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NRW am 1. Oktober
Spätestens Ende August drohen in der Landespolitik alle Sicherungen durchzubrennen, wenn die heiße Wahlkampfphase für die Nationalratswahl am 1. Oktober eingeläutet wird. Auch wenn es dabei um die Bundespolitik geht, sind deutliche Signale für die Landespolitik zu erwarten. Die durch die Klasnic-Niederlage gedemütigte steirische ÖVP wird bei der Nationalratswahl die Nummer eins im Lande werden.
Te x t u n d R e c h e r c h e : J ü r g e n L e h n e r, I s a b e l l a H a s e w e n d , M a r t i n D r u s c h k o w i t s c h , P a u l S c h e r ü b e l
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Die Wahlbeteiligung
Sie ist ein Barometer für die Zufriedenheit und das Interesse an der Politik. Leider ist sie bei den letzten Wahlen ständig im Sinkflug gewesen. Daher ist das Argument unzulässig, dass jene, die nicht hingehen, ohnehin einverstanden sind mit der Politik. Das Gegenteil ist der Fall, wie die Demoskopen erhoben haben. Es ist die empfundene Machtlosigkeit, weil der Wähler aufgrund des Wahlrechts das Gefühl hat, ohnehin nichts mit seiner Stimme zu bewirken. Bis zu 200.000 Nichtwähler und ungültige Stimmen drohen nach jüngsten Umfragen der Demoskopen allein in der Steiermark. Den Wahlstrategen in den Zentralen ist klar, jene Partei, der es am besten gelingt, ihr Wählerreservoir zu mobilisieren, wird auch dann am Ende die Nase vorne haben. Schüssel hat diesmal die große Chance, sich als Ersatz-Vater für enttäuschte SPÖ- und Freiheitliche-Wähler zu präsentieren.
Wichtiges Erfolgserlebnis
In der Steiermark geht es am 1. Oktober 2006 vor allem um die Psyche. Gelingt es der ÖVP mit ihrem Spitzenkandidaten Wolfgang Schüssel, die Mehrheit im Lande zu verteidigen, kann sich auch die Landes-ÖVP unter Hermann Schützenhöfer als Sieger feiern lassen. Endlich wäre man nach der fürchterlichen Niederlage bei der Landtagswahl wieder die Nummer eins in der weiß-grünen Mark. Ganz wichtig, denn so etwas ließe sich dann schon wieder gut verkaufen und beruhigt die verunsicherten Funktionäre. Und die Chancen der SPÖ? Der rote Riese ÖGB ist zusammengebrochen, in moralischer Hinsicht mindestens ebenso wie in finanzieller. Damit hat die SPÖ ihre Chance, den Kanzler zu stellen, verspielt. Alfred Gusenbauer schaffte es durch seinen Konflikt mit dem ÖGB – kein Spitzengewerkschafter mehr im Nationalrat –, die Sozialdemokraten in ein Stimmungstief zu führen, wofür ihm die Wähler am 1. Oktober auch die Rechnung präsentieren werden. Erstmals muss der steirische SPÖ-Chef Franz Voves am Wahlabend eine Niederlage kommentieren. Seit seinem Einstieg in die Politik hatte die SPÖ bei praktisch allen Wahlen stets dazugewonnen.
Wer kann mit wem?
Es war die drittstärkste Partei, die kurz- und langfristig zur Siegerin der Wahl vom Oktober 1999 wurde. Die ÖVP hatte zwei Optionen: Eine Koalition mit der SPÖ und jene mit der FPÖ, die sie dann auch einging. Trotz des Versprechens Schüssels, bei einer Wahlniederlage in die Opposition zu gehen. Aber am Wahlabend und danach ist man offensichtlich klüger geworden. Ähnliches kann sich auch nun wiederholen. Mit den Vorzeichen, dass scheinbare Verlierer gewinnen und scheinbare Gewinner verlieren werden. Das Verhältnis-Wahlrecht wird verhindern, dass auch die Schüssel-ÖVP eine absolute Mandatsmehrheit bekommt. Und da wird es darauf ankommen, wer welche Mehrheiten bilden kann. Diese Aussichten führen dazu, dass die Parteien praktisch alle Koalitionsmöglichkeiten im Vorfeld offen lassen. Wer sich nicht festlegt, hat die besseren Karten.
Unangenehm für die Wähler
Beim Stimmengang weiß also der Wähler nicht, was ihn wirklich erwartet. Denn er kann keine der Parteien später in die Pflicht nehmen. Zu viele Varianten führen zu vielen Fragezeichen. Was macht z.B. ein Wähler, dem zwar Schüssels Europakurs gefällt, der aber gerade deshalb sicher sein will, dass sich Schüssel nicht nochmals mit der AntiEU-Partei FPÖ verbündet. Oder was tut ein anderer Wähler, der die gegenwärtige Regierung abwählen und eben darum unbedingt eine rot-grüne Koalition will, zugleich
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Paradox – Für Steirer nicht wichtig, welcher Kandidat ins Parlament kommt, sondern welche Partei
Silhavy – SPÖ Bartenstein – ÖVP Parteder – KPÖ Kogler – Grüne Gastinger – BZÖ Kurzmann – FPÖ
aber keine Garantie besitzt, dass seine Stimme für die SPÖ nicht letztlich doch auch eine Stimme für den Verbleib Schüssels im Kanzleramt ist; Weil es eben letztendlich zu einer großen Koalition kommt. Es gibt das Phänomen, dass der Steirer bei der Wahl daran denkt, wie die Regierung aussehen wird, die er mit seiner Stimme herbeiwählen möchte. Wer von den Kandidaten in den Nationalrat kommt, ist ziemlich egal. Das ist nur für die Kandidaten selbst wichtig, vielfach registriert der Wähler gar nicht, wer sein Kandidat ist.
Fast alles ist möglich
Das Beispiel Deutschland, wo es entgegen allen Ankündigungen, keine große Koalition zu bilden, dennoch heute eine gibt, ist natürlich auch den Österreichern nicht verborgen geblieben. Irgendwo sitzt dieser Gedanke bei den Wählern im Hinterkopf. Dass die SPÖ mit der ÖVP ebenso kann wie mit den Grünen und diese wieder mit den Sozialdemokraten, das hat in Österreich ohnehin nie jemand in Zweifel gezogen. Die Regierungsverhandlungen nach der Wahl von 2002 und die seit 2003 bestehende Landeshauptmann-Koalition in Oberösterreich haben klar gemacht, dass auch ÖVP und Grüne miteinander können. Klar ist nur eines: Der Wiener FPÖ-Obmann Strache. Er sorgt wirklich bei seinen Wählern für Klarheit. Denn die FPÖ scheidet aus allen Koalitionsüberlegungen aus. Dies auch schon deshalb, weil die SPÖ und auch die Grünen eine Allianz mit den Freiheitlichen prinzipiell verneinen. Heinz Christian Strache wird den Fehler von Jörg Haider nicht wiederholen, sich in die atemberaubende Umarmung der ÖVP zu begeben.
Sieger und doch Verlierer?
In der jetzigen Konstruktion überlebt Schüssel nur durch die Steigbügelhalter-Rolle des BZÖ. Peter Westenthaler, der neue Spitzenkandidat des BZÖ, steht vor einer undankbaren Aufgabe. Es könnte sein, dass das BZÖ überhaupt den Einzug in den Nationalrat nicht schafft, oder wenn, dann nur über ein Kärntner Grundmandat. Aber dieses Kärntner Grundmandat wäre zu wenig, dass das BZÖ eine Mandatsstärke erreicht, die zur Mehrheitsbeschaffung bei der Regierungsbildung den Ausschlag gibt. Das heißt, Schüssel könnte ein strahlender Wahlsieger sein, doch ihm ist der Regierungspartner abhanden gekommen. Eine umgekehrte Situation wie in Deutschland. Da haben Angela Merkel und die FDP fix damit gerechnet, eine Koalition eingehen zu können. Die FDP gewann ganz stark, doch Angela Merkel blieb nur ganz knapp vor der SPD und damit war der Traum von einer gelb-schwarzen Koalition in Deutschland vorbei. Merkel hatte bekanntlich keine andere Wahl, als sich mit der SPD ins Koalitionsbett zu begeben.
Auf die dritte Kraft kommt’s an
Wie stark werden die einzelnen Parteien aus der Wahl des ersten Oktobers hervorgehen? Die zentrale Frage: Wird die FPÖ stark genug sein, um eine Mehrheit sowohl der ÖVP wie auch der SPÖ mit den Grünen zu verhindern? Wenn das der Fall ist, dann ist eine große Koalition unvermeidlich. Heinz Christian Strache kommt dann eine ähnliche Rolle zu wie der deutschen Linkspartei. Durch die bloße Existenz im Parlament erzwingt er eine bestimmte Regierungsform. Wenn die Grünen nur mit einer Großpartei mehrheitsfähig sind, dann wird es diese Koalition auch geben. Wenn die Grünen so stark sind, dass sie mit beiden Großparteien eine Koalition bilden können und ihr Forderungspaket so hoch schrauben, dann könnte es dennoch sein, dass sie zu den Verlierern zählen. Dies deshalb, weil sie dann förmlich eine große Koalition erzwingen. Und was heißt das für die alles entscheidende Kanzlerfrage? Bei einer großen Koalition wird das Kanzleramt der größeren der beiden Parteien zufallen. Wenn die SPÖ hinter der ÖVP liegt, was eben aufgrund der gegenwärtigen Politlage anzunehmen ist, aber mit den Grünen eine Mehrheit bilden kann, dann wird SPÖ-Spitzenkandidat Alfred Gusenbauer das versuchen. Es ist seine einzige und wohl auch die letzte Chance. Natürlich gibt es etliche in der SPÖ, die auf ein solches Ergebnis hoffen. Doch diese Variante ist eher weniger wahrscheinlich, weil einfach die FPÖ stark genug sein wird, um eine rechnerische Mehrheit der beiden Großparteien mit den Grünen zu verhindern.
Die Wende der Wende
Im Sieg liegt bereits der Keim der Niederlage für die nächste Wahl. Diese alte Weisheit musste die Haider-FPÖ bitter zur Kenntnis nehmen. Durch die Spaltung der Partei hat Jörg Haider nun eine Wende der Wende in Österreich geschafft. Das erste Mal 1999, als er seine erfolgreiche FPÖ in eine Regierungskoalition mit der ÖVP brachte. Diesmal allerdings mit umgekehrten Vorzeichen, dass er die beiden Großen ÖVP und SPÖ wieder zusammenführt. Ungewollt natürlich. ❖
NATIONALRATSWAHL 2002
Partei NR 2002 NR 1999 Differenz Gesamt 771 855 731 249 . Ungültig 9 257 9 704 . Gültig 762 598 721 545 . SPÖ 281.965 36,97 % 243.917 33,80% 3,17 % FPÖ 73.540 9,64 % 210.672 29,20% –19,55 % ÖVP 340.185 44,61 % 193.381 26,80% 17,81 % GRÜNE 53.011 6,95 % 41.960 5,82% 1,14 % KPÖ 7.269 0,95 % 4.686 0,65% 0,30 % LIF 6.628 0,87 % 18.993 2,63% –1,76 % NEIN 2.562 0,36 % ......... DU 5.374 0,74 % ......... Graz Wahlberechtigte: 182.121
Partei NR 2002 Gesamt 131.439 Ungültig 1.229. Gültig 130.210. SPÖ 41.089 FPÖ 13.469 ÖVP 52.270 GRÜNE 18.836 KPÖ 2.807 LIF 1.739
JÖRG HAIDER BEI TANKSTELLEN-KURZAUFTRITT IN GRAZ: WOLLEN WÄHLER AUS DEM WARTESAAL HOLEN
„Ich verstehe nicht, warum die Steiermark das nicht schon längst umgesetzt hat“, verwies Jörg Haider bei einem Kurzauftritt in Graz, gemeinsam mit BZÖ-Chef Gerald Grosz, auf das erfolgreiche Kärntner Modell der Öffnung der acht Landestankstellen – es gibt dort nur Diesel – für alle Verkehrsteilnehmer. Dies habe dazu geführt, dass Kärnten den günstigsten Diesel-Preis österreichweit habe. Dieser liege mit 94 Cent um fast 10 Cent unter jenem im übrigen Österreich. „Mit der Öffnung konnten wir auch die Treibstoffmultis zwingen, mit dem Preis runterzugehen, und die fadenscheinigen Vorwürfe der Treibstofflobbyisten und der Wirtschaftskammer haben sich in Luft aufgelöst.“ Es gebe auch keinen Nachteil für das Land, weil sich die längeren Öffnungszeiten von selbst finanzieren. Gemeinsam mit der KPÖ hat die Voves-SPÖ im Landtag mehrheitlich einen Beschluss für die Öffnung der 31 Landestankstellen der Steiermark erwirkt, doch ÖVP-Landesrätin Edlinger setzt diesen Beschluss nicht um. Landeshauptmann Franz Voves müsste ihr die Ressort-Hoheit entziehen und vor diesem Schritt schreckte die SPÖ bisher zurück. Zurück zu Jörg Haider, der sichtlich übermüdet und eher unkonzentriert wirkte, weil er schon längst wieder in Kärnten hätte sein müssen. „Wir möchten mit dem BZÖ die vielen freiheitlichen Wähler aus dem Wartesaal holen, die die alte FPÖ nicht mehr wählen wollen“, lautete eine seiner Ansagen. Nicht zufällig hat sich das BZÖ nun auch den Begriff „Die Freiheitlichen“ zugelegt, wodurch zur Zeit ein wüster Konflikt um die gerechtfertigte Namensnennung erfolgt. Der Ball liegt nun bei der Wahlbehörde. In Kärnten wird das BZÖ das Grundmandat schaffen, in der Steiermark – das weiß auch BZÖ-Chef Gerald Grosz – besteht praktisch keine Chance. Wenn, dann nur über ein Reststimmenmandat. Und auch für dieses müssen erst rund 40.000 Stimmen im BZÖ-Stimmentopf landen. Spitzenkandidatin in der Steiermark ist Karin Gastinger, die bekanntlich mit einem Steirer verheiratet und vor kurzem Mutter geworden ist. Hinter ihr rangiert Magda Bleckmann, vor einigen Jahren noch als die kommende Polit-Frau im Freiheitlichen-Lager gefeiert. Zum Umstand, dass Wolfgang Schüssel am 1. Oktober als Kanzlerkandidat praktisch ungefährdet bleibt und doch er es war, der „Schüssels Lauf“ erst möglich machte: „Es gibt Sonnenseiten und Schattendasein in der Politik. Keiner weiß das besser als er. Im Jahre 99 wählten ihn 210.672 Steirer. Im Jahr 2002 dann der große Absturz: Da waren es nur noch 73.540. Und ab dem 1. Oktober 2006 wird sein oranges Bündnis BZÖ noch mehr ein Schattendasein führen.
Keiner weiß das besser als Jörg Haider (mit steirischem Obmann Gerald Grosz): „Es gibt Sonnenseiten und Schattendasein in der Politik.“
Foto: Rath und Partner
Mag. Gerhard Stingl Verteidiger in Strafsachen Mitglieder der Treuhandrevision der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer
PRIVATSTIFTUNGSRECHT
n Österreich ist seit 01.09.1993 das Privatstif-
Itungsgesetz (PSG) in Kraft. Durch die Einführung der Möglichkeit der Errichtung einer eigennützigen Privatstiftung sollte einerseits der Abfluss von Vermögen in ausländische Stiftungen und andererseits die Zerschlagung wirtschaftlicher Vermögenseinheiten im Zuge von Verlassenschaftsverfahren verhindert werden. Die Stiftungserklärung unter Lebenden bedarf der Form eines Notariatsaktes, die letztwillige Stiftungserklärung zusätzlich der Form einer letztwilligen Verfügung. In der Stiftungserklärung ist zwingend anzugeben, welches Vermögen gewidmet wird, der Stiftungszweck, die Bezeichnung des Begünstigten, der Name und der Sitz der Privatstiftung und die Angaben, ob die Stiftung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit errichtet wird. Bei Familien-Privatstiftungen empfiehlt es sich, von der Mag. Gerhard Stingl Möglichkeit einer Stiftungs- Partner der Kanzlei zusatzurkunde Gebrauch zu Rath · Stingl · Dieter machen. Diese muss im Ge- Rechtsanwälte gensatz zur Stiftungsurkun- Friedhofgasse 20, de dem Firmenbuchgericht 8020 Graz nicht vorgelegt werden und Tel.: 0316/7085 wird deren zentraler Inhalt Fax-DW: 25 im Wesentlichen sein, wer unter welchen VoraussetE-Mail: law-office@rath-partner.at Internet: zungen Begünstigter der www.rath-partner.atStiftung ist und auf welche Personen in der Folge die Begünstigtenstellung übergeht. Der Stiftungsvorstand verwaltet und vertritt die Privatstiftung und sorgt für die Erfüllung des Stiftungszweckes. Als unabhängiges „Kontrollorgan“ hat ein beeideter Wirtschafts- oder Buchprüfer den Jahresabschluss einschließlich der Buchführung und den Jahresbericht der Stiftung regelmäßig zu prüfen. Der Stiftungsprüfer wird durch das Gericht oder (soweit ein solcher vorhanden ist) durch den Aufsichtsrat bestellt. Aufgabe des Aufsichtsrates ist es, die Geschäftsführung und Gebarung der Privatstiftung zu überwachen. Durch all diese Organe ist in hohem Maße gewährleistet, dass der Stiftungszweck entsprechend den individuellen Wünschen des jeweiligen Stifters über Generationen hinweg erreicht werden kann. Darüber hinaus bietet die Einrichtung einer Privatstiftung auch in hohem Maße steuerliche Vorteile gegenüber den traditionellen Formen der Weitergabe von Vermögenswerten unter Lebenden oder im Todesfall. Zur Beantwortung sämtlicher Zivil- und steuerlicher Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Gründung und dem Fortbestand einer Privatstiftung steht Ihnen der Rechtsanwalt Ihres Vertrauens selbstverständlich gerne zur Verfügung. ❖