
18 minute read
Reportage: Südafrika – Eine Welt in einem Land


Advertisement


Fotos: M. K. P.

Südafrika beeindruckt mit einer unglaublichen Vielfalt, aber erschreckt den Besucher auch mit seinen brisanten Gegensätzen in der Gesellschaft. Doch davon später. Seit dem Ende der Apartheid erlebt das Land einen gewaltigen Veränderungsprozess. Was sich nicht verändert hat, das ist die Natur, die die Besucher fasziniert. Mit seiner abwechslungsreichen Landschaft, seiner artenreichen Tierwelt und seiner üppigen Vegetation gehört Südafrika ganz sicher zu den schönsten Ländern auf dieser Erde. Eigenartig wirkende kleine Dörfer, inmitten blühender Wiesen und sonni-
Eine Welt in Eine Welt in

Ein KLIPP-Special

von Jürgen und Heinz Lehner
ger Weingärten, stehen endlosen Mondlandschaften in der Wüste Kalahari gegenüber. Über tausend Kilometer herrliche Strände mit feinkörnigem Sand und bizarren Klippen laden zum Baden ein, während die Berge im Inneren des Landes für Bergsteiger und Wanderer wie gemacht scheinen. Pulsierende Städte wie Kapstadt, Johannesburg, Durban mit ihren Hochhäusern und allen negativen Begleiterscheinungen von Großstädten prägen das Bild ebenso wie die über Jahrtausende tradierte Bauweise in den kreisrund angelegten Zulu-Kraals. Bei einem Besuch der Weinregion um Kapstadt zieht man unweigerlich den Vergleich zur

n einem Land n einem Land







Eine Protea – nationales Symbol
Steiermark. Der einzige Unterschied: Alles ist größer, weitläufiger, aber sonst ziemlich „europäisch“. Die Flora in der Kap-Provinz gilt als einzigartig auf der Welt. Sie ist klimatisch vergleichbar mit den Mittelmeerländern Südeuropas und Nordafrikas. Die heißen, trockenen Sommer, besonders aber die angenehmen, milden Frühjahrs- und Herbstmonate locken zigtausende von Besuchern aus dem Binnenland, aber auch aus Europa an. Traumhafte Golfanlagen tragen das ihrige dazu bei. Da kann es schon passieren, dass nur wenige Meter abseits vom Grün sich Affen tummeln, doch keine Krokodile wie etwa in Florida in den USA. Einmalig ist aber auf jeden Fall auch die Tierwelt. In den nördlichen Landesteilen, in den Savannen und Grassteppen findet man das ganze Spektrum. Elefanten und Nashörner, Antilopen und Leoparden, die scheuen Geparden und eine bunte und vielstimmige Vogelwelt. Sie sind seltener geworden, die Zebra- und Antilopenherden in riesigen Weidegründen, doch es gibt sie noch in der Kalahari, dem größten Steppenwüstengebiet Südafrikas. Eine Fahrt an der Küste entlang macht auch deutlich, wie vielfältig die Meeresfauna ist. Die kleinen Kap-Robben sieht man zu tausenden, die gewaltigen See-Elefanten logischerweise selten, doch Haie und jede Art von Fischen bewohnen die Meeresregion. Strenge Naturgesetze schützen die bedrohten Tier- und Pflanzenarten. Aber dennoch, der wirtschaftliche Fortschritt und die vorrangige Sicherung der Ernährung machen

den Umweltschutz schwierig, wird dieser doch von den armen Bevölkerungsschichten als Luxusgut der Ober- und Mittelschicht angesehen.
K a r o o u n d K a l a h a r i
Wir Europäer denken bei Wüsten an Sand und noch einmal an Sand und an keine Vegetation. Die südafrikanische Wüste ist eine Halbwüste. Auf der 1200 km langen Autofahrt von Johannesburg nach Kapstadt erlebt man das zur Genüge. Die Karoo ist charakterisiert durch baumlose Weiten, graslose Fluren mit weit auseinander stehenden Halbsträuchern, sandige oder

Die Weinregion um Kapstadt


Waterfront in Kapstadt mit Tafelberg

Österreicher lenkt größte Hotelkette Südafrikas Für Siegerpreis nach London
Nichts in Otto Stehliks Büro in Kapstadt deutet darauf hin – weder von der Größe noch von der Einrichtung her –, dass man da dem Chef von Südafrikas erfolgreichstem und am raschesten wachsendem Hotelkonzern gegenübersitzt. Otto Stehlik lenkt einen der großen internationalen nichtamerikanischen Hotelkonzerne, mit rein südafrikanischer Eigentümerschaft – die Protea Hotel Group. Als Executive Chairman kontrolliert Otto Stehlik – er ist Österreicher – die Gruppe. Sie betreibt 130 Hotels in 13 Ländern. Er ließ die Kollegen, „Amis“ und Europäer, hinter sich. Begonnen für ihn hat alles in einem Luxushotel in Kapstadt im Jahr 1970, nachdem er mit seiner britischen Frau und einem Kleinkind nach Kapstadt gekommen war. Schon im Jahr 1976 war er Generaldirektor dieses Hotels. Auch in der Steiermark – es klingt zwar ein wenig seltsam, aber es ist so – überlegt Stehlik mit Partnern ein Hotel zu eröffnen. Und zwar in der Dachstein-TauernRegion. „Die Gespräche laufen gut“, verweist er auf seine Kontaktpartner, den ehemaligen Royer-Hoteldirektor Travnicek und ExBürgermeister Hermann Kröll. Beide sind ja exzellente Kenner der Region mit besten Verbindungen. Otto Stehlik hat die Zeichen der Zeit in Südafrika sehr früh erkannt und in seiner Hotelgruppe auch dementsprechend gehandelt. Er weiß, was sicher nicht funktionieren kann: „Wenn ein Hotel weiße Eigentümer, weißes Management und weißes Personal hat.“ Die Struktur im Personal, aber auch in der Eigentümerschaft muss die Bevölkerung widerspiegeln. In Südafrika nennt man das „Black Economic Empowerment“. In den nächsten acht bis zehn Jahren müssen die Unternehmen „mehrfärbig“ werden. „Erfolg ist eine Straße und nicht eine Destination“, sagt Otto Stehlik. Daher fokussiert sein Konzern das Interesse auf Standorte in Afrika und Europa, aber nicht in den USA. „Wir haben überall dort starkes Entwicklungspotential. Das schafft uns viele Möglichkeiten zur Entwicklung“, erklärt Otto Stehlik, der drei Monate des Jahres in London lebt und dort von seinem Büro aus die nötigen strategischen Entscheidungen vorbereitet.
Gründer und Chef Otto Stehlik bei der Übergabe des „World Travel Award“ für die „Protea Hotel Group“


Für Golffans eine Traum-Destination. Im Bild: Sun City
steinige Ebenen. Dazwischen vereinzelt Windräder als Zeichen menschlichen Wirtschaftens, denn Farmen sind in dieser Gegend selten. Es gibt geringen Niederschlag das ganze Jahr über und vieles ist von Schafen und Kühen kahl gefressen und zertrampelt. Die Menschen ziehen allmählich ab, weil die Bewirtschaftung des Bodens immer schwieriger wird. In der kleinen Karoo wird noch die Straußenzucht betrieben – in der Stadt Oudtshoorn, die rund 50.000 Einwohner aufweist. Der Laufvogel brachte Reichtum in diese Region und lockt auch noch heute die Touristen an. Und die Kalahari? Sie ist zwar beinahe menschenleer, aber für die Tierwelt ist sie einer der großen Rückzugsräume und Naturräume im südlichen Afrika. Und in der besten Besuchszeit zwischen März und Oktober begeistert einfach nicht nur die Vielfalt der Natur, sondern auch die Tierwelt. Heute noch leben dort Buschmänner, die sich den Lebensgewohnheiten der Kalahari als Jäger und Sammler angepasst haben. We l l b l e c h ü b e r, R e i c h t u m u n t e r d e r E r d e
Die schwarzen Minenarbeiter sind ein Bild, das sich bei vielen eingeprägt hat. Südafrika ist ein reiches Land, betrachtet man neben den Naturlandschaften auch seine Bodenschätze wie Gold und Diamanten, Platin und Vanadium, Eisenerz und Steinkohle. Der seit 1994 apartheidlose Staat ist eines der wichtigsten Bergbauländer der Welt, die wichtigste Wirtschaftsmacht in Afrika selbst, also eine führende Industrienation. Die Verkehrswege und die Hafenanlagen sind daher so entwickelt wie in Europa. Doch mit dem Reichtum kommen auch die Probleme. Die Städte sind geprägt durch gepflegte Wohngebiete der Ober- und Mittelschicht, heute auch schon mit vielen schwarzen Bewohnern. Daneben gibt es aber ebenso die unkontrollierbaren, wachsenden Wellblechsiedlungen der Armen. Die Ghettos sind für Europäer nicht zu verstehen, weil es an allen sanitären Einrichtungen fehlt. Unübersehbar sind allerdings die Antennen für den Fernsehempfang. Erste und vierte Welt sind dort gleichzeitig zu Hause. Die Intensivierung der Landwirtschaft durch den Einsatz von Chemikalien, die Bodenzerstörung durch Raubbau auf Farmen und in den von Kleinbauern übervölkerten Gebieten, aber auch der sorglose Umgang mit den begrenzten Wasservorräten bedrohen die natürlichen Ressourcen. Das Umweltbewusstsein bei der Mehrheit der Bevölkerung –und das sind von den 45 Millionen etwa 40 Millionen Schwarze und Farbige – ist kaum entwickelt. ■
8020 Graz • Annenstraße 42 Tel.: (0316) 81 23 81, Fax: (0316) 81 23 92 E-mail: Graz@ascag.net

Die Katastrophe – 2.000 sterben täglich an Aids In eine farbenblinde Zukunft?

Quelle: Sappi
Südafrika ist auf dem steinigen, beschwerlichen Weg in eine farbenblinde Zukunft. Es gibt keine erfolgversprechende Alternative dazu. Vieles ist paradiesisch, vieles aber auch ein Alptraum. Wie die Kriminalität oder die Tatsache der Todesseuche Aids. Geschätzte 15 Prozent der rund 45 Millionen Einwohner sind bereits HIV-infiziert. Der hochbetagte, schwer kranke Ex-Präsident ist auch heute noch für die Welt eine Ikone für Versöhnung und Frieden. Der Versuch, dieses Land auf einigen Seiten zu charakterisieren, muss mangelhaft bleiben.
Denn jeder hat sein Bild von Südafrika im Kopf. Der Weitgereiste weiß, dass es dort herrliche Golfplätze und Tierparks gibt, mit aufregenden Safaris. Der Genießer wiederum denkt an die Kap-Region mit ihrer unvergesslichen Bilderbuch-Landschaft und den süffigen Weinen, wie bei uns zu Hause. Andere wiederum denken bei Südafrika an Schwarze, die sie noch immer „Neger“ nennen, an Wüste, an Aids, an Gold- und DiamantenMinen, an hektische weiße und schwarze Geschäftsleute, an die furchtbaren Zustände in den Ghettos von Soweto, an die gut abgeschirmten, traumhaft gelegenen Wohnparks, Luxusvillen der reichen Südafrikaner. Alle diese Bilder stimmen, sie sind allerdings nur ein kleines Fenster zu einem Land, das seit 1994, als es der Apartheid abschwor, eine gewaltige Entwicklung genommen hat. Es gibt eine funktionierende Demokratie, mit der Allmacht des schwarz-dominierten ANC (African National Congress). Die Opposition tut sich schwer, sich auch dementsprechendes Gehör zu verschaffen. Die Regierung versucht, unabhängige Medien unter Druck zu setzen, wenn sie beschreiben, was im Land läuft. Das in der Verfassung verankerte Grundrecht zur freien Meinungsäußerung wollen etliche hohe ANC-Leute als Grundrecht zu einer „verantwortungsvollen freien Rede“ verstehen. Was immer das bedeuten soll. Früher, als der ANC noch im Exil und in der Opposition war, international großzügig unterstützt, war das o.k. Heute spricht die schwarze Regierung von einem unzumutbaren, schädlichen fremden Einfluss.
K o r r u p t o d e r n i c h t ?
Südafrika steht eine gewaltige Kraftprobe und Prüfung bevor. Korruption ist an der Tagesordnung, erstmals geht es in einem Fall um den zweithöchsten Mann im Staate. Der Vizepräsident Jacob Zuma musste zurücktreten, steht nun vor Gericht und forderte von der Regierung, dass diese nun seine Verteidigungskosten bezahlt. Der ANC ist praktisch gespalten in zwei Lager. Denn der Ex-Vizepräsident ist ein Mann des Volkes, der viele Jahre im Gefängnis saß. Staatspräsident Mbeki hingegen gilt als Partei-Aristokrat. Selbst der greise Nelson Mandela versucht zu besänftigen und warnt vor einem verhängnisvollen Bruderkampf. Jede Seite mobilisiert ihre Anhänger. Der politische Background dazu: Mbeki kann nicht noch einmal Staatspräsident werden, da er sich bereits im zweiten Umlauf befindet. Ex-Präsident Zuma macht sich Hoffnungen. Mbeki könnte aber ANC-Präsident bleiben. Damit wäre seit der Unabhängigkeit dies das erste Mal, dass es eine Trennung von Staatspräsident und ANC-Präsident gibt. Nelson Mandela hatte auch beide Funktionen inne. Aufgedeckt wurde dieser Skandal von den „Scorpions“ – einer Spezialeinsatztruppe, die dem Justizminister untersteht. Diese will man nun in die Polizei integrieren, weil sie offensichtlich bisher zu unabhängig und selbstständig agierte und nun für den größten Skandal in der Regierung „der Auslöser“ war.

Kein Haus ohne Alarmanlage. 250.000 Security-Guards sollen Eigentum schützen. Oft kommen sie aber zu spät. Auch das gibt es: gut gemeint, doch ob es hilft?
I m K e r n s t a b i l
Das junge Südafrika ist ein stabiler Staat, aber zu den Rändern hin wird er brüchig, mit einer rund 30-prozentigen Arbeitslosigkeit. Was diese auslösen kann, zeigt Frankreich. Die große Täuschung: L a w - a n d - O r d e r - Ve r f e c h t e r glauben, dass man zuerst die

Die 5-Millionen-Stadt Johannesburg wächst und wächst. Schwarze sehen die Chance zum Aufstieg nur in den Städten.
Kriminalität besiegen müsse und dass es dann auch Arbeit geben werde. Im alten Regime der Apartheid regierten rund fünf Millionen Weiße das Land. Nun dominieren schwarze Eliten den Staat. Allmählich wächst damit auch eine schwarze Mittelschicht heran. Doch die Gier der ersten Generation sorgt für viele Skandale. Und der Spirit der ersten Jahre ist verloren gegangen. Ähnlich wie in Deutschland nach dem Mauerfall. Schwarzseher prophezeiten Südafrika ein Blutbad nach dem Ende der Apartheid, dieses blieb zum Glück aus. Mit fundierter, offener Kritik kann der ANC schwer umgehen.
E i n e G e n e r a t i o n s t i r b t w e g
Um den kleinen, 5-jährigen Renaldo kümmert sich seine „Granny“ (Oma). Die zarte Debbie, Vollwaise, ist seit Monaten hier untergebracht. Beide Kinder werden im riesigen Tygerberg Hospital in Kapstadt betreut; auf der Kinderabteilung für Infektionen, denn offiziell gibt es in Südafrika keine AidsStationen. Die Schwestern und Ärzte kümmern sich dort rührend um die zwei Dutzend Babys, Kinder und Jugendlichen, die sie aufnehmen können. Diese sind fast so etwas wie privilegiert. Zwischen 30.000 und 50.000 HIV-positive und aidskranke Südafrikaner werden offiziell betreut. „500.000 müssten es sein, damit man diese Seuche in den Griff bekommt“, sagt Sebastian Hippler. Er ist Pfarrer der katholischen Gemeinde in Kapstadt und hat mit Sponsoren das Projekt „Hope“ gestartet. Damit wird auch die Behandlung von Kindern im Tygerberg Hospital unterstützt. „Die Dramatik ist unvorstellbar, es stirbt fast eine Generation weg“, berichtet Hippler. Die Opfer sind zwischen 15 und 45 Jahre alt, 75 Prozent der HIV-Positiven sind Frauen. Es dauert rund 6 bis 8 Jahre, bis die Krankheit voll ausbricht. Franka Umbarti, 24, aus den Townships in Kapstadt wartet auf die Untersuchung. Sie ist wieder schwanger, das zweite Kind unterwegs. Unverantwortlich? „Kinder gehören hier einfach zum Leben“, sagt die Ärztin im Spital. All jene, bei denen Aids noch nicht ausgebrochen ist, glauben nicht wirklich daran, sterben zu müssen, weil sie ja lange Zeit nicht wirklich dadurch beeinträchtigt sind. Durch die Kinder hoffen sie selbst wiederum versorgt zu werden. Und außerdem erhält jeder offiziell anerkannte HIVPositive rund 90,– Euro monatlich als Unterstützung vom Staat. Das ist sehr viel Geld für die Familien, bei einer Arbeitslosigkeit von 35 bis 40 Prozent unter den Schwarzen und bei einem Monatseinkommen, das oft darunter liegt. Der Aufruf zur Verwendung von Kondomen bewirkte vor Jahren das Gegenteil, weil es hieß, dass er rassistisch motiviert gewesen sei, weil Aids eben nahezu nur Schwarze und Farbige betrifft.

Auch die schwarze Elite und der Mittelstand können sich solche Oasen bereits leisten.
M e d i z i n m ä n n e r s o l l e n h e l f e n


Pfarrer Sebastian Hippler startete mit der Hilfsorganisation Hope nun ein völlig neues, kleines Projekt. Rund ein Dutzend Medizinmänner, „Sangomas“ (traditionelle Heiler), aus mehreren Townships von Kapstadt wurden im Tygerberg Hospital kaserniert und für sechs Wochen geschult. Diese werden ja von den HIV- und AidsKranken in den Townships aufgesucht und viele von ihnen versprechen sie zu heilen. Die Krankheit sei eine Botschaft der Vorfahren, heißt es dann. Mit ihren Naturheilmedikamenten gelingt es, die Symptome in einer Frühphase auch vorübergehend zum Verschwinden zu bringen. Was zu falschem Optimismus führt. Die Sangomas werden nun mit den Dingen um Aids vertraut gemacht und sie sollen HIV-Positive einfach an die Tageskliniken der Hilfsorganisationen in den Townships übermitteln. „Mediziner und Offizielle stehen dem Projekt sehr skeptisch gegenüber“, sagt Pfarrer Sebastian Hippler, der selbst
HIV-positiv und Waisen: Renaldo, Debbie und die kleine Maria. Auf der Infektionsstation des Tygerberg Hospital in Kapstadt

natürlich an den Erfolg glaubt. Die Sangomas müssen gleichsam über ihren Schatten springen, weil damit ja auch ihre „Allmacht“, ihr Ruf und ihr Einkommen – jeder Gang zum Heiler kostet was – leiden kann und wird. Es ist nicht übertrieben, wenn man behauptet, dass Aids Südafrika in die Knie zwingen könnte. Es ist grotesk: Selbst Staatspräsident Mbeki und seine Mini-
ster bezweifeln, dass Aids durch Sex übertragen wird. Dementsprechend verhält sich auch ein Großteil der schwarzen Bevölkerung. Offiziell stirbt niemand in Südafrika an Aids. Einzig Nelson Mandela „bekannte“ sich öffentlich dazu, weil sein Sohn vor rund zwei Jahren an Aids verstarb. Andere afrikanische Staaten reagierten da vernünftiger. In Uganda, aber auch in Niger gehen die Zahlen zum Glück stark zurück, weil dort eben selbst der Staatspräsident auf Plakaten für Kondome wirbt.

A r b e i t s l o s i g k e i t h o c h
„4 Prozent Wachstum in unserer Wirtschaft sind leider nicht genug, um die Arbeitslosigkeit zu senken“, sagt der Präsidentensprecher bei einer Pressekonferenz. Je nach Definition und Betrachtungsweise sind 4,3 Millionen im strengeren Sinn und 8,1 Millionen im erweiterten Sinn arbeitslos (40 Prozent). Denn Millionen machen keine Anstrengungen, sich eine Arbeit zu suchen, bzw. haben eine Arbeit, die nicht zum Leben reicht, und sind am Schwarzmarkt bei Firmen beschäftigt, die nicht registriert sind. Dies wiederum führt zu einer starken Beanspruchung von Sozialhilfe. Rund 12 Millionen erhalten in Südafrika irgendeine Form von Unterstützung durch den Staat.

Das Tragen von Waffen ist erlaubt. Die blühende Jacaranda, Lieblingsbaum der Südafrikaner. Zu optimistisch: Ein Haus für jede Familie versprach bereits Nelson Mandelas Regierung.
K r i m i n a l i t ä t i s t e r s c h r e c k e n d f ü r e u r o p ä i s c h e Ve r h ä l t n i s s e
Jedes Haus, jedes Bürogebäude ist mit dem Schild „Top Security, armed response“ (Bewaffnete Antwort) versehen. Mit hohen Zäunen und Gittern, aber auch mit Wachpersonal schützt man sich vor Einbrüchen, Überfällen. Rund 140.000 Polizisten sollten für die Sicherheit sorgen. Sie sind zum Teil schlecht ausgebildet und auch die Korruption ist ein Thema. Mit Unterstützung der EU sollen weitere 20.000 ausgebildet werden, doch das alles reicht nicht. Ein gewaltiger Geschäftszweig sind die mehr als 7500 Sicherheitsunternehmen. Diese beschäftigen etwa 250.000 SecurityGuards. Ohne sie würde nicht einmal jenes Ausmaß an Schutz vorhanden sein, das es heute gibt. Doch selbst dieses Sicherheitsnetz reicht nicht. Die Zahl der Gewaltverbrechen insgesamt steigt leider.
D i e G e w a l t b i l a n z
22.000 Morde (1995: 26.000) 36.000 Mordversuche (1995: 29.000) 11.000 Fälle von Totschlag (1995: 12.600) 126.000 Raubüberfälle (1995: 84.000) 60.000 Vergewaltigungen
Das Verhältnis pro 100.000 Einwohner: Morde: Großbritannien 1, Südafrika 48, Russland 21 Vergewaltigungen: Japan 1,4, Ghana 4,8, Frankreich 16,4, Südafrika 104,6 Raubüberfälle: Großbritannien 170, Südafrika 450 M e h r h e i t d e r Ve r b r e c h e n k o m m t n i e v o r G e r i c h t
Das sind alles Entwicklungen, die uns Europäer völlig schockieren, weil auch die GesamtZahl der Verbrechen auf 2.650.000 geklettert ist (1995: 2 Millionen). Schlimm geht es auch in Gefängnissen zu: Mehr als 2.000 Tote gab es dort im letzten Jahr (1995: 180). Gesunken ist nur die Zahl der Gefängnisflüchtlinge: von 1.250 auf 180. Mitverantwortlich für diese Kriminalität ist die Tatsache, dass nur ein geringer Prozentsatz aller Verbrechen vor Gericht kommt: 11 Prozent der Mordfälle, 5 Prozent bei Vergewaltigungen, 3 Prozent der Raubüberfälle enden mit einem Schuldurteil. Für uns gar nicht begreifbar: Rund 75 Prozent der Verbrechen kommen nie vor Gericht! Dies hängt damit zusammen, dass die schlecht ausgebildete Polizei nicht in der Lage ist, die Taten entsprechend aufzubereiten und damit dann auch vor Gericht die nötigen Verfahren umzusetzen. Als Bewohner und noch mehr als Tourist muss man allerdings stets darauf achten, in welcher Region, in welchem Stadtteil usw. man sich bewegt. Etwas drastisch bringt es eine Südafrikanerin auf den Punkt: „Wir leben in einem gut bewachten Gefängnis.“ Etwas zynisch. Die Regierung selbst versucht natürlich, der Bevölkerung jeden Rückgang der Kriminalität als Trendwende zu präsentieren. Im internationalen Vergleich schneidet Südafrika aber selbst unter afrikanischen Ländern in vielen Bereichen – was die Kriminalität betrifft – sehr, sehr mäßig ab.
Ve r s p r e c h e n i s t n i c h t z u h a l t e n
Ein spezielles Problem sind die Gewaltverbrechen in der Landwirtschaft. Jährlich werden Farmen überfallen, im gesamten Jahr waren es immerhin 1000 und davon kam es zu 100 Morden. In den letzten acht Jahren sind immerhin 1300 Farmer auf diese Weise umgekommen. Die Reform der Landwirtschaft als solche ist ein großes Thema, insbesondere die Landreform. „Das ist stark emotional besetzt“, sagt der Ökonom Paul Millen. Wobei die schwarze Bevölkerung außerhalb der Städte nicht so stark am Besitz von Land interessiert ist wie eben in den Städten und Dörfern. Denn da geht es eben um die Möglichkeit, auf einem solchen Stück Land auch ein Haus zu bauen und dort die nötige Infrastruktur vorzufinden. Das ist ständig ein Streitpunkt, da ja vor Jahren Nelson Mandela und seine Regierung versprachen, jeder Familie ein Haus zu errichten. Natürlich nicht nach europäischem Standard. Dennoch ein Versprechen, das nie und nimmer eingelöst werden kann. Und damit ist trotz der Verbesserungen die Quelle für Unzufriedenheit nicht zu beseitigen. ■
