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Jeder hat seine Wirklichkeit

Von Graz ab mit „Welcome Air“ nach Hannover … … und im Hochgeschwindigkeitszug weiter nach Berlin

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KLIPP-Mitarbeiter auf Kurzvisite in Wolfsburg und Berlin Jeder hat seine Wirklichkeit

Was herauskommen kann, wenn eine Hand voll journalistisch angehauchter Menschen zu einem zweitägigen Bildungstrip aufbricht, lesen Sie im folgenden Bericht. Mit der Welcome Air ging es von Graz über Innsbruck nach Hannover. Dann gab’s einen Abstecher in die Autostadt Wolfsburg. Von dort wiederum mit dem Hochgeschwindigkeitszug in knapp einer Stunde nach Berlin. Die deutsche Hauptstadt erlebte jeder in unserer Reisegruppe auf seine Art und natürlich mit seiner Wirklichkeit. Diese soll in den kommenden Einzelberichten auch wiedergegeben werden. Objektives gibt es nichts zu berichten, denn dann müsste ein Roboter Berlin kennen gelernt haben. Oder vielleicht doch, denn über die Plätze und Orte, wo wir waren, gibt’s keine unterschiedliche Auffassung. Wir waren in Berlin.

Stadt im Aufbruch – Freundlich und ungestresst

Berlin, die Stadt der Kunst, des Entertainments und der grellen Lichter der Leuchtreklamen, der Mauer, gleichermaßen Symbol von Freiheit und Gefängnis. Sie mag wohl die einzige Stadt auf der Welt sein, die innerhalb desselben Jahrhunderts einen Imagewechsel von der finstersten Brutstätte des Nationalsozialismus zu einer der wunderbarsten, blühendsten und interessantesten modernen Städte Europas, wenn nicht der Welt, vollziehen konnte. Und so viel Entwicklungschance, wirtschaftlich gesehen, hat kaum eine andere bestehende Stadt. Wer heute durch die Straßen dieser pulsierenden Metropole schlendert, wird sich dem Charme der Menschen kaum entziehen können. Wir sprechen jetzt nicht von den Juhnkes, die sich im Hotel Kempinski mit schwerer Schlagseite an ihrem Champagnerglas festhalten und dabei versuchen wie ein charmanter Filou auszusehen, sondern von einer Freundlichkeit, die man eher in südlicheren Breitengraden vermutet hätte – ja, diese Großstadtbewohner lächeln einem ungestresst auf der Straße zu und geben einem das Gefühl bedingungslos willkommen zu sein. Berlin, für mich ein Beweis dafür, dass es nicht von der geografischen Grundfläche einer Stadt abhängt, ob es ausreichend Raum für Toleranz, Freiheit, Kreativität und Aufbruchstimmung gibt, sondern einzig und alleine von der Geisteshaltung ihrer Bewohner. Ana Radulovic ■

Armer Berthold Brecht

Bert Brechts Grab am Dorotheenstädtischen Friedhof und die Chausseestraße. Dort befindet sich das Grab „Vom armen B. B.“ (so lautet auch eines von Brechts Gedichten) – seit 1956. Hier ist noch immer irgendwo „Ostberlin“. Wenig prächtig sowohl das einfache Grab als auch der Stadtteil. Fast an die Friedhofsmauer gelehnt der einfache Granitstein, so als bedürfe er einer Stütze, steht auf ihm nichts wie „Bertold Brecht“ zu lesen. Am Friedhof seitlich das „Brechthaus“, ein größeres Gartenhäuschen, Fassade kurz vor dem Bröckeln .... Vielsagendes Elend einer vergangenen DDR-Ikone in Deutschlands Berlin von 2005? Berlin birst beinah vor Spannung, die vor allem Kräne und Baumaschinen antreibt, die der Stadt ein völlig neues Gesicht geben werden. Die berühmte Glaskuppel etwa auf dem Reichstag erlaubt dem „gesamten“ Volk zwar den Blick auf ihre Volksvertreter. „Wessis“ und „Ossis“ sind sich nicht nur bundesweit nicht ganz grün. Wie brachte der „Kapitän“, offensichtlich ein Ostberliner, bei unserer Schiffsrundfahrt den Spruch, der auf dem Bundestagsgebäude prangt, dass das Volk nicht für die Politik, sondern die Politik für das Volk da sei, zum Ausdruck? „Sie haben nur eins vergessen, den Spruch innen aufzuhängen.“ Und dem „armen B. B“, immerhin einer der berühmtesten Dichter des Landes, größere Würdigung zuzugestehen. Helmut Bast ■

Das Kanzleramt mit Albert Einsteins Mahnung an die Politik

Das Holocaust-Mahnmal vor dem Berliner Reichstag

Das Rote Rathaus mit dem Fernsehturm am Alexanderplatz im Hintergrund

Erstmals in einem Flugzeug

Unser Betriebsausflug hatte für mich schon einen schlechten Anfang: Es war mein erstes Mal in einem Flugzeug. Ich war eigentlich gar nicht so besonders nervös, doch ich wusste, dass ich einen sehr empfindlichen Magen habe. Als ich dann die Propeller hörte, spürte ich anfangs ein Kribbeln in der Magengegend, doch dann genoss ich die immense Beschleunigung beim Start. Beim Abheben und Landen umschlang ich meinen Sitz und aus dem Fenster traute ich mich anfangs auch nicht zu schauen, doch ab dem zweiten Flug, nach einer Zwischenlandung in Innsbruck, genoss ich schon – fast – das Fliegen. Zu Berlin gibt es für mich nicht viel zu sagen. Ich kannte vorher noch nicht so eine Millionenmetropole wie Berlin, und nachdem ich aus dem Bahnhof auf die Straße kam, wusste ich, warum ich vorher noch nicht in so einer Stadt war: Es war so stickig, dass ich fast um Luft ringen musste. Alles voller Menschen, voller Autos, voller Smog. Unsere Pension war dagegen sehr schön und hatte ein angenehmes Flair. Ich genoss es, wieder einen vertrauten Dialekt der Chefin, einer gebürtigen Steirerin, zu hören. Die Deutschen reden so eigenartig und umständlich, dass ich das auf Dauer kaum ertragen würde. Aber dasselbe werden sie von uns Österreichern denken. Als ich eine deutsche Zeitung kaufen wollte und nach einer Trafik fragte, schaute mich die Verkäuferin erstaunt an: Das Wort „Trafik“ ist für die Deutschen ein Fremdwort. Zigaretten werden dort in Kaufhäusern oder am „Kiosk“ verkauft. Als ich einen Almradler bestellen wollte, fiel mir der Werbeslogan „Wenn die kan Almdudler ham, …“ ein – auch Almdudler gibt es in Deutschland keinen. Als wir die Stadt besichtigten, fiel mir auf, dass viele der Sehenswürdigkeiten restauriert wurden und daher nicht viel zu sehen war. Fazit: Wenn wir länger geblieben wären, wären sich sicher mehr Besichtigungen ausgegangen und ich würde vielleicht meine negative Meinung über Deutschland ändern. Richard Weiß ■

KLIPP-Mannschaft schnuppert Berliner Luft

Gusto auf mehr

Knapp 24 Stunden sind einfach zu wenig

Es ist kurz vor 19:00 Uhr, wir sitzen in einem Sushi-Lokal und warten ungeduldig, bis die Kellnerin endlich mit der Rechnung kommt. Denn einige von uns wollen unbedingt noch ins KaDeWe – das berühmte „Kaufhaus des Westens“. Na ja, eigentlich wollte ja hauptsächlich ich hin, denn ich habe den Tipp von einem guten Freund bekommen, der in Berlin aufgewachsen ist. Mit „Das musst sehen, die Lebensmittelabteilung ist gigantisch, und eine Auswahl haben sie dort, unvorstellbar ...“ hat er mir das S h o p p i n g - Pa r a d i e s schmackhaft gemacht. Und ich hab’ dann durch Erzählungen die anderen mit meinem Einkaufsfieber sozusagen „angesteckt“. Knapp eine Stunde, bis 20:00 Uhr, hat das Kaufhaus nur noch geöffnet. Jetzt aber schnell zur Bushaltestelle und auf in Richtung Wittenbergplatz. Von außen wenig spektakulär, stehen wir vor dem riesigen Kaufhaus. Nichts wie rein ins Vergnügen. Ich haste kurz in den 6. Stock, um einige Fotos von der gigantischen Lebensmittelabteilung zu machen. Beeindruckt von der Vielfalt und Größe nehme ich die Rolltreppe und durchstreife die Bekleidungsabteilung. Da hin, dort hin, in die Garderobe. Fünf Minuten noch, dann schließen sie. Das geht sich aus. Zufrieden stehe ich vor dem Eingang mit zwei Einkaufstüten und um einige hundert Euro leichter. Aber egal, ich war im KaDeWe. Berlin hat bestimmt ein aufregendes Nachtleben, doch um alles richtig „auszukosten“ fehlte uns leider die Zeit. Also machten wir es uns in einer Kneipe in der Nähe unseres Hotels gemütlich.

Bei Beef-Tartar und „Berliner Weiße mit Schuss“ (Bier mit Waldmeister- oder Himbeer-Sirup) saßen wir gut gelaunt bis in die frühen Morgenstunden zusammen. Nach dieser kurzen Nacht und einem ausgiebigen Frühstück befinden wir uns auf dem oberen Stock des CabiroBusses, der uns in insgesamt zwei Stunden durch die Stadt Berlin schmeckt gut: Das KLIPP-Team genießt die berühmte Currywurst. führt. Eine Stimme im Kopfhörer erklärt uns die unzähligen Sehenswürdigkeiten Berlins. Mein Fotoapparat ist am Heißlaufen. Auch auf der anschließenden einstündigen Fahrt auf der Spree komme ich aus dem Staunen nicht heraus. Für jemanden, der gerne und viel fotografiert, ist das die beste Möglichkeit, tolle Schnappschüsse von der Stadt zu ergattern. „Das muss man sich anschauen, dort sollte man hin, das ist sehenswert“, macht unser Berliner „Captain“ Werbung für seine Heimatstadt. Es gibt so viele Sehenswürdigkeiten, die ich mir gerne näher anschauen würde, doch leider fehlt uns die Zeit dazu. In den drei Stunden haben wir gerade mal im Schnelldurchlauf einen kleinen Überblick über Berlin bekommen. Überwältigt von der Größe der Stadt und ihrer Vielzahl an Bauwerken verlasse ich Berlin, in der Überzeugung: Ich komme wieder! Isabella Hasewend ■

Eine Bootsfahrt auf der Spree sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen.

Geschmeidig und nicht agressiv

Die Zeit ist im täglichen Leben und besonders bei der Arbeit eine Komponente, die immer fehlt. Man muss eine Betriebsreise machen, um zu erkennen, dass die Zeit dehnbar ist. Man kann in kurzer Zeit viel sehen und viel erleben. Wir waren zwei Tage unterwegs, haben große Distanzen, teils per Flugzeug, teils per Bahn bewältigt und sind bereichert nach Hause gekommen. Beeindruckend war die Führung durch die VWAutostadt in Wolfsberg. Fasziniert hat mich die Fahrt mit dem ICE-Zug von Hannover nach Berlin. In weniger als einer Stunde 200 km! Der Zug raste durch die Gegend auch mit 250 km/h! So etwas wünsche ich mir zwischen Graz und Wien. ICE ist bequem, leise, schnell und er fährt ohne zu rütteln und zu schütteln. Und Berlin! Obwohl ich doch so manches über Berlin gelesen und gehört habe, war ich über die Stadt sehr überrascht. Ich musste immer an einen Satz denken, der mir bei der Stadtrundfahrt in den Sinn kam: Die Stadt fühlt sich sehr geschmeidig an. Ich kann nicht sagen,

Seebär mit „Berliner Schnauze“. Ein Gag jagt den nächsten bei der Flussetappe der Stadrundfahrt. warum. Vielleicht empfinde nur ich so. Aber sie wirkt nicht hektisch, nicht aggressiv. Sie ist groß, aber sie macht nicht den Eindruck einer großen Stadt. Bei der Besichtigung mit dem Boot begleitete uns ein „Kapitän“, der hauptsächlich in einem sarkastischen Ton über die Stadt erzählte. Man würde laut seinen Aussagen denken, die Stadtverantwortlichen machen ununterbrochen Fehler. Aber in Wirklichkeit geht es nur darum, dass die echten Berliner einfach sarkastisch sind. Vera Leon ■

Für jeden etwas dabei: Checkpoint Charlie – Erinnerung an die geteilte Stadt … … Lebensart – Erinnerung an KLIPP … … Kaufhaus des Westens – Erinnerung ans leere Portemonnaie.

Steirer gut aufgehoben

Berlin als Millionenstadt hat natürlich an Hotels alles zu bieten, was man sich vorstellen kann. Vom Luxus bis zur „Normalität“ und zum durchschnittlich Erschwinglichen wird alles angeboten. Für die Vermögenden und Reichen gibt es Luxushotels, jene, die weniger in der Brieftasche haben, nächtigen in Standard-Bettenburgen. Daneben aber – und das ist das Erfreuliche – findet man auch versteckte Besonderheiten für die so genannten Individualisten. Dazu gehört auch die 22Zimmer-Hotel-Pension Art Nouveau in der Leibnitzstraße. „Ich komme aus der Steiermark“, freut sich die Frau bei unserem Besuch. Auf ihrem Berufs- und Lebensweg siedelte sich das Ehepaar aus Frankfurt kommend in Berlin an. „Früher bin ich beruflich viel herumgereist und habe mir dabei alle möglichen Hotels angeschaut“, erzählt die gebürtige Steirerin. „Kleine, gut geführte Hotels – das habe ich feststellen können – haben immer ihr Publikum und waren ganz unabhängig vom jeweiligen Tourismustrend stets gut gebucht. Diese Philosophie hat mir gefallen und wir haben uns daher für eine HotelPension entschlossen.“ Der Eingang zum Hotel ist ein unscheinbarer Eingang in einem zentral und doch ruhig gelegenen Bürgerhaus in der Leibnitzstraße, nur wenige Minuten entfernt vom Bahnhof Zoo. Die Zimmer liegen auf zwei Stockwerken verteilt und die alten, hohen und sehr großen Räume geben eine entsprechende Atmosphäre ab. Jedes Zimmer ist mit vielen Details und viel Gefühl anders eingerichtet und gestaltet. Man hat fast das Gefühl, bei Freunden oder Bekannten auf Besuch zu sein. Die einem dann als Gast auch noch ein reichhaltiges, gut sortiertes Frühstück mit vielen Kleinigkeiten für den verwöhnten Gaumen servieren. Sie freuen sich dann über den mitgebrachten Schilcher und über das Verhackert und sind einfach froh, wieder einmal mit Gästen aus der alten Heimat plaudern zu können und ihnen als Gastgeber den Aufenthalt möglichst angenehm zu gestalten. Jürgen Lehner ■

Hotel Art Nouveau: Jedes Zimmer ein Unikat

Ganz persönlich gesehen

Eine zweitägige Deutschlandreise, und dann gerade mal ein bisschen Autostadt und ein bisschen Stadtrundfahrt in Berlin? Ha! Ich sah mich vor meinem geistigen Auge schon stundenlang in irgendeinem Café sitzen und die mehreren Zillionen deutscher Biersorten verkosten, Zeit würde ich gewiss reichlich haben. Das war ja wohl nichts. Wir hatten volles Programm und haben trotzdem fast nichts gesehen. Und dann habe ich auch noch unnötigerweise mehrere Stunden im KaDeWe verbracht. Oberster Stock: Futter. Nicht uninteressant, bis der Organismus die Geruchsmischung von Fisch, Fleisch und aromatischen Süßspeisen endlich mit angemessener Übelkeit quittiert. Und sonst? Klamotten, Schuhe, Schmuck, pipapo. Nichts wie weg. Abends griff ich die Idee mit der Bierverkostung wieder auf, schaffte aber nur (abgerundet) zwei Sorten. Das lag daran, dass wir erst viele Stunden durch Berlin marschieren mussten und bei jeder potenziellen Verkostungsstätte irgendjemand große Bedenken äußerte, ob wir wirklich ausgerechnet hier einkehren sollten. Die kriegsbedingte Redaktionsauflösung stand unmittelbar bevor. Letztendlich entschieden wir uns originellerweise für die „Leibnitzklause“, die ungefähr dreißig Wegsekunden von unserem Hotel entfernt lag. Gute Wahl. Am nächsten Tag noch die Stadtrundfahrt, schnell das Herz an Berlin verloren, Currywurst und ab nach Hause. Das nenn’ ich eine Stadt! Paul Scherübel ■

Seit gestern wieder einen Koffer in Berlin ...

Für uns Österreicher ist die ehemalige Reichshauptstadt einfach ein Moloch. Ich war vor 20 Jahren da und damals von der Schizophrenie der geteilten Stadt elektrisiert. Heute ist Berlin eine moderne Weltstadt mit einer umwerfenden Architektur. Alte Bausubstanzen, liebevoll und mit typisch deutschem Perfektionismus restauriert, wechseln mit modernen Zweckbauten, die sich fast selbstverständlich in die bestehenden Ensembles einfügen. Natürlich imponiert der gute alte Ku’damm noch immer mit seinen luxuriösen Einkaufstempeln – doch das Herz der Stadt schlägt schon längst links – rund um den Reichstag, das Brandenburger Tor die neue – alte Prachtstraße „Unter den Linden“ bis hin zum Alex mit dem über 360 Meter hohen Fernsehturm und der imposanten Museumsinsel, auf der gerade Nofretete zu Gast ist. Berlin zeigt – auch wenn die nationale Presse schon Abgesänge angestimmt hat –, dass Deutschland noch immer reich ist. Sehr reich, wenn es an den städtebaulichen und architektonischen Schönheiten gemessen wird. Und zum Abgesang –Berlin war immer am schönsten, wenn es der Stadt nicht so gut ging. Darum hab ich seit gestern wieder einen Koffer in Berlin – oder liegt er einfach noch im GepäcksAbteil unserer Dornier der Welcome-Air, die unser perfekter Reisebegleiter war? Hermann Huemer ■

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