem spezialisierten Zentrum.
Sehen Sie als medizinischer Experte noch einen ungedeckten Bedarf in der Therapie?
Prof. Dr. med. Bernhard Hellmich Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Rheumatologie und Immunologie
Medius Klinik Kirchheim unter Teck Akademisches Lehrkrankenhaus der Univ. Tübingen
Auf jeden Fall. Es handelt sich um sehr schwere, teils lebensbedrohliche Erkrankungsverläufe, auch wenn sich die Prognose in den letzten 50 Jahren deutlich verbessert hat. Als die Erkrankung entdeckt wurde, gab es noch keinerlei Behandlungsmöglichkeiten und viele Betroffene sind im Verlauf der Erkrankung innerhalb kurzer Zeit verstorben. In den 50er-Jahren wurde die Therapie mit Cortison eingeführt, wodurch viele Patienten gerettet werden konnten. Aber auch da lag die Sterblichkeit noch bei etwa 50 %. Erst als moderne Immunsuppressiva eingesetzt werden konnten, wurden viele Patienten zu einer Remission, d. h. Beschwerdefreiheit, geführt. Das verbleibende Problem allerdings ist: Es sind recht aggressive Therapien, die das Immunsystem stark unterdrücken. Dadurch haben wir auch heute noch zwei Herausforderungen: Zum einen sehen wir in akuten Krankheitsphasen recht viele Infektionen, was nach wie vor zu einer Reduzierung der Lebenserwartung führt. Andere Patienten haben zudem das Problem, dass die Medikamente nicht schnell genug wirken und sich in der Folge Organschäden entwickeln. Der Bedarf besteht in neuen Medikamenten, die zu weniger Infekten führen und mit denen wir Langzeitschäden eindämmen können. Auch das Verhindern von Rückfällen ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Faktor.
Angesichts der aktuellen Lage überlegen viele Vaskulitis-Patienten, ob sie sich gegen COVID-19 impfen lassen sollten und mit welchem Impfstoff. Können Sie hier eine Empfehlung geben? Auch hier muss man Risiken und Nebenwirkungen abwägen. Die Empfehlung lautet aber ganz eindeutig, sich impfen zu lassen. Aus den ersten Erfahrungen, die wir bisher mit der COVID-19-Schutzimpfung bei Vaskulitis-Patienten sammeln konnten, wissen wir, dass die Impfung gut vertragen wird. Was man beachten muss, ist der Zeitpunkt der Impfung, da eines der eingesetzten immunsuppressiven Medikamente die Antikörperbildung hemmt. Das kann dazu führen, dass die Impfung nicht so gut wirkt wie bei einem gesunden Patienten. Wir versuchen dann, die betreffenden Patienten dann zu impfen, wenn die Wirkung dieses Medikamentes nicht mehr so stark ist. Bezüglich der Wahl des Impfstoffes sollte man sich lediglich an die derzeit geltenden Empfehlungen und Vorschriften halten. Grundsätzlich sind aber alle derzeit zugelassenen Impfstoffe für Vaskulitis-Patienten geeignet.
10 Medizinische
Detektivarbeit:
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Erfahren Sie mehr über ANCA-assoziierte Vaskulitis (AAV)
Zur Gruppe der AAV zählen seltene Autoimmunkrankheiten, von denen circa 150 pro 1 Millionen Einwohner in Europa betroffen sind.1–4 Ärzte sprechen auch von einer Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) oder Morbus Wegener, einer mikroskopischen Polyangiitis (MPA), einer eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) oder Churg-StraussSyndrom, wenn sie AAV meinen.1,5 AAV wirkt sich auf die Blutgefäße in verschiedenen Körperbereichen aus, z.B. Lunge, Nieren, Nervensystem, Gastrointestinaltrakt, Haut, Augen und Herz.4
Die SEE ME. HEAR ME Initiative wurde ins Leben gerufen, um jeden zu unterstützen, der mit ANCA-assoziierter Vaskulitis lebt oder von ihr betroffen ist. Auf der Webseite myANCAvasculitis.com/de finden Sie weitere Informationen zur Krankheit sowie hilfreiches Informationsmaterial wie z.B. eine digitale Broschüre für Patienten und bald auch ein interaktives Lern-Tool für Patienten und Wegbegleiter.
Die digitale Broschüre für Patienten umfasst 54 Seiten voller Informationen, Patientengeschichten, Tipps und Hinweisen zu weiterführenden Materialien für Menschen mit AAV und ihre Wegbegleiter.
Der Gesprächsleitfaden bietet medizinischen Fachkräften mit Infografiken eine Grundlage, um mit ihren Patienten über AAV von der Diagnose bis zur Behandlung zu sprechen.
Demnächst: AAV Masterclass – eine neue informative und interaktive Plattform, welche in Zusammenarbeit mit Patientengruppen und medizinischem Fachpersonal für AAV Betroffene entwickelt wurde, um zum besseren Verständnis der Erkrankung beizutragen. Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite wie folgend beschrieben.
Unter www.myANCAVasculitis.com/de finden Sie weiteres Informationsmaterial für Patienten und ihre Wegbegleiter.
Patientenverbände bieten Patienten und Wegbegleitern weitere Unterstützung an: Selbsthilfe Vaskulitis e.V. und Selbsthilfe Vaskulitis Mainz
www.vaskulitisverein-rlp.devaskulitis-mainz@gmx.de
1. Watts RA, et al. Nephrol Dial Transplant 2015;30(Suppl 1):i14–22. 2. Hutton HL, et al. Semin Nephrol 2017;37(5):418–35.
JC, et al. Arthritis Rheum 2013;65(1):1–11.
Job code: DE-AVA-2100016 / Date of preparation: May 2021
3. Geetha D, et al. J Nephrol 2015;28(1):17–27. 4. Al-Hussain T, et al. Adv Anat Pathol 2017;24(4):226–34. 5. Jennette
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Hermann, GPA-Patient, Deutschland