MEDI-LEARN Zeitung 01/2005

Page 12

MLZ

Seite 12

Januar 2005

www.medi-learn.de

Rechtsfragen Strittige Examensfragen Was kann ich tun? Rechtsanwalt R. Karasek: „Fehlende Punkte können „eingeklagt“ werden. Hier gibt es eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1991. Danach muß eine Frage „gutgeschrieben“ werden, wenn man beweisen kann, daß die eigene Lösung neben derjenigen des Instituts richtig ist. Maßstab ist dabei die Ausbildungsliteratur. Beim Einklagen zusätzlicher Fragen gibt es ein großes Problem: Die Verfahren dauern sehr lange. Ein Eilverfahren ist nach der Rechtsprechung nur nach nicht bestandenem dritten Versuch erlaubt. Überhaupt besteht eine realistische Chance nur bei ein oder zwei fehlenden Fragen. Möglich ist auch ein Widerspruch nach nicht bestandener zweiter Prüfung. In diesem Fall sollte man beim Prüfungsamt um Aussetzung des Verfahrens bis zum dritten Versuch bitten. Es gibt zudem die Möglichkeit, dem IMPP vor offizieller Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse mitzuteilen, welche Prüfungsfragen im einzelnen fehlerhaft sein könnten. Hierfür gibt es eine vom IMPP gesetzte informelle Frist von sieben Tagen.“ Adresse des IMPP: IMPP, Postfach 25 28, 55015 Mainz, Tel. 06131-28130, www.impp.de

Nachteilsausgleich Was passiert mit den Fragen, die aus der Wertung genommen werden? Rechtsanwalt R. Karasek:„Glücklicherweise gibt es das Eliminierungsverfahren. Das IMPP nimmt sich die einzelnen Fragen nach der Prüfung vor und eliminiert Fragen, die ungeeignet sein könnten (z. B. Doppellösungen, unklare Formulierungen, Rechenfehler, Schreibfehler). Das Antwortverhalten der Kandidaten (u. a. dokumentiert durch Itemanalysen) zeigt nach der Prüfung genau, welche Fragen nichts taugen. Nun kann sich die Eliminierung einer Frage zum Nachteil des Prüflings auswirken. Dies ist immer dann gegeben, wenn die Frage z. B. eine Doppellösung hatte und wegen dieses Systemfehlers gestrichen werden muß. Hat man hier eine der beiden Lösungen gewählt, so wird im Wege des Nachteilsausgleichs dann doch noch gutgeschrieben. Da wir es hier mit einer relativen Bestehensgrenze zu tun haben, kann durch diese nachträgliche Gutschrift die individuelle Bestehens- oder Notengrenze verändert werden. Auf der Homepage (www.impp.de) kann man den Einfluß einzelner Eliminierungen einschließlich Nachteilsausgleich individuell überprüfen.“ Dieser Artikel wurden verfaßt von: Rechtsanwalt Reinhard Karasek Wilhelm-Roser-Str. 25, 35037 Marburg Tel. 0 64 21/168 96-0, Fax. 0 64 21/16896-78

Es gibt nichts, was es nicht gibt – Famulatur in Südafrika von Vera Preller

im Krankenhaus sind jegliche Unbequemlichkeiten wert. Wir bewohnten ein spärlich möbliertes Zimmer im Schwesternschülerinnen-Wohnheim und teilten uns drei Toiletten und eine Dusche mit etwa 25 Schwestern, Strom und Wasser reichten oft nicht für alle. Das enge Zusammenleben mit den Schwestern brachte uns einen tiefen Einblick in die Kultur der Zulus. Oft wurden wir um fünf Uhr von ausgelassenen Gesängen geweckt, erlebten aber auch laute Trauer über Todesfälle hautnah mit.

Von Notfällen, Schußopfern und mehr

Foto: www.photocase.de, Ines Gesell

D

en Sommer 2003 verbrachte ich im Rahmen meiner letzten Famulatur im Bethesda Hospital an der Ostküste Südafrikas im nordöstlichen Zipfel KwaZulu Natals. Begeistert von den Erfahrungen einer Kommilitonin hatte ich mich per E-Mail ungefähr zehn Monate im Voraus beworben. Als ich nach einiger Zeit die Zusage in den Händen hielt, hatte ich plötzlich Zweifel. Das Risiko, sich mit HIV zu infizieren oder Opfer einer Gewalttat zu werden, war schwer einschätzbar. Als ich einer Kommilitonin davon erzählte, beschlossen wir, es gemeinsam zu wagen, und wir gaben uns letztendlich einen Ruck und buchten einen Flug. Ein halbes Jahr später fanden wir uns am Flughafen Durban wieder. Mit dem Baz Bus, einer sicheren und preiswerten Möglichkeit, Südafrika zu bereisen, kamen wir relativ bequem bis nach Mkuze, von wo aus wir in einem der berüchtigten süd-

afrikanischen Minibustaxis (gefährlich überladen, das Gepäck unbefestigt auf dem Dach) 20 km über eine Schotterstraße zum Krankenhaus gelangten. Das Bethesda Hospital liegt im kleinen Bergort Ubombo, in einer der ärmsten Regionen Südafrikas, weitab von größeren Städten. Das ehemalige Missionskrankenhaus hat einen Einzugsbereich von etwa 100.000 Menschen und verfügt über 230 Betten. Das staatliche Hospital ist ausschließlich mit schwarzen Patienten (hauptsächlich vom ZuluStamm) belegt, während die Ärzteschaft aus weißen Südafrikanern und Indern besteht. Es gibt fünf Stationen, Röntgen, Ultraschall, ein Labor und das „Out Patient Department“ (OPD), eine Mischung aus Ambulanz und Rettungsstelle.

Ankunft im Wohnheim Die Unterkunft für Studenten ist sehr einfach, aber die Erfahrungen

Hände hoch und T-Shirt aus: der Untersuchungskurs Fortsetzung von Seite 1 Immerhin war diese Abstellkammer mit einer Liege und einem Defibrillator ausgestattet, was mich zumindest etwas beruhigte. Sollte ich bei dem Patienten größere Schäden anrichten, wäre der grimmige Internist in Kombination mit dem Defi wahrscheinlich meine Garantie für ein weiteres Leben in Freiheit.

Wie die Ölsardinen: 10 Studenten in einem Untersuchungsraum So also quetschten sich die zehn Studenten in den kleinen Raum, in dem zu meiner Beunruhigung kein einziger Patient zu sehen war. Ich begann, Allerschlimmstes zu befürchten. In einem kurzen Monolog erklärte uns nun der Internist sein didaktisches Konzept, das einen Freiwilligen unter den Studenten vorsah, um an diesem die gängigen Untersuchungstechniken zu demonstrieren. „Am besten einen der Herren“, wie der Doktor meinte. Mit einem kurzen Blick nach links und rechts stellte ich zu meinem Entsetzen fest, daß sich außer mir nur ein weiterer „Herr“ in dem Raum befand. Noch während ich an einem guten Konzept dafür feilte,

der Opfer-Rolle zu entgehen, war die Wahl auch schon auf mich gefallen. „Du da, auf die Liege!“ Freundliche Ärzte sind ein Segen! Kaum hatte ich auf der Liege Platz genommen, begann der kommunikationsfreudige Doktor auch schon auf meinem Kopf herumzuklopfen, meinen Hals zu würgen. Nach einer halben Ewigkeit war er mit meinem (glücklicherweise auch nach der Untersuchung noch intakten) Schädel fertig und wandte sich meinem Oberkörper zu. „Hände hoch!“ Ich gehorchte natürlich brav und zack war ich mein T-Shirt los. Toller Trick! Muß ich mir merken! Wobei ich mir den Kommentar nicht verkneifen konnte, daß ich als 23jähriger Student der Medizin durchaus dazu in der Lage gewesen wäre, auf Anweisung mein T-Shirt selbst auszuziehen.

Vor 8 Frauen die Hose ausziehen Nachdem er schließlich meine Lunge perkutiert und auskultiert hatte, bellte er seinen nächsten Befehl: „Hinlegen!“ Kaum lag ich, mußte ich auch schon die nächste Qual über mich ergehen lassen. Etwa fünf Minuten

In Wolldecken gehüllte Patienten treffen nach langem Fußmarsch im Krankenhaus ein, manche werden von ihren Angehörigen in der Schubkarre gebracht. Die OPD-Schwestern dirigieren die Kranken auf lange Wartebänke, auf denen so mancher auch die Nacht verbringt. Nach der Stationsarbeit finden sich die Ärzte im OPD ein und behandeln Notfälle (Autounfälle, Schußopfer, Atemnot, Frakturen) und viele chronisch Kranke (AIDS, Tuberkulose, Tumorerkrankungen). Vier der sechs Ärzte waren kaum älter als wir und nur für das obligatorische Jahr ihres „Community Service“ in Ubombo. Wir durften selbst entscheiden, was wir sehen und tun wollten, so begann unser Tag meist mit der Visite, oft in der Pädiatrie. Ein Großteil der kleinen Patienten leidet an Kwashiorkor und Folgen der Immunschwäche. Häufig sind Verbrennungen, Meningitis, Scabies, Mykosen und Bilharziose, seltener auch Cholera, Malaria und rheumatisches Fieber.

Zulumedizin und ihre Folgen Immer wieder sahen wir Säuglinge, die die traditionelle Zulumedizin (pflanzliche Abführmittel in Erwachsenendosis) nur schwer beeinträchtigt überstehen. Auf den Erwachsenenstationen liegen internistische Fälle (AIDS, TB, P. carinii-Pneumonie,

lang versuchte unser Doc das Kopfteil der Liege zu verstellen, wobei er unsanft an dem Gerät herumrüttelte und mich einem schweren SchädelHirn-Trauma ein ganzes Stück näher brachte. Als er es endlich geschafft hatte, begann er mein Herz zu untersuchen und stellte eine deutliche Tachykardie fest. Welch ein Wunder! Bei diesem Untersuchungsstil würde es mich nicht wundern, wenn diese Diagnose häufiger in seinen Untersuchungsberichten auftauchen würde. Diesen Gedanken behielt ich aber lieber für mich. Nachdem er schließlich auch noch nach Leber und Milz getastet hatte, ging er rasch zum nächsten Highlight über: „Hose aus!“ Super! Vor acht Frauen auch noch Hose ausziehen. Das Ganze begann langsam peinliche Ausmaße anzunehmen. Hatte ich an saubere Unterwäsche gedacht? Hatte ich überhaupt an Unterwäsche gedacht? Glücklicherweise erinnerte ich mich daran, am Morgen eine einigermaßen stilvolle Variante gewählt zu haben und konnte so auch noch die Untersuchungen meiner Beine und Füße über mich ergehen lassen. Als ich schließlich nach einer guten Stunde, mit den Nerven am Ende und völlig apathisch wieder von der Liege runter durfte, hatte sich meine euphorische Einstellung zum Untersuchungskurs doch etwas abgemildert. Zumal der freundliche

Herzinsuffizienz) neben neurologischen, psychiatrischen (Schizophrenie, Alkoholismus, AIDS-Enzephalopathie) und chirurgischen Patienten. Obwohl Auszehrung und opportunistische Infektionen (45% HIV-Infektion) den Alltag bestimmen, stellen auch die sogenannten Wohlstandskrankheiten wie Adipositas, Gefäßkrankheiten und Typ-II-Diabetes für einen Teil der Bevölkerung ein Problem dar. Die Ambulanz brachte einen guten Einblick in das soziale Gefüge der Menschen. Unsere Aufgabe dort wurde es schnell, in Kurznarkose Abszesse zu spalten und Frakturen zu gipsen.

Was haben wir gelernt? Uns wurde beigebracht, Pleura-, Aszites- und Lumbalpunktionen durchzuführen und Wunden zu versorgen. Jeden Mittwoch durften wir im Operationssaal bei Sectiones und anderen Eingriffen assistieren und vieles selber machen (Nähte, Spinalanästhesien, Kürettagen). Mehrmals fuhren wir zu den umliegenden Krankenstationen, in denen speziell ausgebildete Schwestern die Krankenversorgung gewährleisten und nur einmal pro Woche Problemfälle dem zuständigen Arzt vorstellen. Die Ärzte boten uns oft an, sie am Wochenende bei ihren Ausflügen zu begleiten: In die Drakensberge, zum Indischen Ozean und Tiere beobachten in einem der zahlreichen Naturparks. Nach unserer Famulatur nahmen wir uns zwei Wochen Zeit und erkundeten das Land: Krüger Park, die Gartenroute, die Weinregion und natürlich Kapstadt, wo wir im September den Heimflug antraten. Trotz anfänglicher Bedenken – wir hätten es immer bereut, nicht gefahren zu sein. Wir haben sehr viel gesehen und gelernt. Die Armut hat uns betroffen gemacht, aber zugleich waren wir beeindruckt von der Qualität der medizinischen Versorgung, gemessen an den wenigen vorhandenen Mitteln.

Herr Doktor beim Abschied noch ankündigte, „daß beim nächsten Mal dann die Studenten untersuchen dürften. „Wäre schön, wenn sich dann der eine oder andere nochmals als „zu Untersuchender“ zur Verfügung stellen würde!“ Kein großes Rätsel, wen er damit wohl gemeint haben könnte...

Was bleibt? Zur Beruhigung aller Studenten, die den Untersuchungskurs im Moment noch als Motivationshilfe für die grauen Vorklinik-Tage benutzen, sei gesagt, daß wir nach der Anfangsphase auch auf echte Patienten losgelassen wurden, bei denen wir dann die Anamnese erheben durften, um sie schließlich ausführlich zu untersuchen. In 3er Gruppen pro Patient, mit ausreichend Zeit und anschließender gemeinsamer Patientenvorstellung und Besprechung inklusive der dazugehörigen EKGs und Röntgenbilder wurde die Veranstaltung doch noch sehr spannend und lehrreich. Auch wenn man zuweilen mit Patienten leben muß, die alles besser zu wissen glauben (und manchmal stimmt das auch, wir hatten zum Beispiel einmal einen ehemaligen Chefarzt zu untersuchen), so hat mir der Kurs doch sehr viel Spaß gemacht. Und unserem grimmigen Internisten habe ich zu guter Letzt auch noch vergeben!


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.