
1 minute read
Jugend ohne Gott
Foto: Kaan Dinc Jugend ohne Gott
Theaterkritik: Schauspielhaus Köln von Esat Kaan Dinc
Advertisement
Mit ihrer Adaption von Ödön von Horváths Roman “Jugend ohne Gott” hat Tina Müller ein Stück tote Zeit in die Gegenwart überführt, sie hat dieses Fragment nationalsozialistischer Zeit auf die Bühne gebracht. Anlass dazu gibt es – leider – reichlich in Zeiten von “Hass und Hetze”, von Halle und Hanau. Das ständige Ensemble –jung & divers – beschreibt die eigene Aufgabe so: „Wir betreiben Import-Export-Handel mit Geschichte und Geschichten. Wir […] verhandeln unsere Positionen zu Identität, Diversität, Rassismus, Sexismus, Klassismus, sozialen Ungerechtigkeiten.“ Es ist vor allem dieses Ensemble, das eine herausgehobene Rolle spielt, denn es erzählt – naturgemäß – authentisch, wie sich Jugendliche mit den Problemen ihrer Zeit auseinandersetzen. Dabei bleibt es thematisch nicht bei Hitlerjugend, Konformität und Schuld; ganz unpathetisch berührt das Stück Fragen, die sich Jugendliche von Tag zu Tag stellen müssen, und zeigt gleichsam die Kontinuität dieser Fragen auf. Der Versuchung, sich in Oberflächlichkeit und Platituden zu verlieren, konnte das Stück widerstehen und es hat wirksam Schwerpunkte gesetzt, ohne dabei das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Auch Komik und Sarkasmus musste man in diesem Stück nicht entbehren; zu Beginn wurde ganz unverblümt gesagt, dass das Stück womöglich die Gefühle des ein oder anderen AFDWählers verletze und sich dieser besser gleich verziehe, ehe ihn Gendern und Co. vergräme. Insgesamt konnte das Stück überzeugen, auch wenn es nicht virtuos war. Doch einen solchen Anspruch hatte das Stück auch nicht. Es hat sein Thema allgemein genug aufbereitet, ohne sich dabei überflüssig und bedeutungslos zu machen. Kurz: eine Empfehlung, vor allem für Jugendliche.