Autoimmunerkrankungen

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AUTOIMMUN- ERKRANKUNGEN

NICHT

VERPASSEN:

Colitis ulcerosa

CED-Aktivistin Jana im Gespräch über ihre unsichtbare Erkrankung, Ableismus und Mut zur Selbstliebe.

Seite 6

Psoriasis

Dr. Bernd Neidl erzählt, wie er mit seiner bunten Haut lebt und warum Aufklärungsarbeit so wichtig ist – für Betroffene und Außenstehende.

Seite 9

DER FEIND IN MEINEM KÖRPER

Der Balanceakt zwischen Leben und Krankheit

Mit einer nach außen nicht sichtbaren Autoimmunerkrankung zu leben, verlangt Betroffenen viel ab. Kirsten hat gleich zwei davon. Ein Gespräch über Energiereserven, Achtsamkeit und Spoonies.

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Erkrankung und Therapie | Alltag mit CED | Dein CED-Netzwerk

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Miriam Hähnel

Eine Autoimmunerkrankung kann das Leben eines Menschen komplett auf den Kopf stellen. Was helfen kann? Zeigen Sie Verständnis und schenken Sie Betroffenen ein offenes Ohr!

IN DIESER AUSGABE

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Leben mit Psoriasis-Arthritis

Tanja Renner ist selbst betroffen und hat das Patientennetzwerk NIK e. V. ins Leben gerufen, um anderen die Hilfe anzubieten, die sie selbst zum Zeitpunkt der Diagnose gebraucht hätte.

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Arbeiten mit Rheuma

Paul hat Rheuma – und ist eines von fünf „Chronischen Talenten“, das am gleichnamigen Projekt der Deutschen RheumaLiga e. V. mitgewirkt hat.

Autoimmunerkrankungen: Individuelle Therapiekonzepte mit Betroffenen im Fokus

Für viele Patient*innen, die an einer Autoimmunerkrankung leiden, ist es wie eine Odyssee, bis sie die Erklärung haben, warum ihr Körper nicht so funktioniert, wie es früher war.

In vielen Fällen wurde lange gewartet, und viele Ärzte wurden konsultiert, bis man nun endlich diese eine Diagnose hat und weiß, welche Erkrankung hinter den Beschwerden steckt. Viele Betroffene denken, nun wird alles gut. Nicht selten fängt der eigentliche Kampf dann aber erst an. Zwar hat man nun den Namen für seinen Feind gefunden, bekämpfen muss man ihn aber trotzdem.

Feind ist die Bezeichnung für einen Widersacher, als der allergrößte Feind gilt der Teufel. Gegen diesen soll man als Patient*in nun kämpfen? Mit welchen Waffen? Und wie lange? Das hört sich für manchen alles sehr negativ an und vielleicht auch enttäuschend. Die heutige Medizin hat aber die Möglichkeiten, einem jeden einzelnen Patienten und jeder einzelnen Patientin ein individuelles Therapiekonzept zu empfehlen und gemeinsam mit dem oder der Betroffenen zu entscheiden, welcher Behandlungsweg der passende ist.

Auch wenn es heute immer noch nicht möglich ist, diese autoimmunen Erkrankungen zu heilen, so schaffen es die Ärztinnen und Ärzte doch in den meisten Fällen, einen Zustand der „guten“ oder „sehr guten“ Lebensqualität für die Patient*innen zu erreichen. Ja, die Therapie muss manchmal längere Zeit, vielleicht sogar lebenslang eingenommen werden, und oftmals muss die Behandlung im Laufe der Zeit angepasst werden. Aber es gibt Wege und Möglichkeiten, mit der entsprechenden

WELT-CED-TAG

Mehr Sichtbarkeit für die unsichtbaren Erkrankungen!

Am 19. Mai ist Welt-CED-Tag! Das Ziel dieses Aktionstages ist es, mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie zum Beispiel Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zu schaffen. Allein in Deutschland leben rund 400.000 Menschen mit einer CED, auch immer mehr Kinder und Jugendliche sind betroffen.

Invisible illness

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sind nicht auf den ersten Blick sichtbar, aber bedeuten für Betroffene enorme Belastungen. Zum einen geht eine CED, besonders in Schubphasen, mit teils enormen Schmerzen und Beschwerden einher. Bauchkrämpfe, Fatigue, (teils blutige) Durchfälle mit manchmal 20 oder 30 Toilettengängen pro Tag gehören zum Alltag vieler Betroffener. Unterwegs muss immer eine Toilette in der Nähe sein, sonst kann es brenzlig werden. Dazu kommen häufige Arztbesuche, die in den Alltag integriert werden müssen. Das bedeutet einen enormen Organisationsaufwand, die Energiereserven müssen sorgsam eingeteilt werden. Hinzu kommt dann aber auch eine psychische Ebene der Belastung, da viele Dinge nicht so einfach planbar sind. Es kommt zu Ausfallzeiten in Job und

Versuchen Sie, ein Team von Ärzt*innen und Therapeut*innen um sich herum zu platzieren, die mit Ihnen das Beste aus der Situation machen wollen.

Erkrankung zu leben. Viele Patient*innen können mit der passenden Therapie sogar sehr gut mit ihrer Erkrankung leben.

Malen Sie also den Teufel nicht an die Wand, lernen Sie über Ihre eigene Erkrankung so viel wie möglich! Dabei können auch Kontakte zu anderen Betroffenen oder zu Selbsthilfegruppen und Patientenverbänden eine große Hilfe sein. Versuchen Sie, selbst etwas dazu beizutragen, die Situation zu verbessern, und versuchen Sie, ein Team von Ärzt*innen und Therapeut*innen um sich herum zu platzieren, die mit Ihnen zusammenarbeiten wollen und das Beste aus der Situation machen möchten –immer mit Ihnen als Patient*in im Fokus. Autoimmunerkrankungen kann man haben. Oder im Griff haben!

Schule/Studium, Termine oder Verabredungen mit Freunden müssen kurzfristig abgesagt werden. Dafür ist häufig wenig Verständnis seitens des Umfeldes vorhanden, da die breite Öffentlichkeit viel zu wenig über diese Erkrankungen und die Herausforderungen weiß, die mit ihnen einhergehen.

Tabus brechen – über Unbequemes sprechen

Und aus diesem Grund ist es so wichtig, dass über CEDs und vor allem MIT CED-Patient*innen gesprochen wird. Es mag nicht jedermanns Sache sein, über Toilettengänge, Durchfall und Schmerzen im Verdauungstrakt zu sprechen – Für CED-Patienten ist es aber absolut notwendig, dass diese Tabus gebrochen werden, damit sie Unterstützung und Verständnis bekommen, das sie benötigen, um ihren ohnehin oft schweren Alltag zu meistern. Zum Welt-CED-Tag finden daher viele Veranstaltungen und Aktionen statt, die beispielsweise von Patientenvereinen wie CHRONISCH GLÜCKLICH e. V. oder NIK e. V. initiiert werden. Aber auch die Gastro-Liga e. V. veranstaltet einen Aktionstag „Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen 2022“. Zudem informieren auch viele im Bereich CED aktive Pharmaunternehmen in Form von Aktionen oder Veranstaltungen.

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Dr. med. Peer M. Aries Rheumatologe und Immunologe am Immunologikum Hamburg VERANTWORTLICH FÜR DEN INHALT IN DIESER AUSGABE Please recycle facebook.com/MediaplanetStories @Mediaplanet_germany Director Business Development Health: Miriam Hähnel Geschäftsführung: Richard Båge (CEO), Philipp Colaço (Managing Director), Franziska Manske (Head of Editorial & Production), Henriette Schröder (Sales Director) Designer: Ute Knuppe Mediaplanet-Kontakt: redaktion. de@mediaplanet.com Coverbild: privat Alle mit gekennzeichneten Artikel sind keine neutrale Redaktion vom Mediaplanet Verlag.

VOLL im LEBEN – mit MS

Zwei Jahre lang hat die Corona-Pandemie das Leben grundlegend geprägt und verändert. Auch das Leben von Menschen mit Multipler Sklerose (MS) wurde erheblich eingeschränkt und stellte Betroffene vor zusätzliche Herausforderungen. Mit dem Motto zum Welt-MS-Tag stellt die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) die Frage: Voll im Leben – mit MS. Was hilft Dir?

MS-Erkrankte stehen jeden Tag voll im Leben. Welche Hürden sie dabei bewältigen müssen und wie das gelingen kann, darüber können MS-Betroffene im Rahmen des Welt-MS-Tages berichten. Die DMSG bietet den 252.000 Menschen mit MS in Deutschland, ihren Angehörigen und allen Interessierten ein Sprachrohr, um auf die Herausforderungen im Leben mit der noch unheilbaren Erkrankung hinzuweisen. Der Welt-MS-Tag ruft zum 14. Mal zur Solidarität mit den weltweit 2,8 Millionen MS-Erkrankten auf und informiert über die Erkrankung und ihre Auswirkungen auf alle Lebensbereiche.

#MSconnections: Gemeinsam stärker als MS

In Anlehnung an das von der Multiple Sclerosis International Federation (MSIF) festgelegte internationale Rahmenthema „Connections“ hat der DMSG-Bundesverband das Motto für den Welt-MS-Tag 2022 in Deutschland im Rahmen eines bundesweiten Wettbewerbs ermittelt.

„Voll im Leben mit MS!“ lautet die Devise Verena Anspoks ist die glückliche Gewinnerin, deren Motto sich am Ende für den diesjährigen WELT-MS-Tag durchsetzte. Verena lebt seit 2004 mit MS. Sie ist begeisterte Handballerin und in einer Kontaktgruppe der DMSG aktiv. Ganz bewusst hat sie sich gemeinsam mit ihrem Ehemann für Wunschkind Finn entschieden – trotz MS! Ihre Botschaft soll so viele Gleichgesinnte erreichen wie nur möglich: „Ob im Beruf, als Mutter oder Vater, beim Sport, auf einer Party: Es ist besser zu leben, als den Kopf in den Sand zu stecken. Ich merke das Leben jeden Tag! Die Idee für das Motto ist mir beim Sport eingefallen.“ Mit ihrem Motto möchte sie auch andere MS-Erkrankte ermutigen: „Ich stehe voll im Leben!“ Im Alltag mit MS, beim Hausbau und im Beruf hat sie gelernt, ihre Kräfte einzuteilen. „Die Krankheit muss mit mir leben. Wenn mein Körper Pause sagt, dann mache ich eine.“ Bereits kurz nach der MS-Diagnose suchte sie den Kontakt zur DMSG. In der Schwangerschaft wandte sie sich an das Projekt Plan Baby bei MS. Die junge Mutter liebt Sport und will andere motivieren, niemals aufzugeben.

Der Welt-MS-Tag verbindet

Prof. Dr. med. Judith Haas, Vorsitzende der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e. V.

DIE DMSG VERBINDET MSEXPERTEN UND MS-BETROFFENE

„Voll im Leben“: Gemäß dem Motto des Welt-MS-Tages 2022 stehen die Interessen von MS-Erkrankten bei uns immer im Fokus – bei der Beratung in den 16 Landesverbänden und bei der Arbeit des Bundesverbandes. Lebensqualität erhalten, Teilhabe in allen Lebensbereichen ermöglichen, die Forschung fördern, die medizinische Versorgung verbessern und Chancen aufzeigen – diese Ziele verfolgen wir zugunsten von Menschen mit MS und ihren Angehörigen. Zentrale Anliegen sind dabei die unabhängige, fachkundige Information von MS-Spezialisten über die MS-Therapien, aktuelle Empfehlungen zu COVID-19 und MS sowie der interaktive Austausch in den Arztsprechstunden auf MS Connect und in den OnlineVeranstaltungen. FOTO:

Anna Kraft, TV-Moderatorin

VOLL IM LEBEN MIT MS

BEDEUTET FÜR MICH … … der Krankheit so viel Raum wie nötig und so wenig wie möglich einzuräumen! Die Erkrankung erinnert mich von selbst immer wieder daran, dass sie noch da ist. Aber ich nehme für mich in Anspruch, die MS auch bei jeder Gelegenheit daran zu erinnern, dass ich noch da bin! FOTO: DIRK SPARTH

Kirsten Schneider, Autorin und Bloggerin „achduschei“

VOLL IM LEBEN MIT MS

BEDEUTET FÜR MICH...

… gemeinsam stärker als MS zu sein. Ich habe meine Diagnose noch nicht lange und sie macht mir Angst. Doch zu wissen, dass ich nicht allein damit bin und dass ich ein riesiges Netzwerk an Gleichgesinnten habe, an das ich mich jederzeit wenden kann, das mich auffängt und das mich versteht, das verhilft mir zu neuem Mut auf meinem Weg mit der MS. FOTO: PRIVAT

KINOPREMIERE ZUM WELT-MS-TAG

Lassgård) blicken auf eine lange, glückliche Ehe zurück. Mit der Pensionierung des Universitätsprofessors soll nun die gemeinsame Zeit anbrechen. Doch das Ankommen im neuen Alltag fällt schwer, denn Juditha leidet an MS, die ausgerechnet jetzt fortschreitet. Beiden gelingt es lange nicht zu erkennen, dass sie Entscheidungen treffen müssen, um ihre Liebe zu retten … Mit dieser Herausforderung setzen sich Regisseurin Wendla Nölle, deren Mutter an MS erkrankt ist, und Autorin Greta Lorez in ihrem Spielfilmdebüt EIN GROSSES VERSPRECHEN auseinander. Die Tamtam-Film-Produktion ist für die Vorauswahl des Deutschen Filmpreises 2022 nominiert und entstand in Koproduktion mit dem NDR, mit Förderung der MOIN Filmförderung Hamburg SchleswigHolstein und der nordmedia. Bei der Premiere in Hannover mit der DMSG können Sie am 30. Mai die Regisseurin und das herausragende Schauspielerensemble kennenlernen.

Bundesweiter Kinostart: 9. Juni 2022 Mehr auf: dmsg.de

JETZT SIND

SIE GEFRAGT:

In einem Wettbewerb sind alle dazu eingeladen, das Motto „Voll im Leben. Finde deine #MSconnections“ umzusetzen:

Unter dem Motto „VOLL im LEBEN. Finde deine #MSconnections“ starten am und um den 30. Mai 2022 bundesweit wieder zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen. In sozialen Netzwerken wie Facebook, YouTube, Instagram oder Twitter tauschen sich MS-Erkrankte, Angehörige und am Thema Interessierte untereinander aus. Das Motto ruft dazu auf, eigene Erfahrungen zu teilen, und lädt dazu ein, die MS sichtbar zu machen, um zu zeigen, wie erfüllt das Leben auch mit MS sein kann.

GEMEINSAM FÜR

DIE ANLIEGEN VON MENSCHEN MIT MS

Ob alt, jung, ob leicht oder schwer betroffen, ob zu Fuß oder im Rollstuhl: Für sehr viele MS-Erkrankte bedeutet die Diagnose ein „Jetzt erst recht!“. Sie stehen voll im Leben und wir tun alles, um sie dabei zu unterstützen.“ FOTO: DMSG-BUNDESVERBAND

Verleihen Sie den vielen Formen und Wegen für Gemeinschaft und gemeinsame Aktionen Gestalt – in Videos, Bildern, Geschichten und mehr. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Ihre Vorschläge senden Sie bitte bis zum 30. Juni an weltmstag@dmsg.de

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Text Luke Schröder
FOTO: PRIVAT
Verena Anspoks mit ihrem Sohn Finn. Juditha (Dagmar Manzel) und Erik (Rolf
Nähere Informationen zu den einzelnen Aktionen gibt’s auf dmsg.de
JOHANNES KIRCHHERR Claudia Schilewski, Markus van de Loo und Georg Pellinnis, Vorstand Bundesbeirat MS-Erkrankter
„Achtsamkeit ist mein Universalwerkzeug“

Kirsten Schneider ist Illustratorin und Buchautorin und leitet die Öffentlichkeitsarbeit und Art Direction im Patientenverein CHRONISCH

GLÜCKLICH e. V. Sie weiß ganz genau, wie es ist, mit einer chronischen Erkrankung zu leben, denn sie ist von gleich zwei Autoimmunerkrankungen betroffen. Wir sprachen mit ihr über Bauchmonster, Löffel und Krankheiten, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind.

Text Hanna Sinnecker

Liebe Kirsten, du bist gleich von zwei Autoimmunerkrankungen betroffen und lebst mit Morbus Crohn und Multipler Sklerose. Kannst du uns kurz erzählen, wann du deine Diagnosen bekommen hast und was danach in dir vorgegangen ist?

2014 habe ich die Diagnose Morbus Crohn erhalten, da war ich gerade 23 Jahre alt. Das ging einher mit Panik und Ungewissheit, aber trotzdem auch Erleichterung, da meine Beschwerden nun einen Namen hatten und es dafür ja auch Behandlungsmöglichkeiten gibt. Für mich waren chronische Erkrankungen Neuland. Wenn man selbst nicht betroffen ist, kann man auch noch so viele Betroffene im Familien- und Freundeskreis haben; in welchem Ausmaß die Erkrankung das eigene Leben auf den Kopf stellt, das erfährt man nur, wenn man sich plötzlich damit auseinandersetzen muss, nie wieder gesund zu werden. Ich habe dann in den nachfolgenden Jahren irgendwie lernen müssen, auf meinen Körper, meine Gesundheit und Psyche besser achtzugeben und eine Balance zu finden zwischen Leben und Krankheit.

Aber dann wurde mir im Sommer 2021 mit der neuen Diagnose Multiple Sklerose der Boden unter den Füßen weggezogen. Dieses Mal auch etwas heftiger als beim ersten Mal. Ich war wütend, traurig und hilflos. So sehr, dass ich erst einmal ein paar Wochen in einer psychosomatischen Klinik war, um wieder neuen Lebensmut

Lesen Sie mehr auf gesunder-koerper.info 4 FOTO: PRIVAT ILLUSTRATIONEN: KIRSTEN SCHNEIDER

finden zu können. Mir fällt es aber immer noch schwer, die Diagnose anzunehmen.

Beide Erkrankungen können das Leben sehr beeinträchtigen. Wie sieht dein Alltag mit CED und MS aus, und kannst du uns in dem Zusammenhang erklären, was es mit der „Löffeltheorie“ auf sich hat? Chronische Erkrankungen bedeuten fast immer einen riesigen Managementaufwand. Ich muss an die regelmäßige Einnahme meiner Medikamente denken, darauf achten, dass mein Medikamentenvorrat auch gut gefüllt ist, regelmäßige Kontrolltermine bei meinen Ärztinnen und Ärzten wahrnehmen, mich mit meiner Krankenkasse auseinandersetzen, auf meine Ernährung achten etc. Das führt fast zwangsläufig zu Stress, und dem versuche ich dann mit Achtsamkeit und Bewegung zu begegnen. Zu viel Stress kann nämlich leider auch Schübe auslösen, ein Teufelskreis.

Aber vor allem schränken mich meine Erkrankungen in meiner Spontanität ein. Ich gehe selten auf Veranstaltungen, wenn ich nicht weiß, wie die Toilettensituation vor Ort ist. Ich muss Freunden spontan absagen, weil ich mit starken Bauchschmerzen nicht die Wohnung verlassen kann. Ich kann an Essenseinladungen nicht teilnehmen, weil es auf der Speisekarte kein Gericht gibt, das mich nicht sofort auf die Toilette treiben würde. Oder ich wache schon morgens völlig erschöpft auf. Das ist dann auch nicht die Müdigkeit, die eigentlich jeder kennt, sondern eine bleierne Schwere, die es mir fast unmöglich macht, am Leben teilzunehmen. Die auch nicht mit einem Schläfchen wieder ausgeglichen werden kann. Fatigue ist ein sehr häufiges Begleitsymptom bei Morbus Crohn und gerade auch bei Multipler Sklerose.

Die sogenannte Löffeltheorie ist ein Versuch, das Leben mit chronischer Erkrankung, inklusive einhergehendem Tagesmanagement und Fatigue, zu veranschaulichen. Im Jahr 2003 hat die amerikanische Bloggerin Christine Miserandino die Löffeltheorie ins Leben gerufen, um in einem Café ihrer besten Freundin erklären zu können, wie das Leben mit einer unsichtbaren Behinderung denn so ist. Löffel stehen hier stellvertretend für eine Menge X an Energie. Gesunde Menschen starten mit unbegrenzten Löffeln in den Tag, chronisch kranke Menschen haben nur eine begrenzte Menge an Löffeln zur Verfügung. In Christines Beispiel waren es zwölf Löffel für einen Tag. Aufstehen, Anziehen, Zähne putzen, frühstücken – das alles ist anstrengend und kostet Energie. So sind allein

morgens vor der Arbeit bereits vier Löffel weg und die verbliebenen wollen gut aufgeteilt werden, um nicht irgendwann ohne Löffel dazustehen. Daher steht man im Laufe des Tages immer wieder vor Entscheidungen wie „Einkauf oder Abendessen zubereiten?“ Sehr wahrscheinlich gibt es nicht mehr genug Löffel für beides, also muss gründlich abgewägt werden.

Die Löffeltheorie hat sich so bewährt, dass sich heute viele chronisch kranke Menschen im Internet als Spoonies (dt.: Löffelchen) bezeichnen.

Beide Erkrankungen sind nicht auf den ersten Blick sichtbar, obwohl sie den Körper enorm schädigen können, aber eben von innen. Hast du auch schon mal den Satz „Du siehst aber gar nicht krank aus!“ zu hören bekommen, und wie gehst du mit solchen Aussagen um? Schulterzucken und „Bin ich aber“ entgegnen. Ich bin da etwas stur und erwarte einfach, dass man das akzeptiert. So direkt hat mir das aber auch zum Glück bisher keiner gesagt. Ich merke aber immer wieder im Alltag, dass gesunde Mitmenschen „vergessen“, dass ich krank bin, und gewisse Erwartungen an mich haben, die ich nicht erfüllen kann. Man sieht mir meine Erkrankung ja nicht an. Mich ständig rechtfertigen zu müssen, ist anstrengend, aber ich habe das Glück, sehr verständnisvolle Menschen in meinem Umfeld zu haben, die versuchen, so gut es geht zu verstehen und/oder Rücksicht zu nehmen.

Was hilft dir persönlich, wenn der Löffelvorrat zur Neige geht und dein Bauchmonster dich stresst? Welche Rolle spielt da das Thema Achtsamkeit für dich? Achtsamkeit ist mein Universalwerkzeug, um das Leben mit MC und MS überhaupt gut meistern zu können. Dabei geht es dann auch nicht nur um Yoga oder beruhigende Atemübungen, sondern darum, den achtsamen Blick auf die eigenen Bedürfnisse nicht zu verlieren. Gerade in der Hektik des Alltags neige ich dazu, mich selbst hintenanzustellen, um den Bedürfnissen anderer gerecht zu werden. Achtsamkeit hilft mir, zwischendurch mal „Stopp!“ sagen zu können, innezuhalten und zu überprüfen, ob ich mir hier gerade etwas Gutes tue. Sodass ich dann

BUCHTIPP

„Ach du Scheiße!“ – das waren die Wörter, die Kirsten Schneider herausgerutscht sind, nachdem sie ihre Diagnose Morbus Crohn erhalten hat. Da sie selbst erst einmal auf die Suche nach Informationen zu ihrer Erkrankung gehen musste, hat sie sich entschieden, zusammen mit dem Verein CHRONISCH GLÜCKLICH e. V. ein Buch zu schreiben – um frisch diagnostizierten Betroffenen eine lebensnahe Hilfe an die Hand zu geben. Dabei geht Kirsten auf viele verschiedene Fragen ein, die Betroffene umtreiben, und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Ihre wunderbaren Illustrationen machen dieses Buch zu einem sehr informativen und lebensnahen Begleiter, der immer versucht, CEDPatient*innen zu zeigen, wie das Leben trotz Erkrankung gelingen kann und wo man Hilfe findet – nicht zuletzt im Austausch mit anderen Betroffenen, den Bauchfreunden, von denen auch einige im Buch vorgestellt werden.

Ein Exemplar können Sie, liebe Leser, gewinnen!

Senden Sie uns eine E-Mail mit dem Betreff „Ach du Scheiße!“ an redaktion.de@mediaplanet.com!

gegebenenfalls einlenken kann, um den Stresspegel nicht zu hoch zu treiben.

Du engagierst dich im Patientenverein CHRONISCH GLÜCKLICH e. V. und deine fabelhaften Illustrationen beschäftigen sich oft mit deinem Leben als CED-Betroffene. Was ist dein Antrieb für dieses Engagement?

Das fing alles an als eine Art Therapie für mich, um Erlebtes zu verarbeiten. Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass ich dadurch Gleichgesinnte erreichen kann, und schöpfe heute ganz viel Kraft aus dem Austausch mit anderen Spoonies. Ich habe über mein Netzwerk bei Instagram einige, mittlerweile enge, Freundschaften geschlossen, für die ich sehr dankbar bin. Das sind Menschen, die genau wissen und mitfühlen können, wie belastend das Leben mit chronischer Erkrankung sein kann. Ich habe mich nach meiner Diagnose wahnsinnig einsam und hilflos gefühlt, und wenn ich durch meine Arbeit auch nur einer/einem Neuerkrankten dieses Gefühl ersparen kann, dann bin ich zufrieden.

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Liebe Jana, seit 2015 weißt du, dass du unheilbar krank bist, als du die Diagnose Colitis ulcerosa bekommen hast. Du bist förmlich dem Tod von der Schippe gesprungen. Kannst du uns erzählen, was passiert ist?

Meine Symptome waren bereits von Anfang an recht schwer: bis zu 30 Stuhlgänge am Tag, nur Blut, keine Kraft mehr, starke rektale Schmerzen, Mangelernährung und Anämien. Trotzdem sagte man mir, eine CED sei zwar unheilbar, aber durchaus gut behandelbar. Für mich galt das leider nie. Viele Therapien wurden ausprobiert, aber 2017 versagte das letzte Medikament. Ich begab mich in stationäre psychotherapeutische Behandlung, aber ich raste körperlich dem Tod entgegen. Ich hatte sieben Wochen nicht gegessen, um meine Symptome im Griff zu behalten. Mein Gastroenterologe sagte, wenn ich mich jetzt nicht operieren lassen würde, würde ich sterben. Also wurde ich kolektomiert, habe mich von meinem Dickdarm verabschiedet und ließ mir einen J-Pouch (eine Verbindung zwischen Anus und Dünndarm) anlegen. Die OP sicherte mir zwar das Überleben, jedoch nicht unbedingt ein „besseres“ Leben. Denn inzwischen habe ich eine chronische Antibiotika-resistente Pouchitis. Die Zukunft wird mir ein endständiges Stoma bringen, vielleicht auch eine Rektumamputation. Es ist keine Frage von „ob“, sondern „wann“. Aber bis dahin versuche ich, mein Leben einfach zu genießen und das Beste draus zu machen.

„Ich bin so viel mehr geworden“

No Colon, still rollin –so heißt Jana auf Instagram. Was das heißt? Dass sie mit einer CED und ohne Dickdarm lebt – und trotzdem nicht aufgibt. Wir sprachen mit ihr über ein Leben mit einer unheilbaren Erkrankung zwischen Kampf und Akzeptanz, über ungebetene Ratschläge und den Mut zur Selbstliebe.

Wie hast du es geschafft, dich nach so einer traumatischen Erfahrung zurück ins Leben zu kämpfen?

Ich glaube, gesunde Menschen stellen sich das irgendwie so vor: Der Held einer Geschichte wird ausgeknockt, rappelt sich dann zwei Wochen, zwei Monate lang auf und steigt dann wieder in den Ring und gewinnt. Dem ist nicht so. Ich habe mich nie zurück in mein Leben gekämpft. Die Jana von damals gibt es nicht mehr. Ich war zuvor diese quirlige und aufgeladene Person. Jetzt habe ich oft nicht mal mehr die Kraft, drei Schritte zu gehen. Ich weiß nicht, ob man sich jemals wieder wirklich „zurückkämpft“ oder ob da nicht was Neues entsteht. Denn ich bin definitiv nicht weniger. Ich bin so viel mehr geworden. Empathischer, liebevoller, verständnisvoller und irgendwie auch kraftvoller, zumindest mental. Wenn ihr also wissen wollt, wie ich diesen Mist akzeptiere: Ich sehe mich selbst zwar mit einem kranken und behinderten Körper, aber einem Geist und einer Seele, die man nicht einfach so geschenkt bekommt. Das verdanke ich auch den vielen Psychotherapiestunden, die mir Verständnis für mich selbst brachten.

Eine CED wie die Colitis ulcerosa kann Betroffene in allen Lebensbereichen einschränken, ohne dass die Krankheit auf den ersten Blick sichtbar ist. Hattest du bereits Probleme mit Ableismus im Alltag?

Ableismus ist in unserer Gesellschaft so verankert wie Rassismus oder Sexismus. Er ist nur noch nicht so anerkannt. Es ist das stetige „Duuuu bist behindert?!“, weil ich ja zu hübsch und zu jung bin, um einen satten GdB (Grad der Behinderung) von 70 vorweisen zu können. Die schlechte(re) Bezahlung bei gleicher und besserer Kompetenz. Nichteinstellungen in Jobs aufgrund von Angst der Arbeitgeber vor meinen „Einschränkungen“. Vorwürfe, ich sei kriminell und hätte mir meinen Behindertenausweis gefälscht – als gäbe es nichts Geileres zu fälschen … Mobbing, Abwertung, Beleidigung, Gewalt. Verharmlosung, Medical Gaslighting, Fahrlässigkeit von medizinischem Fachpersonal, weil „Bauchweh mit einer CED ja ganz normal ist“ oder „Patienten mit CED alle einen an der Waffel haben“. Oder der Vorwurf, man wolle ja nur einen „Behindertenbonus“. Wer jetzt ernsthaft denkt, Ableismus existiere nicht, der spricht am besten mal mit einem behinderten Menschen und hört auch zu.

Du bist Teil des CHRONISCH-GLÜCKLICH-Teams und nutzt deinen Instagram-Account, um offen und schonungslos über alle Aspekte rund um eine CED aufzuklären. Welchen

Stellenwert hat für dich die Vernetzung mit anderen Betroffenen?

Die großartige Eva Maria Tappe hat damals den Verein gegründet, weil sie sich so unglaublich allein gefühlt hat mit ihrer CED und wollte, dass sich niemand mit dieser Diagnose jemals wieder so allein fühlen muss.

CHRONISCH GLÜCKLICH ist ein Verein für Betroffene von Betroffenen. Für mehr Aufklärung, die beim Arzt zu kurz kommt. Für Austausch. Um den Blickwinkel zu erweitern und zu zeigen, dass das Leben mit der Erkrankung zwar wirklich beschissener ist, aber dennoch super viele schöne Momente hat. Eben chronisch und glücklich. Davon wollte ich ein Teil sein und helfen, wo ich kann. Meinen Instagram-Account nutze ich, um offen über meine Gefühle und Symptome meiner CED zu sprechen. Diese schonungslose Ehrlichkeit und das Zeigen meiner Realität mit allen Facetten hilft vielen, sich validiert zu fühlen und für sich einzustehen. Neulich sagte mir eine Bauchfreundin mit Angststörung, sie traue sich dank mir endlich, „wutig“ zu sein. Wütend und mutig. Und genau das ist der Grund, warum ich das mache. Denn Wut ist das Gefühl, dass wir etwas Besseres verdient haben. Und den Mut zu haben, dafür einzustehen, ist stark.

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Text Hanna Sinnecker FOTOS: PRIVAT

Marcus, du bist selbst betroffen von einer CED, du hast Colitis ulcerosa. Kannst du uns kurz erzählen, wann du die Diagnose bekommen hast und was danach in deinem Kopf vor sich ging? Das war 2008, nachdem ich monatelang irrtümlich auf Hämorrhoiden behandelt worden war. Weil sich meine Symptome nicht besserten, bat ich um eine Darmspiegelung und setzte mich durch. Im Krankenhaus wurde eine tiefe Entzündung festgestellt und sofort eine Kortison-gestützteTherapie eingeleitet. Etwa sechs Monate später erfuhr ich – mehr zufällig – von einer Assistenzärztin, dass ich eine chronische Krankheit habe, die nicht heilbar ist, und

Selbstwirksamkeit hilft

Marcus Töpp ist psychologischer Berater und hat sich auf die Beratung von Menschen mit chronischentzündlichen Darmerkrankungen spezialisiert. Er selbst hat 2008 die Diagnose Colitis ulcerosa erhalten und weiß somit genau, welche Sorgen, Ängste und Herausforderungen mit einer CED-Erkrankung einhergehen können. Wir sprachen mit ihm über die individuelle und umfassende Betreuung Betroffener, die unbedingt auch die seelische Gesundheit in den Fokus nehmen sollte.

dass sich mein Leben komplett ändern würde. Das war mir bis dahin nicht klar und ich war zunächst völlig geschockt.

Wie bist du damit umgegangen?

Ich stieg ins Auto, fuhr durch eine Radarfalle und wurde angehalten. Der Polizist merkte, dass etwas nicht in Ordnung ist, und fragte nach. Das war das erste menschliche Gespräch, für mich ein Schlüsselerlebnis.

Wie kam es zu deiner Entscheidung, eine Ausbildung zum psychologischen Berater zu absolvieren und sich auf die psychosoziale Betreuung von CED-Patientinnen und -Patienten zu fokussieren? Der Polizist hat das gemacht,

was eigentlich der Arzt hätte tun sollen. Er hat empathisch reagiert. Danach habe ich beschlossen, mein Schicksal selbst aktiv in die Hand zu nehmen und auch andere zu unterstützen.

Ich habe mithilfe der Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung einen Arzt in meiner Nähe gefunden, der mir zugehört und mich beraten hat. Gemeinsam haben wir die passende Therapie gefunden. Danach ging es bergauf.

Auch Reden hilft, aber ich hatte Mühe, jemanden zu finden, der mein Anliegen versteht. Mit der Ausbildung zum psychologischen Berater habe ich begonnen, um mir selbst und anderen Betroffenen helfen zu können.

Eine umfassende und ganzheitliche CED-Therapie besteht also nicht nur aus der Einnahme von Medikamenten, sondern bedeutet auch, den mentalen Zustand der Patienten stets im Blick zu behalten. Wird dieser Zusammenhang deiner Meinung nach ernst genug genommen, sowohl seitens der Ärzte als auch seitens der Betroffenen selbst? Meist wird medikamentös behandelt, das schafft aber eine „Fremdwirksamkeit“. Ich wünsche mir für Mitbetroffene, dass es jemanden gibt, der sie nach der Diagnose ein Stück des Wegs begleitet, ihnen Informationen gibt und ihnen Mut macht, um aus der Schockstarre

herauszukommen und selbstwirksam zu werden.

Es braucht auch eine veränderte Wahrnehmung. Patienten sind keine Bittsteller. Sie sind Auftraggeber, die mit einbezogen werden sollten, damit sie zusammen mit ihren Ärzten einen Plan entwickeln können, der zu ihrer Situation passt.

Was sind die größten bzw. häufigsten Herausforderungen, mit denen CED-Betroffene zu dir in die Beratung kommen?

Im ersten Schritt geht es meist darum, dass jemand eine Diagnose bekommen hat und stark verunsichert ist. Was bedeutet das, wie geht es weiter? Danach kommt die Frage: Was kann ich selbst tun? Ich wünsche mir, dass diese Frage an erste Stelle rückt. Es tut gut und ist für den Behandlungserfolg wichtig, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

Was wünschst du dir als Patient, aber auch als Berater, wenn es um den Stellenwert der psychosozialen Versorgung von CED-Betroffenen geht? Ein großer Wunsch ist, dass gleich mit der Diagnose Hilfestellung angeboten wird, mit einer Begleitung für die ersten Wochen. Es sollte präventiv geholfen werden, noch bevor jemand eine Psychotherapie braucht. Insbesondere in Bezug auf die soziale Versorgung der Patienten muss sich etwas tun – das ist übrigens auch das Feedback von Ärzten. Ich biete eine Begleitung nach der Diagnose an, persönlich oder per Videosprechstunde, und gehe mit den Mitbetroffenen die ersten Schritte, den ersten Teil des Weges zur Selbstwirksamkeit. Das sollte so selbstverständlich sein wie der Gang ins Fitnessstudio.

JANSSEN CED PARTNER SERVICES FÜR MENSCHEN MIT CED

Janssen CED Partner umfasst ein Serviceangebot, das speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit CED zugeschnitten ist. Die Inhalte sollen Betroffene emotional ansprechen, auf verständliche Weise aufklären und mit Tabus brechen.

Warum sind gute Gesundheitsinformationen wichtig? Weil Wissen der Schlüssel ist: Wer seine Erkrankung versteht, die Auslöser kennt und um die therapeutischen Möglichkeiten weiß, arbeitet aktiv an einer Therapie mit – und das ist der erste Schritt, um das eigene Leben nicht von der Erkrankung bestimmen zu lassen.

Das Serviceangebot möchte Betroffene in jeder Phase ihrer Erkrankung bei Fragen und Herausforderungen unterstützen. Idee ist, Menschen mit CED einen einfachen Zugang zu wissenschaftlich fundierten und gut verständlichen Informationen rund um das Krankheitsbild zu bieten und sie dort abzuholen, wo sie sich informieren. Das Angebot umfasst u. a. die Webseite www.meineCED.de, die PodcastReihe „CED-Klartext“ auf dem Spotify- und Deezer-Kanal sowie die CED-Beratung. Hier können CEDBetroffene per Telefon oder Video-Call hilfreiche Informationen zu verschiedenen CED-relevanten Themen erhalten.

SO FUNKTIONIERT DIE

CED-BERATUNG:

1. Einfach registrieren über die kostenfreie Telefonnummer 0800/95 48 320 oder die Webseite www.meineced.de/unterstuetzung

2. Persönlichen Beratungstermin und Thema vereinbaren (Mo.–Fr. zwischen 9 und 18 Uhr)

3. Individuelles Gespräch führen

7 Lesen Sie mehr auf gesunder-koerper.info Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Janssen-Cilag GmbH entstanden.
Marcus Töpp Psychologischer Berater mit Spezialisierung auf Klienten mit einer CED Text Miriam Barbara Rauh
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FOTO: ANDREAS VON TEMPELHOFF

Heute muss keiner mehr leiden!

Tanja Renner (49) bekam 2005 die Diagnose Psoriasis-Arthritis. Zuvor war sie sechs Jahre lang vergebens von Arzt zu Arzt gelaufen. Mit der Diagnose begann endlich die wirksame Therapie – heute hat Tanja ihre Autoimmunkrankheit sehr gut im Griff. Im Interview berichtet die Hamburgerin, warum sie das Netzwerk Autoimmunerkrankter (NIK e. V.) ins Leben rief.

Tanja, die ersten Symptome deiner Autoimmunerkrankung traten schon sehr früh auf. Bitte erzähl uns von deinem langen Weg zur Diagnose! Ich hatte schon als junges Mädchen immer wieder mal Probleme mit meinen Gelenken. Nach dem Skifahren schwollen beispielsweise die Knie ungewöhnlich an. Das geschah auch, wenn ich mal länger still sitzen musste. Ab 1999 wurden die Schwellungen an den Knien und Ellenbogen immer häufiger. Die Haut an den Ellenbogen war sehr trocken, ähnelte mitunter schon der eines Elefanten (lacht) Die Schmerzen waren teils unerträglich, insbesondere morgens. Sie warfen mich an manchen Tagen aus dem alltäglichen Leben, dabei stand ich als junge Frau mittendrin. Ich konnte das Gaspedal nicht mehr durchdrücken und auch nicht mehr die Gangschaltung bewegen. Ich ging damit zu einem Orthopäden, dann zu einem zweiten, einem dritten ... Ich wurde untersucht, bekam Kortison, die Knie wurden punktiert und einmal sogar operiert. Nichts half nachhaltig. Nach sechs Jahren hatte mein damaliger Orthopäde die Idee, meine Rheumawerte zu bestimmen. Die waren auffällig, also schickte er mich zu einem Rheumatologen. Der begann eine Therapie nach den Rheumaleitlinien. Auch die half mir nicht wirklich. Doch weil ich sogenannte Tüpfelnägel an den Händen und immer mal wieder Hautprobleme hatte, schickte mich der Rheumaspezialist zu einem Hautspezialisten, einem Dermatologen. Der stellte dann endlich die richtige Diagnose und behandelte mich mit einem Biologikum und anfangs auch mit Kortison.

damit ein neues Leben. Ich habe meine Erkrankung seitdem sehr gut im Griff. Alle zwei Wochen bekomme ich eine Spritze unter die Haut. Die könnte ich mir auch selbst setzen, doch ich verbinde das gerne mit einem Besuch beim Arzt, der dann auch gleich meine Blutwerte bestimmen kann. Darüber hinaus habe ich meine Ernährung umgestellt und meide die Haut reizende Stoffe, wie bestimmte Textilien oder Inhaltsstoffe bei der Hautpflege.

Nach deiner Odyssee bis zur Diagnose hast du ein Patientennetzwerk gegründet. Was bewog dich dazu?

„Betroffene müssen sich öffnen –auch wenn es schwer fällt.“

Als ich vor neun Jahren schwanger wurde, musste ich nach damaligem Stand der Dinge mit einem Minimum an Medikation auskommen. Nach drei Monaten holten mich meine alten Symptome ein: Ich war so glücklich, schwanger zu sein, aber hatte nun wieder dicke Ellenbogen und Knie. Die Schmerzen waren heftig. Ich suchte deshalb nach einem Physiotherapeuten, der mir helfen konnte, und merkte, dass der selbst in einer Metropole wie Hamburg schwer zu finden war. Das wollte ich ändern: Mit meinem Netzwerk Autoimmunerkrankter (NIK e. V.) liefere ich einerseits Wissen zu Autoimmunerkrankungen, typischen Krankheitsbildern, möglichen Therapien und Erfahrungsberichte (Mut-Mach-Geschichten). Andererseits lotse ich Betroffene zu Fachärzten und Selbsthilfegruppen. Zudem veranstalte ich Zoominare mit namhaften Experten. Insgesamt hoffe ich, damit den Leidensweg anderer Betroffener bis zu einer Diagnose zu verkürzen und sie schnell in eine wirksame Behandlung zu bringen.

Was war letztendlich der Schlüssel zur richtigen Diagnose? Der Rheumatologe blickte zum Glück ganzheitlich auf mich, sodass ihm meine für eine Psoriasis (Schuppenflechte) typischen Fingernägel auffielen. Das Zusammenspiel der beiden Fachärzte führte nach all den Jahren zu einer sicheren Diagnose, die mir Wege zu wirksamen Therapien aufzeigte.

Wie geht es dir jetzt, wo du individuell spezialärztlich versorgt wirst?

Die Behandlung schlug sofort an und für mich begann

Was gibst du anderen Betroffenen mit auf den Weg, die vielleicht noch mitten in ihrer Odyssee stecken? Meine wichtigste Botschaft ist die: Heute muss niemand mehr leiden. Es gibt wirkungsvolle Therapien, die sich individuell passgenau anwenden lassen. Um den Weg zur Diagnose abzukürzen, empfehle ich Betroffenen dringend, sich – auch wenn es schwerfällt – zu öffnen: Reden Sie in Ihrem privaten wie beruflichen Umfeld über Ihre Beschwerden. Schaffen Sie Awareness für Ihre Situation. Steht eine Diagnose, rate ich dazu, die Krankheit möglichst schnell zu akzeptieren. Denn die Akzeptanz ist eine Voraussetzung dafür, dass die Therapie wirkt.

Und auch das ist mir wichtig: Ich sehe immer wieder, dass Betroffene aus vermeintlicher „Coolness“ oder aus Sorge vor der Medikation allein mit einem Krankheitsschub fertig werden wollen und sie teils sogar stolz sind, wenn es ihnen gelingt. Dabei wäre eine möglichst frühe Behandlung vorteilhaft: denn sie wirkt Langzeitschäden der Autoimmunerkrankung entgegen.

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Text Doreen Brumme Ausführliche Infos zu Tanjas Netzwerk Autoimmunerkrankter (NIK e. V.) finden Sie auf der Website nik-ev.de Außerdem hat Tanja eine aktive Insta-Community aufgebaut, dort ist sie unter instagram.com/netzwerk_ autoimmunerkrankter zu finden. FOTO: PIA VON RAMIN

Meine Haut ist bunt – na und!

Dr. Bernd Neidl ist einer von etwa zwei Millionen Menschen in Deutschland mit einer Schuppenflechte (Psoriasis). Mit dem von ihm 2017 gegründeten Internetportal farbenhaut.de informieren er und seine Mitstreiter rund um die chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen Psoriasis und Neurodermitis – auch, um Akzeptanz für Betroffene zu schaffen. Im Interview erklärt Dr. Neidl, wie es ihm gelingt, mit seiner bunten Haut gut zu leben.

Dr. Neidl, wann hat sich Ihre Schuppenflechte erstmals gezeigt und welche Rolle spielt sie bis heute in Ihrem Alltag?

Meine Krankheitsgeschichte beginnt im Grunde schon vor meiner Geburt, denn in meiner Kernfamilie gab es bereits Fälle von Schuppenflechte. So waren meine Eltern recht gelassen, weil sensibilisiert, als sich bei mir im Kleinkindalter erste Anzeichen (Symptome) der Hauterkrankung an den Füßen zeigten. Die familiäre Vorbelastung führte bei mir auch schnell zur eindeutigen Diagnose – anders als bei vielen anderen Betroffenen, die mitunter jahrelang leiden und von Arzt zu Arzt wechseln, bis ihnen endlich ihre Schuppenflechte bescheinigt wird und sie die passende Therapie starten können. Zu häufig noch wird die erbliche Hauterkrankung mit anderen Hautkrankheiten oder akuten Erkrankungen verwechselt. Ich hatte das große Glück, dass meine Eltern mir ein gesundes Selbstvertrauen und Gelassenheit im Umgang mit meiner stellenweise kranken

Haut mitgaben. Meine Haut war bunter als die Haut anderer – na und! Das störte mich aber eher wenig, ich ging damit trotzdem ins Schwimmbad, auch wenn ich deswegen einmal schräge Blicke erntete oder mir Fragen zu meiner Haut gestellt wurden. Ich weiß aber, dass andere Betroffene das leider ganz anders erleben. Noch gibt es viele Vorurteile gegenüber kranker Haut, die meisten resultieren aus Unwissenheit.

Die extra Portion Hautpflege, die ich zuhause bekam, nahm ich stets gelassen hin. Mit der Pubertät verschlechterte sich mein Hautbild etwas mehr. Doch wirklich beeinträchtigt hat auch das mich nicht. Das änderte sich mit dem Erwachsenwerden etwas: Heute, mit 37, gibt es neben dem allgegenwärtigen Jucken immer wieder alltägliche Situationen, wo meine Schuppenflechte sich unangenehm bemerkbar macht. Zum Beispiel, wenn ich mich bücke, um etwas aufzuheben, oder wenn ich etwas trage: Dann schmerzen die Stellen in den Kniekehlen oder an den Ellenbogen. Die Haut ist dort trotz

regelmäßiger Pflege sehr trocken, reißt beim Dehnen schnell und die Minirisse brennen teils sehr.

Aber: Meine Schuppenflechte hat mich noch nie limitiert – vor allem deshalb nicht, weil ich das nicht zulasse.

Das müssen Sie uns erklären! Gern. Ich bin davon überzeugt, dass Leid, hier: krankheitsbedingtes, großteils im Kopf entsteht. Das tatsächliche körperliche Leid, das zweifelsohne da ist, macht im Leidmix dagegen oft nur einen kleineren Teil aus.

Ich habe meine bunte Haut und ihre Nebenwirkungen von Anfang an als für mich „normal“ akzeptiert und mich damit bestmöglich arrangiert. Ich lasse nicht zu, dass die kranke Haut mich belastet oder gar meinen Alltag beeinträchtigt. Wobei ich meine Krankheit immer ganzheitlich (holistisch) sehe: Ich kenne viele meiner Trigger, also meine persönlichen Auslöser beziehungsweise Verstärker des Krankheitsverlaufs und richte meinen Lifestyle (Ernährung, Stresslevel) entsprechend aus. Mein Ziel ist es, ein Leben mit

Schuppenflechte zu führen, in dem ich nicht abhängig von der Schulmedizin und ihren Medikamenten bin. Das heißt selbstverständlich auch, dass ich mich ärztlich behandeln lasse, wenn es meiner Haut phasenweise schlecht geht und mein Leidensdruck sehr hoch ist – die modernen schulmedizinischen Akutmittel wirken sehr gut: Leiden muss heutzutage daher niemand mehr. Mit diesem Umgang mit meiner Schuppenflechte ermächtige ich mich selbst und gebe mich nicht ohnmächtig der Krankheit hin. Ich bin so keineswegs machtlos. Denn mein Wissen zur Krankheit ist meine Macht –hier kommt der Pädagoge in mir dann doch sehr durch (lacht) – damit kann ich etwas für mich und meine Haut machen!

Warum haben Sie Ihr Internetportal gegründet und wie helfen Sie mit farbenhaut.de anderen Betroffenen?

Ich suchte damals nach Informationen zu Psoriasis und war mit dem unzufrieden, was ich im Netz fand. Also schuf ich eine Plattform, die von Schuppenflechte und Neurodermitis Betroffene, ihre Angehörigen und Menschen in ihrem Umfeld fundiert informiert. Auf farbenhaut.de bieten wir Wissen, Erfahrungsberichte, Austausch, digitale Tools wie unseren Risiko-Rechner und mehr – kurz: vieles, was den Menschen hilft, die Krankheiten besser zu verstehen und gut mit ihnen zu leben. Denn darum geht es letztendlich – um ein gutes Leben mit Schuppenflechte & Co..

HAUTPFLEGE MAL ANDERS: BASISCHER WIRKPFLEGEANSATZ BEI PSORIASIS UND NEURODERMITIS

Chronisch-entzündliche Hauterkrankungen wie Psoriasis und Neurodermitis haben einiges gemeinsam: Sie gehen mit Funktionsstörungen der Haut und des Immunsystems sowie mit Entzündungsreaktionen der Haut einher und die Haut braucht – auch außerhalb akuter Phasen –lebenslang besondere Pflege.

Die Suche nach der passenden Hautpflege Neben der Suche nach den „Triggerfaktoren“ für einen Schub ist auch die Suche nach der passenden Hautpflege meist eine lange Odyssee. Das liegt daran, dass es nicht DIE EINE passende Hautpflege gibt. Die Bedürfnisse der Haut unterscheiden sich von Mensch zu Mensch – aber auch in verschiedenen Phasen der Erkrankung oder im Verlauf der Jahreszeiten. Mit dem basischen Wirkpflegeansatz von SIRIDERMA werden andere Prozesse in und auf der Haut in Gang gesetzt als mit herkömmlichen Pflegeprodukten. Für viele Betroffene ein neuer Weg, die Haut wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Basischer Wirkpflegeansatz: Was steckt dahinter?

Bei chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen

kann neben Hautschutzbarriere und Immunsystem auch das Säure-Basen-Gleichgewicht der Haut gestört sein, da unter der Haut liegende Entzündungsherde dieses Gleichgewicht beeinträchtigen. Genau hier setzt die basische Hautpflege von SIRIDERMA an: Dank der einzigartigen Basen-Balance-Formel wird die Ausleitung und Neutralisation überschüssiger Säuren und damit das gesunde Säure-BasenGleichgewicht der Haut gefördert. Die Haut wird nicht nur beruhigt und intensiv gepflegt, sondern auch tieferliegende Entzündungsherde entlastet. Zudem kann eine leicht basische Hautpflege das Ablösen von Hautschuppen und die Ausbildung einer intakten Epidermis unterstützten.

Schützende Pflege ohne Zusatzstoffe Wenn die Hautschutzbarriere gestört ist, können Inhaltsstoffe von Hautpflegeprodukten leichter in die Haut eindringen. Aus diesem Grunde enthalten die SIRIDERMA MED Produkte ausschließlich rein pflanzliche, sehr hochwertige Öle und sind frei von Duftstoffen, Konservierungsstoffen, austrocknenden Alkoholen, Silikonen, Parabenen, Mineralölen, Wollwachs sowie

Mikroplastik.

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Text Doreen Brumme Dr. Bernd Neidl Gründer von farbenhaut.de und selbst PsoriasisPatient Weitere Informationen unter farbenhaut.de FOTO: PRIVAT

Arbeitsalltag mit Rheuma –Chronische Talente im Einsatz!

Sobald man die Diagnose Rheuma bekommen hat, begleitet einen die Erkrankung über das ganze Leben – egal ob man bereits im Kindesalter diagnostiziert wurde oder sich die Erkrankung im Jugend- oder Erwachsenenalter bemerkbar macht. Eine chronische Erkrankung zu haben, stellt Betroffene daher vor viele Herausforderungen. Eine davon ist es, ins Arbeitsleben einzusteigen und dann auch den Alltag im Job bestreiten zu können.

seinen Wunschberuf zu bewerben. Nun ist er ausgebildeter Notfallsanitäter.

Bei der Bewerbung hat er zunächst nicht angegeben, dass er Rheuma hat. „Ich hatte Sorge, dass ich die Stelle nicht bekomme, wenn ich es direkt sage. Ich wollte sie aber haben, denn ich wollte nach meinem Freiwilligen Sozialen Jahr in der Sportmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover etwas mit Medizin machen, und ich bin fit. Ich habe von meinem Rheuma erzählt, als ich mit der Ausbildung angefangen habe. Niemand fand es schlimm, dass ich es nicht früher mitgeteilt habe, oder für die Arbeit bedenklich. Und natürlich weiß ich, dass es ein Beruf ist, wo der Körper funktionieren muss.“

Viele Betroffene stehen daher bereits beim Vorstellungsgespräch vor der Entscheidung, ob sie mit offenen Karten spielen sollen oder doch lieber erst mal nichts von ihrem „chronischen Begleiter“ erzählen – aus Sorge, den Job vielleicht dann gar nicht erst zu bekommen. Das hat auch eine Umfrage der Rheuma-Liga bestätigt.

Aus diesem Grund hat die Deutsche Rheuma-Liga e. V. das Projekt „Chronische Talente – beschäftigt mit Rheuma“ ins Leben gerufen. Denn junge RheumaBetroffene benötigen eine Chance, ihren Platz in der Arbeitswelt zu finden. Das Projekt stellt fünf Rheuma-Patient*innen

vor, die einen Einblick in ihren jeweiligen Arbeitsalltag gewährt haben – mit allen Chancen und Herausforderungen, die ihren Alltag begleiten. Ihre Arbeitgeber wiederum berichten, wie sie ihre rheumakranken Mitarbeiter erleben und auf sie eingehen. Wir stellen einen davon vor: Paul Hornbostel aus Hannover.

„Was man nicht versucht, kann man auch nicht erreichen!“

Das ist das Lebensmotto von Paul (23), der reaktive Arthritis und Morbus Bechterew hat. Daher hat er auch nicht gezögert, sich um einen Ausbildungsplatz für

Paul Hornbostel hat seine dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter erfolgreich abgeschlossen und ist direkt übernommen worden. Für den Abschluss galt es zum Beispiel, Medikamente und Algorithmen zu büffeln, die verschiedenen Traumata unterscheiden zu können oder in der letzten Prüfung 15 Einsätze in Extremsituationen zu durchlaufen. „Jetzt habe ich die volle Verantwortung, wenn ich auf dem Rettungswagen mitfahre.“ Wo lässt Paul die körperliche Belastung, die sein Beruf und sein Rheuma mit sich bringen? „Ich versuche, mich regelmäßig nach der Arbeit noch zu bewegen, gehe schwimmen oder ins Fitnessstudio und mache gezielt Übungen für die Gelenke.“ Und wo lässt er die physische Belastung seines Arbeitsalltags? „Sobald ich die Dienstkleidung ablege, ist es gut. Natürlich erinnere ich mich an meinen ersten Toten. Oder an den jungen Familienvater, den wir so lange wiederbeleben mussten. Und ich möchte auch eigentlich niemals erleben, ein Baby reanimieren zu müssen. Aber: Das gehört alles dazu.“

Aber macht sein Körper, sein Rheuma den Beruf auch auf lange Sicht mit? „Ich glaube, dass ich körperlich trotz Rheuma auch in vielen Jahren noch dazu in

der Lage wäre, meinen Beruf auszuüben. Jedoch hoffe ich, dass das mit dem Medizinstudium klappt und ich dann meinen Beruf als Kinderarzt bis zur Rente ausüben kann. Aber während des Studiums möchte ich weiter in Teilzeit als Notfallsanitäter arbeiten – hier auf der Wache, hier fühle ich mich richtig wohl.“

Einer der Besten unter 650 Bewerbern

Das bestätigt auch sein Arbeitgeber Ralf Antabi, der im Interview erzählt, dass ihn die rheumatische Erkrankung seines potenziellen Mitarbeiters auf keinen Fall davon abgehalten hätte, ihn einzustellen: „Paul Hornbostel wurde als einer von 60 aus 650 Bewerbungen zu unserem Auswahlverfahren eingeladen. Alle 60 Bewerber durchliefen einen Sporttest, einen Fahrtest und einen Theorietest sowie ein Bewerbungsgespräch. Unter diesen 60 Bewerbern gehörte Paul Hornbostel zu den 20 besten, denen wir einen Ausbildungsplatz an einer unserer Lehrrettungswachen in der Region Hannover/ Hildesheim angeboten haben.“

Auf die Frage, ob er wieder Bewerber*innen mit chronischen Erkrankungen einstellen würde, sagt er: „Wir stellen Mitarbeiter wegen ihrer Einstellung zum Beruf und unseren Grundsätzen ein. Wenn jemand dies so mit Leben erfüllt wie Paul Hornbostel, haben wir für die uns anvertrauten Menschen alles richtig gemacht. Nur weil ein Mensch ein Handicap hat, muss es nicht zwingend bedeuten, dass er für einen Beruf nicht geeignet ist. Die Entscheidung muss immer individuell getroffen werden. Die Möglichkeit sollte immer berücksichtigt werden.“

. Arbeitgeber können sich auf dieser Webseite unter anderem über Zuschüsse

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zu den Chronischen Talenten finden
auf rheuma-ichzeigsdir.de/arbeit
Informationen rund um das Thema Arbeiten mit Rheuma finden sich unter rheuma-liga.de/beruf
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informieren.
Paul hat reaktive Arthritis und Morbus Bechterew – das hat ihn aber nicht daran gehindert, seinen Wunschberuf als Notfallsanitäter zu ergreifen. FOTOS: DEUTSCHE RHEUMA-LIGA/BENEDIKT ZIEGLER
Text Hanna Sinnecker

Rheumatische Erkrankungen –Keine Frage des Alters

Bei Rheuma denken die meisten zunächst an eine klassische Alterserkrankung. Dabei können bereits Kinder, teilweise schon im Säuglingsalter, von rheumatoider Arthritis betroffen sein. Die häufigste Form ist die juvenile idiopathische Arthritis (kurz JIA), an der allein in Deutschland etwa 1.200 Kinder pro Jahr neu erkranken.

Besonders für die Eltern betroffener Kinder kann es zunächst schwierig sein, die Symptome wahrzunehmen und dann auch richtig einzuordnen. Eine möglichst frühe Diagnose ist aber wichtig, um schnell therapeutische Maßnahmen ergreifen zu können, da so bleibende Schäden an Gelenken oder Organen verhindert werden können. Mittlerweile gibt es auch für Kinder sehr gute Behandlungsmöglichkeiten, damit ein möglichst unbeschwertes und schmerzfreies Leben möglich ist.

Warnsignale beachten

Gerade bei kleineren Kindern gibt es durchaus Warnsignale, die auf eine rheumatische Erkrankung hindeuten können. Erwärmte, geschwollene Gelenke, die besonders am Morgen erst einmal „in Gang kommen“ müssen, können auf eine Entzündungsaktivität hindeuten. Manche Kinder bewegen

sich plötzlich anders, nehmen eine Schonhaltung ein oder wollen wieder vermehrt getragen werden, obwohl sie bereits gut laufen können. Auch wenn ein Kind wiederholt über Schmerzen in bestimmten Gelenken klagt, sollte das erst genommen werden. Der Kinderarzt, der im Regelfall die erste Anlaufstelle ist, kann eine erste Untersuchung durchführen und gegebenenfalls an einen Orthopäden überweisen. Sollte der Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung sich verhärten, übernimmt an dieser Stelle dann meist der Rheumatologe, der mit den Eltern und, je nach Alter des betroffenen Kindes, mit dem jungen Patienten die geeigneten Therapiemaßnahmen bespricht.

Die Erkrankung zur Ruhe bringen Auch wenn die Diagnose für die meisten Eltern zunächst ein Schock ist: Die Prognose bei einer frühen Diagnose ist positiv. In den

meisten Fällen führt die Therapie zum vollständigen Rückgang der Gelenkentzündung und der Bewegungseinschränkung. Wichtig ist es, die Therapie konsequent durchzuführen. Das ist natürlich nicht nur für den jungen Patienten oder die junge Patientin eine Herausforderung, sondern insbesondere auch für die Eltern, da sie die tragende Rolle dabei spielen, wenn Medikamente eingenommen oder Termine in der Rheumatologie oder Physiotherapie wahrgenommen werden müssen. Gerade zu Beginn steht das Familienleben erst einmal Kopf, bevor man in einen neuen Alltag findet, in den die Therapie eingebunden wird. Der Austausch mit anderen Eltern kann dabei eine große Stütze sein, zudem bietet die Deutsche Rheuma-Liga umfassende Informationsangebote, die betroffene Eltern und ihre Kinder in Anspruch nehmen können.

JÖRG PILAWA IST BOTSCHAFTER DER DEUTSCHEN RHEUMA-LIGA

Der Fernsehmoderator Jörg Pilawa engagiert sich für die Deutsche Rheuma-Liga, denn er hat selbst eine Tochter, die im Alter von zwei Jahren an Rheuma erkrankt ist. Er sagt, auch für ihn und seine Frau war die Diagnose zunächst ein Schock. Im Gespräch mit der Rheuma-Liga erzählt er: „Alles begann mit Schmerzen in Knie-, Hand- und Sprunggelenken. Meine Frau Irina und ich wussten nicht, was unser Kind hatte. Nova wollte nicht mehr aus dem Bett aufstehen. Sie blieb einfach liegen. Zunächst wurde ein Infekt vermutet. Schließlich hat ein Rheuma-Spezialist aus der Hamburger Uniklinik die Krankheit diagnostiziert.“ Mittlerweile hat sich der Zustand seiner Tochter stabilisiert, da sie zügig die für sie passende Behandlung bekommen hat. Mit seinem Engagement für die Deutsche Rheuma-Liga will

Jörg Pilawa zeigen, dass Eltern und Kinder mit ihren Fragen und Problemen nicht allein sind. „Jede Familie findet ihren Weg, mit der Krankheit umzugehen.“ Dabei würden auch Gespräche mit anderen betroffenen Eltern helfen. In der Deutschen Rheuma-Liga gibt es in vielen Städten Elternkreise, die sich regelmäßig treffen. Außerdem möchte Jörg Pilawa dabei helfen, die Menschen über die Krankheit aufzuklären. „Viele wissen nicht, dass auch Kinder von Rheuma betroffen sein können“, sagt er. Rheuma kann jeden treffen. Es gibt über 100 verschiedene Krankheitsbilder. 20 Millionen Menschen in Deutschland leiden an rheumatischen Erkrankungen. Eine rechtzeitige Diagnose ist wichtig, um den Krankheitsverlauf zu stoppen oder zumindest abzuschwächen.

MUSKULO-SKELETTALE SCHMERZEN BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN

Schmerzen im Bereich des muskulo-skelettalen Systems gehören zu den häufigen Symptomen bei Kindern und Jugendlichen. Sie bestehen meist temporär und sind auf Bagatelltraumen oder Überlastungen, z.B. beim Sport zurückzuführen. Eingehendere Diagnostik wird erforderlich, wenn Schmerzstärke und vermutete Ursachen nicht zueinander passen, Beschwerden über einen längeren Zeitraum wiederholt oder anhaltend auftreten, Bewegungsstörung oder Symptome, die eine Allgemeinerkrankung nahe legen beobachtet werden. Viele z.T. sehr seltene Erkrankungen kommen in Frage[1]. Daher sollte frühzeitig ein Spezialist konsultiert werden.

In Deutschland leiden ca. 20.000 Kinder- und Jugendliche an entzündlichen rheumatischen Erkrankungen, davon über 15.000 an einer der Formen der Juvenilen Idiopathischen Arthritis (JIA) – dem kindlichen Gelenksrheumatismus. Als JIA wird Arthritis ohne andere Ursache, mit Beginn vor dem 16ten Lebensjahr und mindestens sechs Wochen Dauer definiert. Auch andere autoimmune und autoinflammatorische Erkrankungen können mit einer Arthritis einhergehen. Die Kinderrheumatologie hat in den vergangenen 20 Jahren große Fortschritte gemacht. Neue effektivere Medikamente verbessern die Therapie[2] und ermöglichen selbst bei schweren Verläufen eine Kontrolle der Erkrankung[3] Auch die funktionellen Therapien (Krankengymnastik etc.) wurden weiter entwickelt[4]. Über 50 Standorte in Deutschland bieten eine Versorgung an (https://gkjr.de/versorgungslandkarte). Frühe Diagnose und fachgerechte Betreuung vermindern Schäden an Gelenken und anderen Organen. Den entzündlich bedingten Schmerzen stehen chronische Schmerzsyndrome gegenüber. Durch eine Störung der Schmerzverarbeitung treten Schmerzen über mindestens 3 Monate auf, ohne dass sich ein verursachender Befund erheben lässt. Schätzungsweise jedes vierte Kind in Deutschland ist betroffen, jedes zwanzigste leidet stark unter andauernden oder wiederkehrenden Schmerzen. Neben Kopf- und Bauchschmerzen werden muskulo-skelettale Schmerzen beobachtet. Die Folgen für den Alltag der Betroffenen sind gravierend, zumal die Patienten den Schmerz tatsächlich empfinden, von ihrer Umwelt jedoch nicht ernst genommen werden. Hier bieten spezialisierte Kinderschmerzeinrichtungen Diagnostik und vor allem multimodale, therapeutische Therapieprogramme an[5]

11 Lesen Sie mehr auf gesunder-koerper.info ANZEIGE
DEUTSCHES ZENTRUM FÜR KINDER- UND JUGENDRHEUMATOLOGIE ZENTRUM FÜR SCHMERZTHERAPIE JUNGER MENSCHEN Gehfeldstraße 24, 82467 Garmisch-Partenkirchen, Tel.: 08821-701-0 www.rheuma-kinderklinik.de , www.kinderschmerzzentrum.de 1. Haas JP (2014) Pädiatrische Praxis 82:135-141, 2. Haas JP (2015) Akt. Rheumatol 40:275-279 3. Horneff G, et al. (2016) Arthritis research & therapy 18:272 4. Spamer M, et al. (2012) Zeitschrift für Rheumatologie 71:387-395 5. Höfel L, et al. (2016) Zeitschrift fur Rheumatologie 75:292-302 Prof. Dr. med. Johannes-Peter Haas Ärztlicher Direktor
Text Hanna Sinnecker
FOTO: DEUTSCHE RHEUMA-LIGA/BENEDIKT ZIEGLER

DIAGNOSE MULTIPLE SKLEROSE? UND JETZT?

Leben mit MS wirft viele Fragen auf – nach der Diagnose, im Verlauf der Krankheit, bei den Angehörigen, Chefs und Kollegen. Darüber zu sprechen, hilft. Erfahrungen zu teilen und vom Expertenrat zu profitieren, gibt Sicherheit.

Laura war 19 als sie die Diagnose erhielt. „Können sich meine Zukunftspläne jetzt noch erfüllen?“, war ihr erster Gedanke. Hilfe fand sie bei der DMSG.

Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) – mit Bundesverband, 16 Landesverbänden sowie rund 800 örtlichen Kontaktgruppen –unterstützt mit Informationen, persönlicher Beratung von A wie Alltagsbewältigung bis Z wie Zertifizierte Pflege. Sie fördert unabhängige MS-Forschungsprojekte. Die DMS-Stiftung hilft MS-Betroffenen in Notlagen.

Du hast Fragen? Die Experten wissen Rat In Arzt-Sprechstunden auf MS Connect, der geschützten Austauschplattform für MSBetroffene, antworten MS-Experten – vertraulich und kompetent.

DU BIST NICHT ALLEIN!

In der DMSG Community auf Instagram und auf www.dmsg.de berichtet Laura, was ihr im Moment der Diagnose durch den Kopf ging und wie sie heute mit der Krankheit umgeht.

Alle fünf Minuten erhält ein Mensch die Diagnose MS. Laut dem Atlas der MS gibt es weltweit 2,8 Millionen Menschen mit MS. In Deutschland liegt die Zahl der MS-Erkrankten bei geschätzt 252.000. Das heißt: Eine(r) von 300 hat MS. Das durchschnittliche Alter bei Diagnosestellung liegt bei 33 Jahren*.

Ein Alter, in dem die Menschen mitten im Leben stehen in Beruf, Familie und Freizeit, Zukunftspläne geschmiedet werden.

Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft hilft, informiert, berät und klärt über Vorurteile auf:

• MS führt nicht zum Tod, ist nicht ansteckend, nicht vererbbar und kann immer besser behandelt werden.

• Viele MS-Erkrankte bewältigen ihren Alltag gut, sind erfolgreich im Beruf und gründen Familien. Sie wissen, dass sie mit der DMSG einen starken Partner an ihrer Seite haben.

Helfen Sie mit! Bei uns können Sie viel bewirken! Mit Ihrer Unterstützung können wir MS-Erkrankten und ihren Familien neue Perspektiven eröffnen. Vielen Dank!

*Zahlen aus dem MS Register der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e. V.

MS HELPLINE: 0800 / 52 52 022

(Kostenlos aus dem Fest- und Mobilfunknetz)

KONTAKT

DMSG Bundesverband e. V. Krausenstr. 50

30171 Hannover

Tel.: 0511/96834-0

Fax: 0511/9683450

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Bank für Sozialwirtschaft

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