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Keine Chance für Diskriminierung!
Workshop gegen
Diskriminierung
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Eine Reportage von Wilma Klabunde

Ein Glück, dass es an diesem trüben Dezemberwochenende am Rande des Ruhrgebiets nicht schneit. Mit meinem Rucksack auf dem Rücken und einer Umhängetasche über der Schulter gehe ich die rutschige Treppe hoch, zum Eingang des Jugendbildungszentrums Hattingen. Ich öffne die Tür und werde von Jutta Babenerd von der Landeskoordination für Schule ohne Rassismus/ Schule mit Courage - der Organisatorin des Seminars - in Empfang genommen. Ich melde mich an und bekomme ein Zimmer zugeteilt. Das Zimmer ist minimalistisch eingerichtet. Beim Eintreten fällt mein Blick auf ein Einzelbett. Links neben der Tür steht ein Schrank, rechts neben der Tür ein Schreibtisch. Eine weitere Tür im Raum führt mich ins Badezimmer. Durch ein Fenster über meinem Bett sehe ich einige von Nebel umhüllte Bäume und hinter ihnen den Weg, der zum Jugendbildungszentrum führt. Bis zum Start des Seminars habe ich noch 45 Minuten Zeit. Ich schaue mir nochmal aufmerksam das Programm an, welches Frau Röder mir vor dem Seminar geschickt hat. Durch die hellhörigen Flure höre ich im Minutentakt weitere Seminar-Teilnehmer:innen eintreffen. Es wird wieder still auf den Gängen und einige Zeit später gehe ich hinunter in den Eingangsbereich, wo sich vor den Seminarräumen schon eine überschaubare Anzahl an Teilnehmer:innen versammelt hat. Ich sehe mich um. Dort steht ein Tischkicker neben der Tür, durch die ich das Gebäude eben erst betreten habe. Rechts von mir stehen einige Tassen und Teller um eine Kaffeemaschine herum. Ich schaue in erwartungsvolle, neugierige Gesichter, die teilweise angeregte Unterhaltungen führen. Bis jetzt sind wir ca. 15 Teilnehmer:innen. Vermute ich. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es jeden Augenblick losgehen wird. Im Seminarraum angekommen, lässt sich jede:r von uns an einem der aufgestellten Tische nieder. Auf meinem Tisch liegen ein Stift und daneben eine Tasche mit Magazinen und Broschüren passend zum Seminar. Die durch Aufregung und Erwartung entstandene Stille wird von einer Vorstellungsrunde der Teamer unterbrochen. Auch wir sollen uns vorstellen. Dazu finden wir uns in Dreiergruppen zusammen und erarbeiten „Kennlern-Dreiecke“. Nach der Hausführung, auf die eine zweistündige Mittagspause folgt, stellen wir unsere Kennlern-Dreiecke in der großen Gruppe vor. Mittlerweile sind wir vollzählig. Auf die Phase des Kennenlernens folgt eine Erwartungsabfrage mit folgenden Leitthemen: „Das erwarte ich vom Seminar“; „Das erwarte ich vom Team“; „Das erwarte ich von der Gruppe“; „Mit dem Gefühl möchte ich Sonntag nach Hause fahren“. Mir fällt auf, dass bei der Erwartungsabfrage häufig von Offenheit und Meinungsfreiheit, die sowohl vom Team als auch von den anderen Teilnehmer:innen erwartet wird, und von Tipps im Umgang mit Parolen die Rede ist. Bevor es mit der ersten Workshop-Phase losgeht, führen wir ein Standogramm zu folgenden Fragen durch: Wie häufig begegnet mir Diskriminierung im Alltag? Ist Rassismus eine Frage der Bildung? Spielt Rassismus in der Politik eine Rolle?
Für die Workshop-Phase teilt sich die Gruppe in vier Bereiche auf: Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Antiziganismus, um mehr über eine dieser zentralen Formen von Diskriminierung zu erfahren. In den jeweiligen Workshops werden auf kreative Weise Definitionen und Hintergründe erarbeitet. Nach der Erarbeitungsphase stellt jede Gruppe ihre Ergebnisse vor. Von der Aufregung, die ich zu Beginn festgestellt habe, ist kaum mehr etwas zu spüren. Sowohl bei dem Standogramm als auch in der Workshop-Phase wird mir beiläufig deutlich, dass viel diskutiert wird. Und das, obwohl meiner Auffassung nach alle Workshopteilnehmer:innen ähnliche Meinungen vertreten. Nach Abschluss des ersten Seminartages gehen wir alle, wie
»Obwohl die TeilnehmerInnen ähnliche Meinungen haben, wird viel diskutiert.«
schon mittags, zum Essen in den Speisesaal. Es gibt Dreier- und Vierertische, die aufgrund von Corona mit Plexiglasscheiben voneinander abgetrennt sind. Außerdem ist es wichtig, dass wir uns an unsere Essenszeiten halten, damit die Coronaauflagen eingehalten werden können. Abends ist es möglich, den Tischkicker zu nutzen und im Gemeinschaftsraum Airhockey oder Tischtennis zu spielen. Mehr Aktivitäten waren leider wegen Corona nicht möglich. Am zweiten Seminartag beschäftigen wir uns mit Argumentationstraining und vielgestaltigen Argumentationsmethoden. Das Training startet mit einer praktischen Übung, genannt Kugellager. Bei dieser Methode ist die Aufgabe, in möglichst kurzer Zeit auf Parolen zu antworten, zum Beispiel auf den Tweet des Politikers Christian Lindner: „Hey, wenn ihr Werbung als sexistisch empfindet: kauft doch einfach nicht […]“. Nach einer kurzen Austauschphase werden wir mit der Fünf-Satz-Technik und dem Argumentations-Dreieck vertraut gemacht. Zwei Methoden, die die Möglichkeit bieten, bei Diskussionen klarer die eigene Meinung zu kommunizieren und andere Argumente zu analysieren und zu entkräften. Zudem werden wir mit Tipps und Tricks, die zu einer gelungenen Diskussion beitragen, sowie mit dem Ziel und der Zielgruppe einer Diskussion vertraut gemacht. Dabei kommt die Frage auf, ob sich überhaupt mit jedem Menschen eine voranbringende Diskussion führen lässt. Nach dem Argumentationstraining geht es in eine Textarbeitsphase. Auch hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, aus denen wir wählen können. Darunter Texte über Victim Blaming, Sexismus in der Werbung, Intersektionalität, Aktivismus gegen sexuelle Gewalt, Ethnopluralismus und anti-slavischen Rassismus. Selbstständig können wir uns in Gruppen austauschen. In der anschließenden Workshop-Phase geht es um unsere eigenen Projekte. Wählen können wir zwischen kreativen Aktionsformen und Bündnis- und Organisationsarbeit. Uns werden die SMART- und die ZIM-Methode vorgestellt, welche uns bei der Planung fortlaufender Projekte helfen soll. Außerdem sprechen wir über Pressemitteilungen und darüber, wie wir möglichst viele Menschen für Veranstaltungen erreichen. Ein weiterer Punkt ist die Finanzierung der Aktionen, die natürlich durch die Schule, aber auch von der Bezirksregierung, Jugendparlamenten oder Förderprogrammen bereitgestellt werden kann. Des Weiteren werden uns mögliche Partner:innen vorgestellt, die zusätzliche Unterstützung bieten. Dazu zählen sowohl schulinterne als auch externe Partner:innen. Der letzte Seminartag beschäftigt sich mit den erarbeiteten Projekten, die wir uns gegenseitig zur weiteren Inspiration vorstellen. Zusammen mit Schüler:innen des HeinrichMann-Gymnasiums in Köln stelle ich die Idee für einen über Diskriminierung aufklärenden Schulpodcast vor. Bevor dieses sinnvolle und äußerst lehrreiche Seminar mit einer anonymen Feedbackrunde endet, werden uns noch Bücher und Filme zum Themenfeld empfohlen. Anschließend machen sich alle Teilnehmer:innen mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Auto wieder auf den Weg nach Hause. Ich bin froh, die Chance bekommen zu haben, an einem so interessanten Seminar teilzunehmen. Und das Ganze war komplett kostenlos!
Umfrage in der Schule wegen Mobbing/Rassismus
Es wurden 12 Personen befragt. Davon haben 8 Personen Erfahrungen mit Rassismus und/oder Mobbing gemacht und haben folgende Beispiele genannt.
Hast du Rassismus oder Mobbing erlebt oder mitbekommen?
Liv: „Ich wurde von meinen Mitschülern ignoriert“. Bleona/ Fatima: „Ich wurde wegen meines Aussehens diskriminiert.“ Bleona: „Ich habe erlebt, dass mich jemand angeraunzt hat: »was könnt ihr Ausländer?«" Lina: „Ich habe mitbekommen, dass jemand wegen seiner Körpergröße gemobbt wurde.“ Anonym: „Ich wurde fertig gemacht, weil ich eine Schaukel blockiert habe.“ Anonym: „Ein Kind in meiner alten Klasse ist nicht so beliebt und wird deswegen ständig gehänselt.“
Wie hast Du dich gefühlt?
Anonym: „Ich fühlte mich schlecht.“ Anonym: „Ich fand es respektlos.“ Liv: „Ich fühlte mich ausgeschlossen.“ Bleona: „Ich war geschockt, dass Menschen so denken.“ Fatima: „Ich fühlte mich verletzt.“ Anonym: „Ich fand es blöd.“
Was hältst Du davon?
Liv: „Man fühlt sich doof, wenn man ignoriert wird.“ Anonym: „So etwas muss doch nicht sein.“ Bleona: „Es ist traurig, dass Menschen sich so verhalten.“ Anonym: „Es ist nicht ok.“ Lina: „Man kann ja nichts dafür, dass man anders aussieht.“