marie 17 / Mai 2017

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#17 / Mai 2017

2,50 Euro

davon 1,25 Euro für die Verkäuferin/ den Verkäufer

Kulturprojekt in St. Gerold Vier Frauen haben einen magischen Ort geschaffen.

Vom Tod und Erwachen Wie sich der Frühling auf Trauernde auswirken kann.

Der Lieder-Bastler Das Dornbirner Original Günther Sohm im Porträt.

Gsi: Ein stiller Held Wie ein Hörbranzer den Nazis Widerstand leistete.

Die Weisheit der kleinen Frau

Clownfrau Elke Maria Riedmann aus Dornbirn schlüpft in viele Rollen: mal lustig, mal tragisch, mal naiv, mal philosophisch. Die Clownerie ist Medizin, sagt sie. Ihr neuestes Projekt steht im Dienst von Menschen in Krisengebieten. S. 6-7

Foto: Frank Andres


Die weibliche Seite Gottes

Museum & Café: Di bis So 10–17 Uhr Schweizer Str. 5 6845 Hohenems www.jm-hohenems.at

30. April bis 8. Okt. 2017 Jüdisches Museum Hohenems

Bezahlte Anzeige

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Der/die Inhaber/in dieses personalisierten Ausweises ist berechtigt die Vorarlberger Straßenzeitung marie im Rahmen der vereinbarten Richtlinien zu verkaufen. Verein und Projekt sind bei den Behörden des Landes Vorarlberg angezeigt. Weitere Information unter www.marie-strassenzeitung.at

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für den Verein zur Förderung einer Straßenzeitung in Vorarlberg

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Liebe Leserin, lieber Leser!

Alle lizensierten marie-Straßenverkäufer sind mit einem Ausweis ausgestattet, den sie während ihrer Arbeit sichtbar am Körper tragen. Auf Verlangen werden sie diesen jederzeit gerne vorzeigen. Die marie-Straßenverkäufer verstehen sich nicht als Almosenempfänger, sondern als Teil eines wichtigen Projektes. Bitte kaufen Sie Ihre marie nur bei Kolporteuren, die unseren Ausweis tragen!

Herzlich, das marie-Team Bezahlte Anzeige


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Mittendrin in V

Editorial

4-5 Bild des Monats 6-7 Die Weisheit der kleinen Frau Clownfrau Elke Maria Riedmann im Porträt 8-9 Wohnungslose Frauen Kürzung der Mindestsicherung trifft sie besonders 10-11 Ganzheitlicher Blick Neue Interessensgemeinschaft für Geburtskultur 12-14 Der Lieder-Bastler Das Dornbirner Original Günther Sohm im Porträt 15 Rezept Tortilla mit Pute und drei Salsas 16-17 Vom Tod und Erwachen Wie sich der Frühling auf Trauernde auswirken kann 18-19 „Es blüht hinter uns her“ Der Steingarten von Christoph und Brigitte Heinzle 20-22 „Ich war sehr aufmüpfig“ Im Interview: Erna Reichweger, seit 50 Jahren Frohbotin 23 „Ich freue mich riesig auf unser Kind“ marie-Verkäufer Benjamin Ujunwa wird Vater 26-27 Der Baum, der sich vom Garten losgesagt hat Aus der Serie „Die Widerständigen“ von Daniela Egger 27 Impressum 28-29 Vom Maurer zum Altenpfleger Umfrage unter 16 beruflichen Umsteigern 30-31 1. Vorarlberger Schulpreis Zu Besuch in der Volks- und Mittelschule Hard

Liebe Leserin, lieber Leser, die deutschsprachigen Straßenzeitungen veranstalten alljährlich ein großes Treffen, um gegenseitig Erfahrungen auszutauschen und von einander zu lernen. Die marie als jüngster Spross in dem illustren Blätterwald war unlängst in Nürnberg dabei. Wir haben von dem Kongress nicht nur viele neue Erkenntnisse mitgebracht, sondern auch einen höchst ehrenvollen Auftrag. Die marie wurde mit der Ausrichtung des nächsten Kongresses, der im kommenden Jahr stattfinden soll, betraut. Es wird uns eine große Freude sein, die Macherinnen und Macher der Straßenzeitungen in Vorarlberg zu empfangen. Von anderen zu lernen, hilft uns im Bemühen, eine bessere Zeitung zu machen. Aber auch Ihre Meinung, liebe Leserin, lieber Leser, ist uns dabei sehr wichtig. Sagen Sie uns, was wir anders oder besser und was wir mehr oder weniger machen sollen. Wir freuen uns auch immer über Beiträge, die aus Ihrer Feder stammen. Gerne veröffentlichen wir diese in der marie. Nicht zuletzt legen auch unsere Straßenverkäufer großen Wert auf die Qualität ihrer marie. Weil es das Produkt ist, das sie verkaufen, und darauf wollen sie freilich stolz sein können. Umso mehr ärgert es unsere Kolporteure, wenn sie von einzelnen Menschen als Bettler angesehen werden. Von dieser Erfahrung berichtet auch Benny Ujunwa, den wir in dieser Ausgabe im Verkäuferporträt vorstellen (Seite 23). Er legt wie alle seine Kolleginnen und Kollegen Wert darauf, dass er nicht als Almosenempfänger betrachtet wird, sondern als jemand, der gerne eine – manchmal harte – Arbeit verrichtet. Zum Schluss noch ein Hinweis in eigener Sache: Die marie ist am Freitag, 5. Mai, 15 bis 17 Uhr, zu Gast bei Radio Proton. In der Sendung „Das offene Wort“ wird unser Redakteur Frank Andres alles rund um unsere Straßenzeitung erzählen und einen Blick hinter die Kulissen gewähren. Garniert sind die zwei Stunden – wie bei jedem Studiogast in der Sendung von Hans-Jürgen Holzer – mit seiner Lieblingsmusik.

Gsi 32-33

Ein stiller Held Wie ein Hörbranzer den Nazis Widerstand leistete

Kultur

Viel Freude beim Lesen der marie!

34-35 Kulturprojekt in St. Gerold Vier Frauen haben einen magischen Ort geschaffen 36-38 Veranstaltungskalender

Herzlich, das marie-Team

Rätsel 39

Varschtosch Vorarlbergerisch?

marie ist Mitglied im Weltverband der Straßenzeitungen. www.insp.ngo

Kontaktieren Sie uns

Sie haben Anregungen, Wünsche oder Beschwerden, dann schreiben Sie uns doch einfach. marie – Die Vorarlberger Straßenzeitung, Am Kehlerpark 5, Top 34, 6850 Dornbirn. E-Mail: redaktion@marie-strassenzeitung.at oder Sie rufen uns an unter 0677/61538640. Internet: www.marie-strassenzeitung.at. Wir freuen uns über Ihre Zuschriften!

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Bild des Monats

Der Ordnungshüter Foto: Frank Andres

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Didi (48) ist mit seinen vielen Ringen an Fingern und Ohren eine auffällige Erscheinung. Und er ist eine Respektsperson. Vor allem in seiner Funktion als Ordner-Obmann beim SV Lochau. „Ich wollte zuerst gar nicht“, betont er. Aber die Verantwortlichen im Fußballklub waren der Meinung, dass er der richtige Mann für diese Aufgabe ist. Didi sei nämlich bei allen Spielen dabei und jeder kenne ihn. Da habe er schließlich vor zweieinhalb Jahren ja gesagt. „Sie haben mich genommen, wie ich bin.“ Früher, so sagt er, war er ein „verrückter Typ“. Heute sei er viel ruhiger, dem Alkohol und dem Nikotin habe er abgeschworen. Der SV Lochau war schon immer Didis Herzensverein. „Ich habe schon früher am Ausschank mitgeholfen“, erzählt er. Selbst Fußball gespielt habe er aber nie. Die Mitarbeit im Verein ist für Didi eine willkommene Ablenkung. „Ich bin Epileptiker und habe derzeit keinen Job“, erklärt Didi. Der Fußball ist sein Leben. Und jetzt hofft Didi, dass sein Verein weiterhin so gut spielt und der SV Lochau in die Vorarlberg Liga aufsteigt. Die Chancen stehen gut.


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Mittendrin in V

Clownfrau ohne Grenzen

Mit Vorliebe schlüpft sie in Rollen, die mit feinem Humor, herzhafter Naivität und der „Weisheit der kleinen Frau“ punkten. Und gibt sich in ihren Kunstfiguren der Frage hin, ob diese sich nicht vielleicht mehr vom Leben hätten erwarten dürfen: Clownfrau Elke Maria Riedmann (54) alias Frau Heimpl, Brenda Feuerle oder Blombiene.

Text: Simone Fürschuß-Hofer, Fotos: Frank Andres, privat

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ie spricht Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, ein wenig Portugiesisch und seit Neuestem ein paar Brocken Suaheli. Sie ist Mutter eines erwachsenen Sohnes, sozial in unterschiedlichsten Kontexten engagiert und arbeitet als Clownin vor und hinter den Kulissen. Elke Maria Riedmann, 54, macht Theater für Groß und Klein, füllt ihre – vorwiegend clownesken – Rollen mit lustigen wie tragischen, mit naiven wie philosophischen Momenten und zeigt sich auf der Bühne poetisch wie komisch zugleich. Obwohl sie anmerkt, lieber Clownals Hausfrau zu sein, platziert sie wie zu Trotz selbstgemachte Nussgipferl auf dem Tisch ihres Reihenhauses, das in den 90er Jahren im Rahmen eines nachhaltigen, gemeinwohlorientierten Siedlungsprojekts in Dornbirn erbaut wurde. Derzeit beherbergt der Riedmann’sche Gebäudeteil, dessen plakatierter Eingangsbereich jede Litfasssäule vor Neid erblassen ließe, nicht nur Ehe- und Sohnemann, sondern auch Ibrahim, einen syrischen Flüchtling. Ihn hat Elke Riedmann kurzerhand zu Weihnachten einquartiert: „Ich war in den ersten zwei Monaten des Jahres in einem Waisenhausprojekt in Tansania engagiert, 150 Quadratmeter

für zwei, das wäre ja eine Platzverschwendung gewesen.“ Inzwischen bereitet Ibrahim – er ist gelernter Koch – immer mal wieder für seine Gastfamilie das Essen zu. Eine Gegenleistung, die Elke Maria Riedmann sehr zu schätzen weiß. „Ich koch’ ja schon gerne, aber nur, wenn ich Zeit habe“ sagt eine, die im Grunde lieber die Welt erkundet und Gelegenheiten beim Schopf packt. Beispielsweise als 1994 der Ex-Außenminister von Nicaragua in Lustenau zu Besuch war und sie eingeladen hat, mit Jugendlichen Theater in Managua zu spielen. (Zu) gesagt, getan. Nur eine der vielen Anekdoten aus Elke Maria Riedmanns Lebenslauf, dessen positive Verkettung von Ausbildungen, Chancen und Projekten sie zu der gemacht hat, die sie heute ist. Oder besser gesagt: Zu all jenen, die sie heute ist.

Vielseitig interessiert

Nach Abschluss ihrer ursprünglichen Ausbildung zur Sonderkindergartenpädagogin zog es Elke Maria Riedmann mit 21 das erste Mal nach Afrika, um dort einen blinden Lehrer bei der Eröffnung einer Schule für seh- bzw. köperbehinderte Menschen zu unterstützen. Zurück aus Kamerun eröffnete sie 1986 den vorarlbergweit ersten Kindergarten, lebte einige Zeit in der „Arche“ in Rom in Wohngemeinschaft mit Kindern mit Behinderung, arbeitete später im Kindergarten des Heilpädagogischen Zentrums Carina und ließ sich nebenbei zur Gestaltpädagogin ausbilden. Es folgten Theaterschulen im Tessin und in London und schlussendlich ihr „Grand Final“ an der renommierten, internationalen Theaterschule JACQUES LECOQ in Paris. Finanziert hat sie sich in jener Zeit über Ferialjobs in der Altenpflege in der Schweiz. „Als ich von Paris zurückgekommen bin, ist dann alles wie von selber in Richtung Theater weitergegangen. Fürs Gauklerfestival entstand die „Blombiene“, mit der ich heute noch Kindergärten zum Thema „Unfälle im Haushalt“ und Verkehrserziehung besuche.“ Als komische Aushilfskellnerin Frau Heimpl hat sie schon so mancher Veranstaltung auf den Zahn gefühlt, erhebt die liebenswerte Kunstfigur im altmodischen Servierschürzchen auch schon mal zur schrulligen Mo-


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Elke Maria Riedmann vor ihrem Haus in Dornbirn.

deratorin, die ihr Publikum mit in jedes Fettnäpfchen nimmt. „Ich genieße die Narrenfreiheit einer Frau Heimpl, weil clowneske Figuren wie sie nichts falsch machen können. Sie sind zu naiv um zu merken, dass sie sich nicht konform verhalten. Dieses Gefühl, nichts falsch machen zu können, möchte ich im Übrigen auch in meinen Workshops vermitteln. Gerade wenn ich mit Schülern zusammenarbeite, geht es im Grunde oft darum: Die Angst vor möglichen Blamagen zu nehmen, den Selbstwert zu stärken, das Reden vor Menschen zur Übungssache zu machen.“

Brenda im Himmel

Selbst stelle sie sich immer mal wieder die Frage, wie „groß“ denn ihr Leben sein soll, sein darf. Mit ihrer Kunstfigur „Brenda Feuerle“ gibt sie genau diesem Thema Raum und skizziert ein kleines, bescheidenes Leben, das auch so viel größer hätte sein können. Wenn in deren Todesanzeige steht: „Wir hätten ihr noch so viel zu sagen gehabt“, fragt sich die im Himmel angekommene Brenda Feuerle auf ihre unnachahmlich arglose Art: „Ja, was?“ Elke Maria Riedmann ist keine Schenkelklopfer-Kabarettistin, ihr Humor hat diese feine Nuance, die den Zuschauer manchmal zwischen Lachen und Weinen schwanken lässt. Es gefällt ihr, wenn sie die Menschen über ein ernstes Thema wie das Sterben zum Lachen bringt und diese dennoch den wahren Kern der Pointe mitnehmen: „Diesen Moment mag ich gerne in meiner Vorstellung: Dass die Leute beim Nachhausegehen über das Stück nachdenken oder darüber zu reden beginnen.“

Clownerie als Medizin

20 Jahre lang hat Elke Maria Riedmann als Cliniclownin gearbeitet und dabei eine Sensibilität für besonders schwierige Situationen entwickelt. Sie hat gelernt die Dinge beim Namen zu nennen, was sie sieht, in Worte oder Ausdruck zu kleiden, ohne dabei verletzend zu sein. „Denn das Offensichtliche nicht anzusprechen ist oft sogar schmerzhafter“, weiß sie aus Erfahrung. Aktuell widmet sie sich tatkräftig einem neuen Projekt:

„Clowns ohne Grenzen“: In Krisengebieten, an sozialen HotSpots, vor allem an Orten, wo es nicht alltäglich ist, möchten Artisten durch ihre gratis Auftritte ein Stückchen Hoffnung schenken. Der Sinnfrage stellt sich Elke Maria Riedmann durchaus. „Erst habe ich mir schon gedacht, ob denn nicht das Wohnen und Essen viel wichtiger ist als das Clownspielen aber inzwischen sehe ich es als Geschenk der anderen Art.“ Seit ein paar Wochen ist Elke Riedmann dabei, für diesen Sommer eine Reise in ein sizilianisches Flüchtlingslager, das 4000 Menschen beherbergt, zu organisieren und stellt sich dafür selber ehrenamtlich zu Verfügung. Wie groß ein Leben sein darf? Vielleicht so groß, so weit, so werterfüllt, wie jeder mag. Und auch bereit ist, den Preis dafür zu zahlen – in Form von Lebenszeit, Einsatz, Mut und Risiko. Chapeau, Frau Clownin.

INFOS UND KONTAKTDATEN Seit 17 Jahren ist Elke Maria Riedmann als Clownfrau Blombiene in Kindergärten zum Thema Verkehrssicherheit und Gefahren im Haushalt unterwegs und kann direkt oder über „Sicheres Vorarlberg“ gebucht werden. „Frau Heimpl“ feiert gerne und lässt sich für alle möglichen Feste und Veranstaltungen buchen! Kontakt: elkemariariedmann@aon.at, Tel. 05572 386555 Alle Workshops, Engagements und Auftritte unter www.elkemariariedmann.at Den international vernetzten Verein „Clowns ohne Grenzen“ gibt es in Österreich seit 2016: Artisten reisen ehrenamtlich in Krisengebiete um für die Menschen dort zu spielen: www.clownsohnegrenzen.at

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Mittendrin in V

Die beiden Sozialarbeiterinnen Sabrina Tschofen und Stefanie Wutzl. Im Hintergrund das Bild von Kaplan Bonetti, der so vielen obdachlosen Menschen ein Dach über dem Kopf geschaffen hat.

Kürzung der Mindestsicherung trifft wohnungslose Frauen 8/

Wenn Frauen kein eigenes Dach mehr über dem Kopf haben, landen sie oft in der verdeckten Wohnungslosigkeit: Sie kommen bei Familie, Freunden oder Bekannten unter. Die Mindestsicherung neu, die am Juli gelten wird, wird die Situation noch verschärfen. Text: Elisabeth Willi Foto: Frank Andres

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ozialarbeiterin Stefanie Wutzl berät und unterstützt wohnungslose Frauen beim Institut für Sozialdienste (ifs) und ist überzeugt: „Jede Frau kann von einem auf den anderen Tag von Wohnungslosigkeit betroffen sein.“ Sabrina Tschofen, Sozialarbeiterin bei den Kaplan Bonetti Wohnprojekten, erzählt dazu aus ihrer Praxis: Eine ihrer Klientinnen ist Anfang 30, hat einen Universitätsabschluss, aber seit einigen Monaten keine eigene Wohnung mehr. Das hat mehrere Gründe. Nach der Trennung und dem Auszug ihres Freundes aus der gemeinsamen Wohnung traute der Vermieter der Frau nicht zu, die Miete alleine bezahlen zu können und verlängerte den Mietvertrag nicht. Da die Frau in dem Bereich, in dem sie studiert hatte, keinen Job gefunden hatte, arbeitet sie als kaufmännische Angestellte und verdient nicht allzu viel. Für dieses Geld erhielt sie auf dem überteuerten Wohnungsmarkt keine passende Wohnung. Nun lebt sie seit mehreren

Monaten bei einer Freundin. Nie zuvor hätte sie gedacht, jemals eine Beratungsstelle wie Kaplan Bonetti aufsuchen zu müssen. So wie diese Frau sind sehr viele Frauen von versteckter Wohnungslosigkeit betroffen. Sie wohnen also nicht in einer der Institutionen für wohnungslose Menschen in Vorarlberg oder sind gar obdachlos, sondern sie kommen bei Familie, Freunden oder Bekannten unter. Oder die wohnungslosen Frauen gehen eine Zweckgemeinschaft mit einem Mann ein, der sie – und eventuell auch ihre Kinder – bei sich aufnimmt. Dafür führen sie ihm den Haushalt. Manchmal ist der Preis, den die Frauen dafür bezahlen müssen, sehr hoch: sexuelle Gefügigkeit und Unterordnung. Nötigung und Gewalt kommen in solchen Beziehungen sehr häufig vor. Die versteckte Wohnungslosigkeit ist wegen der hohen Dunkelziffer statistisch nicht zu belegen. Sie lässt sich aber ableiten: Obwohl Frauen stärker von Armut betroffen sind als Männer, scheinen sie in den Einrichtungen für wohnungslose Menschen weit weniger auf. Im Oktober

2016 waren von allen Personen, die ein Angebot der Wohnungslosenhilfe in Vorarlberg in Anspruch genommen haben, 28 Prozent weiblich. In absoluten Zahlen waren es 330 Frauen und 838 Männer. Im Oktober 2015 lag der Frauenanteil bei 31 Prozent. Die beiden Sozialarbeiterinnen sowie auch die Vertreter anderer Sozial­ organisationen befürchten: Durch die Kürzungen des Wohngeldes bei der Mindestsicherung neu, die ab Juli 2017 gelten wird, werden noch mehr Frauen in die Wohnungslosigkeit geraten.

Wohnungslos nach Trennung

Für die hohe Zahl an wohnungslosen Frauen sind vor allem drei Gründe ausschlaggebend, die oft ineinander spielen: Zum einen verfügen Frauen durchschnittlich über weniger Einkommen als Männer. Zum anderen geht der Wohnungslosigkeit sehr oft eine Trennung voraus. Selbst wenn die Frau den Mietvertrag unterschrieben hat und sie deshalb die Wohnung behalten könnte, ist dies oftmals nicht möglich. Weil: Sie kann sie sich schlicht nicht leisten.


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„Für den Mann ist dies oft weniger ein Problem, weil er mehr verdient, und die Kinder meistens bei der Mutter bleiben“, erklärt Sozialarbeiterin Stefanie Wutzl. Hat eine Frau viele Jahre lang Teilzeit gearbeitet, erhält nur eine geringe Pension und lässt sich dann scheiden, kann es sehr schnell passieren, dass sie ohne eigenes Dach über dem Kopf da steht. Der dritte Grund für die Wohnunslosigkeit sind die hohen Wohnkosten. Einer Alleinerzieherin mit zwei Kindern stehen für den Wohnbedarf 682 Euro warm ohne Heizkosten zu. In der Realität wird sie für dieses Geld nur sehr schwer und mit viel Glück eine solche Wohnung finden. Im Raum Dornbirn etwa gibt es kaum eine Drei-Zimmer-Wohnung unter 900 Euro, und drei Personen in einer Zwei-Zimmer-Wohnung werden von vielen Vermietern nicht akzeptiert. Das Umfeld der Betroffenen nimmt die Frauen oft nicht als wohnungslos wahr, da sie ja bei der Familie, Freunden oder einem Mann wohnen. Dass Letzteres eine reine, oft demütigende und teuer bezahlte Zweckgemeinschaft ist, weiß niemand. Der öffentliche Eindruck ist für die betroffenen Frauen sehr wichtig, da sie ihre Notlage unbedingt verbergen wollen. Auch nach außen hin versuchen sie, ganz normal zu erscheinen: Sie sind gepflegt, tragen Make-Up und ordentliche Kleidung. „Wenn man durch die Stadt geht und zwanzig Frau-

en sieht, kann eine darunter sein, die verdeckt wohnunglos ist. Man wird aber nicht sagen können, welche der zwanzig es ist“, erklärt Sozialarbeiterin Sabrina Tschofen. Auf die Frage, wie die Frauen es aus der Wohnungslosigkeit schaffen können, antwortet Sozialarbeiterin Stefanie Wutzl: „Gehen wir erst einen Schritt zurück. Wie kommen sie erst gar nicht dahin?“ Ein Punkt, der vor Wohnungslosigkeit schützen kann und einfach umzusetzen ist, ist die Aufnahme der Frau in den Mietvertrag. Wenn die Frau merkt, dass sie die Miete kaum mehr bezahlen kann, soll sie sich Beratung und Unterstützung bei der Caritas, dem ifs und weiteren Stellen (Kontakte siehe Factbox rechts) holen. Die weiteren Punkte und Maßnahmen, die vor Wohnungslosigkeit schützen, sind meist politischer Natur: Es sollte mehr leistbarer Wohnraum geschaffen und der Familienstand „verheiratet, aber getrennt lebend“ akzpetiert werden. Lebt eine Frau in Scheidung, ist ihr Familienstand nach wie vor „verheiratet“ und sie kann deshalb keine Ansprüche wie Wohnbeihilfe geltend machen. Auch würden sich die Sozialarbeiterinnen, die mit solchen Frauen arbeiten, wünschen: „Viele Vermieter wollen keine Kinder in ihren Wohnungen. Es wäre sehr hilfreich, wenn sich diese Einstellung ändern würde.“

UNTERSTÜTZUNG FÜR BETROFFENE – KONTAKTADRESSEN Unterstützung und Beratung in einer Notlage sowie Hilfe zur Existenzsicherung gibt es hier: Beratungsstelle Caritas Existenz und Wohnen, Feldkirch, Tel. 05522 2001700 Beratungsstelle DOWAS, Bregenz, Tel. 05574 90 9020 Kaplan Bonetti Beratungsstelle, Dornbirn, Tel. 05572 205226 ifs Beratungsstellen in ganz Vorarlberg: 051 755 + jeweilige Durchwahl; Bludenz +560, Feldkirch +550, Hohenems +540, Dornbirn +530, Bregenz +510, Bregenzerwald +520 Kolpinghaus Götzis, Tel. 05523 62 540 Kolpinghaus Bregenz, Tel. 05574 42569 Unterstützung und Beratung bei drohender Delogierung: ifs Delogierungsprävention, Röthis, Tel.: 051 755 500 Hilfe bei häuslicher Gewalt: ifs Gewaltschutzstelle, Feldkirch, Tel: 051 755 535 ifs FrauennotWohnung, Tel. 051 755 577

KLEIDER SPENDEN FÜR GUTEN ZWECK Mit dem Frühling kommt die Lust, sich neu einzukleiden. Das ist auch ein willkommener Anlass, sich von früheren Lieblingsstücken zu trennen. Diese müssen aber nicht weggeschmissen, sondern können gespendet und danach in Second-Hand-Shops wieder verkauft werden. Gespendete Kleidung schafft Arbeitsplätze: Mit der Sammelmenge aus sechs Kleidercontainern sichert carla, ein Sozialunternehmen der Caritas, einen Arbeitsplatz in Vorarlberg in der Sortierung und im Verkauf. Kleider spenden hat aber noch mehr positive

Auswirkungen: Bedürftige Menschen in Vorarlberg können dadurch gratis Kleidung erhalten, und es werden zahlreiche Projekte für Menschen in Not in Vorarl– berg sowie Caritasprojekte im Ausland unterstützt. In der Woche vom 2. bis 5. Mai finden in allen Vorarlberger Städten Aktionstage zu dem Thema statt– die sogenannten „Orange Days“. Sie werden von Dienstag bis Freitag, jeweils von 9.30 bis 11.30 Uhr, in den Stadtzentren bzw. beim Wochenmarkt abgehalten. Weitere Infos: www.carla-vorarlberg.at/ orangeday

Gespendete Kleider an das carla-Projekt der Caritas schaffen Arbeitsplätze.

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ACHTSAME GEBURTSKULTUR IN VORARLBERG Die neu gegründete Interessensgemeinschaft Geburtskultur a-z will für das Thema Geburt als natürliches Lebensereignis sensibilisieren und möglichst viele Rahmenbedingungen dafür bereitstellen. Das bedeutet eventuell, auch wieder ein Geburtshaus in Vorarlberg entstehen zu lassen. Text: Daniela Egger, Fotos: privat, Shutterstock

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ie Geburt eines Kindes ist in der westlichen Gesellschaft dank der medizinischen Versorgung immer sicherer und auch planbarer geworden. Dabei verlieren wir allmählich aus den Augen, wie sehr eine Geburt an die Grenze des Lebens und des Sterbens rührt, wie gestärkt und sicher Mutter und Kind aus der Erfahrung einer natürlichen Geburt hervorgehen und wie wichtig diese als Basis für Gesundheit, Beziehungsfähigkeit und ein gelingendes Leben ist. Die Interessensgemeinschaft „Geburtskultur a-z“ will einen ganzheitlichen Blick auf die Geburt des Menschen richten und der Frage nachgehen, was es für eine „achtsame bis zeitgemäβe“ Geburtskultur in Vorarlberg braucht. Durch den Wegfall des Entbindungsheimes in Lustenau im Jahr 2000 haben sich die Geburten hierzulande alle in die drei Landeskrankenhäuser und das Stadtspital Dornbirn verlagert – bis auf die jährlich zirka 80 Hausgeburten, die nur bei risikolosen Schwangerschaften möglich sind, und nur dank der zwei Hebammen, die diese Aufgabe noch übernehmen. Sie können die Flut der Anfragen aber schon lange nicht mehr bewältigen. Das Bedürfnis nach Alternativen ist vorhanden – das Angebot nicht. Im Mai startet deshalb zum Auftakt der „Geburtskultur a-z“ eine Veranstaltungsreihe in unterschiedlichen Institutionen im ganzen Land.

Angst ist berechtigt und hilfreich

Die Hebamme und Kräuterkundige Ingeborg Stadelmann ist eine der Referentinnen, die zur Auftaktveranstaltung über „Geburt und Vertrauen“ reden wird. Sie ist mit ihren natürlichen Produkten rund um die Schwangerschaft und Geburt auch in Vorarlberg sehr bekannt. Was sie über das natürliche Lebensereignis der Geburt zu sagen hat, wie sie angstfrei, beglückend und als stärkende Erfahrungen wahrgenommen werden kann und welche Rahmenbedingungen und Kompetenzen es dafür braucht, ist ein wesentlicher Beitrag zur Sensibilisierung in Vorarlberg. Die Autorin des Buches „Die Hebammen-Sprechstunde“, das als eines der meistverkauften Ratgeber rund um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett gilt, sagt in einem Interview mit Brigitta Soraperra, einer der Initiatorinnen der IG Geburtskultur: „Die Angst vor einer Geburt ist berechtigt, macht aber auch achtsam. Sie ist ein guter Wächter. Es ist ein unglaublich großartiges Ereignis, da gehören Angst und Achtsamkeit dazu. Achtsam


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Für eine achtsame und zeitgemäße Geburtskultur Eine Vortragsreihe der IG Geburtskultur a- z

Gründungsmitglieder der IG Geburtskultur (v.l.n.r.) Birgit Kalb, Körpertherapeutin; Mag. Natalie Gmeiner, Psychologin; Mag. Brigitte Soraperra, Kulturarbeiterin; Susanne Haunold-Sam, Hebamme; Dr. Heidemarie Körber-Lemp, Gynäkologin; DI Anna Katharina Dür, Architektin; Mag. Daniela Mittermayr-Zech, Psychotherapeutin.

zu sein ist ein Schlüssel für ein positives Erlebnis, für den Mut, sich auf ein Wagnis einzulassen, für das Vertrauen ins Leben. Vertraue dir selbst, lautet die Botschaft des weiblichen Körpers, der genau dafür konstruiert ist, ein Kind zu gebären. Er kann es. Dieses Ereignis fordert uns heraus, uns dem Leben hinzugeben.“

Geplante Kaiserschnitte als Norm

In unserer aufgeklärten Gesellschaft verlassen wir auf der Suche nach medizinischer Sicherheit das schlichte Vertrauen in natürliche Abläufe. Die medizinische Versorgung bietet ein Sicherheitsnetz, in dem die Gebärenden die Selbstbestimmung allzu schnell aufgeben. Dem Körper zu vertrauen, gerade wenn er spürbar an seine Grenze kommt, ist in diesem Spannungsfeld schwierig. Der Kaiserschnitt war immer nur ein medizinischer Notfall, inzwischen mutiert er aber häufig zum Wunschgeburtsvorgang, in der Annahme, er sei schmerzlos – und planbar. Aber auch der Kaiserschnitt tut weh, allerdings ohne die unterstützenden Hormone, die der Körper ausschüttet, um die Wehen erträglich zu machen. Heute sind viele Hebammen in Vorarl­berg bestens ausgebildet und wissen, was es braucht, um die Frauen zu unterstützen, können ihr Wissen aber im Krankenhausbetrieb nicht anwenden. Ingeborg Stadelmann sagt auf die Frage nach dem richtigen Ansatz für Veränderung: „Am Ende sollten alle am Tisch sitzen, die Frauen, die Hebammen, die Mediziner, die Versicherungen, die Krankenhaus-Betreiber, die Väter. Leider haben die Kinder keine Stimme. Nur gemeinsam lässt sich die natürliche Geburt wieder ins Bewusstsein holen, und so auch in die Geburtsräume der Krankenhäuser.“ Denkbar ist aber eben auch ein neues Geburtshaus, abgestimmt auf die Bedürfnisse von Eltern und Kind, eingerichtet nach aktuellsten geburtshilflichen Erkenntnissen und in enger Kooperation mit einem nahegelegenen Krankenhaus, in dem die vielen Frauen, die gerne eine Hausgeburt hätten, auch auf die Ressourcen zurückgreifen können, die jetzt so gravierend fehlen. Es geht darum, Bestehendes zu ergänzen, zu vernetzen und eine zusätzliche Wahlmöglichkeit zu schaffen. Die landesweite Veranstaltungsreihe der IG Geburtskultur a-z wird im Herbst fortgesetzt, um die aktuellsten Entwicklungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse rund um die Geburt und den Eintritt ins Leben zu beleuchten und öffentlich zu diskutieren. Sie wird von wichtigen Kooperationspartner/innen im ganzen Land unterstützt.

In Kooperation mit Hebammengremium Vorarlberg, Netzwerk Familie, schwanger.li, vorarlberg museum, Theater am Saumarkt und inatura Erlebnis Naturschau Dornbirn

MITTWOCH, 17. MAI Vortrag von Ingeborg Stadelmann (Hebamme, Referentin und Autorin) zum Thema „Die erste Berührung mit der Welt – Von Geburt und Vertrauen“. Im Anschluss Publikumsgespräch. Ort: Bregenz, vorarlberg museum, 19 Uhr DONNERSTAG, 8. JUNI

Österreichpremiere des Dokumentarfilms „Die sichere Geburt – Wozu Hebammen?“ in Anwesenheit der Filmemacherin Carola Hauck. Im Anschluss moderiertes Gespräch mit Fachpersonen und Publikumsdiskussion. Ort: Feldkirch, Kino Rio, 20 Uhr

MITTWOCH, 28. JUNI

Vortrag von Klaus Käppeli zum Thema „Die Kaiserschnittgeburt im Erleben des Kindes“. Im Anschluss moderiertes Gespräch mit Klaus Käppeli und Fachpersonen (Primar Dr. Walter Neunteufel – Leiter Geburtshilfe KH Dornbirn, Mag.a Julia Alvarez-Vonbank – Psychologin und Mutter) und Publikumsdiskussion. Ort: Dornbirn, inatura, 20 Uhr Infos, Kontakt: www.geburtskultur.com

marie zu Gast bei Radio Proton Am Freitag, 5. Mai, 15 bis 17 Uhr, ist marie-Redakteur Frank Andres zu Gast in der Sendung „Das offene Wort“ bei Hans-Jürgen Holzer im Studio von „Proton – das freie Radio“.

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Günther Sohm ist Liedermacher und Lyriker. Arbeitete als Zahntechniker und in der Drogenhilfe. Heuer wird das Dornbirner Stadt­original 70. Ein Porträt. Text: Frank Andres Fotos: Frank Andres, privat

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er Schnauz ist ab. Einem Unfall zum Opfer gefallen. Ausgerechnet beim Rasieren hat er sich ein Eck weggeschnitten. Zum ersten Mal seit 40 Jahren steht er bei einem Gespräch ohne da. Günther Sohm wuchs als Einzelkind auf. Besuchte in Dornbirn die Volksund Hauptschule. Die Handelsschule schmiss er nach einem Jahr. Begann stattdessen eine Lehre als Zahntechniker. Der damals 15-Jährige fühlte sich in Vorarlberg beengt. „Das Land wurde erzkonservativ geführt. Sogar Twist tanzen war verboten“, erinnert er sich. Es war für ihn daher ein Segen, dass die Berufsschule in Baden bei Wien ist. „Da bin ich wenigstens für zwei Monate im Jahr aus Vorarlberg rausgekommen“, erzählt er.

Von Prüfer abgelehnt

Günther Sohm trug seine Haare lang. Auch bei der Gesellenprüfung in Innsbruck. „Was fällt Ihnen ein? Sie tragen keine ordnungsgemäße Kleidung“, fauchte ihn der Prüfer an. „Ich habe nicht gewusst, dass auch die Haare dazu gehören“, erwiderte der 18-jährige Günther Sohm. Der Lehrer blieb aber stur und weigerte sich, ihn zur Prüfung an-

DER LIEDERBASTLER treten zu lassen. Günther Sohm fuhr ohne Gesellen-Abschluss zurück ins Ländle. Ein Jahr später trat er wieder an. Wieder mit langer Haarpracht. Wieder beim selben Prüfer. Und wieder wurde er abgelehnt. Doch dieses Mal blieb Günther Sohm stur. Weigerte sich zu gehen, durfte die Prüfung schließlich doch absolvieren und bestand sie mit Bravour. Mit Zahntechnik wollte er aber vorerst nichts mehr zu tun haben. Stattdessen versuchte sich Günther Sohm als Musiker, so wie sein Vater Hermann, der im Vorarlberger Rundfunk-Orchester das Waldhorn blies. Der erste Versuch mit der Band „Die Ameisen“ scheiterte aber kläglich. „Unseren ersten Auftritt hatten wir im Kronensaal in Lustenau. Nach drei Konzerten waren wir völlig zerstritten“, erinnert sich Günther Sohm. Er stieg dann als Bass-Gitarrist in eine Profi-Band ein und tingelte ein Jahr mit den Jungs im Tourbus durch die Lande. „Das ist jetzt mein Leben“, war er überzeugt. Doch seine Musiker-Karriere nahm ein jähes Ende. „An Silvester haben wir noch gemeinsam in einem Hotel in Partenen gespielt. Am 2. Jänner habe ich mit kurzgeschnittenen Haaren den Wehrdienst in Landeck angetreten.“ Doch gänzlich unmusikalisch ging es für Günther Sohm und zwei seiner ehemaligen Band-Kollegen, die sich zeitgleich mit ihm zum Bundesheer

gemeldet hatten, nicht weiter. Im Gegenteil: Der Hauptmann der Kompanie engagierte die drei Jungs für diverse Faschingsbälle. „Wir haben Polka gespielt, bis zum Abwinken“, denkt Günther Sohm „wehmütig“ an seine Militärzeit zurück. Als Zuckerl gab es eine Woche dienstfrei, um das Musik-Programm zu proben. Und nach einem Ballwochenende konnte das Trio montags offiziell blau machen. „So war die Gundausbildung erträglich“, sagt Sohm und kann sich einen Grinser nicht verkneifen.

Eigenes Ding machen

Nach dem Bundesheer wollten Günther Sohms Kollegen als Profis weitermachen. „Ich machte aber einen Rückzieher und begann als Zahntechniker zu arbeiten.“ Musik war ab diesem Zeitpunkt nur mehr sein Hobby. Günther Sohm stieg bei den „Gamblers“ von Walter Batruel, Hermann Schartner und Co. ein. Nach zwei Jahren hatte er aber genug. „Ich wollte mein eigenes Ding machen.“ Er spielte mit „Mr. Bluesmaschin“ Walter Batruel vier Jahre lang im Duo und sang eigene Texte in Hochdeutsch. Danach kehrte Günther Sohm zu seinen sprachlichen Wurzeln zurück und begann, seine Texte im Dialekt zu schreiben. „Dieses Bedürfnis ist aus meiner Sprachlosigkeit, die ich in meiner Lehrzeit erfahren hatte, entstanden. >>


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Günther Sohm, ohne Schnauz aber mit seinem Kompositions-Instrument, einer diatonischen Handorgel.

A ghörige Familie

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(Text u. Musik: Günther Sohm)

A ghörige Familie vier Ziommr in am Block und dMuottr hoaßt Cäcilie ma wohnt im driotto Stock

D Fernseh louft und niomand schout as kut an volla Krampf d Buob heat grad a Rollo bout d Vattr heat an Dampf

D Waldi biißt sich sealb in Schwanz ar wett spaziero goh und dOma züücht am Rosokranz dio möcht in Himml ko

A Tochtr und an müodo Sohn und beide groß und rund d Vattr der hoaßt Salomon und Waldi siina Hund

D Freund heat sMoatle gschwängorat etz is sä saubr dra ar heat d Pass vrlängorat und ischt i dUSA

D Vattr heat an stiero Blick und dMuottr luogat load und dTochtr wüord unheimle dick und bruucht an andrs Kload

D Vattr ischt an stilla Ma ar piplat gern a klä di Alt vo eahm hey dHosa a und dOma hey kuo Zäh

Und dMuottr kut i dWeachsljohr d Buob rüücht wio an Schlot und dOma heat d grauo Stor si wär am liobschto tot

D Buob vrfluochat dKirchostüür d Waldi lot des kalt und dOma seyt si stearb no hüür si sey scho bodo alt

Abr sus ischt alls okay dLüt siond ghörig und ou frey und wenn dio an Wickl händ blibt ar i d oagna Wänd

Der Alte stoht uf Gartozwerg der Jung uf Rockn Roll d Freund ischt übr alle Berg und dMuottr heat an Groll

D Papa suuft und dMama schimpft as tönt familiär d Hund ischt gegod Tollwuot gimpft und tuot als ob nix wär Am Obod gits Ragout mit Reis und an Salot drzuo dänn schlüüßt sich d Familiokreis – was söll ar sus ou tuo –


Mittendrin in V

„Die Ameisen“: Günther Sohms (2. von links) erste Band bei einem Fototermin am Jüdischen Friedhof in Hohenems. Diese Nummerntafel, designt von Friedensreich Hundertwasser, hat Günther Sohm bei einem Zeitungswettbewerb gewonnen und ziert jetzt seine Eingangstür.

Spielten vier Jahre im Duo: Walter Batruel und Günther Sohm.

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Früher hieß es immer nur: ‚Schaffa, nit reda“‘. 1991 nahm er seine erste eigene CD mit Dialektsongs auf. Der schlichte Name des Werkes: Günther Sohm. „Der Grafiker und ich konnten uns auf keinen Titel einigen“, erklärt der „Lieder-Bastler“, wie er sich heute selbst bezeichnet. Erst Jahre später bekam sein Erstlingswerk, neu aufgelegt vom damaligen Musikladen-Chef Josef Ess, den Namen „A ghörige Familie“ (siehe S. 13). Mit diesem Lied erlangte Günther Sohm vorarlbergweit Bekanntheit. Im bitterbös-ironischen Songtext wirft er einen Blick hinter das vermeintliche Familienidyll.

Wechsel in die Drogenhilfe

Mit 50 Jahren hing Günther Sohm seinen Job als Zahntechniker an den Nagel. „Meine Augen waren schlecht, mein Profil abgefahren“, erinnert er sich zurück. Und er begann beim „Ex&Hopp“ in Dornbirn, einer Anlaufstelle für Drogensüchtige, halbtägig zu arbeiten. Er tauschte Spritzen, besuchte Klienten im Gefängnis, vermittelte Wohnungen an ehemals Obdachlose. „Mein Alter ist mir im Job sehr zugute gekommen. Ich war für meine Klienten glaubwürdig und wurde von ihnen akzeptiert. Viele sahen in mir eine Vaterfigur“, betont er. Nach sieben Jahren in der Drogenhilfe war dann Schluss. Günther Sohm verabschiedete sich in die Pension.

Heute verbringt der Unruheständler seine Sommer meistens in Slowenien. Das ist die Heimat seiner Frau Marija, seiner großen Liebe, die er mit 20 kennengelernt und mit 40 Jahren geheiratet hat. In Slowenien haben die beiden gemeinsam ein Haus und einen gut gefüllten Weinkeller. Günther Sohm schreibt und textet nach wie vor Lieder und könnte sich vorstellen, eine dritte CD zu veröffentli-

„Wenn jemand zehn Kinder macht, finde ich das auch leicht übertrieben.“ chen. „Dann wäre es genug. Ich glaube, dann wäre das Grundlegende gesagt.“ Und das kinderlose Einzelkind zieht einen ungewöhnlichen Vergleich: „Wenn jemand zehn Kinder macht, finde ich das auch leicht übertrieben.“ Im September feiert Günther Sohm seinen 70. Geburtstag. Bis dahin sollte der Schnauzer wieder in voller Pracht sein Gesicht zieren. Wenn kein weiterer Fehlschnitt passiert.

2001 veröffentlichte Günther Sohm einen Lyrikband unter dem Titel „Verdichtungen- neunundneunzig und ein Reim“. Im Begleittext heißt es dazu: „ (...) Lesestoff für literarische Feinschmecker, ein Hausmittelchen gegen mögliche Alltagssorgen, notfalls die kleine Bibel für Agnostiker“. Die marie veröffentlicht Auszüge. Frauchen Frauen haben nur zum Scheine ihren Gatten an der Leine denn zu Hause sind im Grunde diese Helden Kettenhunde Trauer Maßlos quält die tiefe Trauer und das schadet auf die Dauer daher muss man sie im Stillen noch beizeiten einfach killen Erbschaft Meistens freuen sich die Erben wenn betuchte Tanten sterben darum wäre es von Nutzen sein Vermögen zu verputzen Das Buch bzw. die beiden CDs (A ghörige familie, brutal normal) sind direkt bei Günther Sohm erhältlich. E-Mail an info@guenthersohm.at oder telefonisch unter 05572 25081.


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Tortilla mit Pute und 3 Salsas

Günter Berger (39) aus Wolfurt ist ein erfahrener Koch. Zwei- bis drei Mal pro Woche zaubert er Mittagsmenüs in der Küche des dowas-Treff in Bregenz. Und das seit 14 Jahren. Günter hat zwar seine Lehre nicht abgeschlossen, kocht aber für sein Leben gern. Derzeit ist Günter, der bereits auf dem Bau, in der Landwirtschaft und als Kfz-Mechaniker gearbeitet hat, auf Jobsuche.

Rezept ist für vier Personen, Kosten pro Gericht betragen 2,50 Euro

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Zutaten für 4 Personen:

• 8 Stück Tortillas (mittlere Größe, fertig gekauft) • 2 Tomaten • 1 Avocado • ½ Gurke • Sauerrahm • Topfen • ½ Kopf Eisbergsalat • 300 Gramm Putenfleisch (in Streifen geschnitten) • 200 Gramm bunte Paprika • Knoblauch, Salz, Chiliflocken, Kreuzkümmel, Olivenöl

Zubereitung:

Topfen-, Sauerrahm-, Kräuterdip Einen halben Becher Topfen und einen halben Becher Sauerrahm mit Salz, Knoblauch, Pfeffer, Schnittlauch und Petersilie vermengen.

Tomatensalsa 1-2 Schältomaten aus der Dose zerdrücken. Eine kleingewürfelte Tomate und eine kleingeschnittene, mittelgroße grüne Paprika dazugeben. Mit 1-2 Esslöffel Ketchup, Salz, Knoblauch, Pfeffer oder Chili würzen.

Tortilla im Rohr erwärmen, Fleisch-Paprikamischung mit wenig Öl scharf anbraten. Tortilla falten und mit der Fleisch-Paprikamischung füllen. Guten Appetit und gutes Gelingen!

Avocado-Salsa 1 reife Avocado aus der Schale stechen, mit einer Gabel zerdrücken. Mit Knoblauch, Salz, Zitronensaft würzen.


Mittendrin in V

Dem geliebten Mensch einen neuen Platz im Herz geben In der Natur sprießt und gedeiht jetzt das neue Leben. Menschen können aber auch mit dem Gegenteil konfrontiert sein: dem Sterben einer geliebten Person. Trauerbegleiterin Astrid Bechter-Boss hat für die marie einen Text geschrieben, in dem sie erklärt, wie sich der Frühling auf Trauernde auswirken kann. Und sie berichtet, dass Trauerbewältigung keinen festgeschriebenen Regeln folgt, sondern stets unterschiedlich verläuft.

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ögel zwitschern, Blumen sprießen, die Sonne wärmt. Für viele Menschen fühlt sich Frühling wie ein neues Leben an. Die Freude, wieder hinaus zu gehen, mit allen Sinnen zu erfassen, was lebt und lebendig ist. Manche Menschen, die in der Trauer sind, mögen das und andere tun sich sehr schwer damit. Sie halten es kaum aus, dieses lebendig sein. Das Leben wird sichtbar und fühlbar in einer Lebenssituation, in der sie mit der Endgültgkeit des Todes beschäftigt sind. Mit der Endgültigkeit, die in ihr Leben kam. Es wird nie wieder so sein, wie es war. Für sie ist der Herbst und der Winter manchmal leichter auszuhalten, diese Jahreszeiten spiegeln wider, wie es ihnen geht und geben auch äußerlich die Möglichkeit, sich in den eigenen vier Wänden zurückzuziehen, inne zu halten und über das, was war und ist, nachzudenken, nachzuspüren. Auch das Umfeld von Trauernden möchte Gutes tun, sie wieder herauslocken, aus dem Dunkeln ins Licht. Leider ist das Bewusstsein über Trauer mit all den, fast mythischen, Ausdrücken verfälscht.

Was ist Trauer?

Trauerjahr – manche Menschen meinen, dass mit dem Trauerjahr die Trau-

er vorbei sein muss. Das ist weit gefehlt. Das Trauerjahr bedeutet nur einmal alle Tage, Feste, Gedenktage ohne die verstorbenen Person überlebt zu haben. Nicht mehr und auch nicht weniger. Trauerarbeit – Trauer ist Schwerstarbeit und doch nicht abzuarbeiten. Viele Menschen haben das Bild, wenn dies oder jenes getan wird, dann ist es schneller vorbei. Trauer ist vergleichbar mit dem Haushalt. Keine Arbeit ist je beendet. Der Spüler muss immer wieder ein- und ausgeräumt werden, die Wäsche immer wieder gewaschen und der Boden immer wieder geputzt werden. Sogar die Fenster bleiben nur eine gewisse Zeit sauber. Trauer ist ein Prozess, der durchgangen wird. Trauerbewältigung – Trauer kann nicht bewältigt oder überwältigt werden, sondern wird schmerzvoll ins neue Leben integriert. Es ist nicht ungewöhnlich, dass dieser Prozess drei Jahre und länger dauert. Manchmal sehr und dann wieder weniger schmerzend. Was noch lange – wenn nicht das ganze Leben – bleibt, ist die große Sehnsucht nach dem geliebten Menschen. Trauerphasen – Trauer ist nicht in abgeschlossene Phasen einteilbar. Unterschiedliche Themen werden präsent.

Sie kommen in unterschiedlichen Abständen und Reihenfolgen. Es ist nicht krankhaft nach einem Jahr noch immer nicht vollständig begriffen zu haben, dass der Tod endgültig ist, auch wenn das Wissen da ist. Trauernde brauchen Therapie – Trauer ist keine Krankheit. Trauer braucht Begleitung, Menschen die da sind und sich Zeit nehmen, keine RatSCHLÄGE geben, sondern zuhören, aushalten was gesprochen oder beschwiegen wird. Das Umfeld ist damit manchmal überfordert und dann kann es wohl tun, Menschen zu kennen, die auch auf diesem unge-


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TRAUERN IN DER GRUPPE

wollten Weg durch die Trauer da sind, oder eine Trauerbegleitung in Anspruch nehmen. Trauernde müssen loslassen – Wie soll das gehen? Einen geliebten Menschen loslassen, der im Leben verloren scheint? Eine neue Beziehung zur verstorbenen Person kann entstehen, wenn sie einen neuen Platz im Herzen, in der Erinnerung, im Leben des hinterbliebenen Menschen bekommt. Dann schwindet die Angst, ihn oder sie zu vergessen. Trauernde müssen so viel, wenn RatSCHLÄGE gegeben werden. Trauernde müssen NICHTS. Es geschieht lange Zeit mit ihnen, dass sie von Gefühlen überschüttet werden, dass sie plötzlich in einer unbedeutenden Situation übermannt werden. Trauernde überleben zuerst nur, dann kann wieder langsam und vorsichtig ein Vertrauen ins Leben entstehen, und mit dem langsam wachsenden Vertrauen kann auch langsam der Wunsch nach Leben und Lebendigkeit wachsen.

Der Slogan des Trauernetzwerkes Aspetos mit Sitz in Dornbirn lautet: „Trauer begleiten – Menschen verbinden – Erinnerungen teilen.“ Das wird durch unterschiedliche Dienste des Netzwerkes umgesetzt, unter anderem durch ein professionell begleitetes Forum im Internet und den neuen Trauergruppen in Vorarlberg. Die Trauergruppe findet an vier Abenden statt. Der erste Abend hat die verstorbene Person und die Zeit seit dem Abschied im Fokus. Durch das Erzählen dürfen und den Austausch können die Teilnehmenden feststellen, dass sie nicht alleine auf diesem ungewollten Weg sind. Am zweiten Abend wird der Blick auf das gerichtet, was helfen kann, was Erleichterung verschafft. Eigene Kräfte und Fähigkeiten können wiederentdeckt werden. Am dritten Abend finden die Teilnehmenden, was es braucht, um einen nächsten Schritt in das neue Leben gehen zu können, ohne die geliebte Person zurück zu lassen. Der vierte Abend endet in einem Lichtritual. Die Menschen aus der Gruppe verabschieden sich, um mit dem Erlebten, den Eindrücken und den Begegnungen ins Leben zurück zu gehen. HINWEIS: Die nächste Gruppe startet am Mittwoch, 3. Mai, in der Volksschule Müselbach. Die drei weiteren Abende sind am 17. Mai, 31. Mai und am 7. Juni. Uhrzeit: jeweils von 19 bis 22 Uhr. Anmeldung und Information bei Astrid Bechter-Boss: abb@aspetos.com oder 0676/6113399 Mehr Infos, zu den Kosten oder weiteren Gruppen in Sulz und Lustenau, unter www.aspetos.com

Foto: Shutterstock

ANGEBOTE FÜR TRAUERNDE

In Vorarlberg gibt es neben Aspetos weitere, verschiedene Angebote, den Prozess der Trauer nicht alleine durchleben zu müssen. Die Caritas bietet unter anderem Trauercafés an. Selbsthilfe Vorarlberg hat unterschiedliche Selbsthilfegruppen im Programm. RitualgestalterInnen entwickeln und leiten persönliche Rituale, die helfen können, weiterzugehen.

Astrid Bechter-Boss, Trauerbegleiterin und Projektmanagerin des Tauernetzwerkes Aspetos.

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Mittendrin in V

Manege frei! Hereinspaziert in das Reich von Christoph und Brigitte Heinzle in Doren. Interessierte Pflanzenliebhaber sind jederzeit willkommen.

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Wertvolle Raritäten aus dem Steingarten zum Mitnehmen. Der PflanzenGeschenke-Tisch ist wieder reich gedeckt.


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„Es blüht hinter uns her“

Christoph und Brigitte Heinzles riesiger Steingarten aus 300 Tonnen Sandstein ist ein Symbol leidenschaftlicher Naturverbundenheit. Diese teilen sie mit allen Menschen, die an ihrem Haus in Doren vorbeikommen. Denn auf dem Pflanzen-Verschenke-Tisch an der Straße warten viele Pflänzchen, darunter auch die eine oder andere Rarität, auf ihre neue Heimat. Text: Christine Mennel Fotos: Frank Andres, privat

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enn man die kleinen, pelzigen Blätter der weißen Melisse zwischen den Fingern reibt, verströmt sie einen ungewöhnlich intensiven, zarten Zitronenduft. „Farbe und Duft bleiben auch nach dem Trocknen, das ist eine ganz alte Sorte“, sagt der Wahl-Dorener Christoph Heinzle, der auch als Motopädagoge und Zirkusartist NaNo bekannt ist. Er steht auf der Terrasse seines Hauses in Doren und schaut auf seinen Garten, wo neben über 200 verschiedenen Pflanzen auch die weiße Melisse wächst. Vor 13 Jahren stand hier noch ein über hundert Jahre altes Bauernhaus, und dahinter entstand über die Jahre ein verwunschener Bauerngarten mit Rosenranken, Feuerstelle und idyllischem Teich. „Unsere Nachbarin Lotte schenkte uns aus ihrem prächtigen Bauerngarten immer wieder Pflänzchen“, erinnert sich Christoph Heinzle. „So entstand unsere Leidenschaft für Pflanzen, den Garten, die Natur.“ Brigitte „Bria“ Heinzle absolvierte eine Ausbildung zur Kräuterpädagogin und infizierte ihren Mann praktisch mit dem Gartenvirus. Als er eines Tages echten Baldrian mit nach Hause brachte, der im Herbst so viele Samen streute, dass darauf im Frühjahr 50 kleine Baldrianpflänzchen heranwuchsen, schlug die Geburtsstunde des Pflanzen-Verschenke-Tisches. „Es waren viel zu viele für uns und unseren Garten und wegwerfen wollten wir sie nicht“, erklärt Christoph Heinzle. Das Paar schickte sie lieber auf die Reise. Auf einer alten Holzbank wurden

diese Pflanzen an der Straße platziert, darüber kam ein Schild auf dem stand „GRATIS“. Trotzdem traute sich anfangs niemand, den Baldrian mitzunehmen. Aber bald sprachen sich die Gratis-Pflänzchen herum. Immer mehr und immer verschiedenere Pflanzen landeten auf der alten Holzbank. Und damit kam auch immer mehr positives Feedback zu den Hobbygärtnern, die große Freude am Verschenken hatten. „Wir lernten viele pflanzen-, und naturinteressierte Menschen kennen und konnten Wissen austauschen. Es fanden auch immer wieder neue Pflanzen und Raritäten den Weg in unseren Garten“, erinnert sich Christoph Heinzle. Im letzten Jahr der ersten Geschenke-Periode wurden 2500 Pflanzen verschenkt. Im April 2010 wurde das Projekt abrupt gestoppt, als ein Großbrand das alte Bauernhaus samt Scheune und Garten zerstörte. Zurück blieben schwarze, verkohlte Erde und hunderte Tonnen Sandsteine des verbrannten Hauses.

Zweites Leben

Wiederaufbau und Neubeginn waren nicht einfach, aber neben dem Hausbau hatte die Familie schon wieder ihre Pflänzchen und die Gartengestaltung im Kopf. In den letzten fünf Jahren entstand praktisch in „Handarbeit“ aus über dreihundert Tonnen Sandsteinen ein Garten mit begehbarer Kräuterspirale, Wegen und Treppen, einer runden Sitzbank an der Feuerstelle, einer großen Stützmauer beim Teich, freistehenden Grenzmauern und Beeteinfassungen. In den 600

Quadratmeter großen Garten kam kein Bagger, alles wurde händisch bewegt. Als sich erste, zarte Triebe durch die verkohlte Erde kämpften, wussten die Heinzles, dass auch der Garten wieder auferstehen wollte. Viele Pflanzen fanden wieder einen Platz und wuchsen unerschütterlich, wo es ihnen gefiel. „Sie vermehrten sich so sehr, dass wir 2013 unser Pflanzenverschenk-Projekt wieder gestartet haben“, sagt Christoph Heinzle. Motivation kam auch von vielen Menschen und „Stammkunden“, die den Pflanzentisch vermissten. Geld hatten die Heinzles eigentlich keines. Für 500 Euro, eine Anerkennung für „Trockensteinmauern – Lebensraum für Pflanzen und Tiere“ beim Hypo-Umwelt-Förderpreis 2013, kauften sie Gartenwerkzeug und torffreie Anzuchterde, um den Pflänzchen einen guten Start geben zu können. Heute gedeihen viele Minzsorten rund um den Apfelbaum, der durch Christophs Veredelung mehrere verschiedene Apfelsorten trägt. Duftende Gewürz- und Heilkräuter, üppige Stauden, Gemüse und farbenprächtige Blumen und Bäume. Sie alle haben eine neue Heimat im Steingarten von Bria und Christoph Heinzle gefunden. Momentan ist der Pflanzen-Verschenke-Tisch wieder reich gedeckt. Die Heinzles freuen sich über Gleichgesinnte. „Wer mehr über das Projekt und den Garten wissen möchte, kann uns gerne besuchen, den Garten anschauen und ein bisschen verweilen“, sagt Christoph Heinzle, „weil Pflanzen und Wissen vermehrt man, indem man sie teilt.“

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Mittendrin in V Für Erna Reichweger ist jetzt ihr Garten in Rankweil ihr Erholungsraum, mit Gemüse und Pflanzen.

„ ICH WAR SEHR AUFMÜPFIG“

Das Werk der Frohbotschaft in Batschuns wurde vor 70 Jahren gegründet. Erna Reichweger gehört der Gemeinschaft seit 50 Jahren an. Die marie sprach mit der 77-Jährigen über das Leben als Frohbotin, ihrer Zugreise mit vier Alkoholikern, jugendlichen Straftätern und warum sie es als Befreiung empfindet, ehelos zu leben.

Interview und Fotos: Frank Andres

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marie: Was war Ihr ursprünglicher Berufswunsch? Erna Reichweger: Ich wusste eigentlich gar nicht, was ich werden soll. In der Handelsschule habe ich dann aber gemerkt, dass mich Buchhaltung sehr fasziniert. Was ist daran so spannend? Man weiß bis zuletzt nicht, was rauskommt. Es muss am Schluss aber alles auf Punkt und Komma stimmen. Sind Sie ein Zahlenmensch? Ja. Ich war zehn Jahre lang Angestellte in einem Steuerberater-Büro. Damals konnte ich mir problemlos viele Steuer- und Telefonnummern der Klienten merken. Nur die Namen habe ich immer vergessen. Wie kam es aber nach zehn Jahren zum Wandel von der Büroangestellten zur Frohbotin? Waren Sie etwa als Kind schon besonders fromm? Überhaupt nicht. Im Gegenteil: Ich war sehr aufmüpfig. Bei der Erstkommunion hätte ich ein zweites Mal im weißen Kleid in der vorderen Kirchenbank Platz nehmen sollen. Das hat mir überhaupt nicht gepasst. Ich bin dann einfach mit normaler Kleidung aufgetaucht. Daraufhin wurde ich prompt aus der Erstkommunions-Gruppe ausgeschlossen

und habe mich in der Kirche in die letzte Reihe gesetzt. Da habe ich zum ersten Mal im Leben gespürt, was es heißt, ausgegrenzt zu sein. Es hat Sie dann aber offensichtlich nicht davon abgehalten, sich in der katholischen Kirche zu engagieren. Was ist da passiert? Im Religionsunterricht hatte ich einen strafenden Gott kennengelernt. In der katholischen Jugend wandelte sich durch die Bibel dieses Bild hin zu einem liebenden Gott, der sich für die Schwachen einsetzt. Vor allem das Programm Jesu hat mich fasziniert. Aber das erklärt für mich noch immer nicht, wie es zu diesem Wandel in Ihrem Leben gekommen ist. Gab es da ein Schlüsselerlebnis? In unserer Nachbarschaft gab es ein Heim für elternlose und schwierige Kinder, das von Ordensschwestern betreut wurde. Das hat mir gefallen, und ich hatte das Gefühl, dass die Welt durch eine solche Arbeit menschlicher wird. Und ich war der Überzeugung, dass das am besten in einer Gemeinschaft und vor allem ehelos funktioniert und für mich ein Weg für mein Leben sein könnte. Hatten Sie nicht den Wunsch nach eigenen Kindern?

Das war schon ein Thema. Ich hatte damals auch eine Bekanntschaft. Aber es war mir alles zu eng. Ich erinnere mich noch genau an eine Bauernfamilie, in der die Frau 14 Kinder zur Welt gebracht hat. Eines Tages sagte sie zu mir: „Ich sehe mich nirgends mehr drüber. Aber der Mann überfällt mich trotzdem jede Nacht.“ Da habe ich mir gedacht: Wenn das mit den Männern so ist, muss ich mich für die Frauen stark machen. Wie kam es zum Kontakt mit dem Werk der Frohbotschaft? Unser Kaplan hat mir davon erzählt. Er sagte, dass es in Vorarlberg eine Gruppe gäbe, die ganz normal leben würde. Mit 26 Jahren bin ich dann ins Ländle gekommen. Was haben Sie bei den Frohbotinnen gearbeitet? Meine Ausbildung als Buchhalterin konnte man gut gebrauchen. Ich habe im Verlag „Die Quelle“ angefangen, halbtägig zu arbeiten. Daneben habe ich eine mini-theologische Ausbildung absolviert. Nach drei Jahren Hineinwachsen in die Gemeinschaft legte ich die ersten Gelübde ab. Entschuldigen Sie bitte, aber ich bin ein religiöser Laie. Welche Gelübde meinen Sie?


#17 / Mai 2017

Werk der Frohbotschaft Pfarrer Edwin Fasching, Leiter des Seelsorgeamtes Feldkirch, erhält 1947 vom zuständigen Bischof die Zusage, eine sogenannte „Weltgemeinschaft“ – Säkularinstitut – gründen zu können. Am 13. Juni erfolgt die Gründung mit dem Versprechen von sieben Frauen, diesen neuen Weg mitten in der Welt, mitten unter den Menschen zu gehen. Die Gemeinschaft stellt ihr Wirken unter das Leitwort „Er hat mich gesandt, damit ich den Armen die Frohbotschaft (eine gute Nachricht) bringe ...“ (Evangelium nach Lukas, 4, 18). Das Neue bestand darin, die Lebensform der evangelischen Räte (Gehorsam/Verfügbarkeit, Ehelosigkeit/ Keuschheit und Armut) mitten in der Welt ohne besonderes äußeres Zeichen zu leben. Im Jahr 2012 verließ das Werk seinen Gründungsort und verlegte das Zentrum nach Dornbirn. Das Werk der Frohbotschaft ist Träger der Schule für Sozialbetreuungsberufe in Bregenz. Weiters ist es Träger der Kathi-Lampert-Schule für Sozialbetreuungsberufe in Götzis, der Schule für Hör- und Sprachbildung am Vorarlberger Landeszentrum für Hörgeschädigte in Dornbirn und der Sozialpädagogischen Schule in Schlins.

Armut, Keuschheit und Gehorsam, wie in einer Ordensgemeinschaft. Wenn ich richtig gerechnet habe, war das doch damals die Zeit des Umbruchs, der Revolution. Ging diese an der Gemeinschaft spurlos vorbei? Nein, ich bin auch ein Kind dieser 68er-Generation. Auch in unserer Gemeinschaft gab es einen großen Veränderungsprozess. An welchen Grundfesten haben Sie gerüttelt? Ein Punkt war die Eigenverantwortung der Mitglieder. In den ersten zwei Jahren hatten wir monatlich nur 100 Schilling zur freien Verfügung. Damit hätten wir alles bewerkstelligen sollen. Da hat es passieren können, dass jemand um Erlaubnis fragen musste, wenn er einen Wintermantel kaufen wollte. Diese Praxis wurde schließlich geändert. Und heute können alle in der Gemeinschaft über ihr Geld eigenverantwortlich verfügen und das was sie „erübrigen“, stellen sie der Gemeinschaft zur Verfügung. Im Sommer 1969 haben Sie begonnen, im Haus der jungen Arbeiter von Kaplan Bonetti zu arbeiten. Wie haben Sie diese Zeit erlebt? Damals wurde mir zum ersten Mal richtig bewusst, was es heißt, alleine zu sein

Erna Reichweger (2. von rechts) arbeitete 1969/70 im damaligen „Haus der jungen Arbeiter“ von Kaplan Emil Bonetti.

und nicht gebraucht zu werden. Es lebten dort 100 Männer. Alkohol und das Zusammenleben waren ein großes Problem. Das war für eine junge Frau damals sicher kein einfacher Job. Plaudern Sie doch ein bisschen aus dem Nähkästchen. Einmal bin ich mit vier Alkoholikern mit dem Nachtzug zur Entziehungskur nach Kalksburg in Wien gefahren. Davon habe ich den Mitschwestern in Batschuns gar nichts gesagt, sonst hätten sie mir das sicher verboten. War das Vorhaben nicht ein bisschen naiv? Ich habe schon mehrere Dinge in meinem Leben gemacht, die andere als naiv bezeichnen würden. Aber ich war immer ein Mensch, der auch in vermeintlich hoffnungslosen Fällen versucht hat, neue Wege zu finden. Und wie ist das Abenteuer mit den vier Alkoholikern ausgegangen? Sie sind nach einigen Monaten wieder nach Vorarlberg zurückgekommen und haben sofort wieder angefangen zu trinken. Doch einen habe ich nach vielen Jahren bei den anonymen Alkoholikern getroffen. Sie haben sich immer auch ehrenamtlich engagiert, unter anderem 16 Jahre in der Bewährungshilfe, als Begleiterin

von jugendlichen Straftätern. Ging es da immer gerecht zu? Dazu muss ich Ihnen eine Geschichte erzählen. Ich betreute einen Jugendlichen, bei dem ich hundert Prozent davon überzeugt war, dass ein Fehlurteil passiert ist. Er hätte zwei Wochen später ins Gefängnis gemusst. Und zu diesem Zeitpunkt war zufällig der damalige Bundespräsident Rudolf Kirchschläger im Land. Ich wollte unbedingt mit ihm sprechen. Das scheint mir ein schwieriges Unterfangen gewesen zu sein. Das war es auch. Ich bin ins Hotel Illpark nach Feldkirch gefahren, doch die Sicherheitskräfte wollten mich nicht zu ihm lassen. Ich bin dann einfach über die Stiege hinaufgegangen und dem Bundespräsidenten quasi direkt in die Arme gelaufen. Der hat geglaubt, dass ich vom Bildungshaus sei und ihn zu einem Vortrag in Batschuns abholen würde. Dann schilderte ich ihm das Schicksal des Jugendlichen. Der Bundespräsident glaubte meinen Schilderungen, weil ich vom Werk der Frohbotschaft gewesen bin. Besonders ergriffen von meinen Erzählungen war aber die Frau des Bundespräsidenten. Und was ist dann passiert? >>

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Mittendrin in V

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Der Bundespräsident sagte zu mir, dass ich ein Gnadengesuch machen soll. Adressiert an seine Privatadresse. Das habe ich mit Hilfe eines Rechtsanwaltes gemacht. Der Fall wurde dann nochmals aufgerollt und der Jugendliche schließlich freigesprochen. Haben Sie einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn? Gerechtigkeit ist mir ganz wichtig. Ich habe zuhause erlebt, was Krieg aus einer Familie macht. Mein Vater war sieben Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft. Ich bin deshalb eine entschiedene Kriegsgegnerin geworden. Ich habe mir geschworen, alles zu unterstützen, das Kriege verhindert. Ich war überall demonstrieren. In Ulm, als dort die Cruise Missiles (Marschflugkörper, Anm.) stationiert werden sollten und auch in Wackersdorf gegen die Errichtung einer Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte Brennstäbe. Sie haben aber nicht nur gegen den Krieg demonstriert sondern auch gegen die Bestellung von Klaus Küng zum Bischof der Diözese Feldkirch. Was war der Auslöser? Es ging vor allem um das „Wie“ der Bestellung von Klaus Küng. Es gab mehrere Bischofs-Vorschläge, aber die wurden von Rom alle ignoriert. Deshalb habe ich als Ausdruck des Protests

gemeinsam mit Hans Sperandio und einer Gruppe den „Weg der Hoffnung“ organisiert. 5000 Menschen haben daran teilgenommen. Klaus Küng war Mitglied des Opus Dei und damit ein Vertreter eines kirchlichen Weltbildes, das Ihrem doch völlig entgegenlief. Es ging also nicht allein um das „Wie“ der Bestellung. Natürlich. Ich habe mit Klaus Küng persönlich gesprochen. Ich habe zu ihm gesagt, dass die Kirche nicht einmal die Menschenrechte unterschreiben kann, weil die Gleichbehandlung von Mann und Frau fehlt. Da hat er nur geantwortet: „Aber Frauen können so viele gute Dinge tun, die Männer nicht können, zum Beispiel die Kirche schmücken und putzen.“ Diese Aussagen haben mich als Frau schwer getroffen. Ich fühlte mich nicht als vollständiges Mitglied der Kirche und Gesellschaft. Seit 2004 sind Sie offiziell in Pension. Sind Sie seitdem etwas ruhiger geworden? Nein. Ich habe jetzt noch mehr zu tun. Ich liebe die Natur und war bis vor kurzem noch viel in den Bergen unterwegs. Jetzt geht es nicht mehr so gut, weil ich ein künstliches Kniegelenk habe. Mein Erholungsraum ist jetzt der Garten mit Gemüse und Pflanzen.

Zur Person Erna Reichweger wurde am 1. Februar 1940 in Behamberg (Niederösterreich) geboren. Im Jänner 1967 trat sie ins Werk der Frohbotschaft ein. Im Sommer 1969 legte sie ihr Gelübde ab. Ab 1970 bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 2004 arbeitete sie im Verlag bzw. der Buchhandlung „Die Quelle“. Ehrenamtlich engagierte sich Erna Reichweger unter anderem in der Bewährungshilfe (1974 -1990), im Vorstand des Jugendhauses Graf Hugo in Feldkirch (1976-1992). Seit 2012 begleitet sie Asylwerber im Stammhaus der Frohbotinnen in Batschuns.

10 JAHRE MONTESSORIZENTRUM OBERLAND

Foto: Frank Andres

Unter dem Motto „UMdieWELT“ feiert das Montessori-Zentrum Oberland in Ludesch am Samstag, 13. Mai, 10 bis 16 Uhr, sein zehnjähriges Bestehen. Ein umfangreiches Programm bietet Erwachsenen und Kindern vielfältige Einblicke rund um die Arbeit im Montessori-Zentrum. Erwachsene und Kinder sind eingeladen, an verschiedenen Workshopstationen eigene Instrumente zu basteln,

Verpackungen, Stempel und Fotoalben zu gestalten, Experimente durchzuführen, sich mit Wasserkraft und Kläranlage zu beschäftigen, bei Spiel und Gesang mitzumachen sowie Geschichten zu lauschen. Schüler der Lernwerkstatt führen die Besucher durchs Haus und erzählen von ihrem Lernalltag, in Kurzvorträgen wird über Montessoripädagogik informiert. Auch ehemalige Schüler kehren zum Jubiläumsfest als Mitgestalter ins Haus zurück.


#17 / Mai 2017

Klara Büchele und Benny Ujunwa wohnen gemeinsam in einer Wohnung in Hard. Sie erwarten ihr erstes Kind.

„Ich freue mich riesig auf unser Kind“ marie-Verkäufer Izuchukwu Benjamin Ujunwa (32) aus Nigeria wird Ende Juni erstmals Vater. Die Straßenzeitung verkauft er seit März 2016 bei Spar Mathis in Dornbirn und hat dabei schon viele nette Menschen kennengelernt.

Text: Elisabeth Willi Fotos: Frank Andres, privat

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ls marie-Verkäufer Izuchukwu Benjamin – Benny – Ujunwa zum Interview in der Redaktion erscheint, schaut er ein bisschen müde aus, weil er an dem Tag so früh aufstehen musste. Die Müdigkeit ist aber schnell verflogen und macht einer unbändigen Freude Platz, als die Rede darauf kommt: Ende Juni wird der 32-jährige Benny erstmals Vater. „Ich freue mich riesig“, sagt er. Seine Freundin und Mutter des Kindes ist Klara Büchele (30) aus Hard, die bis zu ihrer Karenz als Kinderärztin im Krankenhaus Dornbirn arbeitete. Die beiden wohnen seit zirka einem halben Jahr zusammen in einer Wohnung in Hard. Kennengelernt haben sie sich im November 2015. Klara kam damals in die Flüchtlingsunterkunft, in der auch Benny lebte, um sich um die Kinder dort zu kümmern. Die beiden redeten mitein­ander, und wenige Monate später waren sie ein Paar. Bennys Erstname Izuchukwu wird so ausgesprochen: Isutschuku. Seine Klara kann das schon recht gut, die meisten anderen aber nicht. Deshalb lässt er sich

hier Benny nennen. Benny stammt aus Nigeria, genauer gesagt aus Biafra. Weil er für die Unabhängigkeit dieses südöstlichen Teils von Nigeria kämpfte, musste er Mitte 2015 seine Heimat verlassen. Über das Meer kam er nach Italien und nach einem Zwischenstopp in Innsbruck schließlich nach Vorarlberg. Die marie verkauft der Mann aus Nigeria seit März letzten Jahres bei Spar Mathis in Dornbirn. Er ist sehr dankbar für diese Aufgabe, da sie ihn vor dem Nichtstun bewahrt. Und Nichtstun ist das Allerschlimmste, weiß Benny. Eine Straßenzeitung zu verkaufen, ist aber durchaus auch harte Arbeit, sagt er. Deshalb ärgert es den sympathischen Afrikaner, dass Einzelne ihn anschauen und behandeln, als wäre er ein Bettler. Die allermeisten Kundinnen und Kunden jedoch – Benny gendert beim Sprechen übrigens wirklich – seien sehr nett und interessierten sich für ihn. Ebenso die Chefs von Spar Mathis.

Benny ist sehr glücklich in Vorarl­ berg, wo er gerne als Altenpfleger arbeiten würde. „Ich habe hier ein neues Leben gefunden“, sagt er. Nicht nur, weil er bald Vater werden wird. Sein Leben hier ist auch viel sicherer als in seiner Heimat. „Dafür danke ich der österreichischen Regierung.“ Und auch der Polizei: „Sie macht so gute Arbeit und Österreich zu einem sicheren Land. Wenn man nichts Schlechtes tut, hat man hier vor der Polizei nichts zu befürchten“, sagt Benny, der in seiner Heimat andere Erfahrungen gemacht hat. In Nigeria war Benny professioneller Fußballspieler in der zweithöchsten Spielklasse. In Vorarlberg spielt er hobbymäßig beim FC Hard 1b, muss momentan aber wegen einer Fußverletzung pausieren. Dafür hat er jetzt mehr Zeit für sein anderes Hobby: dem Spielen mit seinen Katzen Mäki und Sissy.

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Sieh, dass du Mensch bleibst! Es ist nicht schwer, braucht aber Mut. 24 /

Was macht das Menschsein aus? Gern wären wir alle stark und edel und doch regieren oft Kleinmut und Ängstlichkeit unser Leben. Unvertraute Situationen machen uns oft unsicher und zurückhaltend. Diese Unsicherheit behindert Begegnungen mit unseren Mitmenschen, weil sie ungünstige/ungesunde Verhaltensmuster verstärkt. Dann verschließen wir uns vor dem Unbekannten. Woher kommt die ablehnende Haltung all jenen gegenüber, die anders sind als ich selbst? Hier eine Spurensuche aus meinem ganz persönlichen Alltagsleben. Ismaal* (*Namen geändert) erzählte mir vom Terror in Tschetschenien und seinem Sohn Nurdi. Dieser musste sich verstecken, da Soldaten auf dem Weg zu seinem Haus waren. Im Nachbarort hätten sie alle jungen Männer des Dorfes erschossen. Vor mir saß ein verzweifelter Vater, der um das Überleben seines Sohnes bangt – auch mir wurde schwer ums Herz. Oft genug führt mich meine Betroffenheit in Wut, Verzweiflung oder Resignation. Doch anstatt mich damit auseinander zu setzen, blende ich meine Gefühle lieber aus. Plötzlich ertappe ich mich, wie ich nur noch in Zahlen über geflüchtete Menschen denke, nüchtern über notwendige Maßnahmen zur Integration spreche und Kostenanalysen betreibe. Alles wichtige Angelegenheiten, nur das Wesentliche darf nicht aus dem Blick geraten: hinter jeder Zahl steht ein Mensch mit einer Geschichte. Wenn wir diese Dimension in unserem Bezahlte Anzeige

Leben ausblenden, verlieren wir unsere Menschlichkeit und damit uns selbst. Das Fremde macht erst einmal Angst und zwar ganz einfach aus dem Grund: man kennt das Fremde nicht. Den Fremden kennt man auch nicht. Und wenn ich jemand nicht kenne, dann bietet mir dieser unbekannte Mensch eine enorme Projektionsfläche für meine Ängste und Phantasien. Das Fremde verliert seine Bedrohlichkeit nur, indem ich mich damit auseinandersetze. In der Begegnung wird mir das Fremde vertraut und verliert dadurch seine Bedrohlichkeit – und nicht nur das. Ismaal war der erste Tschetschene, den ich kennengelernt habe. Vor unserer ersten Begegnung wusste ich nur folgendes über ihn: positiver Asylbescheid, arbeitslos, verheiratet, Vater von fünf Kindern, psychische Probleme. Als ich ihn zu Hause besuchte, wusste ich nicht was mich erwartete. Ich traf einen gastfreundlichen Mann mit einer herzlichen

Familie. Ich traf einen Vater, der um das Überleben seines Sohnes bangt. Ich traf einen Menschen, der gefoltert wurde und seine Heimat verloren hat. Ich traf einen Mann, der trotz des vielen Leids in seinem Leben nicht aufgibt und für seine Frau und seine Kinder kämpft. Solche Begegnungen verändern, wenn man sie zulässt. Leider verstecken wir uns allzu schnell hinter einem Schutzwall aus Vorurteilen, um der Angst vor dem Fremden zu entgehen. Eine Angst, die sich meist aus übertriebenen Befürchtungen um wirtschaftliche oder persönliche Nachteile zu rechtfertigen versucht. Wenn wir ständig in Angst und Sorge leben, verkümmert unsere menschliche Seite. Angst trübt den Geist und das Herz. Und so werden wir unserem eigenen Leid und dem Elend der Anderen gegenüber unempfindlich. Wir werden entmenschlicht und uns selbst entfremdet. Der Psychoanalytiker und Soziologe Erich Fromm schrieb bereits in den


Bilder: Shutterstock

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Manchmal haben die Ängste uns in der Hand.

70er Jahren in seinem Buch „Haben oder Sein“1) über die Ursachen und Auswirkungen der Entmenschlichung: Je mehr ich mein Mensch-Sein verliere, desto mehr definiere ich mich durch das, was ich habe. Laut Fromm ist die Existenzweise des Habens das Übel der gegenwärtigen Zivilisation. Bin ich ein Mensch, der sich durch Besitz, Geld oder Ansehen definiert? Oder genügt mir, dass ich bin, der ich bin – einfach Mensch. Wenn aber das Haben die Basis meines Identitätsgefühls ist, „weil ich bin, was ich habe“, dann mache ich mir natürlich auch ständig Sorgen, dass ich verlieren werde, was ich habe. Wer bin ich, wenn ich bin was ich habe und dann verliere, was ich habe? Ein Niemand. So fürchte ich mich vor Dieben, vor wirtschaftlichen Veränderungen, vor Revolutionen, vor Krankheit, vor dem Tod. Und ich habe Angst zu lieben, Angst vor der Freiheit, vor dem Wachsen, vor der Veränderung. Ich werde defensiv, hart, misstrauisch,

Wo ziehe ich meine Grenzen und wo lasse ich sie hinter mir?

einsam, von einem Bedürfnis getrieben, mehr zu haben. Im Modus des Habens geht unsere Menschlichkeit verloren. Diese zeigt sich nicht zuletzt daran, wie wir mit den schwächsten Mitgliedern unserer Gesellschaft umgehen. Wenn ich nun einem Menschen wie Ismaal im Supermarkt oder im Bus betrachte, kann er schnell zum Verdächtigen meiner Verlustängste werden: „Wieder einer dieser Flüchtlinge.“ Ohne zu wissen, was Ismaal mir erzählt hat an jenem Nachmittag, würde ich ihn auch in 10 Sekunden wieder vergessen haben, ohne dass mir bewusst geworden ist, dass es sich hier um einen Menschen mit einer Geschichte handelt, der sich sorgt, der sich ängstigt und der wie ich ein friedliches Leben führen möchte. Text: Daniel Scheyer siehe Erich Fromm: Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft, Stuttgart 1976

1)

Daniel Scheyer, Projektmanagement Klinischer & Gesundheitspsychologe; Psychotherapeut in Ausbildung unter Supervision, in eigener Praxis tätig; Forschungsschwerpunkte: Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter, Achtsamkeit im psychosozialen Kontext, Psychotraumatologie.

mitweitblick gesellschaft bewegen www.mitweitblick.org

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Mittendrin in V

DIE WIDERSTÄNDIGEN

Der Baum, der sich vom Garten losgesagt hat Jedes Lebewesen hat ein Bedürfnis nach Selbstbestimmung – ob es von Karma oder Glück abhängt, in welcher Art von Körper man geboren wird, wissen wir nicht. Eines ist aber sicher: Manche Körper sind besser geeignet, sich in die Unabhängigkeit zu bewegen als andere. Eine Serie von Daniela Egger

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Foto: Frank Andres

ie genau sich Unabhängigkeit definieren lässt, wäre eine tiefer zu ergründende Frage, aber gehen wir einmal davon aus, dass Lebewesen, deren Körper sich von einem Ort zum anderen bewegen können, ein gewisses Gefühl von Freiheit erfahren können. Sie sind also durch ihre Körperlichkeit privilegiert. Und dann sind da die Pflanzen, Lebewesen, die zwar unglaubliche Durchsetzungskraft entwickeln können, wenn sie nur genug Zeit bekommen. Wir kennen alle die Gänseblüm-

Roma erzählen in Bregenz ihre Geschichte Wer Geschichten erzählt, bestimmt ihren Inhalt. Nahezu alle Geschichten über Roma und Sinti wurden von Nicht-Roma erzählt. Die so verbreiteten Vorurteile halten sich bis heute: Dass diese Menschen gar nicht arbeiten wollen, stattdessen lieber betteln oder stehlen, heißt es zum Beispiel vielfach und nach wie vor. Roma und Sinti vermitteln in der Ausstellung „Romane Thana.

Orte der Roma und Sinti“ selbst ihre Geschichte – an den Orten, an denen sie leben und arbeiten: in Siedlungen im Burgenland, an den Arbeitsplätzen zugewanderter Roma, auf den Straßen Vorarlbergs. Oder an den Orten der Verfolgung und Massenvernichtung während des Zweiten Weltkriegs. Diese Gegenerzählungen zu den vorherrschenden Stereotypen geben Einblicke

in die Lebenssituation von Roma und Sinti in Österreich. Die Ausstellung wird von 25. Mai bis 8. Oktober im vorarlberg museum gezeigt und ist eine Kooperation mit der Initiative Minderheiten, dem Landesmuseum Burgenland, dem Romano Centro und dem Wien Museum.


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Impressum chen, die massive Asphaltdecken durchbrechen, um ihre zarten Blüten völlig unversehrt in die Sonne zu strecken. Aber weggehen können sie nicht. Wenn sie einmal Wurzeln geschlagen haben, sind sie dazu verdammt, sich mit ihrer Umgebung zu arrangieren – und sie notfalls zu bezwingen. Die meisten Pflanzen scheinen damit kein Problem zu haben, sie fallen still und meistens unbemerkt über ihre Nachbarn her, stehlen ihnen Licht und Wasser oder erdrücken sie mit intensivem Wachstum. Sie setzen sich auf ihre Art durch – die Unterlegenen verschwinden. Wer glaubt, die Pflanzenwelt wäre eine friedliche, der hat nie genau hingeschaut. Auch dort wird mit allen Mitteln gearbeitet, von Giftmord bis zur feindlichen Übernahme geschieht alles direkt in unseren idyllischen Vorgärten. Nur eben lautlos. Und dann gibt es diesen Baum, der das Unmögliche geschafft hat. Trotz seiner massiven Wurzeln hat er sich von seinem Garten entfernt, und zwar ein gutes Stück. Schweigend macht er mit all seiner Präsenz deutlich, was er vom Rest des Gebüsches hält, das einst zu seinem Garten gehörte. Er steht auf dem Grund eines herrschaftlichen Hauses auf teuerstem Bregenzer Baugrund, die Gegend wird Dorf genannt. Irgendwann einmal war er Teil der Gartengestaltung. Er bezeichnet die Abgrenzung zur Straße und schützt das Haus vor neugierigen Blicken. Aber er gehört nicht mehr dazu. Die (vielleicht erst nachträglich) gepflanzte Hecke hat er mit seinem massiven Stamm nach hinten gedrängt, sie macht einen respektvollen Bogen um ihn herum. Seither steht er frei, so unabhängig wie ein Baum es sein kann und schweigt. Das Schweigen ist die heilige Nutzlosigkeit, sagt der Philosoph Max Picard. Jeder Baum ist immer auch ein philosophisches Wesen.

Lesen Sie in der nächsten Ausgabe der marie von dem Brunnen, aus dem keiner mehr trinkt.

Grundlegende Richtung Die Straßenzeitung marie versteht sich als Sprachrohr für die Anliegen von Randgruppen unserer Gesellschaft. marie ist ein Angebot zur Selbsthilfe für Menschen an oder unter der Armutsgrenze, die ihren Lebensmittelpunkt in Vorarlberg haben. Ziel ist die Förderung des Miteinanders von Menschen am Rande der Gesellschaft und der Mehrheitsgesellschaft. Die Hälfte des Verkaufspreises von 2,50 Euro verbleibt den Verkäufern. marie ist ein parteiunabhängiges, soziales und nicht auf Gewinn ausgerichtetes Projekt. Redaktion marie – Die Vorarlberger Straßenzeitung, Am Kehlerpark 5, Top 34 6850 Dornbirn Telefon: 0677 61538640 eMail: redaktion@marie-strassenzeitung.at Internet: www.marie-strassenzeitung.at Redaktion: Frank Andres, Elisabeth Willi (Leitung) MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Astrid Bechter-Boss, Daniela Egger, Simone Fürnschuß-Hofer, Christine Mennel, Mirjam Steinbock, Gerhard Thoma, Robert Thoma Zeitungsausgabestellen: Dornbirn Kaplan Bonetti Sozialwerke Kaplan-Bonetti-Straße 1 Montag und Mittwoch 14 bis 15 Uhr und Freitag von 8 bis 9 Uhr Bregenz dowas, Quellenstraße 18 Montag und Donnerstag 8.30 bis 10.30 Uhr Bludenz do it yourself, Kasernplatz 5-7/3b Montag und Mittwoch 14 bis 16 Uhr Feldkirch Caritas-Cafe, Wohlwendstraße 1 Dienstag und Freitag 10 bis 12 Uhr Anzeigen Kontakt: anzeigen@marie-strassenzeitung.at

SERVUS, LIEBER BENNO

Foto: Frank Andres

Benno Guter aus Bregenz ist mit nur 53 Jahren völlig unerwartet gestorben. Der gelernte Koch hat zuletzt zwei Mal pro Woche im dowas-Treff in Bregenz gemeinsam mit Marcus Ritschel in der Küche gewerkt. Benno Guter, von dem auch das Rezept in der April-marie stammt, lebte lange im Ausland, die meiste Zeit in den USA. Die marie sagt leise Servus, Benno!

Medieninhaber und Herausgeber Verein zur Förderung einer Straßenzeitung in Vorarlberg, ZVR-Zahl 359044778 6833 Klaus eMail: redaktion@marie-strassenzeitung.at Externe Beiräte DSA Markus Hämmerle, DSA Heidi Lorenzi, Cornelia Matt, Mag. Peter Mayerhofer, Dr. Claudio Tedeschi Druck: Russmedia Verlag GmbH, Schwarzach Auflage 20.000 Exemplare Erscheinungsweise monatlich Layout/DTP Alexander Grass Bildbearbeitung Fitz Feingrafik Bankverbindung & Spendenkonto Raiffeisenbank im Rheintal IBAN: AT94 3742 0000 0648 3580 BIC: RVVGAT2B420 © 2017 marie. Alle Rechte vorbehalten.

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Mittendrin in V

ERST MAURER, JETZT ALTENPFLEGER

Bisher arbeiteten sie als Sekretärinnen, Gastwirtinnen, technische Angestellte – und nun werden sie diplomierte SozialbetreuerInnen. 42 SchülerInnen der Schule für Sozialbetreuungsberufe in Bregenz haben die Ausbildundgszweige „Altenarbeit“ oder „Familien-/Behindertenarbeit“absolviert. Jetzt machen sie die letzten Prüfungen und starten bald in ein komplett neues Berufsleben. 16 von ihnen hat die marie befragt, weshalb sie das tun.

DIE FRAGEN (1) Weshalb haben Sie sich dazu entschieden, den Beruf zu wechseln? (2) Was erwarten Sie sich vom neuen Beruf?

Jasminka Islamovic, 38, Dornbirn, bisher Mitarbeiterin in der technischen Produktion (1) Senioren mit ihrem ganzem Wesen und ihrer Lebensgeschichte berühren mich sehr. (2) Wertschätzung zu vermitteln und die Bedürfnisse von Senioren zu erfüllen, macht mir sehr viel Spaß.

Katrin Deuring, 30, Lochau, bisher Floristin (1) Ich wollte einen Beruf, in dem ich mit Menschen in Kontakt treten kann. Eine Freundin ermutigte mich zu meiner be- ruflichen Veränderung. (2) Ich möchte Menschen in ihrer spezifischen Lebenssituation unterstützen und ihnen damit etwas Gutes tun.

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Ramona Ganahl, 25, Schruns, bisher kaufmännische Angestellte (1) Die Arbeit im Sozialbereich und mit Kindern hat mich schon immer interessiert. (2) Ich freue mich auf die Vielfältigkeit des Berufsbildes SozialbetreuerIn und auf die Arbeit im Team.

Elfriede Bonat, 53, Bregenz, arbeitete bisher in der Kleinkindbetreuung

Ulrike Riedmann, 48, Frastanz, gelernte Damenschneiderin (1) Während der Kindererziehungszeit arbeitete ich beim Mohi und entschied mich vor zehn Jahren zur Ausbildung im Bereich Altenpflege Diesen Sommer schließe ich mit dem Diplom ab. (2) Ich arbeite bereits seit acht Jahren in dem Beruf und weiß, dass er richtig für mich ist.

Elke Krusch, 45, Bregenz, bisher Einzelhandelskauffrau

(1) Viele Jahre war ich in der Kleinkindgruppe tätig. Jetzt habe ich die Möglichkeit, noch professioneller und effektiver mit Eltern und Kindern zu arbeiten.

(1) Nachdem meine zwei Kinder groß genug waren, ergriff ich die Chance, meinen Traum, im sozialen Bereich zu arbeiten, zu verwirklichen.

(2) Ich freue mich auf die Zukunft, in der ich meine gelernte Kompetenz gezielt einsetzen darf.

(2) In der Familienarbeit kann ich Menschen etwas Positives mitgeben, um so ihr Leben zu erleichtern.

Carmen Hammerer, 24, Egg, bisher Einzelhandelskauffrau und Gastronomie (1) Bereits als Jugendliche habe ich gerne Kinder betreut, und ich suchte auch eine neue berufliche Herausforderung. Wichtig war immer der Kontakt zu Menschen. (2) Durch die Ausbildung an der Schule für Sozialbetreuungsberufe weiß ich nun, dass ich meine berufliche Zukunft in der Pflege sehe.

Eva Karnaka, 45, Rankweil, bisher Sekretärin (1) In meinem bisherigen Berufsleben hatte ich immer mit Menschen zu tun, ich suchte eine neue Herausforderung. (2) In den Praktika erhält man viele Ein- blicke in unterschiedliche Bereiche. Mein Ziel ist es, einen Beruf zu finden, in dem ich das Gelernte umsetzen kann..


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Angela Horneber, 28, Mäder, bisher Gastronomiefachfrau (1) Nach zehn Jahren Gastgewerbe möchte ich mich nicht nur um das leibliche, sondern auch das seelische Wohl meiner Mitmenschen bemühen. (2) Mein Traum: Ein eigenes Café für Menschen mit Betreuungsbedarf, damit sie eine Chance auf Tagesstruktur und Selbstent- faltung erhalten.

Barbara Kienecker, 35, Innerbraz, bisher im Tourismusbereich gearbeitet

Ingeborg Posch, 51, Kennelbach, bisher Gastwirtin

(1) Die Arbeit mit lebenserfahrenen Menschen hat mich auf meinem persönlichen Weg geprägt und mich inspiriert und angespornt, mich in diesem Bereich weiterzubilden.

(1) Ich lernte diesen Beruf zuerst aus der Sicht des Angehörigen kennen. Nach einer beruflichen Veränderung merkte ich, dass dies genau das war, was ich immer schon tun wollte.

(2) Den wertschätzenden Umgang miteinander und ein generationsübergreifendes Lernen voneinander.

(2) Mein Wunsch ist es, den alten Menschen einen würdevollen Lebensabend zu ermöglichen.

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Renate Eugster, 35, Langengg, bisher Sekretärin (1) Weil ich immer mehr das Gefühl bekommen habe, dass ältere Menschen in unserer Gesellschaft keinen Platz mehr haben. Ich wollte nicht nur von Inklusion sprechen, sondern auch meinen Teil dazu beitragen. (2) Begegnungen sammeln, Freude am Tun.

Sandra Fritz, 27, Dalaas, Bankausbildung

Jeronimo Rodriguez Lopez, 51, Dornbirn, bisher Maurer (1) Ursprünglich komme ich aus Nicaragua. Nach 23 Jahren als Weber und Maurer in Vorarlberg suchte ich eine neue „Berufung“. (2) Es ist mein Traumberuf, mit und für bedürftige Menschen zu arbeiten.

Patrizia Sauer, 48, Altach, bisher Einzelhandels- und Bürokauffrau

(1) In den letzten Jahren, seit meiner Matura, habe ich einiges ausprobiert. Bei den Praktika im sozialen Bereich bin ich hängen geblieben.

(1) Ich suchte eine neue persönliche und berufliche Herausforderung und die Lebendigkeit in der Arbeit mit Menschen.

(2) Ich möchte gerne im Bereich Menschen mit Beeinträchtigung bleiben.

(2) Neben der Pflegekompetenz gibt es sehr viele Möglichkeiten, in diesem Beruf seine Kreativität auszuleben (tanzen, basteln, Gedächtnistraining, etc.).

Susanne Wüstner, 51, Lauterach, bisher Einzelhandels- und Bürokauffrau (1) Die Pflege und Betreuung meiner Schwiegermutter, der Umgang und die Biografie älterer Menschen bestärkte mich, dies zu meinem Beruf zu machen. (2) Der Beruf ist sehr vielseitig und kann bis zur Pension ausgeübt werden.

HINWEIS: Infos über die Schule für Sozialbetreuungsberufe in Bregenz unter www.sozialberufe.net Für die Ausbildungszweige Altenarbeit sowie Familien-/Behindertenarbeit kann man sich noch bis 15. Mai anmelden.


Mittendrin in V

Eins und eins ergibt ein Vielfaches Die erste, echte, gemeinsame, öffentliche Schule der 6- bis 14-jährigen ist gestartet – und erhält sogleich eine Auszeichnung. 334 Volksschulkinder und 295 Jugendliche der Mittelschule lernen in Hard Markt klassenübergreifend, individualisiert und mit alternativen Leistungsbewertungen.

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Text: Daniela Egger, Fotos: Frank Andres

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eide Schulen, Volksschule und Mittelschule Markt, sind für den 1. Schulpreis des Landes Vorarlberg nominiert, in den zwei Kategorien für Grundstufe und Sekundarstufe I. Unter dem Motto „Vielfalt macht Schule“ schrieben das Land Vorarlberg und der Landesschulrat für das Jahr 2017 den Preis aus. Er soll engagierte und innovative Schulen in Vorarlberg hervorheben, die den Schulentwicklungsprozess mit besonderer Initiative betreiben. Eine Auszeichnung ist beiden Schulen sicher, mit ihnen erhalten jeweils zwei weitere Schulen in ihrer Kategorie einen Preis, die Reihung wird am 19. Mai bekannt gegeben. Christian Grabher, der Direktor der Mittelschule Hard Markt, fand bereits ein Jahr nach seinem Amtsantritt im Jahr 1999 ein Lehrerteam, das mit der ersten Integrationsklasse, mit individuellem Unterricht und mit einem neuen Rollen-Verständnis der Lehrpersonen startete. Seit Karin Dorner 2012 die Leitung der Volksschule übernommen hat, erarbeiteten die beiden Schulen ein Konzept für eine gemeinsame Schule. Es steckt unglaublich viel Arbeit und Herzblut dahinter, wenn die Lehrerteams von zwei Schulen gemeinsame Ziele ansteuern sollen, die den Unterricht vollkommen verändern. Nicht allen fällt das neue Rollenverständnis leicht, aber Motivation und Machbarkeit hängen zusammen. In kleinen Schritten, mit guten Fortbildungsangeboten und kompetenter externer Begleitung ist es

gelungen, die Stimmung an der gemeinsamen Schule positiv zu verändern. Wenn zwei starke und mutige Schulleiter zusammen arbeiten, erweitern sich die Möglichkeiten um ein Vielfaches. Auch für die Kinder und Jugendlichen hat sich die Schule spürbar verändert. „Schon der Schritt vom Kindergarten in die Volksschule ist uns viel Aufmerksamkeit wert und wir nehmen uns Zeit und Geduld, damit der Wechsel gut gelingt“, berichtet Karin Dorner. Durch die Schulstufenmischung 1, 2 und 3 lernen die Kleinen von den Größeren, das soziale Gefüge ist bunter und lehrreicher, die Lernmaterialien sind anregend und machen Freude. Seit dem Schuljahr 2016/17 werden auch über die Nahtstelle der VS und NMS die Schulstufen 4, 5, 6 gemischt.

Sog erzeugen durch gute Arbeit

Grund genug für eine wachsende Zahl von Eltern, ihre Kinder nicht aufs Gymnasium zu schicken, sondern sie in der Schule zu lassen. Dies ist ein Meilenstein im Erreichen eines zumindest offiziell deklarierten Zieles der Vorarlberger Landesregierung, nämlich die gemeinsame Schule der 6- bis 14-jährigen und die bessere Durchmischung an den Brennpunktschulen. Apropos Brennpunktschulen – es gibt viele davon in Vorarlberg und auch Hard Markt gehört dazu. Das mag einer der Gründe für die tatkräftige Unterstützung der Gemeinde auf dem Weg in ein neues Schulkonzept sein, aber auch für den Bau einer neuen Schule, die im Jahr 2018 bezugsfertig sein soll. Die Architektur ist auf die neuen, individuellen Lernformen und


#17 / Mai 2017

Die Bibliothek ist ein beliebter Treffpunkt von Schülerinnen und Schülern.

Karin Dorner ist Direktorin der Volksschule Hard Markt: „Schulentwicklung hört nie auf.“

Klassenverbände ausgerichtet, die beiden Schulleiter und engagierte LehrerInnen wurden von Anfang an in die Planung miteinbezogen. Dieses Gebäude bietet alles, was junge Menschen für ein gutes soziales Miteinander brauchen, Rückzugsmöglichkeiten, Bühne, Werkstätten, Räume für Gruppenarbeiten, eine Küche, Musikzimmer, Sportanlagen in Fülle und dazu ist sie an prominenter Stelle direkt am Harder Seeufer gelegen. Auch das zeigt die Wertschätzung der Gemeinde-Verantwortlichen den Kindern gegenüber, wie auch den Lehrerinnen und Lehrern, die sich um die kompetente Betreuung und Wissensvermittlung kümmern. Hier wurden zuerst pädagogische Inhalte geschaffen und danach Architektur geplant. Die Inhalte lesen sich so, dass man sich als Erwachsene wünschen würde, noch einmal anfangen zu dürfen.

Ein Blick in die Zukunft

„Der Start der gemeinsamen Schule ist nach sehr vielen Anstrengungen geglückt, jetzt gilt es, die Umsetzung bis zur achten Schulstufe weiter wachsen zu lassen und eventuell darüber

Die Eingangstüren jeder Klasse sind individuell und liebevoll gestaltet.

hinaus zu denken“, sagt Karin Dorner. Und Christan Grabher ergänzt: „Schulentwicklung hört nie auf. In der neuen Schule sind Ganztagesformen geplant mit verschränktem Unterricht. Täglich werden Kinder im Schulrestaurant mithelfen, um ein gesundes Essen zuzubereiten, wir planen einen Gemüsegarten, den auch die Kinder betreuen können. Die Musikschule ist bereits integriert, die Lehrer kommen an die Schule, die Instrumente sind im Haus. Das Wichtigste ist die optimale Förderung dieser so unterschiedlichen Begabungen, und der wertschätzende Umgang miteinander.“ Es sind visionäre und folgerichtige Schritte in Planung, wie etwa der Epochenunterricht statt 50 Minuten-Einheiten, das bedeutet fächerübergreifend über einen längeren Zeitraum von sechs bis acht Wochen an einem Thema zu arbeiten. Kompetenz im Umgang mit neuen Medien und die Erziehung zum Medienkonsum sind wichtige Themen, die an die Schule gehören, ebenso wie das gemeinsame Arbeit in Tischgruppen und die Präsentation der Ergebnisse vor dem Cluster, und so vieles mehr, was Kinder selbstsicher und stark macht. So geht Schule.

VORARLBERGER SCHULPREIS 2017 Neun Schulen haben sich für die Endausscheidung des 1. Vorarlberger Schulpreises 2017 qualifiziert, 20 Schulen haben eingereicht. Durch die finanzielle Unterstützung von Land Vorarlberg, Wirtschaftskammer Vorarlberg und Industriellenvereinigung Vorarlberg stehen insgesamt 15.000 Euro Preisgeld zur Verfügung. Pro Kategorie werden ein Hauptpreis mit 3000 Euro sowie zwei Anerkennungspreise mit je 1000 Euro vergeben.

Alle neun nominierten Schulen werden an der feierlichen Preisverleihung, am 19. Mai in der Alten Seifenfabrik in Lauterach teilnehmen, bei der die Gewinner des Vorarlberger Schulpreises 2017 bekanntgegeben werden. Kategorie Grundstufe (6 bis 10 Jahre) • Volksschule Feldkirch Tisis • Volksschule Hard Markt • Volksschule Ludesch

Kategorie Sekundarstufe I (10 bis 14 Jahre) • Mittelschule Bürs • Mittelschule Hard Markt • Mittelschule Höchst Kategorie Sekundarstufe II (14 bis 19 Jahre) • Polytechnische Schule Dornbirn • Landesberufsschule Dornbirn 2 • Bundeshandelsakademie Lustenau

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Gsi

Ein stiller Held in Zeiten der Diktatur

Wie der Hörbranzer Maturant Josef Anton King dem nationalsozialistischen Regime Widerstand leistete und für seine Zivilcourage 1945 erschossen wurde.

Text: Gerhard Thoma Fotos: Malin-Gesellschaft Feldkirch

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D

emokratie und Menschenrechte sind ein hohes Gut. Hautnah können wir derzeit mitverfolgen, wie in manchen Ländern an den Grenzen Europas demokratische Regierungen systematisch geschwächt, politische Gegner inhaftiert und Menschenrechte missachtet werden. Oft mit tatkräftiger Unterstützung oder stillschweigender Duldung der Bevölkerung. Auch in der Geschichte Vorarlbergs gibt es zahlreiche Menschen, die in Zeiten der Diktatur „gegen den Strom geschwommen“ sind. Viele mussten dafür mit ihrem Leben bezahlen. Einer dieser Vorkämpfer für den Rechtsstaat ist Josef Anton King. Josef Anton King wurde 1922 in Hörbranz geboren. Seine Eltern, Johann und Agatha, betrieben dort eine Landwirtschaft. Josef Anton war ein Kind wie jedes andere – wären da nicht sein außergewöhnlich gutes Gedächtnis und sein Lerneifer gewesen. Schon in der Volksschule erhielt der schmächtige und kurzsichtige Bub von seinen Mitschülern und Lehrern den Ehrentitel „Professarle“. Auf Betreiben des Ortspfarrers wurde Josef Anton in das bischöfliche Gymnasium Paulinum in Schwaz geschickt. Dr. Walter Köck aus Kappl in Tirol, ein ehemaliger Mitschüler, erinnert sich an Josef Anton King: „Er war körperlich klein, unscheinbar und im Allgemeinen eher schwächlich. Dafür war er geistig allen bei weitem überlegen.

Ich habe bis heute keinen intelligenteren Menschen getroffen als ihn. Ohne jede Mühe und Anstrengung schaffte er die Schule mit überragendem Erfolg. Er erhielt das für die damalige Zeit unerhörte Privileg, während der Studienzeit nicht studieren zu müssen. Er hatte nur die Pflicht, uns anderen zu helfen. Nun, diese Pflicht erstreckte sich nicht nur auf unsere Klasse, sondern auch auf höhere. Gegen Ende der Unterstufe löste er bereits Maturaaufgaben. Sonst galt seine ganze Liebe der Radiotechnik. In dicken Wälzern studierte er Hochfrequenztechnik und ähnliches. Was den Menschen Josef King betrifft: Übertrieben gesagt, stand dem geistigen ‚Riesen‘ der körperliche ‚Schwächling‘ gegenüber. Er litt häufig an Minderwertigkeitskomplexen und konnte seine geistige Überlegenheit nicht ausnützen. Daher war er sensibel und anlehnungsbedürftig. Damit verband er eine weit über den Durchschnitt gehende Hilfsbereitschaft. Sein Wesen war Gutmütigkeit und tiefe Religiosität.“

Tragische Wende

Mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich 1938 und dem „Anschluss“ Österreichs an Hitler-Deutschland nahm auch das Leben des 16-jährigen Josef Anton King eine tragische Wende. Die Nazis sperrten alle konfessionellen Schulen, darunter auch das Paulinum in Schwaz. Josef Anton King wechselte mit anderen Vorarlbergern in die sechste Klasse des Gymnasiums in Bregenz. Auch hier wurde er für seine geistigen Fähigkeiten

heimlich bewundert, blieb aber ein Außenseiter. Die meisten Schüler stammten aus „feinen“ Häusern, in etlichen Familien herrschte großdeutsche Gesinnung. King dagegen war religiös, schüchtern und ein Bauernsohn. Hochmütig blickten seine städtischen Klassenkameraden auf ihn herab, wenn Josef Anton wieder einmal in aller Frühe mit einem Pferdefuhrwerk von Hörbranz nach Bregenz fuhr, um vor dem Schulunterricht Milch in die Bregenzer Molkerei zu bringen. In seiner Heimatgemeinde Hörbranz hingegen war der Jugendliche hoch respektiert. Er war nicht nur in Vereinen aktiv und spielte Zither, sondern half vielen Familien bei amtlichen Schreiben. Darüber hinaus wurde er sogar als Redner engagiert. Als seine Klasse im März 1941 maturierte, kämpften von den ursprünglich 22 Schülern bereits neun 19-Jährige in der Wehrmacht an der Front. Bald nach seiner Reifeprüfung musste auch Josef Anton King in die Wehrmacht einrücken. Nach der neunmonatigen Grundausbildung in Landeck wurde er in eine Schreibstube versetzt. Angebote, nach Rom oder Athen zu gehen, lehnte er ab. King war nämlich auch ein Sprachengenie: italienisch und griechisch hatte er beim Radiohören gelernt. Als seine Augenentzündung heftiger wurde, wurde King vom Militärdienst befreit. Und nachdem 1941 auch noch sein Bruder an der Front ums Leben kam, wurde er schließlich als für die elterliche Landwirtschaft „unabkömmlich“


#17 / Mai 2017

Gedenkstein für Josef A. King in Hörbranz: „Starb wegen seiner zutiefst menschlichen Gesinnung als Opfer nationalsozialistischer Gewalt im KZ Mauthausen“.

gestellt. Der Weg zu einem Studium wäre Josef Anton King jetzt offen gestanden. Aber das 20-jährige Genie weigerte sich. Einem seiner Lehrer in Bregenz vertraute er an, dass er erst dann an einer deutschen Universität studieren werde, wenn das Deutsche Reich den Krieg verloren habe und Hitler von den Alliierten besiegt worden sei.

In den Fängen der Gestapo

Die Ironie des Schicksals fügte es jedoch, dass King trotzdem den Nazis zu Diensten war. Und das noch dazu der Geheimen Staatspolizei, der gefürchteten Gestapo. Weil viele Männer in den Krieg ziehen mussten, karrte das NS-Regime ersatzweise Zwangsarbeiter ins Land, vor allem aus Osteuropa. Bei den Verhören brauchte es jemand, der russisch oder polnisch sprechen konnte. Auf Empfehlung eines Gendarmen holte man sich den 21-jährigen Josef Anton King. Dieser hatte die slawischen Sprachen durch Gespräche mit Zwangsarbeitern in kurzer Zeit erlernt. So wurde King im Jahr 1943 erneut dienstverpflichtet, arbeitete halbtags in der Gestapo-Zentrale in Bregenz als Dolmetscher und Briefzensor. Ein Job, der ihm schwerste Gewissensnöte bereitete, wie er Angehörigen und Freunden beteuerte. Sein Verhältnis zu den Zwangarbeitern wurde immer vertraulicher. 1943 und 1944 verbrachte er viele Sonntagnachmittage im Ostarbeiterlager der Flugzeugfirma Dornier in Lindau-Rickenbach. Als Passierschein ließ er sich einen sogenannten Ostarbeiterstern an die Jacke nähen. Bei Verhören übersetzte er die Aussagen der Zwangsarbeiter

2007 nahm der Obmann der Johann-AugustMalin-Gesellschaft, Werner Bundschuh, an der Stelen-Einweihung für Josef Anton King am Paulinum in Schwaz teil.

zu deren Bestem, um ihnen das Leben leichter zu machen. Lange Zeit ahnten die Gestapo-Beamten nicht, dass sie einen Regimegegner und Freund der diskriminierten Fremdarbeiter in ihren Reihen hatten – bis ein ukrainischer Nazi-Kollaborateur die Gestapo warnte. King konnte sich herausreden. Als er 1944 aber Flugblätter, in denen über den Kriegsverlauf berichtet wurde, aus dem Ostarbeiterlager schmuggelte, wendete sich das Blatt. King hatte ein Flugblatt der Ukrainierin Sina Sidorowna, die in einem Bregenzer Haushalt beschäftigt war, übergeben. Sidorowna schickte das Flugblatt in einem Brief an eine Landsfrau in Bayern. Die Postsendung wurde jedoch in München abgefangen. Nach schweren Foltern gestand Sina Sidorowna, dass sie das Flugblatt von Josef Anton King erhalten hatte. Am 6. Juni 1944 wurde der 22-Jährige in seinem Elternhaus in Hörbranz verhaftet und nach Lindau gebracht. Ahnend, was nun auf ihn zukommt, versuchte er, sich mit einem verzweifelten Sprung in den Bodensee zu retten. Am 22. Juni 1944 wurde King in die Gestapo-Zentrale nach Innsbruck transportiert. In Briefen schickte er nicht nur tröstliche und aufmunternde Worte an seine Familie in Hörbranz, sondern gab noch Tipps für die Steuererklärung und Milchabrechnungen. Am 19. Jänner 1945 wurde King mit drei weiteren Häftlingen ins Konzentrationslager Mauthausen deportiert, von wo er am 18. April 1945, drei Wochen vor Kriegsende, mit „unbestimmtem Bestimmungsort“ verlegt wurde. Das Schicksal des Häftlings mit der eintätowierten Häftlings-

nummer 116189 blieb auch nach Kriegsende im Mai 1945 unklar. Im Sommer 1945 reiste sein Vater deshalb persönlich nach Mauthausen. Dort erfuhr er von dem amerikanischen Offizier David L. Simpson, dass sein Sohn als politischer Häftling der Nazis am 24. April 1945, im Alter von 23 Jahren, hingerichtet und seine Leiche verbrannt worden sei – kurz vor der Befreiung des KZ durch alliierte Streitkräfte.

Ehrenzeichen und Gedenkstein

Jahrzehnte später erinnerte man sich wieder an Josef Anton King. Es war jene Zeit, als Vorarlberger Historiker die NS-Vergangenheit ihrer Heimat kritisch aufarbeiteten. Im Jahr 1982 und 37 Jahre nach seinem Tod wurde dem mutigen jungen Mann nachträglich das „Ehrenzeichen für die Verdienste um die Befreiung Österreichs“ verliehen. 1988 wurde Josef Anton King in Hörbranz ein Gedenkstein errichtet. Fazit des Historikers Meinrad Pichler: „Josef Anton King hat das Risiko seines Engagements gekannt und ist es eingegangen, hat christliche, menschliche Tugenden gelebt, wo andere weggeschaut haben. Darin besteht ganz wesentlich der aktuelle Wert der Erinnerung an diesen beredten und doch so stillen Helden.“ LITERATURTIPP UND QUELLENANGABE: Meinrad Pichler: „Quergänge – Vorarlberger Geschichte in Lebensläufen“, Bucher Verlag, Hohenems 2007. Willi Rupp: „Die Familie King“. In: Hörbranz aktiv, Heft 65/1988.

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Kultur Verena Rupert, Heike Brandner, Julia Joswig und Irene Dworak-Dorowin (v.l.n.r.) engagieren sich für die kulturelle Belebung der Scheune Lehen und wohnen auch auf dem Anwesen.

Gemeinsam leben, gemeinsam wirken Vier Frauen bereiten in der Scheune Lehen in St. Gerold den Boden für künstlerisches Schaffen und kulturellen Austausch.

34 / Text: Mirjam Steinbock Fotos: Mark Mosman

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s gibt Orte, die auf unerklärliche Weise magisch sind. An solchen Plätzen breitet sich eine angenehme Ruhe aus, und das Atmen fällt plötzlich ganz leicht. In St. Gerold im Großen Walsertal kann einem so etwas passieren, wenn man kurz vor dem Ortseingang dem Schild „Scheune Lehen“ folgt und rechts in eine schmale Straße einbiegt, die sich kurvenreich hinabschlängelt. Genau in dem Moment, wenn der Eindruck entsteht, zu weit gefahren zu sein, ist man schon da. Und sieht sich in einem Kleinod mit Gärten, alten Bäumen, einem leise sprudelnden Brunnen im Innenhof und eben jenem prachtvollen Gebäude, das dem Kulturverein seinen Namen gibt: Scheune Lehen. Der Zauber dieses Orts ist eng verknüpft mit den vier Frauen, die ihn ganz aktiv zu einem atmosphärischen Zentrum von Begegnung und Kunst machen. Die gebürtige Wienerin Irene Dworak-Dorowin lebt seit mittlerweile 36 Jahren hier. Dass die Malerin und Grafikerin nach ihrem Studienaufent-

halt in Oxford 1981 ausgerechnet in St. Gerold landete, war eine glückliche Fügung. Mit dem Wunsch im Gepäck, auf dem Land zu wohnen, verschlug es sie und ihren Mann nach Vorarlberg, wo sie Pater Nathanael kennenlernten. Der damalige Leiter der Propstei St. Gerold und die Künstlerin hatten zur selben Zeit das Bedürfnis, Spiritualität mit Kunst zu verbinden und da der Geistliche mit dem zur Propstei gehörenden Lehen ohnehin etwas Besonderes vorhatte, entstand ein experimentierfreudiges Projekt. Drei junge Familien konnten in dem umgebauten Gebäudekomplex miteinander wohnen, arbeiten und sich am Hof selbst versorgen. Es gab für jede Familie einen eigenen Wohnbereich. Gemeinschaftlich geteilt wurden die Küche sowie eine spirituelle Haltung und die künstlerische Zusammenarbeit. Daraus entstanden auch die St. Gerolder Werkstätten, die Irene Dworak-Dorowin gemeinsam mit der einheimischen Künstlerin Theresia Bickel initiierte und in denen sie Kurse für Radierung, Malerei, Keramik und Meditation anbot. Ihre Lehrtätigkeit für Theologie und Kunst an der Volksschule des Ortes und nicht zu-

letzt die Kinder vertieften den Kontakt zu der Bevölkerung der Region. Acht Jahre wirkte die künstlerische Wohn- und Arbeitsgemeinschaft miteinander, dann änderten sich die Bedürfnisse der Familien, und das Projekt löste sich auf. „Ich hatte mir zuerst gedacht, wieder nach Wien zu gehen aber mit der Zeit ist es mein Ort geworden“, erinnert sich die Malerin. Ihr Bleiben wurde belohnt.

Alle Sinne werden angeregt

Im Jahr 2000 wurde die Scheune nach Plänen des Architekten Hermann Kaufmann mit viel Bedacht auf das Bestehende restauriert und damit die Geburtsstunde eines neuen Kulturvereins ausgerufen. Im Erdgeschoss entstand ein Veranstaltungsraum, in dem die Wände mit Lehm verputzt und die alten Holzdielen geschliffen wurden. Hier finden unter anderem nun Ausstellungen, Lesungen und Konzerte statt. Angrenzend befindet sich das Atelier von Irene und es ist eine Wirkstätte, die alle Sinne anregt: Es duftet nach Wachs, welches sie in einem ausgetüftelten Verfahren für ihre Blattgold-Ikonenbilder in Metallrahmen gießt. Vollendete Werke gesellen sich ne-


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Die Scheune Lehen bietet Raum für Meditation, künstlerisches Schaffen, Lesungen und Konzerte. Der Brunnen im Innenhof schafft Atmosphäre für einen bewegenden Austausch.

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ben begonnene, eine Druckerpresse für Radierung steht an der Wand und gleich daneben der Werktisch mit Blick auf den Nussbaum. Der obere Stock der Scheune beherbergt den großen Meditationsraum, der in seiner Schlichtheit beste Bedingungen für innere Einkehr und Yoga schafft. Alle Räumlichkeiten des alten Gebäudes bieten auf natürliche Art sowohl Anregung als auch Ruhe, was die Betreiberinnen zu nutzen verstehen. In ihren Workshops meditiert Irene Dworak-Dorowin zuerst mit den Teilnehmenden bevor es an die Staffelei geht. Verena Rupert, die zur neuen Generation der Lebens- und Wirkgemeinschaft am Lehen gehört, macht es umgekehrt. Zuerst der künstlerische Prozess und danach die Meditation, in der die entsprechende Haltung zur Kunst-Schöpfung eingenommen wird. Jede Fähigkeit der beteiligten vier Frauen kommt der Gestaltung des umfangreichen Kunst- und Kulturprogramms zugute. Sie arbeiten Hand in Hand, holen sich auch Potenziale von außen und lassen die Projekte im Tun entstehen. Wie die Frauen, die gleichzeitig den Vorstand des Vereins bilden, zusammen

kamen, könnte sowohl Zufall als auch Bestimmung gewesen sein. Julia Joswig aus Berlin reagierte auf eine Stellenausschreibung als Reittherapeutin in der Propstei und schaute sich im Zuge dessen die Wohnmöglichkeit am benachbarten Lehen an. „Mama, hier möchte ich bleiben“, gab sich ihr Sohn begeistert, und die Sache war beschlossen. Die Kunstpädagogin Verena Rupert lernte Irene im Rahmen ihrer Unterrichtstätigkeit in Feldkirch kennen und zählte ihr auf, welche Personen und Bedingungen der Wohnort bieten müsse, den sie sich wünschte. „Du sprichst vom Lehen“, antwortete ihr die Malerin. Die Goldschmiedin Heike Brandner war die Einzige, die den Lehen bereits kannte, und er faszinierte die gebürtige Walserin schon früh. Nun wohnt auch sie mit ihrem Kind in einer der zweistöckigen Wohnungen. Jede Einheit verfügt inzwischen über Küche und Bad, somit gibt es Rückzugsmöglichkeiten und Freiheit. Ein wichtiger Aspekt für das Frauenteam, das neben der Leitung der eigenen Workshops auch bei den öffentlichen Veranstaltungen wie dem Maimarkt oder dem Art Café präsent ist. Für Stabilität sorgt die

gemeinsame Garten- und Hofpflege oder gelegentlich ein Privatfest, zu dem nicht selten Leute aus dem Dorf kommen und im lockeren Gespräch Wünsche das nächste Vorhaben in Gang setzen – wie es bei dem aktuellen Kunstprojekt mit Flüchtlingen der Fall ist. Für den Zweck des Kulturvereins, nämlich künstlerische und kulturelle Impulse in der Region zu setzen, engagieren sich die vier Frauen weiterhin ehrenamtlich. Und freuen sich über jedes neue Mitglied und eine rege Teilnahme an den Veranstaltungen. „Jetzt kann ich mir nicht mehr vorstellen, von hier wegzugehen“, ist Irene Dworak-Dorowin überzeugt und wer den Lehen einmal kennen gelernt hat, fühlt, was sie meint. HINWEIS: Am 5. und 6. Mai, jeweils 10 bis 18 Uhr, findet in der Scheune Lehen der Maimarkt mit Kunsthandwerk aus der Region statt. Am 18. Juni, 17 Uhr, das Art Café mit Literatur aus OÖ, NÖ und der Jungen Szene Vorarlberg, dem Klanglabor Liechtenstein und der Ausstellung „Lichtträger und Herzhelden“. Weitere Infos: www.scheune-lehen.at und kulturverein@scheune-lehen.at


Veranstaltungskalender

Mi., 3. Mai, 20 Uhr, Kulturhaus Dornbirn, Eintritt: 19,- Euro (Kulturpass frei) VERANSTALTER AKZEPTIEREN DEN KULTURPASS FÜR FREIEN/ERMÄSSIGTEN EINTRITT Infos über den Kulturpass unter www.hungeraufkunstundkultur.at/ vorarlberg.html

Mi., 3. Mai, 20 Uhr, Spielboden Dornbirn, Eintritt: 22,- Euro

OHNE ROLF – SCHREIBHALS

Kabarett OHNE ROLF hat mit der „Erlesenen Komik“ eine komplett neue Kleinkunstform geschaffen. Eine simple Idee – genial umgesetzt: Sprechen heißt bei OHNE ROLF blättern. Die auf 1000 Plakate gedruckten knappen Sätze wie auch das Geschehen zwischen den Zeilen sind witzig, spannend und gelegentlich sogar musikalisch. Mit ihren wortstarken Plakaten hat das junge Schweizer Duo den Schweizer Innovationspreis SurPrix sowie den Deutschen Prix Pantheon gewonnen.

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„KÄTHE HERMANN“

Das vor einem Jahr gegründete „Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung“ zeigt die österreichische Erstaufführung von „Käthe Hermann” von Anne Lepper. Das Stück zeigt eine Familie, gefangen in Illusionen der Vergangenheit und besticht mit der kunstvollen Sprache der jungen Autorin Anne Lepper. Regie: Stephan Kasimir.

Fr., 5. Mai, 19.30 Uhr, Remise Bludenz, Eintritt: 25,- Euro

CHRISTIAN ALTENBURGER & MARKUS SCHIRMER MIT ANDREA ECKERT

Werke von Beethoven begleitet von Texten von Ilse Aichinger und Christoph Ransmayr. Alle Künstler, die in der Kultur.LEBEN Reihe auftreten, verzichten auf ihre Gage. Der Erlös der Veranstaltung kommt einem Projekt der Caritas für Aidswaisen in Äthiopien zu Gute.

Fr., 5. Mai, 20 Uhr, Angelika Kauffmann Saal Schwarzenberg, Eintritt: 15,- Euro

KOMPONISTENPORTRÄT ALEXANDER MOOSBRUGGER

Foto: Nancy Horowitz

Mi., 3. Mai, 20.30 Uhr, Freudenhaus Lustenau, Eintritt: 27,- Euro

FRITZ KARL & OÖ CONCERT SCHRAMMELN

ZORRO - Rächer der Würstelmänner Das Programm bietet umwerfend witzige und skurrile Texte von H. C. Artmann, Helmut Qualtinger und den Wiener Kaffeehausliteraten aus der Zeit des Fin de siècle rund um Karl Kraus, Anton Kuh, Peter Altenberg und Alfred Polgar. Vorgetragen von einem der beliebtesten Schauspieler Österreichs und unterstützt von den hervorragenden OÖ Concert Schrammeln wähnt man sich in „der guten alten Zeit“ des Wiens zur Jahrhundertwende.

Der international tätige, aus Schoppernau stammende Komponist Alexander Moosbrugger hat für die Biennale Venedig ein Werk komponiert, das nun auch in Vorarlberg zu hören sein wird. Es wird von internationalen Interpreten aus Paris aufgeführt. Der Veranstalter, das Kulturforum Bregenzerwald, möchte mit diesem Komponistenporträt der hiesigen Bevölkerung die Möglichkeit geben, einen Sohn der Heimat und dessen Arbeit kennenzulernen. Moosbrugger gilt als einer der ganz Großen im Bereich der neuen Musik.

Sa., 6. Mai, 20.15 Uhr, Theater am Saumarkt, Feldkirch, Eintritt: 12,-Euro

MONIKA HELFER & MICHAEL KÖHLMEIER: DER MENSCH IST VERSCHIEDEN 33 CHARAKTERE

Lesung und Gespräch Ein Kaleidoskop der Menschlichkeiten – 33 menschliche Charaktertypen – Achtung: Selbsterkenntnis-Gefahr!

Sa., 6. Mai, 9 bis 13 Uhr, Bücherei Hohenems, Eintritt: frei

GROSSER BÜCHERFLOHMARKT

Bücher und Zeitschriften für große und kleine Leser zu Schnäppchenpreisen. Kaffee und Kuchen inklusive.

Mo., 8. Mai, 19 Uhr, Theater am Saumarkt, Feldkirch, Eintritt: frei

KONTAKTCHOR

Offener Liederabend. Volksgesang. Kanons, Wechselgesänge, Sprechstücke, Rhythmen, Klänge. Eingeladen sind Interessierte und Neugierige jeder Alterstufe, auch Kinder, Familien. Pause nach 50 Minuten. Leitung: Ulrich Gabriel. Mehr Infos unter www.heimatshuttle.at

Di., 9. Mai, 20:30 Uhr, Freudenhaus Lustenau, Eintritt: 25,- Euro

ALFRED DORFER

bisjetzt – solo Das satirische Ein-Mann-Theater „bisjetzt – solo“ ist ein Stück voll fröhlichem Nihilismus. Es ist die zielstrebige Spurensuche eines leidenschaftlichen Vordenkers und Nachfragers, eines Symphonikers der Gedanken und Wortspielers. Dorfers philosophische Betrachtungen sind fast beiläufig und federleicht. Ihre volle Wirkung entwickeln sie meist erst ein wenig zeitversetzt, dann aber umso intensiver.

Mi., 10. Mai, 19 Uhr, inatura Dornbirn, Eintritt: frei

DEMENZ – DER TAG, AN DEM DIE HANDTASCHE IM KÜHLSCHRANK STAND

Die Bevölkerungsentwicklung bringt es mit sich, dass immer mehr Menschen – entweder als Patient oder als Angehöriger – von Demenz betroffen sind. An diesem Abend soll Ihnen an Hand von praktischen Beispielen eine Hilfestellung im Umgang gegeben werden. Vortrag: Norbert Schnetzer, Pflegedirektor des LKH Rankweil. Anmeldung unter naturschau@inatura.at oder +43 676 83306 4770.

Mi., 10. Mai, 20 Uhr, Spielboden Dornbirn, Eintritt: 22,- Euro

ANDRÉS ÁNGEL

Flamenco, der begeistert! Andrés Ángel, geboren in Medellin (Kolumbien), hat Klassische Gitarre am Landeskonservatorium Vorarlberg studiert, bevor er nach Sevilla ging, um sich ganz dem Flamenco zu verschreiben. Er spielt ausschließlich Eigenkompositionen. Eine feurige und emotionale Flamenco-Show – ein Erlebnis für Augen und Ohren.


#17 / Mai 2017

Do., 11. Mai, 19.30 Uhr, Sonnenbergsaal Nüziders, Eintritt: 15,- Euro

REINHARD HALLER

Psychotherapie durch Wandern – Die psychische Heilkraft durch Ausdauersport. Wandern wirkt stress- und angstlösend, hat antidepressive und suchtvorbeugende Wirkung und führt zur Begegnung mit uns selbst. Vortrag.

Fr., 12. Mai, 15 Uhr, Montafoner Heimatmuseum Schruns, Eintritt: frei

ALTE SCHRIFTEN LESEN

Haben Sie noch alte Briefe Ihrer Großeltern zu Hause, alte Dokumente Ihrer Familie, historische Kochbücher oder Schriften und können Sie nicht entziffern? Der Lesestammtisch Kurrent trifft sich regelmäßig, um diese alten Texte zu entziffern und das Lesen dieser Schriften zu üben. Die Geschichte alter Schriften ist von grundlegender Bedeutung für Familien- und Heimatforscher. Eigene Dokumente können mitgebracht werden.

Fr., 12. Mai, 20.30 Uhr, Salomon Sulzer Saal, Hohenems, Eintritt: 23,- Euro Foto: Henner Fotista

Do., 11. Mai, 20:30 Uhr, Freudenhaus Lustenau, Eintritt: 27,- Euro

GEORG RINGSGWANDL

WOANDERS. Saubere Musik und dreckige Geschichten Der Alltag ist ein geschmackvolles Großraumbüro, das deine Nerven ruiniert. Die Katastrophen schauen beim Fenster herein und hinter jedem Bildschirm lauert der Burnout. Dann hörst du Musik, jemand erzählt eine gute Geschichte, und du bist WOANDERS. Das ist noch immer das Unglaubliche an einem gelungenen Konzert: Es trägt dich in eine andere Welt. Es gibt alte Reißer zu hören und frisches Gewächs vom neuen Album. Kabarett, Blues, Hausmusik.

LIGHT IN BABYLON

Weltmusik aus Istanbul In Istanbul lebend, verbindet das junge Ensemble Light in Babylon die verschiedensten musikalischen Traditionen und Kulturen. Sängerin Michal Elia Kamal ist sich ihrer iranischen und israelischen Herkunft bewusst und singt hebräische und türkische Originalkompositionen genauso wie alte hebräische Lieder. Gemeinsam mit ihren türkischen, französischen und englischen Bandkollegen gelingt ihr eine unvergleichliche musikalische Melange. Eine Veranstaltung im Rahmen des Hohenemser Kulturfestes Emsiana.

Geschlechterforschung zwischen Archäologie und Öffentlichkeit. „Männer sind ursprünglich Jäger, und Frauen sind Sammlerinnen“ – auf dieser Vorstellung basieren die meisten aktuellen Geschlechterklischees. Angeblich biologisch vorgegeben, sei dies die „natürliche“ Rollenteilung zwischen Männern und Frauen: er Ernährer – sie Gattin, Hausfrau und Mutter. Doch gab es dieses urgeschichtliche Traumpaar wirklich? Vortrag von Brigitte Röder, Professorin für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Basel.

WORTFÄRBEREI – LITERATUR TRIFFT SPIELBODEN

Zwei Abende lang ist die Spielbodenkantine Ausgangspunkt für literarische Erkundungen ins Fremde und ins Eigene, wenn vier Autorinnen und Autoren aus ihren aktuellen Werken und Texten lesen. Mit Klaus Werner-Lobo, Kurt Palm, Daniel Schreiber und Lena Goreliek. Moderatorin ist Raffaela Rudigier.

So., 14. Mai, 10.30 Uhr, Bücherei Hohenems, Eintritt: freiwillige Spende

USSAR MIT DO SPROCH!

Lesung mit Musik im Rahmen der Emsiana 2017. Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache. Sie bestimmt die Sehnsucht danach, und die Entfernung vom Heimischen geht immer durch die Sprache am schnellsten. (Friedrich Wilhelm Christian Karl Ferdinand Freiherr von Humboldt). Drom redand mior wio üs do Schnabol gwachso ischt. Gedichte und Geschichten in verschiedenen Dialekten mit Elisabeth Böhler, Bea Bröll, Ruth Feifer, Gertraud Fußenegger, Irma Fussenegger, Anna Gruber, Marion Klien, Martha Küng, Christine Simeaner, Ernst Tschemernjak, Antonette Wolf. Musikalisch begleitet von einem Ensemble der tonart Musikschule.

Mo., 15. Mai, 17 bis 20 Uhr, Stadtbücherei Dornbirn, Eintritt: frei

PROJEKTWERKSTATT DORNBIRN

Fr., 12. Mai, 20 Uhr, Frauenmuseum Hittisau, Eintritt: 9,- Euro

FESTE ROLLEN SEIT URZEITEN? JÄGER- UND SAMMLERINNENLATEIN

Fr., 12. und Sa., 13. Mai, 19.30 Uhr, Spielboden Dornbirn, Eintritt: 22,- Euro

Foto: Franz Pfluegel

Fr., 12. Mai, 20 Uhr, St. Peter-Kirche Rankweil, Eintritt: 15,- Euro

AWAY FOR A WHILE MONIKA STADLER – HARFE & STIMME

Monika Stadler zählt zu den kreativsten und vielfältigsten Solo-Harfenistinnen Europas. Sie gewann schon meherere Preise bei internationalen Jazzharfenwettbewerben. Mehr zur Künstlerin unter www.harp.at. Tags danach, am Samstag, von 10 bis 16.30 Uhr leitet Monika Stadler einen Workshop „Improvisation, Jazz & more“ im Jugendheim Rankweil. Kosten: 40 Euro. Anmeldungen: pfarramt@pfarre-rankweil.at oder 05522/44001.

Sie interessieren sich für ein gutes Miteinander in unserer Stadt und wollen sich dafür engagieren? Die Projektwerkstatt bietet Raum, in dem Interessierte zwanglos zusammen kommen und in dem Bürgerinnen und Bürger, Verwaltung und Politik gemeinschaftlich an Projekten arbeiten. Neue Wege der Zusammenarbeit werden dadurch eröffnet und sollen zum guten Miteinander in Dornbirn beitragen. Anmeldung unter projektwerkstatt@dornbirn.at

Fr., 19. Mai, 20 Uhr, Pförtnerhaus Feldkrich, Eintritt: Kat I 28,-/ Kat II 22,- Euro

MUSIK IN DER PFORTE

Auf dem Programm des Abokonzertes Nr. 3 „Heimat im Aufbruch“ stehen Werke von Dieupart, d’Anglebert, Lully, Couperin, Rebel, Senallié, Barrière und Leclair. Les Folies Françoises: Patrick Cohën-Akenine, Violine; François Poly, Violoncello; Beatrice Martin, Klavier.

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Veranstaltungskalender

Mo., 22. Mai, 19:30 Uhr, Sonnenbergsaal Nüziders, Eintritt: 15,- Euro

JAN-UWE ROGGE

Nie mehr Erziehungsstress Jan-Uwe Rogge ist bekannt dafür, dass er oft mit überraschenden und humorvollen Vorschlägen einen Weg aus schwierigen Erziehungssituationen weist.

Di., 23. Mai, 19.30 Uhr bis 21 Uhr, Remise Bludenz, Eintritt: 8,- Euro

DÜRFEN WIR VERTRAUEN? ÖSTERREICH UND SEINE POLITIK(ER)

Anneliese Rohrer thematisiert als Journalistin (Die Presse) und langjährige Beobachterin der österreichischen Innenpolitik in dem Vortrag die Frage des Vertrauens angesichts der hierzulande herrschenden Verhältnisse. Eine Veranstaltung aus der Reihe DiskursDirekt des Verein allerArt.

Di., 30. Mai, 19.30 Uhr, Jüdisches Museum Hohenems, Eintritt: 8,- Euro

NATUR UND WEIBLICHKEIT

Buchvorstellung und Gespräch mit der Hohenemser Autorin Katharina Waibel.

Mi., 31. Mai, 19.30 Uhr, Remise Bludenz, Eintritt: frei

KREATIVRAUSCH

Die SUPRO und die Offene Jugendarbeit Bludenz bieten unter dem Motto „Kreativrausch“ jungen Leuten aus Vorarlberg die Chance, sich und ihre Talente vor Publikum zu präsentieren. Film, Tanz, Musik, Schauspiel, Poesie und vieles mehr. Der Inhalt sollte sich um die Themen Stress, Rausch, Konsum, Glück und Kreativität drehen. Mitmachen können Jugendliche im Alter zwischen 14 und 23 Jahren. Kein Wettbewerb, sondern es geht darum, jungen Talenten eine Bühne zu bieten. Anmeldung bei Cornelia Ammann, cornelia. ammann@mariaebene.at, 05523 549 41.

Mi., 24. Mai, 20 Uhr, Spielboden Dornbirn, Eintritt: 7,- Euro

Foto: Bergauer

Mi., 31. Mai, 19 Uhr, inatura Dornbirn, Eintritt: frei

AKTION DEMENZ & KABARETT MIT INGO VOGL

Die Aktion Demenz mit ihren 42 Modellgemeinden in Vorarlberg setzt Schwerpunkte, um es Menschen mit Demenz zu ermöglichen, möglichst lange am öffentlichen Leben teilzuhaben. Im Vortrag von Daniela Egger wird der Fokus auch auf die Sensibilisierungsarbeit der Bevölkerung gerichtet, denn Demenz geht am Ende alle an. Als selbst betroffener Angehöriger hat Kabarettist Ingo Vogl einige Geschichten gesammelt – zum Nachdenken, zum Lachen und vielleicht zum Lernen. Anmeldung unter naturschau@inatura.at oder +43 676 83306 4770.

SCHOREN ROCKT! 2017

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Einmal im Jahr und nun das zehnte Mal in Folge. Bands aus dem Umfeld des BORG Dornbirn Schoren rocken am Spielboden. Mono Express (Indie Pop, Rock und Jazz), Reason of Sin (Death Metalcore), Big Break (Schulband beste).

Fr., 28. Mai, 18 bis 20 Uhr, Jugendheim Rankweil (gegenüber Bahnhof), Eintritt: 10,- Euro

SPIRITUELLES SINGEN

Wir singen zu Gitarrenbegleitung einfache, einund mehrstimmige Lieder aus verschiedenen Kulturen und Religionen - Mantras, Herzenslieder, Kraftlieder. Die Mantras und Lieder entspannen den Geist und öffnen das Herz. Der Kopf wird frei und der Verstand kommt zur Ruhe. Auch Menschen, die meinen, „nicht singen zu können“, sind dazu herzlich eingeladen. Wer sprechen kann, kann auch singen. Singen ist Medizin! Mit Wolfgang Kremmel.

Einmal im Monat am Dienstag, dieses Mal am 2.5., 14 Uhr, Montafoner Bergbaumuseum Silbertal. Eintritt: frei

Derzeitige Fixtermine in der Tankstelle Bregenz, Deuringstraße 9

SILBERTALER DORFGESPRÄCHE

jeden Montag von 15 bis 17 Uhr / Weil die Jause der anderen immer besser schmeckt!

Bei den Dorfgesprächen wird vom Leben im Montafon anno dazumal erzählt. Auch Zuhörer sind willkommen, in gemütlicher Runde wird diskutiert, sich gemeinsam erinnert und natürlich auf Fragen junger Montafoner/innen eingegangen. Bitte bringen Sie alte Fotos, historische Schriften oder andere Lebenserinnerungen mit.

Jeden ersten Samstag im Monat, 9 bis 12 Uhr, Polytechnische Schule Feldkirch. Eintritt: frei REPARATUR-CAFÉ FELDKIRCH

Die Firma blum unterstützt die Berichterstattung über privat initiierte, gemeinnützige Projekte in Vorarlberg.

Wenn Sie ein defektes Haushaltskleingerät, Kleinmöbel, Spielzeug oder etwas ähnliches zuhause haben, das sie gerne reparieren möchten, kommen Sie damit vorbei. Im Reparatur-Café helfen Ihnen Fachleute dabei. Kosten? Eine freiwillige Spende. Infos: Joachim Breuss Tel. 0699 192 87 066.

ZVIERE-KINDERCAFÉ

MEDITATIONSGRUPPE

jeden Montag um 18.30 Uhr

FRAUENCAFÉ

jeden Dienstag von 9.30 bis 11 Uhr zum Kennenlernen, Austauschen, Sprache lernen, gemeinsam Essen

SPORTNEIGUNGSGRUPPE

jeden Mittwoch ab 19 Uhr in der Turnhalle der HTL Bregenz, Michl-Felder-Str. 9

MITTAGSTISCH

jeden Freitag mitkochen ab 10 Uhr / mitessen ab 12 Uhr – Bio-Regional-Fair / gib, was es dir wert ist

LITERATUR TANKSTELLE

jeden 1. Dienstag im Monat, 19 bis 21 Uhr

NÄHWERKSTATT

jeden 1. Freitag im Monat, 15 bis 18 Uhr. Nähmaschinen und Know-How vorhanden, Material selbst mitbringen!


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Varschtosch Vorarlbergerisch? 24 8

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1. Ähle 2. atopa 3. schnorrla 4. Bündt 5. Däta 6. Känar

7. Butza 8. Bölla 9. ahe 10. abalaikig 11. allad 12. buz

13. enaweg 14. Gada 15. Füdla 16. Ehni 17. Firkr 18. fürba

19. Gigampfa 20. hofele 21. heandervöar 22. hoakle 23. Güggalar 24. kaia

25. Kämmi 26. bschütta 27. wiff 28. ghörig 29. Gegagogabolla 30. gsi

Lösung 1. Oma, 2. anfassen, 3. schimpfen, 4. Wiese, 5. Vater, 6. Dachrinne, 7. Pickel, 8. Zwiebel, 9. hinunter, 10. arrogant, 11. immer, 12. total, 13. so, 14. Elternschlafzimmer, 15. Hintern, 16. Opa, 17. Waschbecken, 18. kehren, 19. Schaukel, 20. vorsichtig, 21. verkehrt, 22. waehlerisch, 23. Hahn, 24. hinfallen, 25. Kamin, 26. duengen, 27. klug, 28. gut, 29. Antibabypille, 30. gewesen


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