Mittendrin in V
„Wir stehen an einer Zeitenwende“
Fast zwei Jahrzehnte lang Vordenker im Vorarlberger Büro für Zukunftsfragen, leitet der Bregenzer Manfred Hellrigl (57) heute das Felsentor, ein großes Meditationszentrum am Vierwaldstättersee. Die marie spricht mit ihm über Grenzen im Innen und Außen, über Bürgerbeteiligung und unser aller Verantwortung in Zeiten des Wandels. Text: Simone Fürnschuß-Hofer, Fotos: Petra Rainer
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ngefangen hat alles in den Siebzigern: Mit Zwentendorf, der Ölkrise und dem ersten Bericht des Club of Rome („Die Grenzen des Wachstums“, 1972). Manfred Hellrigl, Jahrgang 1961, wundert sich bis heute, warum nicht mehr Menschen unser wachstumsorientiertes Wohlstandsmodell kritisch hinterfragen: Kann es in einer endlichen Welt unbegrenztes Wirtschaftswachstum geben? Aktionistisch sei er früher gewesen, immer habe ihn das Reale interessiert. Seine erste Stelle beim Umweltinstitut des Landes entpuppte sich dabei als fruchtbares Feld für bewusstseinsbildende Kampagnen und war Startpunkt für einen Prozess, der sich vom Appellieren immer mehr zum Partizipieren entwickeln sollte.
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Manfred Hellrigl studierte Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Energiepolitik und promovierte darüber „wie sich Bewusstsein verändert“. Beim Umweltinstitut entwickelte er u.a. die FAHR RAD- und Klimakampagne, baute später das Büro für Zukunftsfragen auf.
marie: Das Büro für Zukunftsfragen wurde 1999 unter Landeshauptmann Herbert Sausgruber aus der Taufe gehoben. Wie kam’s? Manfred Hellrigl: Schlussendlich ging es bei unseren Kampagnen am Umweltinstitut vor allem um Lebensstil-Fragen. Doch da wird es schnell heikel: Darf die Regierung dem Bürger sagen, wie er leben soll? Auf der Suche nach Antworten sind wir auf den Ansatz der Selbstorganisation und Methoden der Bürgerbeteiligung gestoßen. Bei solchen Prozessen werden die Bürger nicht bevormundet, sondern zum Mitdenken eingeladen. Eine typische Frage ist beispielsweise: Wie soll das Dorf oder Land ausschauen, in dem ich leben möchte? Es werden also keine fertigen Antworten vorgegeben, sondern Kreativität und Zusammenarbeit angeregt. War die Gründung des Büros für Zukunftsfragen also auch die Geburtsstunde des Bürgerrats in Vorarlberg?